Verderben
Der Vorfall lag einige Wochen zurück, als Hapuseneb die privaten Wohnräume Breoris aufsuchte, um ihm etwas zu zeigen. Schon auf dem Hinweg verwunderte ihn die überaus große Präsenz der Garde. Als er die Räumlichkeiten betrat, bemerkte er gleichzeitig mehrere Palastwachen, den auf dem Boden liegenden Breori, sowie einen Hauptmann, der etwas golden Glitzerndes mit der Hand schwenkte.
"Und wie ist dies hier in deinen Besitz gelangt? Behaupte nicht, das wüsstest du nicht, schließlich ist hier deine Wohnstatt!"
Fassungslos betrachtete Hapuseneb die Szene. "Los! Führt ihn ab!", befahl der Hauptmann der königlichen Garde.
Breori wurde, umringt von mehreren Wachen, abgeführt.
Hapuseneb machte sich sofort auf den Weg zum Pharao, nach einiger Zeit, die ihm endlos erschien, wurde er eingelassen.
Der Pharao und seine Berater waren anwesend, außerdem noch zwei Hofschreiber.
"Du weißt, wie mein Beschluß lautete, Hohepriester Hapuseneb! Dieses Mal gibt es keine Entlastung. Erneut wurde ein Grab geschändet, aus welchem Gegenstände im Privatbereich des Steinmetzes Breori wiedergefunden wurden."
Hapuseneb wollte etwas entgegnen, ließ dann jedoch niedergeschlagen die Schultern sinken. Der Pharao hatte recht, diesmal konnte er nichts mehr tun.
"Da Breori ein enger Freund von dir und du mir in all den Jahren ein loyaler Gefolgsmann gewesen bist, lautet das Urteil folgendermaßen: Der Steinmetz Breori wird morgen früh bei Sonnenaufgang enthauptet, anstelle der sonst für dieses frevelhafte Verbrechen üblichen Bestrafung. Der Hohepriester Hapuseneb verliert sämtliche Titel und Besitz. Er wird in die unwiderrufliche Verbannung geschickt, sollte er je wieder ägyptischen Boden betreten, erwartet ihn die Todesstrafe."
Ein Diener trat mit einem hölzernen, mit Edelmetall beschlagenen Tablett vor; Hapuseneb entledigte sich seiner Insignien und legte sie wortlos ab.
Der Pharao nickte und entließ seinen Hofstab. Er erhob sich und blieb erst kurz vor Hapuseneb stehen.
"Auch ich bedauere zutiefst, was geschehen ist, geschehen wird, geschehen muß. Auch ich verliere einen Freund am morgigen Tag."
Hapuseneb verneigte sich. "Mein Pharao, Stier des Amun, MaatKaRe, gewährt ihr mir noch eine Bitte?" Der Pharao nickte.
"Laßt mich diese letzte Nacht bei Breori verbringen, laßt mich ihn noch einmal sehen, lasst ihn nicht diese eine Nacht alleine im Kerker verbringen. Ich flehe euch an!" Er kniete, mit gesenktem Haupt, nieder. Der Pharao legte ihm seine Hand auf den Scheitel. "Dein Gesuch sei dir gewährt." Er wandte sich um und beschrieb eigenhändig ein Papyrusblatt, das mit dem Siegel des Einen verschlossen wurde. Schweigend übergab er Hapuseneb die Schriftrolle, seine Augen spiegelten Trauer und Mitgefühl wider. Hapuseneb ergriff das Pergament und verneigte sich ein letztes Mal vor seinem Pharao.