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In die Arme des Bösen

Wichtelgeschichte für Sturmdrache
von

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Chapter Six

„Oh sieh nur! Die Wolke sieht aus wie ein Fisch!“

 

Glucksend folgte Kyojuro dem ausgestreckten Finger seines Bruders, um den angeblichen Fisch zu betrachten.

 

„Nein, das sieht vielmehr aus wie eine Kerze!“

 

„Was?“, empörte sich Senjuro fast ein wenig. „Das ist eindeutig ein Fisch!“

 

Vielleicht sah Kyojuro auch den Fisch und nutzte den Moment einfach nur, um seinen kleinen Bruder ein wenig zu necken. Sie kamen viel zu selten zu solchen Momenten. Momente, in denen Senjuro nicht nur ruhig und zurückhaltend war, sondern aus sich herauskommen konnte. Momente, in denen Kyojuro ganz eindeutig sah; sein Bruder könnte ein genauso großartiger Schwertkämpfer sein, wie ihr Vater oder auch Kyojuro selbst.

 

Er bräuchte nur etwas mehr Selbstbewusstsein.

 

Vielleicht war es Kyojuro's Verschulden, dass Senjuro dieses nicht besaß. Vielleicht hatte er ihn zu früh alleine mit ihrem Vater gelassen – hatte zu früh zugelassen, dass er unter dessen schreckliches Verhalten litt. Kyojuro war immer schon recht charakterstark gewesen, er hatte andere Zeiten gekannt, an die er sich bis heute erinnerte. Sie gaben ihm Kraft, spendeten ihm Hoffnung in den dunkelsten Zeiten.

Dabei hatte er vielleicht ganz vergessen, dass dies bei Senjuro anders war.

 

„Na ja ... ein bisschen sieht es vielleicht nach einem Fisch aus“, lenkte Kyojuro ein wenig ein. „Aber ich finde, eine Kerze könnte man auch darin sehen.“

 

„Ich glaube nur du kannst da etwas anderes sehen, als einen Fisch, Aniue.“

 

„Dann habe ich wohl einfach mehr Fantasie als du!“

 

„Hmpf ...“

 

Als Kyojuro den Kopf drehte, konnte er bereits sehen, wie Senjuro etwas schmollte. Was ihn nur noch mehr zum Kichern und Glucksen brachte.

 

„Schmollst du jetzt?“

 

„Nein.“

 

„Oh doch, du schmollst. Eindeutig.“

 

„Nein!“

 

„Wenn du das sagst ... dann hast du sicherlich nichts dagegen, wenn ich ...“

 

„Wenn du was?“

 

„-dich kitzel!“

 

„Wa- ne-nein! Kyojuro!“
 

Er respektierte seinen kleinen Bruder, so wie es jeder große Bruder tun sollte. Zeitweise schob er diesen Respekt aber beiseite, um Senjuro stattdessen durchzukitzeln. Er war wirklich froh darüber, dass er jetzt wieder genug Kraft dazu hatte, sich über Senjuro zu rollen und dessen kleinen Körper an den richtigen Stellen zu kneifen und zu kitzeln, sodass sich dieser bald schon unter ihm rollte und räkelte, während das Gesicht immer röter anlief und das Gelächter im Wald widerzuhallen schien.

Doch schließlich hörte er auf, als sogar Tränen über das Gesicht von Senjuro rannen und dessen Rufe nach ihm fast schon verzweifelt wurden.

Selbst etwas lachend, setzte er sich wieder neben seinen Bruder, welcher langsam zu neuen Atem kam und sich beruhigte.

 

„Da-das ... war fies!“, warf er ihm daraufhin auch gleich etwas jammernd vor.

 

„Vielleicht ein wenig“, schmunzelte Kyojuro weiterhin.

Sanft streichelte er durch das auffällige Haar seines Bruders, welcher immer noch etwas schwer zu atmen schien. Er lehnte sich schließlich wieder zurück und entspannte sich in den letzten Sonnenstrahlen, die auf sie niederregneten.

„Ich denke, wir sollten dann langsam die Heimreise antreten. Es ist später geworden als gedacht.“

 

Man konnte sich auf dieser Lichtung einfach gut entspannen, vor allem da Senjuro Onigiri eingepackt hatte, die sie verspeisen konnten, sowie frisches Wasser. Dadurch würden sie vielleicht in teilweise herrschender Dunkelheit den Heimweg antreten müssen.

 

„Ja, ich packe besser alles zusammen. Ich habe keine Laterne eingepackt, ich hoffe, wir finden gut zurück, wenn es dunkler wird ...“

 

„Natürlich finden wir gut zurück, Senjuro“, erwiderte er recht entspannt, während er sich nun dennoch erhob.

 

Immerhin wollte er nicht die Hürde sein, die sein Bruder bewältigen musste, um die Decken einzupacken, sowie die kleinen Bento, in welchen die Onigiri gelagert worden waren. Alles fand wieder seinen Platz im Körbchen, als hätten sie diesen niemals ausgepackt.

Anschließend konnten sie sich auf den Weg zurück machen. Kyojuro genoss die Umgebung voller Ruhe, betrachtete die hochgewachsenen Ajan-Fichten, welche in den Himmel hinaufzuwachsen schienen. Genauso genoss er aber auch den Ahorn, der sich mit der Zeit begann immer röter zu färben und damit etwas mehr Farbe in die Wälder brachte.

Kyojuro kannte nicht jeden Baum und jede Pflanze, die es in Japan gab, aber diesen Wald hatten sie ziemlich oft erforscht. Senjuro mit ihm gemeinsam oder er mit seinen Eltern, als es ihnen noch gut gegangen war. Dennoch würde er nicht alles erkennen können, was aber auch nicht notwendig war. Meistens. Er dachte lieber nicht an all die Gefahren, welche nicht nur Dämonen boten, sondern auch Mutter Natur, mit der einen oder anderen Falle.

 

Er erkannte verschiedene Beeren an den einen oder anderen Sträuchern und wenn er sich damit auseinandersetzen müsste, könnte er vermutlich auch erkennen, was essbar war, was nicht oder ... was er lieber liegen ließ, weil er es nicht so genau wusste. Man sollte nicht zu viele Risiken eingehen.

Kyojuro wollte nicht wegen vergifteter Beeren sterben.
 

„Warum hast du eigentlich dein Katana mitgenommen, Aniue?“

 

„Hm? Natürlich zum Schutz“, antwortete Kyojuro direkt. „Ich gehe lieber auf Nummer sicher. Und jetzt scheinen wir auch teilweise im Dunkeln nach Hause zu gehen. Da möchte ich lieber vorbereitet sein, wenn uns ein Dämon angreift.“

 

„Oh, verstehe“, nickte Senjuro, mit ernst gerunzelter Stirn.

 

Es sah süß aus. Schmunzelnd tätschelte er den Kopf seines kleinen Bruders.

Dank des Sonnenuntergangs wurde der Wald in warme Farben getaucht, die roten Ahornblätter kamen nur noch mehr hervor und erweckte das Gefühl in ihm, sich auf den Herbst richtig zu freuen. Damit verbundene Stürme machten die Jagd nach Dämonen zwar nicht einfacher, aber wenn man davon ausging, war jede Jahreszeit auf ihre Weise wie eine zusätzliche Herausforderung.

Auch wenn es langsam dunkler wurde, würde der Hauptweg, dem sie folgten, sie sicher zurück zum Dorf bringen und da es dort wieder beleuchtet wäre, würden sie auch ihr Zuhause ohne Probleme wiederfinden können.

Eine andere Sorge breitete sich in ihm aus.

 

Akaza.

 

Bald wäre die Nacht eingebrochen und schon wenn die Sonne tief genug am Himmel stand, könnten sich Dämonen wohl frei bewegen. Natürlich könnte es hier auch weitere Dämonen geben, aber der problematischste wäre wohl ein Dämon wie Akaza. Upper Moon Three. Schon im komplett gesunden Zustand hatte er kaum den Kampf überlebt, wie dann also jetzt, wo er nicht einmal sein Training hatte wieder aufgreifen können?

Bislang schien Akaza darauf warten zu wollten, dass er wieder komplett auf die Beine käme, aber Kyojuro konnte nicht einschätzen, wie groß die Geduld des Dämons am Ende war.

 

Außerdem war jetzt Senjuro bei ihm.

 

Kyojuro wollte keine Risiken eingehen.

Er war nur froh darüber, dass Senjuro recht entspannt war. Natürlich lag dies auch an dessen Unwissenheit, was offenbar die Besessenheit des Dämons anbelangte. Kyojuro wollte bestenfalls nicht zu viel darüber nachdenken, nicht über ihre bisherigen Begegnungen und am wenigsten über ihre Letzte.

Diese Zärtlichkeit in den Berührungen, verbunden mit der Bedrohung eines so mächtigen Wesens vor sich ... sein Magen drehte sich um.

Kyojuro würde dies niemals als etwas Positives wahrnehmen. Schon gar nicht, nachdem Akaza ihm dessen Blut aufzwang – was immer noch äußerst beunruhigend war. Bekam er wirklich dessen Blut oder war alles am Ende anders? Und wenn er es bekam, wieso wurde aus ihm kein Dämon? Er fühlte sich komplett menschlich, hatte Hunger auf Sachen wie Süßkartoffeln, besaß keine Reißzähne und auch so, hatte er sich nicht verändert.

Abgesehen von der Tatsache, dass seine schlimme Wunde nun verheilt war und das so gut, wie es scheinbar möglich war für einen menschlichen Körper.

 

Senjuro fiepste.

Kyojuro hielt sofort inne, endlich wieder aus seinen Gedanken hervorkommend. Er griff nach Senjuros Schultern, während er wachsam seinen Blick über ihre Umgebung wandern ließ.
 

„... was ist los?“, fragte er dann leise.

 

„Da war irgendwas“, antwortete Senjuro ebenso leise, aber immer noch etwas fiepsend.

 

Dann brach irgendwas über ihren Köpfen zusammen. Kyojuro war wirklich froh darüber, dass seine Instinkte wohl nach wie vor so gut waren wie vor seinem Kampf – oder zumindest nahe dran.

Bevor wirklich etwas über sie zusammenbrach, packte er Senjuro und warf sich mit diesem aus dem Weg, fast schon ins Gebüsch. Es gab einen kurzen Schmerz, aber nichts, was darauf hinwies, dass seine Rippen noch gebrochen waren oder dergleichen.

Dafür beobachtete er nun aber, wie ein großes Netz zu Boden fiel, genau dorthin, wo sie eben noch gestanden hatten.

 

„Verdammte Scheiße! Ihr habt es versaut!“, fluchte von irgendwoher eine fremde Stimme.

 

Kyojuro richtete sich schnell wieder auf, ohne seinem Gehstock irgendeine Art der Beachtung zu schenken. Stattdessen griff er bereits nach seinem Katana, um sie vor der Bedrohung zu schützen, die sich als ... verhüllte Personen herausstellten. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die weiten dunklen Gewänder, die selbst das Gesicht fast vollständig bedeckten.

 

„Na gut, dann eben auf die bewährte Art und Weise – rückt all euer Hab und Gut raus und niemandem hier wird was geschehen!“

 

Es dauerte einen kleinen Moment, bis Kyojuro wirklich verstand, dass dies ein Überfall auf sie sein sollte. Hinter ihm rappelte sich auch Senjuro auf und drückte sich recht nahe an ihn heran.

 

„Was?“, blinzelte Kyojuro irritiert.

 

„Euer Hab und Gut! Und zwar sofort!“

 

Nach ruckartigen Handbewegungen in die Richtung der weiteren Gestalten, begann jeder seine Waffe zu ziehen – Dolche, Wakizashi und einer hatte sogar Pfeil und Bogen bei sich. Das alles waren ... Menschen. Zumindest wirkten sie auf den ersten Blick nicht wie Dämonen. Abgesehen davon, dass eben jene nicht in Gruppen auftauchten – wobei er sich darauf lieber nicht zu sehr versteifte – wirkten sie auch auf keinster Weise wie die Menschenfressenden Monster aus der Dunkelheit.

 

Empört runzelte Kyojuro die Stirn: „Auf gar keinen Fall.“

 

„Spiel keine Spielchen mit uns, Ein-Auge! Wir nehmen uns euer Zeug, auf die eine oder auf die andere Art.“

 

Kyojuro war bisher noch nie so direkt darauf angesprochen worden, dass er nur noch ein Auge nutzen konnte, es war aber auch nicht weiter relevant. Es war ihm jedoch auch noch nie passiert, dass Menschen versuchten ihn zu überfallen.

Das erschwerte den Umgang mit der Situation – immerhin war es bei Dämonen relativ einfach zu reagieren. Er tötete sie. Aber er konnte wirklich keine Menschen töten. Niemals. Natürlich hielt das ihn nicht davon ab, sie notfalls auszuknocken, man musste schließlich nicht nur die scharfe Klinge seines Katanas nutzen, um sich zu verteidigen.
 

Kyojuro war nicht ansatzweise fit genug für einen Kampf gegen Dämonen, zumindest nicht gegen die Stärkeren ihrer Art – aber gegenüber Menschen sollte er schnell und stark genug sein. Also demonstrierte er seine Kampfbereitschaft direkt, indem er sein Katana zog – zum Glück hatte er es mitgenommen.

Es passierte rein instinktiv, dass er Flammen um sein Katana herum aufsteigen ließ, als er es hervorzog. Das Atmen tat nicht mehr weh – und ihm war bewusst, dass dies irgendwas mit dem dämonischen Blut zu tun haben musste, aber gerade konnte er das komplett ausblenden.

Vielleicht auch, weil er das pure Entsetzen in den Augen der Verhüllten sah, mehr konnte man von den Gesichtern auch nicht erkennen.

Er hatte nicht vor, den Personen ernsthaften Schaden zuzufügen, aber er würde sowohl seinen kleinen Bruder, als auch sich selbst mit allen Mitteln verteidigen, die notwendig wären.

 

„Lasst euch von diesem Spuk nicht einschüchtern, wir sind in der Überzahl.“

 

„Ich mache das, Senjuro“, sagte Kyojuro noch zu seinem kleinen Bruder, ehe er nach vorne stürmte.

 

Seine Verletzungen, verbunden mit der doch recht langen Pause, hatten natürlich dafür gesorgt, dass er nicht in alter Form war, aber es ging gut genug. Für normale Menschen bewegte er sich viel zu schnell, was direkt dazu führte, dass er den Griff seines Katanas problemlos einer der vermummten Personen gegen den Hinterkopf schlagen. Es war sicherlich hart genug für eine große Beule, vielleicht sogar einer blutigen Stelle, dort wo er hingeschlagen hatte.

Er hatte natürlich als Erstes den Bogenschützen herausgenommen, der konnte vermutlich am gefährlichsten für sie sein, wenn er sich bemühte keine Flammenatmung zu nutzen.

 

„Heeeeh?!“

 

„Wieso ist er so schnell!?“

 

Es gab kein Zögern in seinem Handeln, dank der Überraschung konnte er eine weitere verhüllte Person ausschalten. Beim dritten Mal traf die Klinge seines Katanas die des Wakizashi. Der Druck und die Kraft dahinter war für Kyojuro kein Problem, dennoch war es etwas anderes, was den Kopf des verhüllten Mannes traf.

Senjuro schlug mit dem Gehstock auf dessen Kopf.

Das ließ den Mann nicht zusammensacken, machte es Kyojuro aber noch einfacher, ihn zu entwaffnen, weil er nach vorne griff. Er zerdrückte das Handgelenk, vielleicht auch fest genug für einen Bruch. Das Wakizashi fiel beinahe geräuschlos auf den schlammigen Waldboden unter ihnen. Also konnte er im nächsten Moment ganz unbesorgt ein weiteres Mal den Griff seines Katanas nutzen, um auch diesen Mann auszuschalten.

 

„Das hast du großartig gemacht, Senjuro!“, lobte Kyojuro prompt seinen Bruder, welcher immer noch den Gehstock in den Händen hielt.

 

„Vorsicht!“, fiepste er im nächsten Moment und zeigte hinter Kyojuro.

 

Kyojuro wusste nicht, ob er schnell genug gewesen wäre, um den Angriff abzuwehren. Die Wahrscheinlichkeit war jedoch groß, denn bisher war seine Schnelligkeit kein Vergleich zu den Angriffen der Menschen.

Ehe er das hätte schaffen können, schoss jedoch etwas anderes hervor. Er sah knapp vor sich etwas Blau durch die Luft schießen. Etwas, das ihn eindeutig an seinen Kampf gegen Akaza erinnerte und den Angreifer hart genug traf, um ihn ins Taumeln zu bringen.

Selbst wenn Kyojuro nicht schnell genug gewesen wäre, hätte dieses Taumeln als Ablenkung genügt, damit er nun reagieren könnte.

 

Diese Chance wurde ihm jedoch nicht gelassen.

 

Kyojuro konnte es ganz genau beobachten, er hatte ein wenig Hoffnung, dass sein Bruder diese Schnelligkeit nicht so deutlich erfassen konnte. Doch dann spritzte Blut durch die Gegend, als dem Mann der Kopf abgerissen wurde, als würde es keine Anstrengung benötigen.

Das tat es vermutlich auch nicht, wenn man ein Dämon war.

 

„Du warst einfach großartig, Kyojuro!“ Der Kopf des Mannes rollte über den Boden, als er fallengelassen wurde. „Noch nicht ganz wie früher und die Flammenatmung fehlte auch, aber ... dein Kampfgeist war wieder etwas stärker. Es war einfach wundervoll!“



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