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Letzte Worte

von

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Ich habe mich immer gefragt: Was waren deine letzten Worte? Selbst nach Jahrtausenden, in denen ich ein Archon war, weiß ich noch nicht alles. Auch wenn zehn Jahre - nach der dramatischen Veränderung in so vielen Leben - vergangen sind, ist die große Lücke, die du hinterlassen hast, immer noch da. Niemand konnte es füllen. Ich fühle es immer noch in meiner Brust aus Stein. Die Korrosion kriecht in meinen Körper und ich dachte immer, ich würde vor euch allen zugrunde gehen.
 

Du hast mein Leben bereichert und es besser gemacht. Ich würde sagen, du hast mich zu einem besseren Mann gemacht.
 

Also sitze ich hier, schreibe mit einer Pfauenfeder auf ein Pergament und denke an dich und versuche mir deine letzten Worte vorzustellen.
 

Vielleicht waren sie etwas übermütig – oder leichtsinnig? Würdest du in deinen letzten Momenten immer noch übermütig sein? Ich kann nicht nicht sagen, ich weiß was sie wären.
 


 

*~*
 

Zhongli sah von seinem Pergament auf, als eine sanfte Brise durch seinen Pony wehte. Sie würden es nicht wagen, seine ganze Frisur zu zerzausen. Vielleicht haben ihn die Winde ebenso vermisst?
 

Seine goldenen Augen überblickten die Landschaft mit den raschelnden Bäumen im Hintergrund und die Sonne begann unterzugehen. Es war ein idyllischer Anblick, hoch oben auf dem Berg Aocang, wo nichts ihn verderben konnte. Nicht einmal der Tod hatte hier einen Einfluss. Es blieb, wie es war, so wie es für immer und immer sein würde.
 

Zhongli senkte seinen Blick auf sein Pergament nochmal. Sollte er seine Gedanken weiter festhalten?
 

Was wollte er noch aufschreiben? Gedankenlos betrachtete er die Pfauenfeder. Vielleicht sollte er das Pergament lesen, vielleicht würde er sich dann daran erinnern, was er gerade gedacht hatte.
 

Der Wind blies wieder sanft durch seinen Pony und brachte eine Stimme an sein Ohr:
 

„Sogar in deiner Korrosion kannst du ihn nicht gehen lassen. Du weißt, dass du nur um eine Antwort auf deine Frage bitten musst.“
 

Zhongli sah wieder auf, Hilflosigkeit stand auf seinem Gesicht. Hat er sich die Stimme eingebildet, oder hatte der Wind zu ihm gesprochen? Er legte die Feder weg und stand von seinem Hocker auf. Er ging ein oder zwei Schritte weiter auf das Plateau und fand nur den Wind auf seiner Haut, niemand war zu sehen. Zhongli seufzte, es war niemand da. Er war sich sicher, dass er früher jemanden entdeckt hätte.
 

Aber als die Korrosion an seinem Verstand nagte, fiel es ihm immer schwerer, sich an Dinge zu erinnern oder Dinge zu sehen, von denen er sicher wusste, dass er sie schon einmal gesehen hatte. Oder nicht?
 

Er hatte immer gewusst, dass die Korrosion ihn eines Tages treffen würde, und er hatte sich gut darauf vorbereitet. Jeden Tag würde er seine Gedanken auf ein Pergament schreiben und sie sichtbar hinterlassen, sodass, falls er dann seine tägliche Aufgabe vergaß, er sich daran erinnert und einfach weitermachen würde, in der Hoffnung, sein Körper würde sich an die Aktivität erinnern.
 

War es nur seine Einbildung, oder hörte er ein trauriges Lachen und eine Leier spielen? Seine Ohren müssen ihn täuschen. Wie konnte er so weit oben Musik hören?
 

Doch die Melodie, die an seine Ohren drang, machte ihn traurig, sogar melancholisch. Einmal kannte er jemanden, der diese Musik mochte. Wer war es nochmal?
 

Gedankenverloren wandte er sich wieder seinem Pergament zu, setzte sich auf den Hocker, nahm wieder die Pfauenfeder zur Hand.
 


 

*~*
 

Jetzt sitze ich hier in totaler Isolation, um darüber nachzudenken, was passiert ist. Ich verlasse diesen Ort nur noch selten aus Angst, das Ende Anderer zu sehen. Wie kann ich etwas tun, wenn du niemals dasselbe mehr tun kannst? Wie könnte ich mein Leben leben, wenn deines vor so langer Zeit endete?
 

War das gerecht? Wahrscheinlich. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, in Abgeschiedenheit zu bleiben. Vielleicht hat niemand bemerkt, dass, wenn ein Stein den Berg hinunter rollt, es immer kleiner wird. Bin ich jetzt so erschöpft, dass ich nur noch ein Kiesel bin?
 

Bin ich zu unwichtig, um Einfluss auf die Welt oder das Leben anderer zu nehmen? Welche Auswirkungen hatte ich schon auf deines? Würdest du dich am Ende überhaupt an mich erinnern?
 

Wie würde mein Ende aussehen? Würde ich mich noch an dich erinnern? Unter uns gesagt, ich kann mich nur an das erinnern, was ich in meinem Tagebuch über dich gelesen habe - der Rest ist bereits verblasst. Doch ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken, welche Erinnerungen du zurückgelassen hast.
 

Ich durfte deine letzten Momente nicht miterleben. Ich wäre dir gerne zur Seite gestanden. Den Aufzeichnungen zufolge hast du jedoch jeden deiner Freunde von dir weggestoßen. Niemand wusste, was los war.
 

Hast du gelitten?

Allein?

Was hast du in deinen letzten Sekunden gedacht?
 

Hast du dir vorgestellt, so am Ende deines Lebens - du könntest gewisse Dinge in deinem Leben verändern?

Vielleicht hast du zu den Archons gebetet, dass sie dir helfen?
 

Haben sie dich gehört?
 

Wenn ja, haben sie nicht einmal versucht, dir zu helfen …
 


 

*~*
 

Zhongli sah von seinem Pergament auf, als wieder eine sanfte Brise durch seine Haare wehte. Es fühlte sich fast vertraut an, wie ein Gruß von einem alten Freund. Ein Freund, an den er sich nicht länger erinnern konnte.
 

Warum konnte er sich nicht erinnern? Seine bernsteinfarbenen Augen suchten das Plateau ab; vielleicht war er doch nicht allein, und er bildete sich die Brise ein. Also stand er auf und ging um den kleinen Teich herum.
 

Er war definitiv allein, niemand da, der ihm Gesellschaft leistet, nur noch Reste von Erinnerungen, die seine innere Ruhe heim suchten, waren übrig. Er verschränkte die Arme vor der Brust. Er vergaß etwas. Etwas Wichtiges für ihn.
 

Wie konnte er das vergessen?

Warum hat er es wieder vergessen?
 

Zhongli drehte sich um und starrte auf das Pergament auf dem Tisch. Er ging hinüber und nahm es in seine Hände. Die erste Zeile hieß: „Erinnere dich an ihn und schreibe alles auf.“
 

Das war seine Aufgabe, aber wer war Er? Warum sollte er sich an ihn erinnern? Was war so besonders an ihm?
 

"Wer?" Seine sanfte Stimme wurde vom Wind fortgetragen, und der Wind beantwortete seine Frage.
 

„Er war der letzte frei lebende Nachkomme von Khaenri’ah.“
 

"Wie?"
 

„Er hat die Katastrophe überlebt und Unterschlupf in Mondstadt gefunden. Der Anemo-Archon nahm ihn unter seine Fittiche und schützte ihn so gut er konnte.“
 

"Warum?"
 

„Weißt du, nicht jeder Khaenri’ahner ist ein Sünder. Und er war so ein unschudiges Kind, als er in Teyvat ankam. Es war nicht seine Bürde, den Fluch zu tragen.“
 

Das ergab keinen Sinn. Vielleicht sollte er nach den Antworten fragen, die er wissen wollte.
 

"Was war sein Name?"
 

„Oh, jetzt fragst du das? Mein Freund, jeden Tag sitzt du hier, und jeden Tag fragst du nach seinem Namen.“
 

"Sag ihn mir."
 

„Sein Name war Kaeya Alberich, Hauptmann der Kavallerie der Ritter von Favonius.“
 

Das sagte ihm nichts. Es war eine Leere in seinem Kopf – keine Erinnerungen waren mit diesem Namen verbunden. Er konnte sich nicht erinnern, ob er diese Person jemals getroffen hatte. Aber wenn er dem Pergament vertrauen konnte, sollte er über ihn Bescheid wissen.
 

„Kleiner Anemogeist, was waren seine letzten Worte?“
 

„Das sieht nicht gut aus…„
 



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