Adventskalender des YuKa-FanZirkels

2. Türchen oder "Es ist doch nur ein Kratzer!"

Genervt verdrehte der Rothaarige die Augen.

Sein Freund stellte sich wieder kleinlich an. Seit nunmehr 5 Minuten hörte er sich sein Geschimpfe an, während besagter Rohrspatz* im Zimmer auf und ab ging, auf der Suche nach einer Verbandsschere, da im Erste-Hilfe-Koffer aus unerklärlichen Gründen keine drin war. Auch das war zwischendurch ein kurzer Teil der Schimpf-Tirade.

"... außerdem habe ich dir das gesagt. Aber nein, der werte Herr möchte ja nicht hören. Glaubst du das macht mir Spaß? Mir wäre es auch lieber, wenn ich diesen Anruf nicht bekommen hätte. Ich hab durchaus Wichtigeres zu tun... hörst du mir überhaupt zu?", nachdem Kai im letzten Schrank endlich fündig geworden war, drehte er sich zum Verletzten um, nur um zu sehen, wie dieser den Blick abwesend zum Fenster gerichtet hatte.

" Ja ja ...Wichtigeres. Schon klar.", versuchte Yuriy die Situation zu retten. Kai in dieser Verfassung noch mehr Anlass zu geben sich aufzuregen, könnte ihn heute Nacht seinen Platz im Bett kosten und ihn auf die Couch verfrachten. Das wollte er auf keinen Fall riskieren. Auch wenn er gern den Harten miemte, wenn er sich verletzt hatte - das Ausmaß der Verletzung spielte dabei keine Rolle-, wurde der zähnefletschende Wolf zu einem Schoßhündchen und wollte Streicheleinheiten. Er wollte verwöhnt werden mit allem was dazu gehörte. Dass er sich jetzt so einen Einlauf abholen durfte - der seines Erachtens total unnötig war- störte ihn ungemein. Es war schließlich nicht seine Schuld, dass das Metallgemisch seinem Novae Rog nicht standhielt und sich tausende Splitter seines eigenen Blades gegen ihn selbst richteten.

Kai seufzte. Sein Blick wurde mit einem Mal weicher. Er konnte einfach nicht lange böse sein. Schon gar nicht, wenn Yuriy so einen Anblick bot.

Er kniete sich vor den Älteren, der mit dem Arm nach oben auf der Trage im Krankenzimmer saß und ein wenig schmollte. Nicht nur, dass er sich verletzt hatte, was seit Ewigkeiten nicht mehr vorgekommen war - er fühlte sich wie ein dummer kleiner Junge deswegen -, nein, er konnte sich auch noch eine Standpauke abholen. Als ob die Sache an sich nicht schon peinlich genug war. Er war schließlich kein Amateur. Auch wenn er aus der Übung war. Yuriys Morgen war einfach nur beschissen und er wollte nach Hause, sich mit einer heißen Tasse Kakao auf die Couch schmeißen und sich unter einer dicken Decke verstecken. Am liebsten mit Kai zusammen - im optimalen Fall nackt.

"Babe...ich habe mir Sorgen gemacht."

"Hm..."

"...Yuriy sieh mich an."

" ..."

"Yura...bitte."

Verdammt. Wieso schaffte Kai es immer wieder, dass er weich wurde? Miesmuschelig sah er zu seinem Freund.

"Es ist doch nur ein Kratzer!"

Kai konnte auf dieses Argument nur laut stöhnen. Nun war es an ihm, die Augen zu verdrehen.

"Ja, von deinem Ellenbogen bis zum Handgelenk. Abgesehen von den unzähligen kleinen Kratzern am Rest deines Körpers. Lass die Hand bloß oben, du hast schon genug Blut in der Trainingshalle verloren."

Fürsorglich nahm Kai das Verbandsmaterial und kümmerte sich sorgsam um die Erstversorgung der größten Wunde. Der Reflex den Arm schützend vor sein Gesicht zu halten hatte scheinbar Schlimmeres verhindert.

"So. Und jetzt fahren wir zum Arzt. Das muss genäht werden. Und glaub bloß nicht, dass ich dich nochmal ohne Aufsicht mit den neuen Angriffsringen alleine lasse. Ich hab dir gesagt, dass sie speziell sind und wir noch an der Balance arbeiten. Aber nein, Mister Ivanov kann nicht warten bis alle Tests abgeschlossen sind. Weißt du wie ich mich erschrocken habe, als Borya anrief? Alleine die Tatsache, dass ER anrief und nicht du. Dir hätte sonst was passieren können."

Kais Tonlage war schon deutlich wohlgesonnener, wenn auch immer noch eine Spur Anklage drin steckte. Dennoch...er hätte es eigentlich besser wissen müssen. Das Glitzern in Yuriys Augen, als er ihm gestern beim Abendessen von der neuen Zusammensetzung der Materialien und der immensen Kraft berichtete, welche die ersten Testergebnisse geliefert hatten, hätte in ihm alle Alarmglocken klingeln lassen müssen. Auch wenn sie beide nicht mehr aktiv bladeten, so war es doch Teil ihrer Geschichte und mittlerweile eine Art Hobby statt Berufung. Yuriy war schon immer ungeduldig gewesen, wenn es aus der Forschung-und Entwicklungsabteilung neue Teile für seinen Wolborg gab. Und Yuriy in Kombination mit ihrem lilahaarigen Freund war sowieso immer eine gefährliche Mischung.

Nichtsdestotrotz würde Kai seinen Freund noch ein wenig schmoren lassen. Natürlich würde er sich Zuhause ausführlich um seine Genesung kümmern. Er wusste schließlich genau was Yuriy mochte und brauchte. Aber bis dahin würde er ihm noch ordentlich ins Gewissen reden.
 

* Wer es nicht kennt, es gibt ein Sprichwort "Schimpfen wie ein Rohrspatz".