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Battle for the Sun

von

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But I'm leaving this weary town

But I'm leaving this weary town“

 

Placebo, „A million little pieces“

 

Es war kurz nach Mittag, als Haruno Ranpo vor dem Gerichtsgebäude absetzte und weiterfuhr, um einen Parkplatz in der dicht bebauten Innenstadt zu suchen. Der Meisterdetektiv schlappte die Stufen zum Gebäude hinauf und tippte seine Mütze aus seinem Gesicht, als er am Eingang angekommen war.

„Wir sind froh, dass Sie so schnell kommen konnten.“ Kommissar Minoura begrüßte ihn ernst.

„Wenn Sie mich nach dem ersten Mord direkt kontaktiert hätten, würde ich jetzt nicht das Mittagessen verpassen.“

„Auch Polizisten haben ihren Stolz“, entgegnete Minoura stoisch und entlockte damit Ranpo ein Stöhnen.

„Stolz! So etwas Dämliches! Von Stolz wird niemand satt. Aber ich will ja nicht so sein. Also, wo ist der Tatort?“

Mit einer Euphorie, die der Kommissar verstörend unpassend fand, folgte Ranpo ihm beschwingt in das Büro im dritten Stock.

Ein geschäftiges Treiben aus Polizisten und Forensikern tummelte sich in dem Raum, machte Fotos, nahm Fingerabdrücke und untersuchte die Leichen.

„Es ist alles so, wie der Sekretär des Richters es heute Morgen vorgefunden hat“, erklärte Minoura. „Der Todeszeitpunkt beider Männer wird zwischen Mitternacht und ein Uhr nachts geschätzt. Beide waren sofort tot.“

„Natürlich waren sie das. Bei den Verletzungen und dem Blutverlust.“ Ranpo besah sich die Blutlache auf dem Schreibtisch, die Blutspritzer an der Wand dahinter und den rot gefärbten Teppich. „Könnte ich davon ein paar Abzüge bekommen?“, fragte er einen Forensiker, der gerade Fotos schoss. „Ich habe eine Kollegin, der das sehr gefallen würde.“

Minoura fasste sich stöhnend an den Kopf. Diese Detektive waren ein Fall für sich. Dabei hatte er gehört, dass ihr Chef ein äußerst vernünftiger Mann sein sollte. Hatte er gar keinen Einfluss auf seine Untergebenen?

„Das sind die Tatwaffen“, erläuterte der Kommissar und griff mit behandschuhten Händen nach den beiden Schwertern, um sie dem Schwarzhaarigen hinzuhalten.

„Hmm? Die Tatwaffen wurden am Tatort zurückgelassen? Das ist ja mal interessant.“ Ranpo zückte seine Brille und setzte sie auf, bevor er einen kurzen Blick auf die Klingen warf.

„Wir haben keine Fingerabdrücke auf den Schwertgriff-“

„Natürlich nicht“, fiel der Meisterdetektiv Minoura unhöflich ins Wort. „Der Täter hat ja schließlich Handschuhe getragen, sonst hätte er sich beim Einschlagen der Fensterscheibe verletzt. Aber die Schwerter hat er zurückgelassen, weil die Klingen stumpf geworden sind. Ich interessiere mich nicht sonderlich für Schwerter, doch weil der Chef einige davon hat, weiß ich wie die normalerweise aussehen. Diese hier sehen ungewöhnlich aus, als hätte sie jemand auf eine spezielle Weise bearbeitet. Außerdem sind das eindeutig keine japanischen Schwerter. Der Täter warf sie weg, nachdem sie durch die vorangegangen Morde stumpf geworden waren. Etwas riskant, oder? Warum bringt er so schnell stumpf werdende Schwerter mit zu einem Attentat? Einfach, weil er nicht wusste, dass sie ihre Schärfe eingebüßt hatten. Das heißt, er ist nicht derjenige, der die Waffen kreiert hat. Ihm ist wahrscheinlich nicht einmal bewusst, dass er der Mörder dieser Menschen ist.“

Minoura starrte Ranpo nach diesem Redeschwall mit tief, tief in Falten gelegter Stirn an. „Was soll das heißen?“

Ranpo grinste spitzbübisch. „Es fehlt noch ein Puzzleteil, aber ich habe schon ein ganz gutes Bild, von dem, was hier los ist. Wenn wir ihn nicht rechtzeitig finden, werden weitere-“ Er stockte.

Von jetzt auf gleich stand der Raum voll mit allerlei Tieren. Rehe, Hirsche, Hasen, Eulen, Eichhörnchen, Elstern; es war wie eine Invasion von Waldbewohnern. Sie waren überall und aus ihren Augen leuchtete ein gleißendes Licht. In einem Augenblick starrte Minoura verdattert in die Augen eines Hirsches, der direkt vor ihm aufgetaucht war, im nächsten klappte er bewusstlos zusammen. Im Handumdrehen fiel ein Mensch nach dem anderen um. Geistesgegenwärtig richtete Ranpo seinen Blick auf den Fußboden, doch selbst da krochen Insekten mit leuchtenden Augen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als seine Augen zu schließen.

Es war mucksmäuschenstill in der Umgebung geworden. Selbst aus dem Flur kam kein Laut mehr. Wahrscheinlich waren auch dort alle ohnmächtig geworden. Schritte kamen auf ihn zu. Zwei Personen, die über die Bewusstlosen drüberstiegen. Ah, als er den Raum betreten hatte, waren alle Anwesenden fleißig bei der Arbeit gewesen, nur zwei Polizisten, die ihre Mützen auffällig tief in ihre Gesichter gezogen hatten, hatten müßig herumgestanden. Eine Frau und ein Mann. Eine Frau mit hellblonden Haaren und ein Mann mit schwarzen Haaren. Der Mann keuchte nun angestrengt.

„Ich weiß, dass Sie jetzt etwas wirklich Dummes tun werden“, äußerte Ranpo gefasst in die unheimliche Stille hinein. „Besteht die Möglichkeit, dass Sie das einfach lassen könnten? Ich bin absolut nicht versessen darauf, verletzt zu werden.“

Die Schritte waren unmittelbar hinter ihm zum Stehen gekommen. Ein kurzer Moment ging vorüber, in dem nichts zu hören war.

„Tut mir leid“, entschuldigte sich die Frau plötzlich, „wir werden auch vorsichtig sein.“

Ranpo kam gerade einmal dazu, innerlich zu seufzen.

Ein Schlag traf ihn auf den Hinterkopf und raubte ihm das Bewusstsein.

 

Auuuuu.

Die Kopfschmerzen verrieten ihm, dass sie nicht vorsichtig genug gewesen waren.

Sehr, sehr gemächlich kam Ranpo wieder zu sich. Seine Augen noch geschlossen haltend, murrte er in Gedanken über den Umstand, an einen Stuhl gefesselt zu sein.

Was für ein Klischee!

Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass er seine Brille noch auf seiner Nase hatte. Wenn sein geliebtes Utensil kaputt gegangen wäre, hätten die was erleben können!

„Zum Glück hatten wir uns über diese bewaffneten Detektive schlau gemacht und die Telefone der Polizei abgehört“, vernahm er eine männliche Stimme nicht weit von ihm. „Sonst wären Frances und ich nicht vor Ort gewesen und dieser Kerl hätte alles sofort aufgedeckt. Nach nur einem Blick auf den Tatort!“

Vorsichtig öffnete Ranpo seine Augen ein wenig und schaute verstohlen zu der Dreiergruppe, die am anderen Ende des Raumes an einem runden Tisch saß und sich mit sorgenvollen Gesichtern unterhielt. Von dem, was er erkennen konnte, war das hier wohl eine alte, verlassene Kaufmannsvilla im europäischen Stil. Der Raum war mit Ausnahme des Tisches und den wenigen Stühlen praktisch unmöbliert, die florale Tapete blätterte von den Wänden ab und der hölzerne Fußboden hatte definitiv schon bessere Zeiten gesehen. Nur wenig Licht fiel in das Zimmer, vermutlich waren die Vorhänge hinter ihm zu einem Teil zugezogen, damit niemand in das Haus hineinsehen konnte. War er in Yamate? In diesem Stadtteil gab es einige leerstehende Villen, die sich so abgelegen befanden, dass man keine neugierigen Nachbarn befürchten musste.

„Und was machen wir jetzt mit ihm?“, sagte Frances; die blonde Frau, die Schuld an seinen Kopfschmerzen hatte. „Wir können ihn nicht laufen lassen.“

Die dunkelhaarige, ältere Dame in der Mitte faltete in sich gekehrt ihre Hände zusammen.

„Die Zeit läuft uns davon. Noah schlich in der Straße herum, die zu dieser Detektei führt. Wäre ich nicht in das Café geflüchtet, hätte er mich entdeckt.“

„Sie würden sich doch nicht an diese Detektei wenden, oder?“, hakte der einzige Mann der drei nach.

„Kann ich mir nicht vorstellen“, widersprach Frances. „Aber wenn wir von den Detektiven erfahren haben, dann sie sicher auch.“

Die ältere Dame in ihrer Mitte seufzte bekümmert. „Wir müssen uns rasch etwas einfallen lassen.“

Als die drei schweigend nachdachten, hüpfte plötzlich ein Mädchen – oder eher eine junge Frau? War auch egal – in Ranpos Blickfeld.

„Du bist ja aufgewacht!“, rief sie fröhlich aus. „Da bin ich froh! Du hast so lange geschlafen, bist du durstig?“

Der Meisterdetektiv blinzelte sie an.

Die passt nicht ins Klischee.

„Ich habe Hunger“, antwortete er trocken.

„Ja?“ Die junge Frau mit den strohblonden Zöpfen schien begeistert von seiner Antwort zu sein und strahlte ihn noch erfreuter an. „Das Essen in diesem Land ist so lecker, findest du nicht? Ich hatte erst Angst, weil wir sooo weit weg von zu Hause sind, aber meine Tante sagte mir, dass hier ganz viele neue, spannende Dinge zu sehen und zu erleben sein werden und jetzt bin ich so unglaublich froh, dass wir hergekommen sind!“

„Aha.“ Ranpo erwiderte ihr Lächeln, als er beobachtete, wie sie aus einer Tasche ein Onigirireisbällchen holte. „Kannst du mich losmachen? Sonst kann ich nichts essen.“

„Oh, das ist wahr!“

„Eleanor, nicht.“

Ranpo wunderte sich ganz und gar nicht über die vertraue Stimme, die erklang. Aus seinem toten Winkel heraus trat Kyoka vor ihn.

„Frances und Felix haben gesagt, wir dürfen ihn auf keinen Fall losmachen.“

Enttäuscht legte Eleanor den Kopf schief. „Hmm … aber er hat doch Hunger … oh! Ich weiß! Ich halte den Reisball für dich, dann musst du dir auch nicht vor dem Essen die Hände waschen. Bist du da nicht froh?“ Sie schälte das Onigiri aus seiner Verpackung und hielt es Ranpo hin, der einen großen Happen davon abbiss. Während er kaute, musterte er Kyoka. Sie war unverletzt und sah ihn an wie einen Fremden. Genau so hatte er es erwartet.

Die drei Erwachsenen waren derweil aufgestanden und hatten sich zu ihnen gesellt.

„Kyoko, geh doch bitte zu deinen Geschwistern nach nebenan“, forderte die dunkelhaarige Dame sie freundlich auf und das Mädchen kam dem umgehend nach.

„Kontrolliert ihr sie mit euren Hypnosehäschen?“, fragte Ranpo, nachdem er den Reis hinuntergeschluckt hatte.

Frances prustete daraufhin los, während Felix einen Schmollmund zog.

„Hypnosehäschen! Das ist doch ein herrlicher Name für deine Fähigkeit!“, feixte sie.

„Ist es nicht!“, gab er beleidigt zurück. „Und außerdem kontrollieren wir überhaupt niemanden.“

„Mmm-hmm“, machte Ranpo unbeeindruckt, „und dass meine Kollegin mich nicht mehr erkennt und auf einen anderen Namen hört, hat bestimmt ganz natürliche Gründe.“

„Deine Kollegin?“ Frances zuckte zusammen und auch die beiden anderen wirkten mit einem Mal durcheinander. „Das Mädchen gehört zum Büro der bewaffneten Detektive?“

„Wie ich es mir dachte: Kyokas Entführung war ein Zufall, habe ich Recht?“

„Deine Recherchen über diese Detektei sind aber arg lückenhaft!“, polterte Frances in Richtung ihres Kameraden, der empört die Arme vor der Brust kreuzte.

„In der kurzen Zeit war eben mehr nicht möglich! Und du hast doch in ihren Erinnerungen gelesen!“

„Ja, aber du weißt, dass das nur begrenzt geht!“

„Streitet euch nicht“, sagte die Dame in ihrer Mitte sanft.

„Entschuldige, Tante“, entgegneten beide betreten.

Die „Tante“ richtete ihren bekümmerten Blick auf Ranpo. „Unser Problem wird dringlicher, mit jeder Sekunde, die verstreicht. Wir müssen Charlie bald finden. Wir gehen noch einmal nach Suribachi. Er muss dort irgendwo sein, es zieht ihn immer zu solchen Orten.“ Weiter Ranpo fixierend, der ihren Blick wachsam erwiderte, umfasste sie mit einer Hand das Kreuz um ihren Hals. „Frances, hast du Trauer in seinem Herzen gesehen?“

Die Angesprochene stutzte. „Ja, schon ... aber ist das eine gute Idee?“

„Wir haben das noch nie bei einem Erwachsenen versucht“, pflichtete Felix ihr skeptisch bei.

„Uns bleibt nichts anderes übrig. Wenn jemand Charlie vor uns findet, ist er verloren. Vielleicht hat der liebe Gott uns diesen Detektiv geschickt, damit er uns hilft. Eleanor, wende bitte deine Fähigkeit an.“

„Ja, gerne!“

„Moooment! Stoppstoppstopp!“, warf Ranpo nicht mehr so gelassen wie zuvor ein, doch es war bereits zu spät.

Eleanor streckte ihre Hände aus und berührte mit ihren Fingerspitzen Ranpos Schläfen. Mit ihren großen, blauen Augen blickte sie direkt in seine und er konnte seinen Blick nicht mehr abwenden.

„Fähigkeit: Einfach froh sein!“

 

Dazai hechtete dem Mädchen durch die wahrscheinlich dunkelste und längste Gasse in ganz Suribachi hinterher. Anscheinend hatte es hier vor nicht allzu langer Zeit gebrannt und die kläglichen Reste der verschmorten Häuserruinen standen allesamt leer. Er schloss zu der Flüchtigen auf, streckte seine rechte Hand nach ihr aus und bekam sie an einem Arm zu fassen. Abrupt kamen sie zum Stehen.

Dazai stutzte, als er die ihm bekannte Sensation in seinen Fingern spürte. Das Gefühl von elektrostatischer Entladung, das von der Stelle der Berührung durch seinen gesamten Körper rauschte.

Das Gefühl, das er jedes Mal hatte, wenn er eine Fähigkeit aufhob.

Er kam nicht einmal dazu, sich weiter darüber zu wundern, denn plötzlich riss das Mädchen die Augen weit auf und begann zu schreien. Ein Schreien, das so von Leid und Pein geprägt war, dass es durch Mark und Bein ging. Sie hörte gar nicht mehr auf. Überfordert ließ er sie los.

Hatte sie Schmerzen? Nein, das klang nach seelischen Qualen. Als ihre Stimme von dem lauten Kreischen brüchig wurde, fasste sie sich an ihren Kopf und fing an zu weinen. Ihr Gesichtsausdruck wechselte zwischen Schmerz, Fassungslosigkeit, Schock und Panik hin und her.

Was in aller Welt hatte er da neutralisiert, dass es zu dieser Reaktion geführt hatte? Er musste sie irgendwie beruhigen, aber wie?

Ich sagte doch, das ist eher ein Fall für dich, Odasaku. Was lässt du mich mit solchen Problemen allein?

„Hab keine Angst“, sagte Dazai schließlich ruhig und wollte ihr behutsam eine Hand auf den Kopf legen, doch als das Mädchen dies realisierte, schrie sie von neuem und rannte wie der Wind los – weiter in die Gasse hinein.

„Na toll“, seufzte der Detektiv und nahm wieder die Verfolgung auf.

Die verlassene Straße endete in einer Sackgasse, in der sich die Trümmer von eingefallenen Häusern türmten. Die Ruinen zeugten von dem Brand, der hier gewütet hatte und dadurch wohl einige höher gebaute Konstruktionen zu Fall gebracht hatte. Es fiel kaum Licht in diese hinterste Ecke des Slums.

Dazai blieb stehen.

Das Mädchen hatte sich zu einem Jungen geflüchtet, der inmitten dieser Berge von Trümmern stand. Er war vielleicht ein bisschen jünger als Atsushi, aber älter als das Mädchen, das sich in seine Arme gerettet hatte. Sie kannte ihn also. Was allerdings viel auffälliger und gravierender an diesem Jungen war, war sein Erscheinungsbild. Seine dunkle Kleidung war über und über mit altem Blut besudelt und in seinen braunen Locken klebte ebenso getrocknetes Blut. Zwei offensichtlich leere Schwertscheiden baumelten an einem Gürtel um seine Mitte.

Wenn ich da mal nicht auf etwas Interessantes gestoßen bin.

„Was ist passiert, Polly?“, fragte der Junge das wie Espenlaub zitternde Mädchen in seinen Armen sanft. Jedoch war sie so außer sich, dass sie nicht antworten konnte.

Der Junge hob den Kopf und obwohl er gerade noch so sanft gesprochen hatte, wurden seine Augen schlagartig eiskalt und finster, als er Dazai erblickte; als wäre bei ihm ein Schalter umgelegt worden.

„Du! Hast du ihr etwas angetan?!“

„Ich kann mir vorstellen, dass das gerade nicht vorteilhaft für meine Wenigkeit aussieht“, erwiderte Dazai ruhig, „aber ich habe dem Mädchen kein Haar gekrümmt.“

„Lügner!“, schrie der Junge ihm entgegen. „Du wolltest ihr wehtun! Dafür ...“ Er atmete auf einmal schneller und schwerer. „Dafür wirst du büßen!“

Alles, was Dazai nach dieser Drohung hatte sehen können, war wie er das Mädchen von sich gestoßen und in eine der kleinen Taschen an seinem Gürtel gegriffen hatte. Dann war er verschwunden. Der Detektiv drehte seinen Kopf nach hinten und fand den Jungen nun plötzlich dort hinter sich stehen. Dessen eiskalter Blick war einer durch und durch verstörten Miene gewichen. Mit nicht begreifenden Augen starrte er auf Dazai, der ihn irritiert musterte.

Was …? Was ist mit ihm?

Ein elektrostatisches Gefühl. Er musste den Jungen berührt haben. Bewegte er sich etwa so schnell, dass nicht einmal er ihn hatte sehen können?

Was ist gerade passier-

Dazais Gedankengang wurde jäh und qualvoll unterbrochen. Scheinbar überall in seinem Körper begann es plötzlich zu schmerzen. Er sah an sich herunter und entdeckte den Griff eines kleinen Cuttermessers in seinem Bauch. Er fühlte, wie Blut aus der Einstichstelle austrat und in seine Verbände, sein Hemd und sogar in seine Weste sickerte. Hatte der Junge ihm diese Klinge in den Körper gerammt?

Das ergibt keinen Sinn. Ein einzelnes, kleines Teppichmesser kann nicht solche ausstrahlenden Schmerzen verursachen.

Aus dem Blauen heraus fühlte er einen stechenden Schmerz in seiner Brust. Dazai versuchte, Luft zu holen, doch kaum ein Atemzug schaffte es bis in seine brennende Lunge.

„Okay …“, röchelte er dennoch gefasst in Richtung des Jungen, „ich bin … ratlos … was geschieht … hier?“

Der Junge starrte ihn lediglich mit zu Tode erschrockener Mimik an.

„Ich hätte … vorher erwähnen … sollen … dass ich … kein Fan … von Schmerzen-aah!“

Als hätte ihm jemand seine Sehnen durchtrennt, fuhr ein stechender Schmerz erst durch sein rechtes Bein, dann durch sein linkes. Plötzlich waren seine Beine nicht mehr in der Lage ihn zu halten und Dazai stürzte zu Boden. Er schaffte es gerade noch, sich mit seinen Händen abzustützen, um nicht mit dem Kopf auf dem harten Grund aufzuschlagen. Blut sammelte sich in seinem Mund und er musste elendig husten.

Wie das Blut aus Dazais Mund auf die Erde tropfte, erwachte der Junge aus seiner Schockstarre und mit Tränen in den Augen lief er verängstigt davon.

Vor seinen Augen verschwamm alles, aber Dazai konnte noch erkennen, wie das Mädchen ebenso weglief.

„Das ist … aber ... wirklich … un … höf … lich ...“

Er lächelte gequält, bevor seine Augen sich schlossen und er regungslos an Ort und Stelle liegen blieb.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Eleanor Hodgman Porter (1868-1920): amerikanische Schriftstellerin. In ihrem Roman „Pollyanna“ spielt die junge Protagonistin ein Spiel, bei dem man immer etwas finden muss, worüber man froh ist. Das Buch gibt es übrigens auch als Animeserie.
Frances Hodgson Burnett (1849-1924): amerikanisch-britische Schriftstellerin. Ich habe das Aussehen meines OCs ein bisschen an die Schauspielerin angelehnt, die in der Verfilmung des Romans „Der kleine Lord“ („Little Lord Fauntleroy“) die Mutter spielt. Auch meine Beschreibung von Suribachi ist eine Referenz an eine Szene im Film.
Felix Salten (1869-1945): österreichisch-ungarischer Schriftsteller und Journalist. Sein bekanntester Roman dürfte „Bambi – Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“ sein. Ja, das mit dem Rehkitz. Komplett anzeigen

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