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A thousand words or less

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Runde 6
Charakter: Tora
Prompt: Haruki Murakami
Wortzahl: 1.032
Surpise Saga: ja Komplett anzeigen

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06. Sputnik Sweetheart (Alice Nine/The Gazette)


 

Sputnik Sweetheart

 

Mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck blätterte Tora die letzte Seite um und ließ das Buch in seinen Schoß sinken. Für einen Moment war nichts außer dem warmen Wind und dem entfernten Rauschen der Wellen, die sich an der Küste Mauis brachen, zu hören.

 

„Also ich weiß ja nicht“, begann er. Uruha konnte nicht anders als ihm am Strohhalm seines Cocktails vorbei ein Grinsen zuzuwerfen und ihm über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg fragend anzusehen.

 

„Was weißt du nicht?“

 

„Na das hier.“ Wie um zu unterstreichen, was er meinte, hob Tora das Buch noch einmal hoch, streckte ihm das helle Cover mit dem Bild eines kleinen Satelliten entgegen. „Das ist doch kein Ende.“ Toras Stirnrunzeln war in jedem seiner Worte förmlich zu hören.

 

„Findest du?“

 

„Finde ich.“ Das Taschenbuch landete wenig liebevoll auf dem kleinen Tisch, der am Kopfende des Strandbetts stand, auf dem sie es sich für den Nachmittag bequem gemacht hatten.

 

„Ich mag es.“

 

„Du bist ja auch komisch.“

 

Uruha konnte nicht anders, als lachend den Kopf zu schütteln. Das Cocktailglas in seiner Hand gesellte sich zu dem Buch, als er sich aufsetzte, um Tora besser ansehen zu können.

 

„Immerhin nicht so komisch, dass es dich abschrecken würde, oder?“

 

Er rückte näher, bis er sich schließlich rittlings auf Toras Schoß niederlassen konnte, und dessen Hände gewohnt sicher und warm an seinen Hüften lagen.

 

„Nope.“ Das altbekannte schiefe Grinsen, das Uruha schon um den Verstand gebracht hatte, seit sie sich das erste Mal über den Weg gelaufen waren, schlich sich auf seine Lippen. „Dazu würde es schon einiges mehr brauchen, als einen schlechten Büchergeschmack.“

 

„Über den müsste eher ich mich beschweren. Das ist Murakami! Wie kann man Murakami bitte schlecht finden?“ Er hielt in seinen ausschweifenden Gesten inne, beugte sich nach unten, um Toras Lippen für einen kurzen Kuss einzufangen. „Kunstbanause.“

 

„Du hättest es schlechter treffen können.“ Toras Worte strotzten vor Selbstbewusstsein und Uruha konnte ihn dafür noch nicht einmal rügen, weil er schlicht und einfach recht damit hatte.

 

Die tätowierten Hände seines Freundes strichen langsam, aber bestimmt an Uruhas Seiten auf und ab, hinterließen unwissend eine wohlige Gänsehaut, während er ihn einige Momente nachdenklich ansah.

 

„Ich finde es nur schade, dass weder die Charaktere noch der Leser so wirklich mit der Geschichte abschließen können“, erklärte er dann.

 

„Aber das ist vielleicht der Sinn des Ganzen, meinst du nicht?“ Auf Toras fragenden Blick hin, zuckte Uruha mit den Schultern. Statt weiterzusprechen, streckte er sich und griff in die Obstschale, die ebenfalls auf dem kleinen Beistelltisch stand. Zielsicher fischte er einige Weintrauben daraus hervor und schob sich eine in den Mund, während er versuchte, die Worte in seinem Kopf zu ordnen.

 

„Wenn du darüber nachdenkst, ist das Ende eigentlich das Realistischste am ganzen Buch. Im echten Leben bekommen wir schließlich auch selten die Möglichkeit, befriedigend mit einem Thema abzuschließen oder alle Antworten zu finden, die wir uns vielleicht wünschen.“

 

„Aber zumindest irgendeine Antwort wäre doch nicht zu viel verlangt.“

 

Die übertriebene Verzweiflung in Toras Stimme ließ ihn erneut auflachen.

 

„Nun. Sie sehen denselben Mond. Das ist doch ein Anfang, oder?“

 

„Vielleicht.“ Ein weiteres unzufriedenes Seufzen verließ Toras Mund, während er blicklos nach oben in die Palmenblätter starrte, die sie vor der Sonne schützten. „… Aber es ist doch schade, quasi schwarz auf weiß zu haben, dass manche Dinge oder Menschen für immer unerreichbar bleiben, oder?“

 

„Wer weiß.“ Uruha ließ zu, dass Tora ihm die letzte Weintraube stibitzte, ehe er sich trotz der herrschenden Wärme an ihn schmiegte. Mit geschlossenen Augen atmete er den Geruch von Meer, Sonne und Toras Parfüm ein, um sie sich so gut wie möglich einzuprägen, ehe er begann kleine Küsse entlang des Tattoos zu verteilen, das die Seite von Toras Hals zierte.

 

Die eingetretene Stille dauerte nicht lang an, ehe sie von Toras Handy unterbrochen wurde, das mit einem kurzen Vibrieren eine neue Nachricht anzeigte und Tora dazu brachte blind danach zu tasten.

 

„Viele Grüße von Saga“, gab er schließlich weiter, schickte sich an, eine Antwort zu tippen. „Er sagt, wir sollen es mit dem Faulenzen nicht übertreiben.“

 

„Er soll sich mal nicht so anstellen.“ Uruha schnappte spielerisch nach Toras Ohrläppchen. „Passiert schließlich selten genug, dass wir gleichzeitig freihaben.“

 

„Und außerdem haben wir das Faulenzen verdient.“

 

„Eben.“

 
 

~*~

 

Als Tora in der Nacht aufwachte, schien fahles Mondlicht durch die offenen Fenster ins Schlafzimmer und die andere Hälfte des Bettes war kalt und leer. Er hätte es nie offen zugegeben, aber das Erste, woran sein noch halb schlafendes Hirn in diesem Moment dachte, waren die letzten Seiten des Buches, das er in den letzten Tagen ihres Urlaubs gelesen hatte.

 

Er setzte sich mit klopfendem Herzen auf, um sich umsehen zu können, aber im Schlafzimmer war keine Spur von Uruha zu finden. Auch hinter der halb offenstehenden Tür zum Badezimmer lag nur Dunkelheit. Die kühle Brise, die vom Meer zu ihrem Hotel getragen wurde, ließ eine Gänsehaut über seinen Körper rieseln, als er sich aufrappelte.

 

Der Marmorboden war mit jedem Schritt unangenehm kalt unter seinen Fußsohlen, als er den Raum durchquerte und durch den schmalen Flur weiter in den Wohnbereich ihrer Suite ging. Ohne zu wissen warum, scheute er sich davor, das Licht einzuschalten, war froh darüber, dass der Mond beinahe voll war und sein milchiges Licht ausreichend, um seine Umgebung zumindest schemenhaft zu erkennen.

 

Auf der anderen Seite des Wohnzimmers trieb die Nachtluft geisterhaft den dünnen Vorhang vor sich her, der den Raum vor direktem Sonnenlicht schützen sollte. Es dauerte einen Moment bis Tora verstand, dass dies bedeutete, dass die Tür zur Terrasse offenstehen musste. Vorsichtig, um die nächtliche Stille nicht zu durchbrechen, überwand Tora die Distanz zur Fensterfront, erschauderte unangenehm, als seine Zehen plötzlich in weichem Teppich versanken. Er konnte seinen eigenen Herzschlag laut und deutlich hören, als er mit einer Hand den Stoff beiseite schob, der die offene Tür verdeckte.

 

Der sternenklare Himmel über Maui wurde nur sporadisch von vorbeiziehenden Federwolken verborgen. Dennoch dauerte es einen Moment, bis er zu seiner Erleichterung Uruha erkennen konnte, der nur wenige Schritte von ihm entfernt am Geländer lehnte und die nächtliche Landschaft zu betrachten schien.

 

Als hätte er gehört, wie Tora sich ihm näherte, drehte er sich mit einem fast geisterhaften Lächeln zu ihm um.

 

„Siehst du, es ist immer derselbe Mond.“



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