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Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht

von

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Epilog: 6. September

„Hier, Tetsu."

Das ist Hijikatas letzte Amtshandlung heute: seinem Assistenten ein Glas Limonade nachzuschenken. Tetsunosuke hebt nicht einmal den Kopf, aber er bedankt sich artig und tippt dann weiter auf der Karaoke-Maschine herum. Hijikata ist froh, dass sie mit dem Karaoke bis zur Dämmerung gewartet haben, denn so kommt er noch einmal unbeschadet davon.

„Tōshi, gehst du etwa schon?" voller dunkler Vorahnungen lässt Kondō sofort sein volles Bierglas sinken.

Hijikata schenkt ihm ein geduldiges Lächeln.

„Ja, Kondō. Es ist schon spät."

„Unser Vizekommandant muss zurück zu seinem Frauchen", spöttelt Okita neben Kondō, doch es fehlt der bösartige Unterton, wie so oft in den letzten Monaten. Aus irgend welchen Gründen hat Sōgo nämlich beschlossen, für Shisako genau so ein guter Bruder zu sein wie für seine verstorbene Schwester Mitsuba. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass er Shisako beschützen kann, weil sie unter einem Dach leben und nicht hunderte Kilometer entfernt.

Aber trotz all der vergangenen Monate ohne tödliche Attentate seitens Sōgo gegen ihn, weiß Hijikata immer noch nicht, ob er das gut oder schlecht finden soll.

„In der Tat", bestätigt Hijikata und sieht Sōgo dabei ernst in die Augen. „Ich muss zurück zu meinem Frauchen."

Sie liefern sich ein Blickduell, doch nur ein ganz kurzes, denn Sōgo wendet schon nach wenigen Sekunden den Blick zur Seite, tut so, als habe ihn Kagura abgelenkt. Was nicht schwer ist, wenn man ihre Tischmanieren bedenkt.

„Uuuuh", macht Shimura Tae derweil gedehnt. Sie ist schon etwas beschwipst. „Da steht einer aber wirklich unter dem Pantoffel."

Hijikata lächelt nur still vor sich hin, aber er steht schon längst nicht mehr im allgemeinen Fokus, denn Kondō hat gerade den Fehler begangen, seiner angebeteten Otae-san vertraulich einen Arm um die Schulter zu legen und ein „ich würde mindestens genauso sehr unter deinem Pantoffel stehen, liebste Otae-san", zu raunen, wofür er sich prompt eine Ohrfeige von ihr einfängt.

Die fünfte dieses Abends.

Dabei feiern sie hier Kondōs Geburtstag.

Doch da jeder hier dieses seltsame Gebaren zur Genüge kennt, achtet kaum noch einer darauf. Die beiden sind schließlich erwachsen. Und Tae wäre heute bestimmt nicht hier, wenn sie Kondō nicht doch ein kleines bisschen gern hätte.

„Grüß Shi-chan von mir", ruft Gintoki von der anderen Seite des Tisches.

„Von mir auch!" nuschelt Kagura mit vollem Mund. Shinpachi fällt in diese Grüße mit ein. Hijikata nickt nur und verspricht es, dann beeilt er sich, den Speisesaal zu verlassen.

Seit Kondō von dem verhängnisvollen Geschehen beim Bonenkai weiß, hat er angeordnet, dass jegliches Fest nur noch im Speisesaal ausgerichtet wird, wo sie alle zusammen sind. Wenn man bedenkt, dass es immer nur die Offiziere waren, die sich abgesondert haben, ist es kein Wunder, dass diese Entscheidung sogar dabei half, die Truppenmoral zu stärken. Die Stimmen, die den Offizieren nachsagten, sie hielten sich für etwas Besseres, sind leiser geworden.

Hijikata, dem solche Feiern schon immer Unbehagen verursachten, kann nicht sagen, dass es ihn stören würde. Sich aus einem vollen Speisesaal zu verdrücken ist sehr viel leichter als aus einer kleinen Gruppe davonzustehlen.

Draußen auf dem Hof zündet er sich sofort eine Zigarette an. Er zieht den Rauch tief in die Lungen und hält ihn einen Herzschlag lang dort, bevor er ihn langsam und genüßlich wieder ausatmet. Dies wird die letzte Zigarette dieses Tages sein, deshalb lässt er sich damit jetzt ganz besonders viel Zeit. Während er also langsam an seinem Glimmstengel zieht, über den Hof schlendert und die Geräusche der Feier hinter ihm immer leiser werden, muss er unwillkürlich an Sōgos Worte denken. Es gab eine Zeit, ganz am Anfang, da hat es ihn fuchsteufelswild gemacht, wenn jemand Shisako sein „Frauchen“ nannte. Inzwischen kann er darüber lachen. Warum auch nicht? Wo doch Shisako die erste war, die darüber lachte und die sich inzwischen selbst stolz so bezeichnet?

Shisako... seine Shisako.

Versonnen spielt er mit dem schmalen Ring um seinen linken Ringfinger. Ein Date, ein Spaziergang im Mondschein, zehn rote Rosen und ein Antrag. Shisako hat nie schöner ausgesehen als in diesem Moment, wo sie seinen - diesmal offiziellen - Antrag angenommen hat. Die Hochzeit ist auf nächsten April terminiert, zur Zeit der Kirschblüte, genau, wie Shisako - damals noch Sagaru - es sich immer gewünscht hatte. Ja, er hat ihm zugehört. Immer. Auch wenn es meistens nicht so aussah.

Sie waren Freunde. Beste Freunde. Und jetzt sind sie so viel mehr.

Auf dem Weg zu seinem und Shisakos Quartier macht er - wie immer - einen kleinen Umweg. Das sorgsam gepflegte Blumembeet mit dem jungen roten Ahorn im Zentrum liegt etwas näher an der Grundstücksmauer, nicht versteckt, aber geschützt vor den neugierigen Blicken Fremder. Und damit sind die neuen Rekruten gemeint. Es sind nur vier, die Auswahlprüfungen zum Spion sind streng, aber sie sind manchmal etwas übereifrig.

Aber sie wissen, dass dies hier der kleine Garten des Vizekommandanten und seiner Verlobten ist und sie sich fernzuhalten haben.

Und da sie vor ihrer Yamazaki-Sensei noch viel größere Angst haben als vor ihrem Vizekommandanten, halten sie sich auch brav daran.

Wie immer wenn er hier steht, erinnert er sich an diese vier Wochen, in denen alle Truppenkapitäne zusammen mit Shisako über die Pläne für diesen kleinen Garten gesessen haben. Erst die Pläne, dann die Umsetzung. Es half ihr, es tat ihr sogar so gut, dass es ihm leicht fiel, die aufkeimenden Eifersuchtsanfälle herunter zu schlucken, die ihn überkamen, wenn er sie so vertraulich mit den anderen Männern herumsitzen sah.

Sein Blick fällt auf das Geschenk des Priesters, die kleine Katze aus Holz, die an einer Kordel von einem Ast des Ahorns baumelt. Entgegen dem, was der Priester sagte, hängt sie allerdings erst seit sechs Wochen da - zumindest, ohne schon nach den ersten fünf Minuten wieder abzufallen. Nachdem das Band zuerst immer wieder riss, vergaßen sie die Figur irgendwann. Oder sie wollte ihren eigenen Moment wählen, wie Shisako vor sechs Wochen meinte, als sie sie höchstpersönlich dort (wieder) anbrachte.

Der Gedanke bringt Hijikata unwillkürlich zum Lächeln. Und löst in ihm sofort den Wunsch aus, noch schneller bei seiner Shisako zu sein. Und so zieht er noch ein letztes Mal an seiner Zigarette, lässt den Stummel dann fallen, tritt ihn mit dem Absatz aus und macht sich dann wieder auf den Weg.

Es ist nicht mehr sehr weit, nur noch durch einen Seiteneingang des Hauptgebäudes und dann die Treppe, denn kaum bekam Kondō von ihrer Verlobung Wind, hat er ihnen sofort die Hälfte des Obergeschosses freiräumen lassen. Wo vorher nur Gerümpel aller Art lagerte, ist jetzt ihre Wohnung mit eigener Küche und Badezimmer und auch wenn ihnen anfangs diese Vorzugsbehandlung noch peinlich war, kommt sie ihnen jetzt sehr gelegen.

Ein schneller Blick auf die Armbahduhr verrät ihm, dass es überraschenderweise doch schon ziemlich spät ist, und so bereitet er sich schon innerlich darauf vor, sie mal wieder schlafend auf der Couch anzutreffen. Sie wartet immer auf ihn. Und geht nie ohne ihn ins Bett. Er hofft nur, dass sie diesmal wenigstens an eine Decke gedacht hat, schließlich friert sie doch so leicht...

„Hijikata..."

Auf der Treppe nach oben kommt ihm Matsudaira entgegen. Hijikata verkneift sich nur mit Mühe ein Aufseufzen. Der Polizeichef hatte Kondōs Party vor zwei Stunden verlassen und er dachte eigentlich, der Alte wäre schon längst gegangen. Aber andererseits wundert er sich nicht wirklich. Nachdem sich Matsudairas Ärger über alles legte, hat er Shisako förmlich adoptiert. Das kann mitunter ganz schön lästig sein.

„Du kommst spät, mein Junge. Du musst wirklich noch hart an dir arbeiten, wenn ein guter Ehemann aus dir werden soll."

Hijikata nickt nur ergeben. Aus Erfahrung weiß er, dass er Matsudaira in solchen Momenten am Schnellsten wieder loswird, wenn er ihm weder widerspricht noch eine Diskussion mit ihm beginnt.

„Man lässt seine Verlobte nicht in einer halb eingerichteten Wohnung alleine sitzen, nur, um sich vollaufen zu lassen."

Hijikata gibt nur ein unbestimmtes Brummen von sich und drückt sich an die Wand, um ihn an sich vorbei zu lassen.

„Geh nach oben und kümmere dich um deine reizende Verlobte." Im Vorbeigehen klopft ihm Matsudaira väterlich auf die Schulter. Hinter seinem Rücken verdreht Hijikata die Augen und setzt dann seinen Weg nach oben fort.

Der Alte meint es sicherlich gut, aber er nervt. Und Hijikata will nicht wissen, wie sehr er ihnen erst auf die Pelle rückt, wenn er von Shisakos süßem, kleinen Geheimnis erfährt.

Dabei hat er eine eigene Tochter. Eine nervige noch dazu. Reicht ihm die nicht?

Früher hätte er sich darüber ewig aufgeregt, doch heute zuckt er nur mit den Schultern und geht weiter. Es gibt wirklich Wichtigeres.

Vor dem Fusuma, der zu ihren eigenen vier Wänden führt, hält er noch einmal kurz inne.

Zuhause. Endlich.

Energisch schiebt er die Tür beiseite und tritt ein.

„Ich bin wieder da!"

Er hat es kaum ausgesprochen, da fliegt ihm schon ein Bündel schierer Freude entgegen, und er findet sich wieder in einer erstaunlich starken Umarmung. Auch wenn er Matsudaira nicht begegnet wäre, verriete ihm ihr Aufzug, dass sie sich noch nicht für die Nacht fertig gemacht hat, denn sie trägt noch immer ihren schlichten blauen Yukata und die schwarze Hose wie schon seit heute Morgen. Es ist derselbe unaufdringliche Stil, den sie als Sagaru immer trug, bevor sie mit westlicher Kleidung ihre weiblichen Rundungen versteckte - etwas, was sie jetzt glücklicherweise nicht mehr machen muss und auch gar nicht mehr will.

Dass sie immer noch wach und munter ist, freut ihn. Zuerst befürchtete er, dass es Matsudairas Schuld sei und dieser Egoist sie von ihren dringend benötigten Ruhephasen abgehalten hätte. Aber er stellt schnell fest, dass es das nicht eindeutig nicht ist, denn sie summt regelrecht vor Energie.

„Tōshirō! Du bist zurück! Ah, ich habe dich sooo vermisst! Hast du Matsudaira getroffen? Er ist gerade erst gegangen! Er nervt! Er ist nicht mein Vater! Ich habe ihn gebeten, die Möbel zusammenzubauen, hoffte, er würde dann gehen, aber er hat es wirklich getan! Er hat sogar die Lampen angebracht! Als könne ich das nicht selbst! Ah, sag nichts, ich weiß, dass du nicht willst, das ich das mache und daher ist es doch gut, wenn Matsudaira das gemacht hat, ich will nämlich auch nicht, dass du das machst und wieder fast von der Leiter fällst wie gestern! Ich will trotzdem nicht, dass er hier ständig auftaucht, aber ich will auch nicht, dass er deswegen beleidigt ist. Oh, und war Kondō sehr sauer auf mich, weil ich nicht mitgefeiert habe?"

Sie redet mal wieder ohne Punkt und Komma. Oh, wie sehr er das doch vermisst hatte! Um Hijikatas Lippen zuckt unwillkürlich ein Grinsen, als er sie auf Armeslänge von sich schiebt, um ihr ins Gesicht zu sehen und um nichts von ihrem Glanz zu versäumen.

Sie ist wunderschön.

„Keine Sorge", liebevoll streicht er ihr eine Haarsträhne hinters Ohr zurück und bringt damit ihren Haarschmuck zum Klingeln.

Es ist das Birabira-Kanzashi, das ihr Kondō vor so vielen Monaten schenkte und das sie nur zu besonderen Anlässen trägt, zum Beispiel heute zu Kondōs Geburtstag, eine Geste, die diesen natürlich wieder zu Tränen rührte.

„Kondō ist nicht enttäuscht. Ist ja nicht so, als wärest du überhaupt nicht auf seiner Party gewesen. Er versteht, dass du dich ausruhen willst. Um ganz ehrlich zu sein", fährt er mit verschwörerisch gesenkter Stimme fort, „glaube ich, er vermutet da etwas..." vielsagend legt er die rechte Hand auf ihren noch immer sehr flachen Bauch.

Sie kichert leise. „Lass es uns noch ein paar Tage für uns behalten. Ich mag es, ein kleines Geheimnis zu haben."

Das hat sie letzte Woche schon gesagt. Und die davor. Und auch die davor. Sie ist in der vierzehnten Woche, ewig werden sie es nicht mehr verstecken können. Aber er kann ihre Vorsicht verstehen. Und wer ist er, dass er so etwas über ihren Kopf hinweg entscheidet?

„Alles was du willst, meine Schöne."

„Alles, was ich will?" In ihren hellbraunen Augen erwacht ein spitzbübisches Licht und er erkennt seinen Fehler sofort. Aber er bereut ihn nicht, als sie ihn fröhlich an der Hand nimmt und mit sich ins Zimmer zieht. Sie drückt ihn auf die neue Couch, schnappt sich die Fernbedienung und kuschelt sich dann an seine Seite. Und es ist ihm ganz egal, dass sie sich einen Gruselfilm ausgesucht hat. Lächelnd legt er einen Arm um sie, zieht sie enger an sich und küsst sie.

Er ist Zuhause.

Und mehr braucht er nicht.

Mehr brauchen sie beide nicht.

 

 



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