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Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht

von

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Gegenwart - 4. Januarwoche – 21. Januar, Tag X+1 – Es mag eine steinige Straße sein, aber es ist immer noch eine Straße

Oje oje.

In einer Mischung aus Ärger und Scham rauft sich Hijikata die Haare. Wie konnte Sōgo nur so etwas sagen? Jetzt hat er den Männern diese Flausen in den Kopf gesetzt und das wird ganz schnell die Runde machen und bevor er es sich versieht, wird Kondō schon die Hochzeit planen und das, bevor er Shisako einen Antrag machen konnte.

Dazu ist es noch viel zu früh!

Er hatte nicht vor, irgend etwas in dieser Richtung zu unternehmen, bevor sie wieder völlig genesen ist. Er hat sie zwar um ein Date gebeten, aber auch dafür soll sie sich erst wieder besser fühlen. Er will nicht, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlt.

Er wollte es langsam angehen.

Er will nichts falsch machen, denn sie ist ihm wichtig.

Die Frage nach dem ersten Date hat er schon verpatzt, alles andere sollte richtig laufen.

Aber wenn es wirklich die einzige Möglichkeit ist, damit sie hier bleiben kann...

„Dann wird sie das auch wissen, sie kennt die Vorschriften besser als ich", brummt er vor sich hin. „Sie ist schlau."

Sie soll aber nicht denken, dass ich sie nur deshalb...

Entschlossen schiebt er diese Gedanken endgültig beiseite – ein Problem nach dem anderen - und betritt sein Quartier.

Er hat beschlossen, dass er heute wirklich frei hat, also wechselt er von seiner Uniform in einen warmen Freizeityukata und passende Hosen. Shisako wird sich darüber bestimmt freuen. Es sind die Details, die zählen. Das Schwert nimmt er aber mit, denn ohne fühlt er sich nackt wie jeder anständige Samurai.

Während des langen Weges zu Shisakos Quartier gibt er sich Mühe, möglichst an gar nichts zu denken und erstaunlicherweise gelingt ihm das sogar ganz gut. Trotzdem holt er einmal tief Luft, bevor er an den Holzrahmen klopft und dann den Fusuma beiseiteschiebt.

Sie sitzt immer noch am festlich dekorierten Kotatsu und Tetsu hockt ihr gegenüber und sie spielen ein Würfelspiel. Bei seinem Eintreten heben beide den Kopf und während Shisako ihn regelrecht anstrahlt, lächelt Tetsunosuke etwas zurückhaltender und respektvoller und steht auf.

„Dann werde ich mal ganz schnell an meine Arbeit gehen", sagt Tetsunosuke zu Shisako und Hijikata könnte schwören, dass sie sich für eine Sekunde verschwörerisch angrinsen.

Dann drückt sich Tetsunosuke an ihm vorbei aus dem Raum, nicht jedoch, ohne Shisako von der Türschwelle noch einmal zuzuwinken. Hijikata denkt kurz darüber nach, ob er seinem Assistenten noch irgendetwas auf den Weg mitgeben sollte, die Mahnung, fleißig zu sein vielleicht, aber dann läßt er es. Der Junge weiß ganz genau, wie er zu arbeiten hat, er ist sehr selbständig, was das betrifft. Also beläßt er es bei einem „Danke" und einem „bis später" und schließt hinter ihm wieder die Tür.

„Was war das eben für ein Blick?" fragt er und versucht, nicht eifersüchtig zu klingen, während er zu ihr geht und sich direkt neben sie setzt. „Habt ihr beiden etwa Geheimnisse?"

Ihre Wangen färben sich rosa und sie senkt verlegen den Blick.

„Du weißt doch, wie er ist. Macht ständig Andeutungen über uns. Will alles wissen. Und denkt jetzt sicher, wir treiben sonst was hinter geschlossener Tür. Aber", lenkt sie schnell ab, „sag lieber mal, wie die Besprechung war? Irgend etwas Besonderes heute?"

Er weiß, dass sie in Wirklichkeit nur mäßig interessiert ist. Wahrscheinlich befürchtet sie, dass er höchstens bis zum Mittag bei ihr bleibt und sich dann wieder in die Arbeit stürzt, so wie sie und alle anderen es von ihm gewöhnt sind. Auch oder gerade weil heute Feiertag ist.

„Ehrlich gesagt", erwidert er gedehnt, während er ihren Blick sucht und festhält, „habe ich nicht wirklich aufgepasst. Ich war abgelenkt."

„Oh...?" Sie klingt unsicher, doch in ihren hellbraunen Augen sieht er einen kleinen Hoffnungsschimmer.

Argh. Sie ist so süß!

„Ja“, erwidert er in einem Anflug von Tolldreistigkeit, „Ich habe nur an dich gedacht.“

Ihre Wangen werden flammendrot und sie schlägt beschämt die Augen nieder. Das ist kein Anblick, der ihm dabei hilft, ruhig und nüchtern zu bleiben. Er fragt sich unwillkürlich, ob Sagaru auch immer so rot geworden ist oder ob ihm das jetzt ganz besonders auffällt. Andererseits hatte er auch nie mit Sagaru geflirtet so wie jetzt mit ihr.

Er räuspert sich einmal und greift nach ihren Händen.

„Ich habe zwar keine Ahnung, welche Division heute Putzdienst hat, aber ein paar Punkte gab es doch.“ Er holt einmal tief Luft und wartet, bis sie ihn neugierig ansieht.

„Shisako...“, beginnt er und rutscht etwas näher an sie heran, „die Jungs lassen dir ausrichten, dass sie für dich da sind. Sie machen sich riesige Sorgen um dich und sie wollen alle, dass du bei uns bleibst. Kondō hat heute einen Termin bei Matsudaira, wo er genau das anspricht. Sie stehen alle hinter dir und sie wollen, dass Matsudaira das weiß, daher haben sie Briefe geschrieben und Unterschriften gesammelt, und Kondō gebeten, das alles Matsudaira auszuhändigen.“

Im ersten Moment starrt sie ihn nur an, aber dann weiten sich Ihre Augen und sie schnappt plötzlich nach Luft. Mit einem Ruck entzieht sie ihm ihre Hände, nur, um nach vorne zu schnellen und ihn am Kragen zu packen. In ihren Augen schimmern Scham, Wut und Panik.

„Was... was habt ihr ihnen erzählt? Wissen sie von...? Habt ihr es etwa allen erzählt? Wie konntet ihr nur!“

„Nein, nein“, beruhigt er sie hastig und pflückt ihre Finger von seinem Yukata. „Außer denen, die gestern dabei waren, weiß niemand etwas. Die anderen wissen nur, dass du eine Frau bist. Dass du im Krankenhaus warst und fast gestorben wärst, hat die Runde gemacht“, natürlich hat es das, schließlich haben sie alle die Genesungskarte unterschrieben, „aber sie wissen nicht, warum genau.“ Nicht, dass es keine Gerüchte gibt - auch wenn ihm bisher keine an die Ohren gedrungen sind, bedeutet das nicht, dass es keine gibt. Er kennt seine Pappenheimer. Und Yamazaki kennt sie auch, aber das ist hier nicht der Punkt.

„Doch das hält niemanden davon ab, hinter dir zu stehen, verstehst du? Wir zeigen es bestimmt nicht so oft wie wir sollten oder wie du es verdient hast, aber du bist allen hier wichtig.“

Sie erstarrt und allmählich entspannt sie sich wieder. Die Wut und die Panik verschwinden aus ihrer Miene und machen einer großen Nachdenklichkeit Platz, als ihr Blick zu dem großen Blumenstrauß auf dem Schreibtisch hinüberwandert. Dann sieht sie zu den bunten Ballons und den Girlanden über ihnen. Hijikata kann regelrecht zusehen, wann es „klick“ macht und sie begreift, dass jeder hier auf irgend eine Art und Weise seinen Anteil dazu gegeben hat.

Und dann sinkt sie regelrecht in sich zusammen.

„Ich... sumimasen...“, beginnt sie, doch er läßt sie gar nicht erst ausreden.

„Ich erzähle dir das nicht, damit du dich entschuldigst. Es gibt keinen Grund für dich, dich zu entschuldigen. Du hast uns alle erschreckt und wir machen uns Sorgen um dich." Er wünschte, sie würde das endlich verstehen. „Die Jungs wollen dir etwas Gutes tun. Sie hatten dieselbe Idee wie ich gestern. Das mit der Gedenkstätte. Ich glaube“, um seine Lippen zuckt ein schwaches Lächeln, „das ist auch irgendwie naheliegend. Es gibt keinen Hausaltar für Sternenkinder.“ Er ist froh, dass ihm dieser Begriff wieder eingefallen ist. Es ist nicht sein Thema, aber wenn man oft genug dazu gezwungen wird, sich mit Kondō rührselige Familiendramen anzusehen, bleibt das eine oder andere hängen.

„Es gibt auch normalerweise keine Gedenkstätten“, ergänzt sie leise.

„Niemanden hier interessiert normalerweise“, erwidert Hijikata und drückt dabei ganz fest ihre Hände. Es ist schließlich auch nicht normal, dass ein Mann zu einer Frau wird – erst seit die Amantos hier ihr Unwesen treiben, wird die Welt täglich auf den Kopf gestellt.

„Sie gehen heute auch nicht zum Schrein. Wir sind eine Familie. Du bedeutest uns viel. Lass sie einfach für dich da sein. Du hast es mehr als verdient.“

Sie hält den Kopf so tief gesenkt, dass er ihre Miene nicht lesen kann, aber er spürt, wie ihre Finger in seiner Hand leicht zittern.

„Wissen sie von der Verge...“, sie stockt, holt einmal tief Luft und versucht es dann erneut, „der Vergewa...“ wieder bringt sie das Wort nicht über die Lippen. Verzweifelt vergräbt sie das Gesicht in den Händen.

Der Anblick bricht ihm fast das Herz.

„Nein“, beruhigt er sie sofort. „Niemand weiß davon außer Tetsu, Sōgo, Kondō und mir. Und keiner von uns wird das irgendwem erzählen.“

Jetzt ist er wirklich, wirklich froh, dass sie diesen Fall mit diesen abscheulichen Videos in solch kleinem Rahmen belassen haben. Er glaubt nicht, dass irgend einer ihrer Männer neugierig genug ist, um tief genug nach der Wahrheit zu graben. Denn so sehr sie Yamazaki auch schätzen und mögen – niemand von ihnen hat je mehr als nur an der Oberfläche gekratzt. Sei das nun Desinteresse oder die Akzeptanz von roten Linien, das ist egal, denn in diesem Falle kommt es ihnen gelegen.

„Beruhige dich bitte.“ Ohne dass er sich daran erinnern könnte wie und wann, sitzt er ihr plötzlich so nahe, dass er ihre Körperwärme spüren kann und wischt ihr mit dem rechten Daumen eine vereinzelte Träne von der linken Wange. Aber anstatt seine Hand dann zurückzuziehen, wandert sie weiter, streicht ihr ein paar Haarsträhnen aus der Stirn und eine andere hinters Ohr.

Und dann seufzt sie leise auf, schließt die Augen und schmiegt ihre Wange in seine Hand. Und in diesem Moment ist es um ihn geschehen.

Ehe er es sich versieht, lehnt er sich vor und berührt sanft mit seinen Lippen die ihren.

Und dann geht alles ganz schnell.

Sie entgegnet den Kuss ohne zu zögern und schon befindet sich seine Zunge in ihrem Mund und duelliert sich mit ihrer und sie schmeckt nach Tetsus Muffins und einfach nur süß. Und dann landen seine Finger endgültig in ihrem Haar und ihre in seinem und ihre Körper drängen zueinander und da ist nur WärmeWärmeWärme und mehrmehrmehr.

Er ist nicht unberührt, aber seine wenigen Erfahrungen begrenzen sich auf die Stunden bei den leichten Damen aus Yoshiwara, eine richtige Liebesbeziehung hatte er noch nie. Er ist mit seiner Arbeit verheiratet und wirklich gefehlt hat ihm da auch nie etwas. In den ersten beiden Jahren nach Gründung der Shinsengumi besuchte er die einschlägigen Etablissements regelmäßig, weil Kondō ihn quasi dazu drängte, von wegen es sei gesund und gehöre zum „Mannsein“ dazu, aber Hijikata fiel schnell auf, dass dieses kurzfristige Vergnügen nicht sein Fall ist. Trotzdem ist er nun dankbar für die Erfahrungen, die er dort machen durfte, denn so blamiert er sich jetzt nicht.

Hijikata hört erst auf, als ihm der Atem knapp wird.

Nur sehr unwillig löst er sich von diesen süchtig machenden Lippen und lehnt stattdessen seine Stirn an ihre, sieht ihr – plötzlich von großer Unsicherheit erfüllt - dabei tief in die Augen, auf der Suche nach einem Zeichen, ob er zu weit gegangen ist. Doch aus diesen wunderschönen hellbraunen Augen - in denen, wie er jetzt bemerkt, wo sie sich zum ersten Mal so nahe sind, bernsteinfarbene Flecken schwimmen - schimmert nichts als Zuneigung.

Und während er sie so ansieht, fällt ihm auf, dass Shisako anders küsst als jede andere Frau, die er je küssen durfte, denn selbst das erfahrenste Freudenmädchen war submissiver als sie. Shisakos Küsse besitzen die fordernde Note eines Mannes – und mal ganz davon abgesehen, dass dies nur logisch ist, schließlich war sie bis vor einem Jahr noch ein Mann mitsamt dessen Sozialisierung und Erfahrung, ist es erstaunlich, wenn man sich vorstellt, dass Zaki, der liebe, nette, immer leicht schüchterne Zaki genauso dominant küsst wie jeder andere Mann auch.

Nicht, dass Hijikata jemals einen Mann geküsst hätte, aber er hat es oft genug gesehen. Bei Kondō, bei Gintoki, bei Harada, bei Todo, bei allen anderen seiner Männer, sogar bei Sōgo – obwohl der nicht zählt, der ist bei allem ein dominanter Mistkerl.

Fakt ist: Shisakos Küsse sind ungewöhnlich und verdammt schön. Und sie sind nicht ungeschickt oder unerfahren.

„Du küsst gut.“ Es gelingt ihm nicht, die leichte Eifersucht aus seiner Stimme herauszuhalten. Sie gluckst einmal, spitzt die Lippen und gibt ihm einen neckischen, aber viel zu kurzen Kuß.

„Yoshiwara“, meint sie nur. „Genau wie du, nehme ich an. Aber es ist das erste Mal, dass ich jemanden in diesem Körper...“ sie stockt plötzlich und ihre Augen werden auf einmal ganz dunkel. „Ich meine“, fährt sie dann mit einem mühsam unterdrückten Zittern in der Stimme fort, „das erste Mal, dass ich nicht dazu gezwungen werde … aber“, ergänzt sie schnell und mit einer gewissen trotzigen Genugtuung, „.. mit Zunge ließ ich sie nicht. Sie haben es versucht, aber ich habe ganz fest die Kiefer zusammenpresst. Bis mir die Zähne knirschten.“

Etwas in ihm schreit wehklagend auf, als er das hört.

„Du hättest diese Schweinehunde nicht post mortem kastrieren sollen“, knurrt er und zu seiner großen Verwunderung lacht sie daraufhin nur leise auf.

„Sie sind nicht wichtig“, erklärt sie und von einem Moment auf den anderen ist das Blitzen wieder in ihre Augen zurückgekehrt.

„Küss mich nochmal, Fukuchō“, fordert sie ihn dann neckisch auf. „Damit ich sie vergesse.“

Das tut er nur allzu gern.

Aber diesmal gibt er sich Mühe, dass es ein langsamer, bedächtiger Kuss wird. Ruhig und zärtlich und er setzt all jene Tricks ein, an die er sich erinnert und die ihm einst beigebracht wurden. Seine Zungenspitze umschmeichelt ihre ohne Hast und Eile, er achtet auf jede noch so kleine Regung von ihr, um passend darauf reagieren zu können, denn das hier ist ein Geben und Nehmen.

Seine Finger streicheln durch ihr Haar, kraulen sanft ihren Nacken. Ihr leichtes Schaudern und ihr leises Seufzen verrät ihm, wie sehr es ihr gefällt.

Gut, das wird er sich merken.

Seine andere Hand wandert tiefer, bleibt schließlich auf ihrer Hüfte liegen, züchtig über ihrem Hoodie, hält und stützt sie.

Er spürt ihre Hände auf seinen Schultern und seinen Oberarmen, zuerst ein Streicheln, ein Festhalten und dann wird daraus plötzlich ein Festklammern. Sie gibt einen erstickten Laut von sich und bricht ihren Kuß ab.

„Gomen", stößt sie hervor und presst eine Hand auf ihren Unterleib. Für einen kurzen Moment zuckt Schmerz über ihr Gesicht, aber dann hat sie sich wieder im Griff. „Ich muss... ins Bad." Sie steht so schnell auf, dass sie ins Schwanken gerät, und er ist sofort bei ihr, um sie zu stützen.

„Geht's? Brauchst du Hilfe?"

Sie wehrt ihn kopfschüttelnd ab und eilt zur Tür. Er versteht ihren Stolz und respektiert ihren Wunsch, aber das hält ihn nicht davon ab, ihr zu folgen.

 

 

 

Das Badezimmer ist klein und wird, weil es, genau wie ihr Quartier, so abseits liegt, kaum von jemanden benutzt. Wahrscheinlich ist Shisako die einzige, die es benutzt und Hijikata fragt sich, warum ihm das nicht schon früher aufgefallen ist. Noch vor einem Jahr lag Zakis Zimmer im Hauptflügel, genau wie das aller anderen. Er... sie muss umgezogen sein, als er und alle anderen den Dekoboko-Kult im Weltall nachjagten. Und er hat es nicht einmal hinterfragt, sondern einfach so hingenommen, wie man die Jahreszeiten hinnimmt. Auch wieder etwas, was er auf seine Liste der Verfehlungen setzen kann.

Dass sie überhaupt noch mit ihm redet, grenzt an ein Wunder.

„Shisako?" Vorsichtig klopft er an die Tür. Er will sie nicht drängen, aber sie ist schon über fünf Minuten da drin und er macht sich allmählich Sorgen. „Ist alles in Ordnung?"

Er hört das Schloß klicken und dann wird die Tür beiseite geschoben. Mit einer gemurmelten Entschuldigung schiebt sie sich durch den Spalt, doch dabei hält sie den Blick gesenkt. Ihre gesamte Körpersprache hat sich verändert, sie wirkt unsicher und beschämt, doch dann hebt sie den Kopf und lächelt ihn an.

Götter, wie sehr er dieses falsche Lächeln an ihr hasst!

Er dachte wirklich, das hätten sie hinter sich.

„Alles in Ordnung, Fukuchō. Keine Sorge."

Wenn Sagaru früher so etwas zu ihm sagte, hat er es einfach dabei belassen, aber heute ist er klüger.

„Hast du starke Schmerzen?" fragt er sie ganz direkt und ihr falsches Lächeln erstirbt sofort.

Sie senkt wieder den Blick und schüttelt den Kopf.

„Nicht mehr als sonst auch", murmelt sie leise und beißt sich dann verunsichert auf die Unterlippe. „Es ist nur..." Ihre Stimme bricht völlig unvermittelt.

Auffordernd breitet Hijikata die Arme aus und sie flüchtet sich ohne zu zögern hinein.

„Ich blute stärker", murmelt sie verschämt gegen seine Schulter, während sie sich an ihn klammert. Und dann bricht es aus ihr heraus:

„Ich hasse diesen Körper. Ich bin so unnütz. Ich konnte ja nicht mal ein Baby..." ihre Stimme wird immer leiser und erstirbt zitternd.

„Nicht." Erschrocken über diese Worte, drückt Hijikata sie an sich und streichelt ihr über den Hinterkopf. „Du bist nicht schuld. Es war nicht lebensfähig. So etwas passiert. Die kleine Seele ist nicht verloren. Sie wartet nur auf eine andere Gelegenheit."

Er ist nicht gut mit tröstenden Worten, aber er scheint die richtigen gefunden zu haben, vielleicht liegt es aber auch nur an der Umarmung oder seinen Streicheleinheiten, jedenfalls beruhigt sie sich wieder. Langsam, aber sicher.

„Gomen." Schniefend hebt sie den Kopf von seiner Schulter. „Ich bin eine Heulsuse."

Dabei hat sie diesmal gar nicht geweint. Aber er weiß, was sie meint. Er wünschte, er könnte ihr helfen, ihr ihre Trauer und ihre Schmerzen abnehmen, aber das steht leider nicht in seiner Macht.

„Du bist keine Heulsuse", widerspricht er und dann packt er sie unter den Kniekehlen und nimmt sie hoch in seine Arme.

„Uh, was machst du?" erschrocken legt sie die Arme um seinen Nacken und hält sich fest.

Sie ist erstaunlich leicht. Leider weiß er nicht, ob das normal für sie ist oder ob sie an Gewicht verloren hat. Ein paar Pfund mehr würden ihr aber bestimmt nicht schaden.

„Die Ärzte haben dir Bettruhe verordnet", erklärt er, während er sich daran macht, sie zurück ins Zimmer zu tragen. „Vielleicht hat diese Anordnung ja einen Sinn. Vielleicht blutest du mehr, wenn du dich bewegst."

Sie schweigt einen Moment.

„Und wenn uns jetzt jemand so sieht?" wendet sie schließlich ein.

Er schnaubt nur.

„Was soll dann sein?"

Sie öffnet den Mund, als wolle sie etwas darauf sagen, schließt ihn aber dann wieder und wirft ihm nur einen nachdenklichen Blick zu, bevor sie schließlich mit einem kleinen Seufzer entspannt ihren Kopf an seine Schulter lehnt.

Er nickt grimmig.

Gut.

Sie ist auch einfacher zu tragen, wenn sie sich nicht gegen ihn sträubt.

Zurück in ihrem Zimmer setzt er sie ab und geht sofort zum Schrank, um den Futon heraus zu holen. Dabei flucht er in Gedanken. Wieso haben sie ihn überhaupt eingeräumt? Sie wussten doch beide, dass sie mindestens noch eine Woche Bettruhe braucht.

„Aber wenn ich mich hinlege, dann schlafe ich ein", protestiert sie, während er den Futon ausrollt.

„Und was wäre so schlimm daran?" gibt er beinahe unwirsch zurück.

Sie senkt den Kopf und schweigt. Sanft legt er ihr einen Finger unters Kinn und zwingt sie, ihm ins Gesicht zu blicken.

„Shisako?"

Sie zögert, knickt unter seinem strengen Blick aber schnell ein.

„Dann gehst du. Ist doch langweilig, bei mir zu bleiben, wenn ich schlafe. Aber das ist schon in Ordnung", fährt sie betont munter und wieder mit diesem falschen Lächeln fort, „du hast viel zu tun und Tetsu ist zwar gut, aber er kann nicht alles alleine machen."

Hijikata starrt sie eine Sekunde lang einfach nur fassungslos an.

„Deshalb quälst du dich in die Senkrechte? Riskierst deine Gesundheit?"

Das ist so typisch! Yamazaki war immer hart im Nehmen, aber aus diesen Gründen erscheint ihm das jetzt falsch.

„Ich werde mich nicht langweilen", verspricht er ihr daher. „Du hast genug Bücher, die ich lesen kann. Da steht ein Fernseher, den ich benutzen kann. Und wenn du mir deinen Laptop leihst, kann ich meinen Magier noch etwas hochleveln."

Vielsagend klopft er auf den Futon.

Nur zögernd setzt sie sich hin.

Einem Impuls folgend, packt er sie am Arm und zieht sie zu sich. Er ist erst zufrieden, als sie wie in der Nacht zuvor, mit Kopf und Schultern auf seinem Oberschenkeln gebettet daliegt. Ihr überraschter Blick ist Gold wert.

Es dauert eine Weile, bis sie eine bequeme Position gefunden hat, aber kaum liegt sie richtig, landen Hijikatas Finger in ihren Haaren. Er liebt es wirklich, durch diesen dichten, schwarzen Mopp zu fahren.

„Shisako... ich muss dir noch etwas erzählen. Sōgo hat da etwas in der Morgenbesprechung gesagt und vielleicht ist das hier nicht der beste Zeitpunkt, aber bevor du es von irgend jemand anderen hörst... es gibt einen Weg, wie du bei uns bleiben kannst, egal, was Matsudaira entscheidet. Und auch, wenn das wie eine rein logische, nüchterne Entscheidung wirkt, es ändert nichts daran, was ich für dich ...“, er stockt und holt einmal tief Luft, „...je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir die Idee …“, wieder hält er inne, um dann schnell und hoffnungsvoll hervorzustoßen: „Yamazaki Shisako, willst du meine Frau werden?“

Einige Sekunden lang liegt sie einfach nur da, dann dreht sie sich etwas, bis sie ihm ins Gesicht sehen kann. Sie lächelt, und auch, wenn es müde und erschöpft wirkt, ist es ein echtes Lächeln und da funkelt ein schalkhaftes Licht in ihren schönen Augen.

„Du hattest recht. Wir können anscheinend wirklich nicht nur Freunde sein.“ Und plötzlich kichert sie, packt ihn am Kragen und zieht sich etwas in die Höhe und ihn gleichzeitig zu sich herab. Kurz bevor sich ihre Lippen berühren, wispert sie:

Natürlich will ich deine Frau werden, Tōshirō, aber ich bestehe trotzdem auf dem versprochenen Date.“



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