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Babylon-6 - 04

Alte Feinde
von

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Verzweifelte Manöver

Vor einem Augenblick hatte Commander Melanie Sterling die Triebwerke ihres Raumjägers der STARFURY-KLASSE auf volle Leistung hochgefahren. Sie spürte unterbewusst das leichte Vibrieren der Maschine, als sie um zehn Grad nach Backbord abdrehte, dabei kontrollierend, dass ihr Flügelmann das Manöver mitmachte. Sie flog, wie immer als Kommandeurin des Bordgeschwaders der SHERIDAN, die Führungsmaschine der Jagdstaffel BLUE TIGERS.

Bereits vor dem Start hatte die zierliche Australierin ihre Piloten angewiesen, unbedingt in Gruppen zu mindestens zwei Rotten zu operieren. Dank des wiederholten Drills kannten die Piloten ihre jeweiligen Gruppenkameraden. So wusste jeder, wer mit wem flog. Zudem hatte diese festgelegte und oft durchexerzierte Einteilung den Vorteil, dass die einzelnen Gruppen, ebenso wie die Rotten, aufeinander eingespielt waren.

Auf dem Ortungsdisplay erkannte Melanie Sterling die startenden Feindjäger. Schon bald würden sie sich in einem tödlichen Tanz miteinander und umeinander befinden.

Die brünette Jagdpilotin sah kurz zum linken Kanzelfenster hinaus, wo sich die sie begleitende Rotte etwas nach vorne schob. Über Funk befahl sie: „BLUE TIGER-03 hier spricht Leader: Halten Sie die Formation!“

Die eisgrauen Augen der Geschwader-Kommandeurin funkelten amüsiert, als sie das leichte Missvergnügen in der Stimme von First-Lieutenant Melissa Janice Crane vernahm. Sie wusste um das Temperament der jungen Jagdpilotin und sie bemühte sich stets es etwas zu dämpfen. Irgendwann würde Crane eine hervorragende Staffel-Kommandantin abgeben, wenn es ihr gelang, ihr manchmal überschäumendes Temperament etwas mehr zu zügeln.

„Verstanden, BLUE TIGER-Leader.“

Aus den Augenwinkeln bemerkte Melanie Sterling, dass sich die Geleit-Rotte wieder einreihte, während sie gleichzeitig einen neuen Kontakt auf der 3D-Anzeige ihres zentralen Ortungsdisplays bemerkte.

Beinahe gleichzeitig meldete sich Generalmajor Hayes auf der Geschwader-Frequenz und sagte: „Kommandeur an Jagdgeschwader. Wir haben einen neuen Kontakt ausgemacht. Offensichtlich handelt es sich um eine Raumstation. Derselbe Typ, mit dem wir es vor einigen Monaten bereits im System Sigma-Alpha-301 zu tun hatten. Offensichtlich haben wir Glück gehabt und den Feind tatsächlich aufgespürt. Commander Sterling, Sie halten sich außerhalb der Feuerreichweite der Station und kümmern sich mit ihrem Geschwader primär um die feindlichen Jagdmaschinen. Um die Station selbst werden sich die SHERIDAN und die Zerstörer der WARLOCK-KLASSE kümmern. Die übrigen Einheiten übernehmen den Flankenschutz. Hayes, Ende.“

Commander Sterling bestätigte. Nachdem die Verbindung unterbrochen war, sagte sie murmelnd zu sich selbst: „Dann wäre ja auch das geklärt.“

Der gesamte Verband schwenkte auf die Station ein, deren Impuls der stärkste auf dem Display der Fernortung war. Die schwächeren Impulse zeichneten sich von der jetzigen Position des irdischen Verbandes leicht unterhalb der Station und ein gutes Stück nach Backbord versetzt ab.

Commander Sterling bemerkte, dass die kapitalen Kampfschiffe ihrer Kampfgruppe die Fahrtstufe erhöhten. Sie vermutete, dass Hayes vorhatte, in Schussweite der Station zu gelangen, bevor die Kriegsschiffe des OMEGA-Bundes nah genug heran waren, um die Basis wirkungsvoll verteidigen zu können. Sie ließ das Geschwader etwas weiter auffächern, was ihr erlauben sollte, die anfliegenden Feindjäger etwas eher bekämpfen zu können, um dieser Taktik noch weiteren Vorschub leisten zu können.

Insgesamt zeichneten sich nun zehn größere Feindraumschiffe auf dem Display ab. Das Verhältnis war, selbst wenn man die Verteidigungskapazität der feindlichen Raumstation mit einrechnete, annähernd ausgeglichen. Dennoch wurde Melanie Sterling ein ungutes Gefühl in ihrer Magengrube nicht los und sie fragte sich, woran das lag.
 

* * *
 

Auf der HELENA, einem Zerstörer der WARLOCK-KLASSE, fragte sich der Kommandant dieses Kriegsschiffes, Captain Carson Delano Anderson, etwa zur selben Zeit, welche Taktik der Gegner verfolgte. Offensichtlich schob sich der Feindverband nicht, so schnell es ging, zwischen die Station und die anfliegende Kampfgruppe-Epsilon, sondern sie näherte sich ihnen direkt. Das erschien Anderson merkwürdig.

Wie immer vermittelte der schlanke, fünfundvierzigjährige Mann einen gelassenen Eindruck. Hektik war nicht seine Sache. Bei seinen Untergebenen galt er als friedfertig und mehr als einer dieser Untergebenen hatte sich bereits gefragt, was einen solchen Mann dazu veranlasst hatte, ausgerechnet zu den Erdstreitkräften zu gehen.

Jenen Menschen, die den blonden, mittelgroßen Mann bisher darauf angesprochen hatten, hatte er erklärt, dass er das Militär lieber in den Händen von Leuten sähe, die Waffen nur im äußersten Notfall einsetzen, als in den Händen jener, die darauf brannten sie einzusetzen. Nicht selten war er mit dieser Ansicht auf Unverständnis gestoßen.

Fragend sah Anderson zu seinem Ersten Offizier, Commander Kiarash Khorramdin, und erkundigte sich bei dem siebenunddreißigjährigen Perser, mit unterdrückter Stimme, sodass nur er ihn verstehen konnte: „Was halten Sie von der gegnerischen Taktik, Xerxes?“

Der hochgewachsene, kräftige Mann, dessen kühne und ziemlich große Adlernase aus seinem Gesicht herausstach, verzog bei der Nennung seines Spitznamens das Gesicht.

„Ich hätte Ihnen nie von dem Spitznamen erzählen sollen, den mir meine Kommilitonen an der Akademie gegeben haben“, zischte der Commander leise zurück. Etwas lauter meinte er dann: „Vielleicht ist der Kommandeur des Verbandes einer dieser Hitzköpfe, die den Gegner sofort frontal nehmen wollen, Sir. Gut für uns, falls es so ist.“

„Ich weiß nicht, Commander. Die bisherigen Aktionen schienen mir intelligenter und durchdachter. Das hier passt irgendwie nicht ins Bild. Nicht für mich.“

In den blauen Augen des Kommandanten lag ein besorgter Ausdruck, als Kiarash Khorramdin ihn direkt ansah. „Aber was könnte diese Taktik sonst bedeuten, Sir? Vielleicht handelt es sich um eine Verzweiflungstat, weil man nicht damit gerechnet hat, hier von uns aufgestöbert zu werden?“

„Ja, das wäre möglich“, gab Anderson mit gedehntem Tonfall zu.

„Aber Sie glauben es nicht, Sir.“

Carson Anderson lächelte humorlos. „Nein, ich glaube es nicht, Commander.“

Beide Offiziere sahen wieder auf den Hauptbildschirm des Kommandozentrums, auf dem die Station immer stärker anwuchs. Kurz bevor der Verband in Schussweite gelangte, jagten mehrere Energiestrahlen von der Station aus zwischen den anfliegenden Einheiten der Kampfgruppe-Epsilon hindurch. Zwei Jagdmaschinen der PERSEPHONE explodierten in grellen Explosionen.

„Wie lange noch, bis wir selbst auf Schussweite heran sind?“, erkundigte sich Carson Anderson, wobei er seinen Sessel etwas nach links drehte, um den Lieutenant an der Waffenkonsole ansehen zu können.

First-Lieutenant Theresa Palmer meldete umgehend: „Noch eine Minute, Captain. Die Zielscanner der beiden Frontgeschütze sind bereits auf die Hauptenergieerzeuger der Station ausgerichtet, Sir.“

„Wann kommt der Feindverband in Schussweite, Lieutenant?“

„In knapp zwei Minuten, Sir.“

Carson Anderson schenkte der rotblonden Frau ein Lächeln. „Danke, Lieutenant Palmer. Behalten sie die umliegenden Sektoren im Auge.“

Die Frau bestätigte und der Captain sah wieder auf den Hauptbildschirm. Dabei zählte er in Gedanken die Sekunden herunter.

Bereits nach nur wenigen Sekunden geschahen zwei Dinge beinahe gleichzeitig. Zuerst setzte der Ortungsalarm ein. Gleich darauf meldete Theresa Palmer mit vibrierender Stimme: „Captain, ich habe einen weiteren Verband von Großraumschiffen ausmachen können. Außerdem geht eine seltsame Energiefront von einem der Raumschiffe aus. Einen solchen Wert habe ich noch nie gesehen, Sir!“

Entgegen seinem Naturell schoss Anderson beinahe aus seinem Sessel und schritt rasch zur Konsole, an der Theresa Palmer die Werte ablas. Als er neben ihr ankam, deutete die Frau auf die grafische Anzeige der Energiewerte.

„Sehen sie diese Energiespitzen, Sir? Was könnte das sein?“

Das Gesicht von Carson Anderson war ein einziges Fragezeichen. Im nächsten Moment rief er dem Kommunikationsoffizier zu: „Eine Verbindung zum Flaggschiff!“
 

* * *
 

General Lynden Benjamin Hayes runzelte die Stirn, als der Anruf von der HELENA einlief. Angespannt stand er neben dem Sitz des Captains. Der Angriff würde in wenigen Augenblicken beginnen und er mochte es nicht, wenn die ihm unterstellten Kommandanten der Kriegsschiffe unmittelbar vor der Schlacht plötzlich Redebedarf hatten. Andererseits kannte er Anderson und er ahnte, dass der Captain nicht ohne Grund ausgerechnet jetzt anrief. Also nickte er dem Kommunikationsoffizier zu und wies ihn knapp an: „Durchstellen.“

Während der Offizier bestätigte und auf Lautsprecher schaltete, sagte Hayes rasch zu Esposito: „Sie übernehmen vorübergehend die Leitung der Attacke, Captain.“

Fernando Esposito, der als Kommandant des Flaggschiffs auf solche Entwicklungen vorbereitet war, erwiderte ruhig: „Verstanden, Sir.“

Bereits im nächsten Moment krachte die Stimme von Captain Anderson aus den Lautsprechern: „Generalmajor, wir haben eine neue Gruppe von Signalen aufgefangen. Mindestens vierzig schwere Einheiten, nach den ersten Auswertungen. Sie werden uns in die Zange nehmen. Außerdem rast eine seltsame Energiewelle auf uns zu.“

Beinahe wie eine Bestätigung der Worte des Captains klang auch auf der SHERIDAN der Ortungsalarm auf.

Anders, als Captain Anderson, überkam Hayes eine dunkle Ahnung, was es mit dieser Energiewelle auf sich hatte. Er erinnerte sich an das Gespräch, das er vor wenigen Wochen mit einem Lieutenant Eireene Connally geführt hatte. Eine junge Frau im Dienst der Erdstreitkräfte, die zu den Überführungscrews von sieben Kreuzern der ALPHA-KLASSE gehört hatte, bis Unbekannte den Konvoi überfielen. Dabei war es zu einer Anomalie gekommen, die sich auf die Hyperflug-Fähigkeit der Kreuzer auswirkte.

Rasch traf der Generalmajor eine Entscheidung. „Captain Anderson, lassen Sie die Energiewelle scannen. Versuchen Sie, probehalber ein Hyperraumfenster zu öffnen. Bleiben Sie jedoch mit dem Raumschiff im Normalraum. Meldung über den Ausgang dieser Aktion sofort an mich. Wir setzen gleichzeitig den Angriff fort. Geschlossene Formation.“

Es sprach für Anderson, dass er den zweiten Befehl nicht hinterfragte, sondern knapp erwiderte: „Verstanden, Sir. Ich halte den Kanal offen.“

Als Hayes sich wieder zu Esposito begab, meinte der Spanier: „Das ist gewagt, Sir.“

„Es wäre gewagter, das zu tun, was der Gegner von uns erwartet“, gab der Generalmajor grimmig zurück. „Nämlich den Angriff abzubrechen, um uns kopflos der Übermacht zu stellen. Aber diese Brüder kennen mich noch nicht, Captain.“

Gleichzeitig mit Andersons Meldung, dass ein Öffnen eines Hyperraumfensters gleich mehrmals gescheitert war, kam von der Feuerleitkonsole die Meldung: „Die feindliche Station befindet sich jetzt in Schussweite, Sir.“

Hayes sah zu Esposito und nickte ihm zu. Gleichzeitig mit dem Befehl des Spaniers an seinen Untergebenen an der Waffenkonsole, gab Hayes über Flottenfrequenz den Befehl, mit dem Angriff zu beginnen. Danach sah er Esposito sorgenvoll an und meinte, mit düsterem Unterton in der Stimme: „Wenn das mal gutgeht, Captain.“
 

* * *
 

An Bord der TORMENTOR sah Galen Kilrain ungläubig auf die Bildschirme. Mit fragender Miene wandte er sich zu Cameron Grant, dessen Miene keinerlei Aufschluss darüber gab, was er in diesem Moment dachte.

„Ist der Kommandeur dieser Einheit jetzt komplett übergeschnappt? Warum ignoriert der Kerl unsere anfliegenden Kampfverbände?“

Grant sah Kilrain spöttisch an. „Nein, dieser Generalmajor Hayes ist verdammt noch mal besser, als wir es uns eingebildet haben. Wir hatten gehofft, dass er von der Station ablassen wird, wenn er sich in der Falle sieht. Doch dieser Mistkerl hustet uns was.“

Beide Männer sahen wieder auf die Bildschirme, auf denen sich abzeichnete, dass der Kommandeur der Kampfgruppe-Epsilon gar nicht daran dachte, so zu handeln, wie es die beiden Telepathen erhofft hatten.

In geschlossener Formation flogen die Kampfschiffe der Erd-Allianz auf die Station zu. Als sich die Großkampfschiffe in Schussweite befanden, nachdem sie den Abstand zur Raumstation auf 25 Kilometer verkürzt hatten, leuchteten grell-blaue Partikelstrahlen in der ewigen Schwärze des Weltalls auf. Waffen des Typs, die dieses blaue Leuchten der Waffenstrahlen verursachten, kamen erstmalig Ende 2261 zum Einsatz, kurz vor der Befreiung der Erde von Präsident William Morgan Clarks Schreckensherrschaft.

Nur Sekundenbruchteile gleichzeitig schlug die vernichtende Energie bei der Station ein, die ihrerseits die Raumschiffe der Erdstreitkräfte unter Feuer nahm. Die Schutzgitter der Station hielten dem gut gezielten Waffenfeuer nur wenige Augenblicke lang stand. Dann schlugen die ersten Energiestrahlen auf der Station ein. Teile der Stationshülle wurden förmlich zerschmolzen, andere wurden durch die Wucht folgender Explosionen herausgerissen und wirbelten ins All hinaus.

Mitten in dieses Chaos schlugen die mächtigen Strahlen der beiden Hauptgeschütze des Trägerschlachtschiffs SHERIDAN ein. Drei hinterher gefeuerte schwere Fusionsraketen gaben der angeschlagenen Station den Rest.

Die untere Hälfte der Station leuchtete grell auf und verschwand in einer Energiekaskade, die gleich darauf die gesamte Station verschlang.

Galen Kilrain stieß einen gälischen Fluch aus und selbst der sonst stets so beherrscht wirkende Cameron Grant ballte seine Hände zu Fäusten, bei der Vernichtung der Station. Zwar hatte er diesen Verlust kalt mit einkalkuliert, doch er hatte dennoch unterbewusst darauf gehofft, dass die Station den Kampf übersteht. Zumal die schweren Geschütze der Station mehreren Raumschiffen spürbare Schäden zugefügt hatten. Außerdem war sie für eine Reihe von Abschüssen der flankierenden Jäger verantwortlich gewesen.

Cameron Grant trat einen Schritt an Kilrain heran und meinte kühl: „Die Vernichtung der Station wird Hayes teuer zu stehen kommen, Galen. Unsere Raumschiffe haben seinen Verband nun in der Zange.“ Dabei deutete Grant auf einen der Nebenbildschirme.

Die taktische Anzeige auf dem betreffenden Bildschirm gab das wieder, was Grant eben gesagt hatte. Deutlich erkannte Galen Kilrain, dass sich der Kampfverband der Erdstreitkräfte nun im Zentrum einer Kugel befand, die sich aus einundfünfzig kapitalen Kampfraumschiffen des OMEGA-Bundes gebildet wurde. Darunter vierzehn Zerstörern der OMEGA-KLASSE und vierundzwanzig Raumschiffe der alten ALPHA-KLASSE, die vom OMEGA-Bund in geheimen Werftanlagen jedoch vor einiger Zeit bereits aufgerüstet worden waren. Dazu kamen die noch übrigen sieben Trägerraumschiffe der Raiders und fünf schwere Schlachtschiffe, welche die Drakh zu dieser Aktion beisteuerten. Das Spezialraumschiff, das den Hyperraum-Destruktor an Bord hatte, hatte er etwas zurückbeordert. Es würde nicht am Kampf teilnehmen, sondern nötigenfalls nochmal eingreifen und dafür sorgen, dass der Erdverband nicht entkommen konnte.

Grant lächelte boshaft, als er auf die zahlreichen Echopunkte der begleitenden, eigenen Jagdverbände sah, die sich zwischen den Großkampfschiffen abzeichneten. Dagegen kam auch so ein erfahrener Kommandeur wie Lynden B. Hayes nicht an. Der blonde Telepath eilte in Gedanken den Dingen voraus. Über Kurz oder Lang würde der Bund auch die geheime Basis des bald zum Großteil vernichteten Kampfverbandes aufspüren und vernichten, und danach würde die Erd-Allianz seine Aktionen in diesem Sektor der Galaxis nicht mehr länger stören.

Immer näher rückten die Kampfschiffe und Jagdverbände des OMEGA-Bundes an die Kampfschiffe der Erdstreitkräfte heran. Ohne die Möglichkeit einer Flucht saßen die irdischen Kampfschiffe in der Falle.

Leise murmelte Grant zu seinem Begleiter: „Jetzt kommt die Revanche, Galen.“
 

* * *
 

Commander Melanie Sterling stieß gepresst die angehaltene Luft aus, als sie ihre Jagdmaschine mit einem Gewaltmanöver auf einen anderen Kurs zwang. Einige Gravos waren bei diesem Manöver durchgekommen und sie stieß ganz bewusst ein Grunzen aus. Die Konzentration auf dieses Geräusch sorgte dafür, dass sie bei Bewusstsein blieb, als ihr für einen Moment schwarz vor Augen wurde.

Ihr Flügelmann und die sie begleitende Rotte machten das Manöver mit. Keinen Moment zu früh, denn entlang ihres bisherigen Anflugkurses leuchtete ein grell-roter Partikelstrahl eines Zerstörers der OMEGA-KLASSE auf.

Trotz des sich anbahnenden Durcheinanders, das mit jedem Raumkampf einherging, dachte Melanie Sterling darüber nach, wie so viele Kriegsschiffe der Erdstreitkräfte bis heute hatten abhandenkommen können. Sie fragte sich, in wieweit das ehemalige PSI-Corps dahinter steckte.

Bereits im nächsten Moment forderte die aktuelle Kampfsituation wieder die volle Konzentration der Australierin. Sie korrigierte etwas den Anflugkurs und sah vom Radarschirm auf. Vor der schwer bewaffneten Jagdmaschine wuchs einer der insgesamt vierzehn feindlichen OMEGA-Zerstörer immer größer auf.

Die vier Jagdmaschinen näherten sich dem gewaltigen Zerstörer von der Seite, was bei dieser Raumschiff-Klasse eine der besten Taktiken darstellte. Die schweren Partikelkanonen der Geschütztürme dieser Klasse konnten nicht in einen negativen Winkel geschwenkt werden. Deshalb besaßen die Zerstörer dieser Klasse de facto einen toten Winkel, der normalerweise von den begleitenden Jägern solcher Raumschiffe gedeckt werden mussten. Doch die Jäger dieses Zerstörers befanden sich im Nahkampf mit anderen Maschinen ihres Jagdgeschwaders.

Melanie Sterling war kaltblütig genug, um mit ihren drei begleitenden Maschinen bis auf Kernschussweite an das Kriegsschiff heranzufliegen, bevor sie den Feuerbefehl erteilte. Gleichzeitig löste sie selbst die schweren Partikelkanonen des Jägers aus und feuerte auf die Triebwerke und die lateralen Stabilisatoren am sich konisch verbreiternden Heck des Zerstörers, den sie als die CALIGULA identifiziert hatte – ein Zerstörer, der das Zeichen des früheren PSI-Corps auf den seitlichen Bug-Schilden trug.

Melissa Crane und ihr Flügelpilot nahmen zeitgleich die lateralen Sensoren des Zerstörers unter Feuer und eine Reihe von Folgeexplosionen zeigten an, dass die beiden Kampfpiloten genau gezielt hatten.

Commander Sterling feuerte unablässig auf das Heck des Zerstörers und ihr Flügelmann befürchtete bereits, sie würde am Heck des Kriegsschiffes zerschellen, doch dann drehte die Australierin im letzten Moment ebenfalls ab. Hinter ihnen wurde der Antrieb des Kriegsschiffes förmlich zerrissen und steuerlos begann das Feindschiff langsam um seine Längsachse zu trudeln.

Einen Moment später steuerten sie auf eine Staffel feindlicher Jagdmaschinen zu.

Melanie Sterling nahm einen der Angreifer frontal, womit der Pilot des Gegners anscheinend nicht gerechnet hatte, denn sein Ausweichmanöver erfolgte zu spät. Voll getroffen explodierte die x-förmige Jagdmaschine des OMEGA-Bundes.

Trotz der sich automatisch abdunkelnden Frontscheibe kniff Melanie Sterling für einen Moment die Augenlider zusammen. Im nächsten Moment lag die Zone der Vernichtung bereits hinter ihr und nur unbewusst nahm sie das leise Prasseln wahr, das von kleineren Trümmerstücken der vernichteten Maschine auf der Oberfläche ihrer Jagdmaschine verursacht wurde.

Über Funk erkundigte sich Commander Sterling knapp: „BLUE TIGER-03, hier spricht BLUE TIGER-Leader. Wo stecken Sie?“

„Ich schließe von Backbord tief zu ihnen Auf, Leader! Erneuter Anflug auf die CALIGULA, Commander?“

„Negativ!“, beschied Melanie Sterling der Frau. „Wir stehen hier einer Übermacht entgegen und darum ist es wichtig, dass wir möglichst viele der großen Kriegsschiffe manövrierunfähig machen. Das Abnagen der Knochen überlassen wir den Mutterschiffen.“

„Verstanden Leader!“, bestätigte Melissa Crane und Melanie Sterling glaubte, einen amüsierten Unterton aus der Stimme ihrer Untergebenen herauszuhören.

Im nächsten Moment meldete sich die SHERIDAN. „Commander Sterling, hier Captain Esposito. Die PERSEPHONE hat einen Notruf abgesetzt. Sie steht unter heftigem Beschuss durch feindliche Jäger und braucht Unterstützung.“

Nach einem schnellen Blick auf das Display der taktischen Anzeige, schaltete Melanie Sterling rasch auf Flottenfrequenz und erwiderte: „Ich bin in der Nähe und kümmere mich persönlich darum, Captain. Sterling, Ende.“

Gleich darauf schaltete die Geschwader-Kommandeurin wieder um auf Jäger-Frequenz und rief vier weitere Rotte zur Unterstützung heran. Danach gab sie Anweisung: „BLUE TIGER-03 hier Leader: Wir schwenken auf den Kurs der PERSEPHONE ein. Geben wir Vollschub, der Zerstörer steckt in der Klemme.“

Melissa Crane bestätigte und die vier Jäger schwenkten, in geschlossener Formation, über die Backbord-Koordinate ab, um die PERSEPHONE zu unterstützen.

Bereits eine Minute später steckten die vier Jagdmaschinen der BLUE TIGERS wieder im wildesten Getümmel dieser Raumschlacht.

Commander Sterling hatte Melissa und ihren Flügelmann zur Steuerbordseite der PERSEPHONE geordert. Sie selbst schwenkte auf der Backbordseite des bereits stark beschädigten Mittleren Zerstörers auf ein angreifendes Kriegsschiff der ALPHA-KLASSE ein. Bereits jetzt brannte die PERSEPHONE an einem halben Dutzend Stellen. Ein Großteil der Geschütze waren offensichtlich ausgefallen oder zerstört, sodass sich die PERSEPHONE nur noch eingeschränkt wehren konnte.

Melanie Sterling erkannte, dass der Angreifer die PERSEPHONE bereits mit den nächsten Schüssen aus seinen Bug-Geschützen vernichten würde. Darum erteilte sie ihrem Flügelmann Order: „Lieutenant Besson, wir erledigen die Front-Batterie des angreifenden Kreuzers. Wieviel ungelenkte Raketen haben Sie noch?“

„Zwei, Commander!“

„Gut, Lieutenant. Ich selbst habe noch vier Raketen. Das sollte ausreichen, um die Frontgeschütze des Angreifers lahmzulegen.“

In enger Formation rasten die beiden wendigen Jäger auf den ALPHA-KLASSE Kreuzer zu. Sie hätten es fast geschafft, gemeinsam in Schussweite zu gelangen, doch wenig Augenblicke, bevor dies geschah, erfasste ein Schuss aus einem der Frontgeschütze des Kreuzers die Jagdmaschine von Besson und verwandelte sie in eine Wolke aus Energie und Trümmerteilen. Eines der größeren Trümmerteile zerfetzte das obere Steuerbord-Triebwerk des Jägers der Geschwader-Kommandeurin, während der Kreuzer, den sie anflog, bereits ein Viertel der Frontscheibe ausfüllte.

Melanie Sterling fluchte wütend. Dabei war sie kaum in der Lage, den bockenden Jäger auf Kurs zu halten. Die Maschine vibrierte immer stärker, als sie sagte „Computer: Autopilot aktivieren!“

„Ausführung nicht möglich“, gab die seelenlose modulierte Computerstimme zurück.

In einem kurzen Augenblick völliger Klarheit erkannte Melanie Sterling, dass die 250 Personen auf der PERSEPHONE verloren waren, falls sie abdrehte. Mit trotzigem Blick hielt sie die Maschine auf Kurs, feuerte ihre Raketen ab und schoss mit ihren Bordkanonen unablässig auf die Frontgeschütze des Feind-Kreuzers.

„Warnung – Kollisionsalarm!“, plärrte die leidenschaftslose modulierte Stimme ihres Bordcomputers.

Melanie Sterling ignorierte die Warnung. Als der Bug des feindlichen Kriegsschiffes den gesamten Sichtbereich ausfüllte, stieß sie stattdessen einen gellenden Kriegsschrei aus, während sie immer noch unablässig feuerte. Dabei waren ihre letzten Gedanken: Ein Leben für zweihundertfünfzig Leben. Das ist ein fairer Tausch.



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