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Die Shinsengumi-Hanahaki-Krise

oder: wenn die Mehrheit von etwas überzeugt ist, heißt das noch lange nicht, dass sie Recht hat
von

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Saitō Shimaru – Teil I Dienstag, 08:00 Uhr

Saitō Shimaru – Teil I

Dienstag, 08:00 Uhr

 

Die regelmäßige Morgenbesprechung der Shingensumi, bei der ihr Führungspersonal zusammenkommt um die Aufgaben des Tages zu verteilen und dienstliche Neuigkeiten auszutauschen, dauert nie lange, denn Fukuchō Hijikata Tōshirō hasst nichts mehr als Zeitverschwendung.

Saitō Shimaru ist das nur recht. Er hat so seine Schwierigkeiten mit sozialer Interaktion und daher bedeutet selbst so etwas harmloses wie diese Morgenbesprechung großen Streß für ihn. Er fühlt sich in seinem Büro am Wohlsten. Genau wie bei allen hier ist sein Büro zugleich auch der Raum, in dem er wohnt, aber anders als seine Kollegen verlässt er ihn nur, wenn es wirklich notwendig ist. Er ist der Ermittler für innere Angelegenheiten der Shinsenumi und er hat es sich zum Lebensziel gemacht, dass – so lange er diesen Job bekleidet – sich niemals wieder Verräter in den Reihen der Shingensumi einnisten werden. Der Verrat von Itou Kamatarou und seinen Anhängern vor einem halben Jahr wäre fast das Ende vieler guter Männer gewesen.

Es war nicht Shimarus Schuld, Itous Hintergrund und seine Referenzen waren echt und hervorragend, es war alles in Ordnung, nur mit seinem Charakter stimmte etwas eben nicht. Er war zu ehrgeizig und schielte zu sehr auf den Posten des Kyokuchōs. Shimaru war neben Fukuchō Hijikata einer der wenigen, denen es auffiel, aber Kyokuchō Kondō hörte auf keinen von ihnen. Nun, wenigstens hat sich das jetzt geändert. Nun schenkt man Shimarus Urteil mehr Gehör.

Das gute an diesem Job ist auch, dass niemand ihn mit seiner unerwünschten Anwesenheit belästigt. Und dass er vollständig autark arbeiten kann. Rein offiziell untersteht er zwar immer noch Kyokuchō Kondō Isao, aber da dieser seit dem Vorfall mit Itou seinem eigenen Menschenurteil nicht mehr recht traut, hat er diese Verantwortung an den stets mißtrauischen Fukuchō Hijikata Tōshirō weitergereicht. Also erstattet Shimaru meist diesem Bericht. Bedauerlicherweise kümmert sich Hijikata um seine Untergebenen und animiert Shimaru daher immer, sich mehr „unter die Leute zu mischen“. Deshalb gehören diese langweiligen Morgenbesprechungen auch zu seinem täglichen Pflichtprogramm.

Normalerweise döst Shimaru diese knappen zwanzig Minuten immer gelangweilt vor sich hin, doch in den letzten Wochen hat sich eine unangenehme Nervosität zwischen den Männern ausgebreitet und Shimaru ertappt sich immer öfter dabei, sich davon anstecken zu lassen.

Aber ist es denn ein Wunder, bei dem, was da draußen in Edo los ist?

Sie sind alle Samurais, manche von ihnen wahrhaftig wie die Führungsriege, andere nur dem Geiste nach, aber sie alle folgen dem Pfad des Bushido und sind das Kämpfen gewohnt, ob mit Katana, Pistole oder Fäusten, sie adaptieren schnell und haben gelernt, eigene Bedürfnisse ihrer Pflicht unterzuordnen, aber - ehrlich gesagt - was können sie schon gegen das Unheimliche unternehmen, das ihre geliebte Stadt in ihrem Würgegriff hält?

Die Shinsengumi wurde gegründet, um die Terrorgefahr zu eliminieren, angefangen bei den sogenannten „Rebellen“ der Jouishishi bis hin zum illegalen Menschen- bzw. Amanto- und Waffenschmuggel, sie sind Krieger, eine Sondereinheit der Polizeikräfte Edos, aber sie sind keine Wissenschaftler.

Und diese Hilflosigkeit kratzt an ihren Nerven.

Shimaru sieht es jeden Tag: wie die Männer immer bedrückter von ihren Patrouillen durch die Straßen Edos zurückkehren, wie ihre Sticheleien untereinander allmählich aufhören und vor allem, wie besorgt sie den Fernsehnachrichten lauschen und wie oft sie am Tag auf ihren Smartphones durch die sozialen Medien scrollen.

Er hört sie wispern, wenn sie beim gemeinsamen Essen sitzen.

Husten.

Blüten.

Tod.

Hanahaki.

Ha-na-ha-ki.

Es ist ein Name, der Furcht in ihre Kämpferherzen gräbt. Noch hat es ihre Familien oder Freunde nicht getroffen oder gar einen aus den Reihen der Shingensumi, aber das ist nur eine Frage der Zeit.

„... die meisten Ausbrüche wurden vom Bauernmarkt gemeldet.“ Hijikatas dunkle Stimme holt ihn aus seinen Gedanken. „Sagt euren Männern, jeder, der sich da in der letzten Woche aufgehalten hat, könnte sich angesteckt haben. Sie sollen auf Symptome achten und in sich gehen, ob sie jemandem etwas zu gestehen haben. Und jetzt zu den Tagesaufgaben: Erste Division: Küchendienst. Und ich esse auswärts, Sōgo, mach dir also keine Hoffnungen...“

„Ich hoffe, du erstickst trotzdem“, erwidert Kumichō Okita Sōgo neben ihm nonchalant wie immer. Doch diesmal fehlt seiner Stimme der rechte Biß. Das Damokles-Schwert, das über Edo hängt, läßt ihn nicht ganz so unbeeindruckt, wie er es wohl gerne hätte.

Natürlich nicht, fährt es Shimaru durch den Sinn, er hat Freunde in der Stadt wie wir alle. Und die meisten davon gehören zur Yorozuya. Ganz bestimmt macht er sich besonders große Sorgen um Kagura.

Selbst ihm, der er nicht viel mit Sakata Gintoki und dessen kleinem Unternehmen zu tun hat, ist die sexuelle Spannung zwischen dem Yato-Mädchen Kagura und Okita Souga nicht entgangen. Auch, wenn es nicht jeder sofort sieht, aber sich bei jeder Gelegenheit zu beleidigen und zu verprügeln gilt bei den beiden eindeutig als Flirt.

Wenn die Ärzte recht haben, dürfte Hanahaki bei den beiden keine Auswirkungen haben, so sie denn infiziert sein sollten. Shimaru bezweifelt, dass einer von den beiden in den anderen unglücklich verliebt ist. Da gibt es ganz andere Kandidaten.

Oh.

Verdammt!

Hastig kritzelt Shimaru etwas auf seinen Block und winkt dann damit, um auf sich aufmerksam zu machen.

Kyokuchō Kondō Isao bemerkt ihn als erstes.

„Ja, Shimaru?“

Shimaru hebt seinen Block noch höher und flüstert aufgeregt. In solchen Situationen verflucht er seine ausgeprägte Schüchternheit, die ihn sogar seiner Stimme beraubt hat.

Hijikata hat aufgehört, die Tagesaufgaben zu verteilen und sieht nun auch neugierig zu ihm hinüber. Und plötzlich fühlt Shimaru die Blicke aller auf sich gerichtet. Er spürt, wie ihm der kalte Schweiß ausbricht.

„Yamazaki“, wispert er, aber natürlich versteht ihn niemand.

Todo Bokosuke, Kumichō der 8. Division und einer der wenigen, die Shimaru einen Freund nennt und der bei solchen Zusammenkünften immer aus genau solchen Gründen in seiner Nähe sitzt, nimmt ihm den Block aus den Händen und liest laut vor:

„Wo ist Zaki?“

„Er hat einen Observierungsauftrag“, erwidert Hijikata stirnrunzelnd. „Seit zwei Wochen. Am Bauernmarkt.“

Shimaru nickt aufgeregt.

Aber als ihn Kondō, Hijikata und Okita daraufhin nur fragend anstarren, spürt er echte Verzweiflung in sich aufsteigen. Wieso sieht das denn niemand außer ihm?

Hilfesuchend sieht er sich um, doch auch in den Gesichtern der anderen Kollegen liest er nichts als irritierte Neugier.

Shimaru nimmt seinen ganzen Mut zusammen.

„Hanahaki!“ schreit er dann, doch heraus kommt es nur etwas lauter als ein Murmeln und nur die Männer in seinem direkten Umfeld können es hören. Doch dann sieht er, wie sich Bokosukes Augen erschrocken weiten.

„Um Himmels Willen! Du hast Recht! Kyokuchō!“ wendet er sich direkt an ihren Kommandanten. „Ruft Zaki zurück! Die Gefahr, dass er sich mit Hanahaki infiziert, ist zu groß. Ich melde mich auch freiwillig, ihn zu holen. Mir macht Hanahaki nichts aus, ich bin glücklich verlobt. Bitte laßt ihn mich holen.“

„Natürlich“, ruft Kondō sofort, „geh und-“

Nein!“ unterbricht ihn Hijikata scharf und funkelt Kondō und dann sie alle aus seinen marineblauen Augen drohend an. Letztendlich bohrt sich sein stechender Blick direkt in Shimarus Augen. „Yamazakis Auftrag ist zu wichtig, um ihn jetzt schon davon abzuziehen. Es sind noch drei Tage, die wird er überleben.“

„Tōshi“, wendet Kondō zögernd ein, „ich glaube nicht-“

„Yamazakis Auftrag ist wichtig“, unterbricht ihn Hijikata, schlägt diesmal jedoch einen sanfteren Tonfall an, um ihn zu überzeugen. „So lange er keine Symptome zeigt, sehe ich keinen Grund, wieso er vorzeitig zurück ins Hauptquartier sollte. Wieso sollten für ihn andere Regeln gelten als für alle anderen?“

Hastig schreibt Shimaru auf seinen Block und wieder liest Bokosuke es vor:

„Weil es Yamazaki ist, von dem wir hier reden.“ Er wechselt einen schnellen Blick mit Shimaru, reicht ihm den Block wieder zurück und ergänzt dann – und das ist ungefähr genau dasselbe, wie es alle anderen hier denken:

„Wenn jemand in der Shinsengumi unglücklich verliebt ist oder gar an unerwiderter Liebe leidet, dann unser Zaki. Erinnern Sie sich nicht mehr an die Sache mit dem Robotermädchen Tama damals oder mit der Verdächtigen, die ihm vergiftetes Essen unterschob? Etwas Aufmerksamkeit von einem hübschen Mädchen genügt und Yamazaki ist sofort Feuer und Flamme. Und am Markt laufen mehr als genug schöne Mädchen herum, die ihm mit einem einzigen Lächeln den Kopf verdrehen können. Bitte, Fukuchō, lasst mich ihn holen. Jemand anders kann doch seinen Job übernehmen. Jemand, der nicht gefährdet ist.“

Die anderen Männer murmeln zustimmend, doch Hijikata bringt sie mit einer ungeduldigen Geste zum Verstummen.

„Yamazaki ist nicht so schwach, wie ihr alle von ihm denkt. Wer, glaubt ihr, hat uns vom Ausbruch der Krankheit am Bauernmarkt berichtet? Es ist sein eigener Wille, seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Ihr entehrt ihn und euch, wenn ihr ihm absprecht, genau zu wissen, was er da tut.“ Er wirft einen verächtlichen Blick in die Runde. „Ich wünschte, ihr besäßet auch nur einen Hauch seines Pflichtgefühls.“

Unter seinen Untergebenen wird ein protestierendes Raunen laut. Das war unfair, und sie fühlen sich zurecht gekränkt.

Shimaru sinkt in sich zusammen und starrt wie betäubt auf seine im Schoß verschränkten Hände. Er ist fassungslos. Er versteht nicht, was in Hijikata gefahren ist.

Okita Sōgos schnarrende Stimme reißt ihn wieder zurück ins Hier und Jetzt.

„Zu unser aller Beruhigung wird Hijikata-san bestimmt die nächsten drei Tage täglich bei Yamazaki vorbeischauen, um sich von dessen Stärke zu überzeugen, oder, Hijikata-san?“

„Natürlich, Okita“, gibt dieser scharf zurück.

Um Okita Sōgos Lippen zuckt ein fieses Lächeln.

„Wie bedauerlich, dass unser dämonischer Fukuchō kein Herz besitzt und daher auch keinen Herzschmerz kennt, so daß ihn gewiß kein Hanahaki ereilen wird. Und wenn doch, übernehme ich gerne deine Position als Fukuchō.“

Hijikata schnaubt nur und verdreht die Augen.

Das hättest du wohl gern. - Und jetzt hört alle auf, kostbare Zeit zu verschwenden und geht an eure Arbeit!“

Noch ein letzter funkelnder Blick, und dann ist er der erste, der geht.

 

 



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