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No one is suppoused to know

let's live
von

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Er hatte eigentlich keinen Hunger, auch wenn er den Tag über noch nichts hatte. Er las bis er merkte, wie die Zeilen vor seinen Augen verschwammen und er nichts mehr erkennen konnte. Mischa sah wie seine Familie von einer Bombe zerfetzt wurden, sich selbst wie er erstarrt im Türrahmen stand und hilflos dabei zu sah. Er hörte wie er und einige andere Menschen schrien. Sah wie er zu seiner Familie rannte und von dort weggezerrt wurde.

Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit bis er wieder zurück in die Realität kam und sich sein Puls einigermaßen normalisierte. Seine Hände krallten sich in das Buch und noch immer starrte er auf die Seiten vor sich. Zitternd legte er das Buch zur Seite und stand auf um sich etwas zu trinken zu nehmen und kurz darauf hinauszulaufen. Die kühle Luft tat gut und half dem Jungen einen klaren Kopf zu bekommen. Er lief eine Weile durch die Gegend, zunächst langsam und zitternd, doch schon bald wurden seine Schritte immer eiliger und schneller bis er rannte. Er rannte so schnell er konnte als würde er verfolgt werden und könnte seinem unbekannten Verfolger entkommen. Die kleinen Wölkchen die bei jedem Ausatmen aus seinem Mund und der Nase kamen erschienen immer häufiger, wie bei einer Lokomotive die angefeuert wurde damit sie schneller fuhr.

Mischa wusste schon bald nicht mehr, in welche Richtung er eigentlich lief und wo genau er sich befand. Er achtete nicht mehr wirklich auf seine Umgebung, doch irgendetwas führte ihn hinaus aus dem Dorf, über die Felder bis hin ans Ufer des Flusses. Dort blieb er stehen und kam nach einigen Minuten zur Ruhe. Das leise Rauschen des Wassers zusammen mit dem Rascheln der Blätter und dem Klappern der Zweige um ihn herum beruhigten ihn. Auch wenn er in dieser Nacht die Sterne, ja noch nicht einmal den Mond sehen konnte und alles um ihn herum stockfinster war, so kam es ihm vor als würden die Wellen vor ihm glitzern.

Er sank auf die Knie und starrte vor sich. Es war in Momenten wie diesen in denen er sich machtlos und verloren fühlte. In denen die Wut und der Hass auf die Regierung und den Krieg in ihm beinahe überkochten.

Mischa schlug auf den erdigen und steinigen Boden vor sich ein. Immer und immer wieder bis ihn die Kraft verließ und sich das zu Boden fließende Blut seiner Hände mit seinen tropfenden Tränen mischte.

Erst kurz bevor der Morgen graute fand er wieder genug Kraft, um sich auf den Heimweg zu machen.

An diesem Tag trafen sich die Jungen nicht. Mischa war das recht, er wollte seine Ruhe. Also ging er in den Garten, arbeitete ein wenig vor sich hin und ließ das Radio laufen.

,,Bei einem Anschlag wurde der Leiter des Wirtschaftsministeriums, Heinrich Erner, getötet. Seine Frau und zwei Kinder wurden schwer verletzt. Man geht von einer Untergrundorganisation aus", hieß es.

Wurde auch mal Zeit, dass der drauf geht, dachte sich Mischa. Die Leute in einer Stellung wie Erner hatten jede Macht alles von den Menschen zu verlangen. Er hatte durchgesetzt, dass Steuern für sämtliche medizinische Versorgung, so wie
 

der Wiederaufbau und die Sanierung beschädigter oder alter Häuser so hoch geworden war, dass es sich kein normaler Mensch mehr leisten konnte.
 

Bei dem Gedanken an den Tod dieses Menschen, auch wenn er ihn nicht einmal als solchen bezeichnen wollte, schlich sich ein Schmunzeln auf das Gesicht des Schülers.

,,Ein Schwein weniger”, murmelte er vor sich hin:,, Man sollte sich um den Abfall kümmern und nicht um diese Maden.”

Kurz darauf verschwand sein Lächeln auch wieder, als eine Rede des Führers aus den Lautsprechern schallte. Seine Hände waren dreckig von der Erde und er wollte seinen wertvollen Besitz nicht dreckig machen, also hörte er sich das, für ihn, unerträgliche Geschrei des Mannes an, der das Sagen im Land hatte. Auch wenn er die Lautstärke zuvor nicht besonders laut gestellt hatte, geschweige denn etwas an ihr verändert hatte, fühlte es sich doch so unmöglich laut an. Er bekam Kopfschmerzen und sein Puls beschleunigte sich.

Er sah sich um.

Die Nachbarn waren draußen und schauten kurz zufrieden über den Zaun. Sie freuten sich, dass auch junge Leute sich wohl dem Führer zu wanden.

Mischa blieb stumm wo er war und machte weiter, versuchte sich mit Arbeit und den eigenen Gedanken so sehr abzulenken, dass er diesen Mann nicht mehr hören musste.

Es funktionierte zunächst, doch bereits wenige Minuten später hörte er wieder das Radio. Wieder war es unerträglich laut, sein Kopf fühlte sich an als würde er jede Sekunde Platzen und sein Herz raste vor Wut, doch dann war es vorbei.

Mischa hörte noch einige Sekunden das Jubeln und den Applaus der Leute die dieser Rede in realer Anwesenheit und mit großer, gar fanatischer Begeisterung beigewohnt hatten und dann war es einige Sekunden still.

Er hielt die Luft an, wollte sich beruhigen, doch war er so verkrampft, dass er erst wieder zur Ruhe kam als wieder leiser, ruhiger Jazz erklang.

Sofort räumte er seine Sachen weg, wusch sich die Hände und schaltete das Gerät aus.

Am nächsten Morgen musste er wieder zur Schule.

Genervt und müde stand er auf und schlurfte zur Tür, da jemand klopfte, um hineingelassen zu werden.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht stand Edwin in der Tür und hielt eine Tasche hoch, damit Mischa sie sehen konnte. ,,Ich habe uns was mitgebracht”, grinste er und quetschte sich an dem noch immer verwirrten Mischa vorbei in den Flur.

,,Wir haben gestern ein Paket bekommen, dachte du könntest auch was vertragen, so dürr wie du bist”, lachte der größere und packte alles Mögliche auf den Tisch in der Küche.

Nun wurde Mischa wach und verstand was hier gerade passierte.

,,Brot, Speck, Honig, bist du vollkommen verrückt geworden?", fragte er entgeistert als er die teuren und teils recht seltenen Lebensmittel sah, die ihm da vor die Nase gestellt wurden.

,,Das kann ich doch gar nicht bezahlen, heb das für euch auf, ihr zu dritt, wenn dein Vater heim kommt zu viert!”, sprach er weiter und wollte alles wieder in die Tasche packen, wurde aber daran gehindert.

,,Das ist ein Geschenk Mischa. Wir müssen uns da keine Sorgen machen, du bist ganz alleine und kannst nicht mal wirklich arbeiten, um dir etwas zu verdienen”, lächelte Edwin.

Mischa sah still zu Boden. Er wusste, dass Edwin recht hatte. Seine Familie verdiente gut, schon alleine, weil sein Vater keine unbedeutende Position hatte. Sie konnten es sich leisten auch mal nicht auf den Preis zu achten und trotzdem hatte Mischa ein schlechtes Gewissen, schon bei dem Gedanken daran das Geschenk anzunehmen.

,,Misch, ich ertrage den Gedanken nicht, dass ein Freund hungern könnte”, redete Edwin auf ihn ein.

Mischa sah ihn mit einem sturen Blick in die Augen und sagte: ,,Ich muss nicht hungern. Besonders nicht, wenn die Nachbarn wieder Vieh schlachten. Gestern konnte ich das Radio nicht ausmachen, vielleicht bekomme ich mehr, wenn sie denken ich unterstütze dieses Stück sonst was von Führer.”

Noch bevor er weiter versuchen konnte sich zu erklären wurde ihm ein Stück Brot mit Honig in den Mund geschoben. Sofort blieb er still und nahm es in die Hand um es anzustarren wie etwas unglaublich Wertvolles, das er gerade zerstört hatte. Dieser Anblick brachte seinen Freund zum Lachen.

,,Iss jetzt, sonst kommst du zu spät”, lächelte er und beobachtete den anderen, um sicherzugehen, dass er seiner Aufforderung nachkam.

Seufzend aß Mischa, langsam, bedächtig tat er das und vergaß ein wenig die Zeit bis Edwin sich räusperte. Etwas aufgeschreckt sah Mischa auf die Uhr und legte den kleinen Rest auf den Tisch ehe er hinauf in sein Zimmer rannte, um sich anzuziehen und seine Schultasche zu packen.

,,Misch! Ganz ruhig”, lachte Edwin und trat vor seinen Freund um ihm durch die zerzausten Haare zu fahren und sie einigermaßen ordentlich zu richten.

Mischa grummelte und sah zu Edwin, der ihn wieder das Brot hinhielt. ,,Ed ich hab keine Zeit mehr”, sagte er und ignorierte das Lebensmittel vor ihm. Doch es brauchte nur einen strengen Blick seitens Edwin, damit Mischa es annahm und sich mit einem Lächeln verabschiedete.

Edwin räumte noch schnell auf und verschwand dann ebenfalls, immerhin hatte er noch zu tun.



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