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Wenn sich zwei Welten berühren

von

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Ein Wunsch mal Zwei

„Was?“

Natsume rief lauter, als er es beabsichtigt hatte, doch ihre Worte trafen ihn einfach zu unvorbereitet. Vor Schreck zuckte er sogar vor ihr zurück und brachte etwas mehr Raum zwischen sie.

Unter Lachen, welches sie hinter ihrem Ärmel versteckte, beobachtete Misaki sein Schauspiel, bis sich Natsume wieder gefangen hatte.

„Es ist wahr. Ich bin ein Mensch. Nur dass ich von Yōkai aufgezogen wurde. Hauptsächlich von Akaya. Dieser sorgt mit seiner Aura auch dafür, dass es nicht auffällt und die Fuchsmaske verstärkt diesen Effekt noch weiter. Aber als ich von dir gehört habe, war ich so furchtbar neugierig. Ich wollte wissen wie ein Mensch ist, der Yōkai sehen kann, aber weder zum Exorzisten wurde, noch unter den Yōkai lebt.“

Nur langsam sickerte Ihre Erklärung in Natsumes Bewusstsein. Und tausend Fragen schossen ihm dabei durch den Kopf. Normalerweise erkannte er Yōkai nicht als solche, doch das er jetzt nicht mal mehr einen Menschen erkannte… Sie war ein Mensch! Und sie lebte bei einem Yōkai und zog mit diesem durchs Land. Das hätte er nie für möglich gehalten.

„Und Akaya hält dich nicht für sein Abendessen?“

Es war eine absolut dumme Frage, doch sie war Natsume über die Lippen geschlüpft, bevor er sich dessen bewusst geworden war.

„Ich bin mir sicher, dass er mich als kleines Kind verspeisen wollte. Als wir uns das erste Mal trafen auf jeden Fall. Und ich glaube er würde es heute manchmal gerne noch tun.“, lachte Misaki.

Sie kannte den Fuchs also schon fast ihr ganzes Leben. Natsume wollte sich gar nicht vorstellen, wie es ihm ergangen wäre, wenn er als Kind den Yōkai in die Hände gefallen wäre. Einige, an die er sich erinnerte, waren keine sehr freundlichen Zeitgenossen.

„Gut das er es nicht getan hat.“, sagte er gedankenverloren, bevor ihm die nächste Frage über die Lippen kam:

„Wie… Wie kam es dazu?“

Die Frage nahm Misaki anscheinend sehr ernst, denn sie setzte sich instinktiv etwas gerader hin.

„Es ist keine allzu spannendende Geschichte…“, begann sie und lenkte sich dann damit ab, eine heiße Flüssigkeit aus dem Topf über dem Feuer in zwei Tassen zu gießen.

Eine davon reichte sie Natsume und er erkannte grünen Tee in seiner Tasse.

„Tut mir Leid. Wenn du nicht darüber sprechen willst, ist das natürlich in Ordnung. Es geht mich auch nichts an-“, begann sich Natsume zu entschuldigen, als sie nicht weiter sprach, doch eine Geste von Misaki ließ ihn verstummen.

„Ich will es dir erzählen, keine Sorge. Ich war sehr jung. Mit Gewissheit kann ich es nicht sagen, aber ich vermute ich war vier oder fünf. Ich lebte mit meiner Mutter am Rand eines Waldes und wir hatten ein glückliches Leben dort. Doch meine Mutter war furchtbar krank und eines Tages gingen wir in den Wald und sie betete zu den Kreaturen des Waldes, dass sie sich um mich kümmern sollten.

Die Yōkai waren meiner Mutter wohlgesonnen, weil sie immer Rücksicht auf sie genommen und auch immer wieder Kleinigkeiten für sie zurückgelassen hatte. Und als meine Mutter starb und ich mich in diesem Wald verirrte, kamen sie und führte mich auf einen Weg, der weit ins Innere des Waldes führte. Damals herrschte eine finstere Gestalt über den Wald, von dem meine Mutter absolut nichts wusste. Sie hatte immer nur die niederen Yōkai am Rand des Waldes gekannt.

Doch diese fürchteten ihren dunklen Herrn und führten mich vor diesen, um ihn milde zu stimmen. Und wie es kommen musste, hielt er mich für nichts weiter, als einen kleinen Snack für Zwischendurch. Er wollte mich tatsächlich verschlingen. Doch das Schicksal hatte offenbar andere Pläne mit mir.

Denn zufällig hatte ein anderer Yōkai gerade an diesem Tag vor, die Macht über den Wald für sich selbst zu beanspruchen. Es war ein Überraschungsangriff und in mitten dieses Angriffs gelang es mir irgendwie, das Leben des Herrschers zu retten. Als Dank nahm er mich anschließend bei sich auf.

Von diesem Moment an, wurde Akaya ein anderer Yōkai. Auch wenn er heute noch unhöflich und gewalttätig wirkt. Er ist weit weniger blutrünstig und viel gütiger als früher.“, erklärte Misaki mit einer Wärme in der Stimme, die Natsume fast spüren konnte.

„Vermutlich besitzen alle Yōkai irgendwo einen weichen Kern und warten nur darauf, diesen für irgendjemanden zu offenbaren.“, sagte Natsume und dachte dabei an Nyanko-sensei, der immer unbeteiligt tat, aber sich doch stets um ihn sorgte.

„Das glaube ich auch!“, stimmte Misaki ihm mit einem Lächeln zu.

„Weist du, ich wollte dich kennen lernen, weil ich gehofft hatte jemanden zu finden, der die Yōkai genau so sehr liebt wie ich. Der mit ihnen in Harmonie leben und nicht alle nur vernichten will. Jemanden, der weiß, dass es wirklich gute Seelen unter ihnen gibt, aber auch diejenigen, gegen die man vorgehen muss. Jemanden, der versteht, dass ihre Welt sich in genau dem gleichen Einklang befindet, wie die der Menschen.

Es gibt so viele herzensgute Yōkai und es gibt wirklich grausame Menschen, die sich einen Sport daraus machen, diese Yōkai zu jagen…“

Misaki griff sich an ihren Knöchel und als Natsume ihrer Hand mit den Augen folgte, zog sie ihre Hakama ein Stück nach oben, um ihren Knöchel zu entblößen. Natsumes Herz begann schneller zu schlagen, als er die schlimme Narbe sah, die sich mehrfach um ihren Knöchel wand. So schnell wie sie ihren Knöchel entblößt hatte, verhüllte sie diesen auch wieder und für einen Moment starrte sie wie abwesend ins Feuer.

„Es waren Exorzisten. Irgendwie hatten sie von Akaya erfahren und wollten ihn für sich haben. Sie wussten, dass ich seine einzige Schwachstelle bin, also entführten sie mich und sperrten mich ein. Ich versuchte natürlich zu fliehen, doch es gelang mir nicht. Und so musste Akaya kommen um mich zu retten.

Als die Exorzisten begriffen, dass sie ihn niemals würden bändigen können, begannen sie damit mein Leben zu bedrohen, um ihn ruhig zu stellen…“

„Das ist ja schrecklich!“

Misaki erzählte diese Dinge mit gleichbleibender Stimme, doch Natsume bemerkte, wie sie ihre Hand in ihrem Schoß zu einer Faust ballte. Egal was er sagen würde. Es wäre nicht genug. Das wurde ihm in diesem Moment bewusst und im nächsten lag seine Hand auf ihrer. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sie bewegt hatte, doch als Misaki die Berührung spürte, sah sie von ihren beiden Händen zu ihm und schenkte ihm ein kleines Lächeln.

Das Erste, das sie nicht hinter ihrem Ärmel versteckte. Auch wenn es nur einen Wimpernschlag lang andauerte, bevor sie die Augen wieder nieder schlug.

„In dieser Nacht hätte ich fast mein Bein verloren, doch Akaya bekam die Oberhand über die Exorzisten und wir flohen aus dem Wald, der so lange unsere Heimat war. Seitdem reisen wir durchs Land. Und dann habe ich die Geschichten über deine Großmutter aufgeschnappt und das sie zurückgekehrt sein soll. Als ich davon gehört hatte, stand für mich fest, dass ich diese Person unbedingt aufspüren will. Um zu sehen, was für ein Mensch sie ist.“

Misaki beendete ihre Geschichte und nahm einen großen Schluck ihres Tees. Natsume beobachtete sie dabei und war beeindruckt von der Ruhe, die sie ausstrahlte. Egal was ihr passiert war, sie hatte die Hoffnung in die Menschen nicht aufgegeben. Auch wenn sie sich sicher mehr wie ein Yōkai fühlte und auch keine Probleme hatte, unter ihnen zu wandeln.

„Ich hoffe deine Erwartungen wurden nicht enttäuscht.“, sagte Natsume nach einem Moment der Stille.

„Ich würde gerne noch eine Weile bleiben, um meinen ersten Eindruck zu bestätigen.“, war ihre einzige Antwort darauf.
 

So kam es, dass Misaki und Akaya noch einige Wochen in der Gegend blieben. Die Wunde an ihrer Schläfe verheilte in dieser Zeit vollständig und es blieb nichts als eine dünne weiße Linie zurück, die sie ohne große Mühen unter ihren Haaren verstecken konnte.

Mit Akayas Aura vor den Blicken der Menschen geschützt, verfolgte sie Natsume nach ein paar Tagen auf Schritt und Tritt. Sie hielt sich zwar immer im Hintergrund, doch manchmal konnte Natsume sie in seinem Augenwinkel sehen. Immer wenn er sich ihr zuwenden wollte, war sie jedoch verschwunden.

Sie war da und doch nicht. Was sich irgendwie komisch anfühlte, doch Natsume gewöhnte sich daran und versuchte sich wie immer zu verhalten. In all dieser Zeit standen sie sich kein einziges Mal gegenüber oder sprachen ein Wort miteinander. Doch immer wenn er Zeit hatte, ging Natsume in den Wald und versuchte herauszufinden, was Misaki in der Zeit tat, wenn sie ihm nicht auf den Fersen war.

So konnte sich Natsume langsam ein Bild davon machen, wie es sein musste unter Yōkai zu leben. Misaki war frei, zu tun und zu lassen, was sie wollte. Sie ging dort hin, wo es ihr gefiel und machte das, was ihr Spaß machte. Sie kannte keine Grenzen und keine Regeln und mit Akayas Gesellschaft wirkte sie in keinster Weise allein.

Eines war Natsume in dieser Zeit auch aufgefallen. Außer die Yōkai, die er bereits kannte, tauchten keine Fremden auf. Sonst stand er im Monat mindestens einem, wenn nicht sogar mehreren fremden Yōkai gegenüber. Meistens, weil sie ihren Namen zurückforderten. Doch solange Misaki um ihn herum schlich, schien sich kein anderer Yōkai einmischen zu wollen.
 

Es war der letzte Schultag vor den Winterferien, als Misaki plötzlich wieder vor ihm stand. Der erste Schnee hatte begonnen zu fallen und er war gerade auf dem Weg nach Hause, als sie einfach vor ihm auftauchte. Mit der Fuchsmaske auf dem Gesicht und in einen weißen Haori mit Pelzbesatz um ihren zierlichen Körper geschlungen, sah sie aus wie die perfekte Verkörperung eines Fuchs Yōkai.

Ohne ein Wort zu sagen, verneigte sie sich vor Natsume und dieser erwiderte die Geste, nachdem er sich aus seiner Überraschung gelöst hatte.

„Ich bin gekommen um mich zu verabschieden.“, erklärte sie sich.

„Du… Du willst gehen?“, fragte Natsume und klang dabei wohl etwas zu entsetzt, da Misaki begann zu Kichern.

Ohne darauf zu antworten, fischte sie in ihrem Ärmel nach einem Stück Papier und streckte es Natsume entgegen.

„Ich will, dass du das hier annimmst.“

Natsume nahm das längliche Stück Papier und auch ohne die Schrift darauf lesen zu können, wusste er was das war.

„Das geht nicht!“, widersprach er sofort und wollte es ihr wieder zurückgeben.

„Ich werde es auf keinen Fall zurück nehmen. Wahrscheinlich hat es sowieso keine Macht über mich, aber es erwärmt mein Herz, zu wissen, dass du meinen Namen jeden Tag mit dem Buch der Freunde bei dir trägst. Dann kann ich bei dir sein, auch wenn ich es nicht wirklich bin.“

„Also… Das…“

Natsume suchte nach Worten, fand aber keine, die ihm in dieser Situation angemessen erschienen. Vor allem nicht, als er spürte, wie sich leichte Röte auf seine Wangen schlich.

Wieder Lächelte Misaki. Sie nahm ihre Maske ab und kam noch einen Schritt auf Natsume zu. Dieser konnte sich nicht rühren und stand wie versteinert da, als Misaki einen Kuss auf seine Wange hauchte.

„Mein erster Eindruck hat sich bestätigt. Denn du bist noch besser, als ich es mir vorgestellt habe, Takashi. Pass gut auf dein großes Herz auf, in dem jeder einen Platz findet und sei Glücklich. Das wünsche ich mir am Meisten für dich.“, flüsterte sie ihm zu, bevor sie sich von ihm löste und wieder im Nichts verschwand.

Eine gefühlte Ewigkeit stand Natsume noch wie eine erstarrte Salzsäule da, bevor er blinzelte und sich wieder bewegen konnte. Ohne zu überlegen rannte er in den nahen Wald. Überall suchte er nach Misaki, doch es wurde ihm schnell klar, dass er sie nicht mehr finden würde. Also tat er etwas sehr untypisches für sich selbst. Er schrie in den Wald:

„Misaki! Ich bin glücklich und ich wünsche mir, dass du es auch bist! Und dass du irgendwann wieder zurückkommst!“

Das Lachen, dass keine Sekunde später seine Ohren umspielte, sagte ihm, dass sie jedes seiner Worte gehört hatte und das ließ sein Herz einen Schlag aussetzen.



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