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Der Festplan

Weihnachten bei Familie Kaiba
von

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26. Dezember

Für Joey kam der nächste Morgen viel zu schnell.

Kaum hatte er die Augen geöffnet, blendeten ihn schon die zarten Strahlen der Wintersonne. Mit nur halbgeöffneten Augen zog er die Bettdecke hoch bis zum Kinn, drehte sich auf die andere Seite und streckte die Hand nach seinem Freund aus. Allerdings bekamen seine Finger nur die weichen Fasern des Bettlakens zu fassen, was den Blonden ein wenig enttäuschte. Hatte er doch gehofft noch etwas kuscheln zu können, bevor er endgültig aufstehen musste.

»Na gut«, murmelte er, drehte sich wieder auf die andere Seite, »Dann schlaf' ich eben noch eine Runde.«
 

Etwas unruhig lief Seto in seinem Büro auf und ab, sah hin und wieder aus der großen Fensterfront am Ende des Raums und fragte sich, ob Joey im das verzeihen würde. Denn der Brünette hatte heute morgen wahrhaftig Angst bekommen und war daher geflüchtet. In das Gebäude der Kaiba Corp. um genau zu sein! Erneut glitt sein Blick zu seinem Handy, dass auf der Tischplatte lag. Er erwartete den Anruf seines Freundes, allerdings trudelte dieser nicht ein. Dabei war es schon um 11.00 Uhr und selbst Joey müsste für seine Verhältnisse das Bett bereits verlassen haben.

Der Blauäugige massierte sich die Schläfen. »Um Gottes Willen, dass ist doch absurd!«, murmelte er vor sich hin. Nervosität kannte er nicht, hatte er doch noch nie einen Anlass dazu gehabt, nervös zu sein.

Abermals checkte er sein Handy. Doch immer noch hatte sich nichts getan. Kein verpasster Anruf, keine ungelesene SMS. Der Brünette schleuderte das Mobiltelefon zurück auf die Tischplatte, ging um den Schreibtisch herum und nahm auf seinem Stuhl platz. Geschmeidig drehte er sich zum Panoramafenster um und betrachtete Domino. Die Stadt lag ruhig da und bildete den genauen Gegensatz zu seinem Gemüt.
 

◦ ’°’◦ ★ ☆ ★.◦’°’◦
 

Bewaffnet mit seiner Holzkiste voller Duell Monster Karten stürmte Mokuba Kaiba gegen 11.15 Uhr die Küche und fand einen trübsalblasenden Joey vor. Der Blonde saß an der langen Bartheke vor einer Tasse Kaffee und starrte missmutig die Uhr an. Wartete er auf etwas?

Lautlos stellte der Schwarzhaarige seine Kiste auf dem Küchentisch ab, ging zum Kühlschrank und nahm sich eine Dose Cola heraus. Anschließend lehnte er sich an den Herd. »Wartest du auf etwas?«, fragte der jüngere Kaiba, konzentrierte sich dabei auf den Verschluss seines Getränks. »Nicht wirklich«, war Joeys monotone Antwort und ehe Mokuba noch etwas sagen konnte, hatte der Blonde den Raum bereits verlassen. Verwirrt blickte der Kleine zu Joeys Tasse. Die hatte der 16-Jährige nämlich aufsichtslos zurückgelassen. Der Grauäugige erkannte selbst außer dieser Entfernung, dass der Kaffee nicht mehr dampfte. Wie lange hatte Joey also schon dort gesessen?
 

Wütend lief der Braunäugige im Schlafzimmer auf und ab. Das Haustelefon am Ohr. Es wählte und wählte. Als endlich jemand abnahm, konnte er sich ein entnervtes Stöhnen nicht verkneifen. »Na endlich!«, seufzte er angespannt. »Wie wärs mal mit einem "Guten Morgen"?«, empörte sich seine Mutter auch so gleich. Manchmal schrie das Benehmen ihres Sohne wirklich zum Himmel. »Können wir das "Gut" streichen?«, erwiderte der Blonde, klang dabei nicht eine Oktave freundlicher. Seine Mutter grummelte ungehalten, wollte aber nichts weiter dazu sagen. »Was gibt es denn?«, fragte sie daher, legte dabei ihr Buch zur Seite. Sie wunderte sich über den Anruf ihres Sohns, denn wenn Joey anrief kamen nur selten erfreuliche Nachrichten dabei heraus! »Ach«, sagte Joey, ließe sich auf das große Bett plumpsen, »Ich wollte euch eigentlich nur darüber informieren, dass ihr euch nicht allzu große Hoffnungen machen sollt, Seto heute Abend kennen zu lernen.«

Nun fuhr seine Mutter aus ihrem alten Ohrensessel auf. »Wie jetzt? Hat er noch zu arbeiten oder was?« »Entweder das oder etwas anderes. Er hat mir leider nicht Bescheid gesagt als er abgehauen ist!« Nun lächelte des Blonden Erzeugerin. »Also ich glaube, dass er rechtzeitig wieder auftauchen wird!«, entgegnete die Frau bestimmt und lehnte sich wieder zurück. Die Antwort ihres Sohns fiel nicht überraschend ziemlich sarkastisch aus. »Ihm würde ich sogar zu trauen, dass er fluchtartig das Land verlässt und in Russland oder sonst wo untertaucht!«, brummte der Blonde in seinen nicht vorhandenen Bart. »Du solltest dir nicht immer solche Sorgen machen. Von manchen Menschen denkst du einfach viel zu schlecht!«, sagte seine Mutter dann aufmunternd, nahm ihr Buch wieder zur Hand. »Und jetzt lass dich nicht so hängen! Fang lieber an zu kochen.« Bevor ihr Sohn ihr noch eine ironische Antwort geben konnte, legte sie auf. Gerade in dem Moment kam ihr Mann um die Ecke. »Mit wem hast du telefoniert?«, fragte er neugierig, während er eine Tasse abtrocknete. Seine Frau grinse allerdings nur. »Das musst du nicht unbedingt wissen«, erwiderte sie ausweichend, klappte ihre Lektüre auf und senkte den Blick. Ein wenig beleidigt verzog sich Joeys Vater wieder in die Küche.
 

Immer noch mutlos warf Joey das schnurlose Telefon auf die schwarze Tagesdecke und setzte sich auf. Irgendwie hatte er sich von dem Gespräch mit seiner Mutter mehr erhofft. Er wollte aufgemuntert und ermutigt werden, aber stattdessen hatte er sich selbst noch mehr demotiviert.

Schlürfend dirigierte er seinen Körper also wieder in die Küche und begann mit den Vorbereitungen für das Abendessen. Mokuba gewissenhaft ignorierend.
 

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Eigentlich lenkte Arbeit einen Kaiba ab. Sie befreite einen von ergebnislosen Gedankengängen und sinnlosen Wunschträumen. Aber auch das Wort "eigentlich" hat nur eine kleine Bedeutung im großen und ganzen. Denn keine Gewohnheit blieb für ewig. Irgendwann änderte sich immer etwas.

Und heute war eben das Tag an dem ein Kaiba nicht vor seinen Gedanken und seinen Tagträumen fliehen konnte. Denn keine Bilanz, keine Statistik und auch kein Angebot konnten ihn davon ablenken, dass er scheiße gebaut hatte. Ganz große Scheiße um genau zu sein!

In den vergangen Stunden hatte er seine Handy schon unzählige Male in der Hand gehabt. Immer wieder um zu checken, ob ihn jemand angerufen hatte. Er hatte wenigstens auf eine wütende SMS von Joey gehofft, aber ihn erreichte nichts. Und das zeigte ihm, dass Joey wirklich, wirklich sauer war und er immer nervöser wurde umso weiter der kleine Zeige Richtung 6 Uhr kroch. Denn für 18.00 Uhr hatten sich die Eltern seines festen Freundes angekündigt.

Die Augen des CEO's wanderten erneut zu seiner Armbanduhr. Auf die Sekunde genau 16.55 Uhr. Er sollte sich auf die Socken machen, ehe sein Freund ihn vor Wut nicht mal in sein eigenes Haus herein ließ. Bei diesem Gedanken hielt der 18-Jährige inne. Er würde es sogar zu lassen - jede Strafe, außer Joey strafte ihn mit einer Trennung. Zu zu trauen war es ihm und bei den Sachen die Seto andauernd abzog auch nicht wirklich zu verdenken. Gott, er musste schleunigst nach Hause.
 

Gerade als der Blonde seinen Braten aus dem Ofen flog, hörte er, wie die schwere Eingangstür der Villa ins Schloss geworfen wurde. »Ach«, murmelte er vor sich hin, stellte das Blech währenddessen auf der Theke ab, »Kommt der werte Herr also auch mal wieder nach Hause?«

Nach der Aktion heute hatte sich Joeys Hoffnung, Seto würde irgendwann mal ein vollständig normaler Mensch werden, vollkommen aufgelöst. Und das sich der Brünette jetzt nicht mal in der Küche blicken ließ, sondern gleich nach oben gesaust war, hielt er für die absolute Krönung.

Wütend krallte er die Hände in die Kante der Arbeitsfläche und spannte die Schultern an. Am liebsten würde er diesem arroganten, blöden Arschloch hinterher rennen und ihm die Fr- »Am besten du gehst mal eine Runde frische Luft schnappen, bevor du vor Wut noch die gesamte Küche zerstörst!«

Erschrocken fuhr der Blonde herum, erblickte Mokuba. Der kleine saß immer noch am Küchentisch, sortierte seine Karten und stellte sich ein neues Deck zusammen. Joey wurde rot, hatte er die Anwesenheit des Kleinen völlig vergessen.

»Du hast recht, ich sollte ... Also ich ... Am besten ...« Joeys Stimme überschlug sich und er brachte nicht ein klares Wort heraus. Zum Teil vor unterdrückter Wut, zum anderen wegen der Scham. »Im Gartenschuppen steht noch ein leuchtender Schneemann ... Am besten du holst den!«, schlug der Schwarzhaarige vor, senkte anschließend wieder den Blick. Er wusste ganz genau das der Blonde seiner Anweisung wortlos folgen würde. Und nur kurze Zeit später fiel die Terrassentür leise knarrend ins Schloss. Sofort war Mokuba auf den Füßen. Das er dabei fast die Hälfte seiner Karten vom Tisch gefegt und damit seine gesamte Arbeit der letzten Stunden zunichte gemacht hatte, war dabei aber eher nebensächlich. In erster Linie galt nämlich das sein eigener Bruder schon wieder den Wald vor lauter Bäumen nicht sah und erneut dabei war, sich alles selbst zu zerstören. »Seto, Seto«, murmelte dessen kleiner Bruder vor sich hin. »Irgendwann musst du auch begreifen das das Leben nicht nur aus Geld und Arbeit besteht!«
 

Mokuba hatte nicht mal die Hälfte der Treppe erklommen, da kam ihm bereits sein Bruder entgegen. Allerdings nicht so elegant und ruhig wie eh und je. Der Ältere wirkte abgehetzt und völlig fertig mit den Nerven. Emotionen die der Jüngere so noch nie bei Seto erlebt hatte.

»Hast du Joey gesehen?«, richtete der Brünette auch sofort das Wort an seinen kleinen Bruder. Mokuba zog daraufhin nur eine Augenbraue hoch. Seit wann überschlug sich Setos Stimme beim reden?

»Ich habe ihn nach draußen geschickt, damit er frische Luft schnappen kann!«, antwortete der Schwarzhaarige ehrlich. »Du weißt gar nicht wie wütend er auf dich ist! Und wenn ich du wäre, dann würde ich ihm jetzt nicht hinterher rennen, sondern ihn von alleine wiederkommen lassen!«

Seto, der bereits dazu angesetzt hatte seinen Weg nach unten fortzusetzen, bleib nun abrupt stehen. »Wie meinst du das?« Der Grauäugige glaubte, sich verhört zu haben. Er hatte noch nie erlebt, dass sein Bruder etwas näher erläutert haben wollte, weil er augenscheinlich nur Bahnhof verstand. Ein wenig überrumpelt räusperte sich der jüngere Kaiba daher. »Ich glaube du tust euch nichts gutes, wenn du jetzt sofort zu ihm gehst. Lass ihn sich erst mal beruhigen!«, erläuterte Mokuba seinen Gedankengang dann erneut. Dieses Mal so verständlich, dass auch ein Seto Kaiba, welcher anscheinend völlig durch den Wind war, es verstehen musste.

Dieser straffte nur die Schultern, richtete sich noch ein Stück weiter auf und setzte wieder seinen undurchdringlichen, steinharten, eiskalten Blick auf. "Er wird sich nie ändern", schoss es seinem kleinen Bruder durch den Kopf.

Seto blickte ihn eine Weile stumm an, dann räusperte er sich künstlich. »Wenn das so ist, sag ihm ich warte im Arbeitszimmer auf ihn ... Wenn er denn überhaupt mit mir sprechen möchte!«, bat ihn sein Bruder monoton wie jeher. Mokuba hätte sich am liebsten irgendetwas vor den Kopf geknallt. Warum musste sein großer Bruder eigentlich immer alles in den falschen Hals kriegen?

»Meinst du nicht«, setzte der 11-Jährige erneut an, »Du solltest unten in der Küche auf ihn warten?« Er hoffte, er könnte die Situation noch retten. Aber eigentlich sollte ihm klar sein, wie stur der CEO ist und das er so oder so nicht mehr zu ihm durchdringen konnte.

Wie erwartet drehte sich Seto wortlos um und verschwand in den langen, kahlen Fluren des Obergeschosses.

Mokuba seufzte nur geräuschvoll. »Wollen wie Erwachsene behandelt werden und benehmen sich wie Kinder!«, stöhnte er in seinen Rollkragen. Er kehrte auf der Treppe um und ging zurück in die Küche, wovon Joey noch nichts zu sehen war. Der jüngste Kaiba blickte zur Uhr, nur um festzustellen das der Blonde Freund seines Bruders ziemlich lange zum abreagieren brauchte.
 

Der Braunäugige drehte währenddessen bereits die zweite Runde durch den großen Garten. Lediglich bekleidet in einer dünnen Jogginghose, einem noch dünneren Pullover und ein paar Hausschuhen war das bei -5 Grad Celsius vielleicht nicht gerade die beste Idee gewesen, aber andernfalls hätte er die moderne Küche vermutlich in Schutt und Asche gelegt. Seto konnte einen eben unglaublich wütend machen!

Bevor er die dritte Runde antrat, überlegte er kurz und entschied sich dann doch dazu wieder ins Haus zu gehen. Er wollte immerhin nicht als Eiszapfen enden, bevor er seinem Freund nicht mal so richtig die Meinung gegeigt hatte. Denn wenn der nicht langsam mal über seine Aussagen und Taten wenigstens ein kleines bisschen nach dachte, dann sah Joey auch keinen Grund mehr dazu, bei ihm zu bleiben!
 

Kaum hatte der Blonde die Küche betreten, fiel ihm auf, dass Seto sich nicht hier aufhielt.

»Wo ist denn dein Bruder?«, fragte Joey beiläufig, während er sich eine Dose Limonade aus dem Kühlschrank holte. Mokuba gegenüber wollte er seine Wut nicht so deutlich zum Ausdruck bringen. Sich zu beherrschen fiel ihm dennoch schwer, denn dieses lodernde Gefühl brannte in seinen Adern, wie Feuer auf der Haut.

Der Schwarzhaarige blickte den Braunäugigen stumm an, ehe er nach reiflicher Überlegung eine Antwort abgab. »Er ist in seinem Arbeitszimmer.«

Joeys Hände verkrampften sich um die Getränkedose. Er musste sich unter Kontrolle bekommen, ganz dringend, ansonsten würde dieses Fest doch noch zu einer Katastrophe werden - wenn es das nicht schon längst war!

Der kleine Bruder des CEO's bemerkte des Blonden verkrampfte und angespannte Körperhaltung und entschied sich dazu, nichts mehr zu sagen. Er wollte Joey nämlich nicht noch mehr leiden sehen. Das hatte der 16-Jährige nicht verdient!

Lautlos stellte der Blonde die Dose auf der Küchentheke ab. »Dann werde ich mich mal in die Höhle des Löwen begeben! Wünsch mir Glück«, sagte Joey monoton und verschwand aus der Küche, ehe Mokuba etwas erwidern konnte. Daher drückte der Zwerg einfach seine beiden Daumen tief in die Handflächen und hoffte das doch noch alles gut werden würde.
 

Joey lief betont langsam durch die langen Flure. Er überlegte, was er zu Seto sagen konnte, ohne einen Streit vom Zaun zu brechen. Allerdings kam er schon nach wenigen Metern und Sekunden zu dem Entschluss, dass sich dieser Streit nicht vermeiden ließ. Denn egal was man zu dem Firmenchef sagte, er fasste es immer negativ auf und bekam es in den falschen Hals.

Also musste Joey das Gewitter wohl oder übel über sich ergehen lassen und hoffen, dass es keinen riesigen Eklat geben würde. Denn er wollte das Essen mit seinen Eltern gerne ordentlich und gesittet über die Bühne bringen.

Trennen konnten er und Seto sich auch noch danach ... Sollte es überhaupt soweit kommen.
 

Eine gefühlte Ewigkeit später stand Joey schließlich vor der hohen Tür des Arbeitszimmers.

Durch das dicke Kirschholz konnte er das klappern einer Tastatur vernehmen. Der Blonde rollte entnervt mit den Augen. Wie konnte ein einzelner Mensch nur so aufs arbeiten fixiert sein? Himmel, es war Weihnachten! Warum konnte dieses abgehobene, affektierte und dickköpfige Arschloch nicht einmal seinen Job links liegen lassen und sich um die Menschen kümmern, die wirklich seine Hilfe brauchten?!

Wie Joey zum Beispiel, der sich vor Nervosität am liebsten alle zehn Finger abgekaut hätte, statt nur der Fingernägel.

Der Braunäugige klopfte zaghaft an das polierte Holz, holte noch einmal tief Luft und trat ein.

Der Raum war dunkel, nur das fahle Lich des Laptops spendete ein wenig Helligkeit.

Gerade genug, dass Joey die Umrisse seines Freundes erkennen konnte. Das der keine Schwierigkeiten mit den Augen bekam, grenzte seiner Meinung nach wirklich an ein Wunder.

»Du solltest das Licht anmachen, du verdirbst dir noch die Augen«, murmelte Joey leise in die Stille hinein. In einer einer starren Bewegung hob Seto den Blick, sah den Blonden mit seinen blauen Augen an. Joey konnte selbst aus der Entfernung und bei dem schwachen Licht erkennen, wie eisig dieser Blick war. Und das brachte das Fass schließlich zum überlaufen.

»Ich versteh gar nicht, wie du dir einbilden kannst jetzt sauer zu sein! Immerhin hast du mich angelogen, warst den ganzen Tag nicht hier und hast dich dann einfach in dein Arbeitszimmer verzogen, ohne wenigstens "Hallo" zu sagen!«, brauste der Blonde auf, ballte die Hände zu Fäusten. »Mir ist eigentlich herzlich egal wie du mit mir umgehst, aber gerade Moki hat das nicht verdient! Verdammt nochmal! Es ist Weihnachten und du hast nichts besseres zu tun als hier oben oder in deiner Firma zu versauern!« Unberührt von des Blonden Worten, schob Seto einen Stapel Papiere zusammen. Joey knurrte. »Und jetzt? Hast du dazu gar nichts zu sagen?« Entgegen aller Vermutungen schwieg der Brünette jedoch. »Na schön«, bellte Joey daraufhin und drehte sich um. Gerade als er das Zimmer erhobenen Hauptes verlassen wollte, ließ er die Schultern dann aber doch fallen. »Weißt du ich dachte wirklich du würdest dich ändern und ein normaler Mensch werden«, begann er, allerdings ohne sich umzudrehen, »Aber mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher ob du dazu überhaupt in der Lage bist!« Es waren vielleicht zehn Sekunden die der Blonde noch auf seiner Position verharrte, dann verließ er ohne ein weiteres Wort und ohne Einwand von Seto den Raum.
 

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Zufrieden mit seinem Outfit stand der Blonde vor dem Spiegel, zupfte nochmal an seinem Hemdkragen. Dann blickte er sich selbst tief in die Augen und ließ die Schultern gleich wieder hängen. Er sah gerädert und erschöpft aus, feuchte Tränen glänzten noch immer auf seinen Wangen.

Nachdem er zehn Minuten geweint und darauf gehofft hatte Seto würde ihm nachlaufen, hatte er es doch aufgegeben. Als ob der Sturkopf jemals öffentlich zu seinen Fehlern stehen würde!

Wütend auf sich selbst wischte er sich übers Gesicht und machte sich dann auf den Weg nach unten.

Dort wurde er bereits von seinen staunenden Eltern und Mokuba, welcher gerade deren Jacken aufhängte, erwartet. Der Anblick seiner strahlender Mutter fegte schließlich die letzte Spur Missmut aus Joeys Gesicht und er konnte sich tatsächlich noch auf etwas freuen. »Mum, Dad, Serenity!«, rief er schließlich aus, stürmte die letzten fehlenden Stufen nach unten und schloss beherzigt seine ganze Familie auf einmal in die Arme. Erst jetzt fiel ihm auf, wie lange es her war, dass sie sich gesehen hatten.
 

Während Mokuba Joeys Eltern im Wohnzimmer betreute, Getränke verteilte und mit ihnen lachte, gab der Blonde dem Essen den letzten Schliff.

Er hatte gerade alles zum servieren fertig gemacht, als sich hinter ihm jemand räusperte. Erschrocken ließ der 16-Jährige das Besteck fallen und drehte sich um.

In der Tür stand Seto, angezogen, als hätte er sich den ganzen Tag auf dieses Abendessen gefreut und vorbereitet. »Ach schön«, murrte Joey, während er sich nach dem Besteck bückte, »Hast du es also doch runter geschafft. Mokuba und meine Familie sitzen im Esszimmer, du kannst dich also zu ihnen gesellen!«

Seto biss sich auf die Zunge. Am liebsten hätte er etwas erwidert, aber er wollte das ganze nicht noch schlimmer machen, als es eh schon war. Joey war jetzt beleidigt und wenn Joey beleidigt ist, braucht man gar nicht zu versuchen vernünftig mit ihm zu reden!

Also machte der Brünette kehrt, verließ die Küche wortlos und suchte das Esszimmer auf. In der Hoffnung Joeys Eltern würden ihn nicht jetzt schon hassen.

Der Blonde klammerte sich währenddessen verzweifelt an die schwarze Arbeitsfläche. Er hatte keinen blassen Schimmer wie das mit ihm und Seto weitergehen sollte. Bemüht sich zur inneren Ruhe zu rufen schnappte er sich daher die Schüssel mit den Kartoffelklößen und begab sich auch ins Esszimmer. Um sich und Seto konnte er sich auch später noch Gedanken machen!
 

Der große Fensterlose Raum wurde durch den überdimensionalen Kronleuchter an der Decke mit Licht betankt und schien aus ihm auch seinen ganzen Charme zu ziehen. Direkt unter der Lampe stand der lange Esstisch aus Mahagoniholz. Darum, ordentlich dran geschoben und aufgereiht, acht Stühle. Allesamt ebenfalls aus Mahagoniholz, überzogen mit einem weinroten Polster. An der linken Wand standen drei große Vitrinen, in denen das schönste Porzellangeschirr ausgestellt war. Auf der rechten Seite fanden sich eine große Leinwand und exotische Palmen wieder. Dazwischen hatte man zwei kleine Weinregale untergebracht.

Joey schluckte, als er seine Familie am Tisch sitzen sah. Seine Eltern saßen sich gegenüber, neben seiner Mutter hatte Seto Platz genommen. Ihm gegenüber saß Mokuba und links daneben Serenity. Den Brünetten schienen sich alle Anwesenden gerade zu teilen, waren sie doch neugierig auf das was er zu erzählen hatte, was ihn ausmachte. Was ihm wichtig war, was er mochte und was er hasste. Joey hätte bei diesem Anblick am liebsten gelächelt, wäre er nicht so schrecklich verwirrt, unentschlossen und sauer. Schnell rief er sich in Gedanken, dass Mokuba einen Streit nicht verdient hatte und stellte anschließend die Schüssel mit den Kartoffelklößen auf den Tisch. Seine Mutter bemerkte dies, legte Seto eine Hand auf die Schulter und erhob sich. »Sag doch das du Hilfe brauchst«, meckerte sie, lächelte dann ab wieder und wollte sich gerade in Bewegung setzen, als sich der CEO ebenfalls erhob. »Setzen sie sich ruhig wieder Mrs. Wheeler. Ich helfe ihrem Sohn. Was wäre ich denn für ein Freund, wenn ich es nicht tun würde, mhmm?« »Sehr zuvorkommend Mister Kaiba«, grinste seine Mutter und glitt lautlos auf den Stuhl zurück. Das der Blonde vor Entsetzen die Luft angehalten hatte, hatte niemand der Anwesenden bemerkt. Ebenso wenig, wie seinen dramatischen Abgang.

Kaum war auch der Brünette in der Küche angekommen, wurde ihm schon der böse Blick seines Freundes zu teil. »Okay«, sagte dieser nur, machte einen Schritt auf den Villenbesitzer zu, »Ich weiß nicht was das hier werden soll wenn's fertig ist, aber du kannst ruhig deine echte Seite raus hägen lassen. Meine Mutter durchschaut Lügner so oder so immer, also brauchst du niemanden etwas vorzumachen. Mokuba kennt dich, ich kenne dich und auch Serenity hat dich schon mal live erlebt, also lass die Spielchen!« Nun verzog auch Seto sein Gesicht. »Ich wollte mich vorhin nur bei dir entschuldigen. Du hast mir allerdings keine Gelegenheit dazu gegeben, also heul mir jetzt nicht die Ohren voll! Du benimmst dich wie ein kleines Kind, dem man den Lutscher weggenommen hat!«, knurrte dieser tadelnd. Nun hatte es dem Blonden die Sprache verschlagen, weswegen er sich einfach die nächste Schüssel schnappte und wieder im Esszimmer verschwand. Den fragenden Blick seines Freundes im Rücken.
 

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Etwa vier Stunden später standen Familie Wheeler und das Überbleibsel der Kaibas im Foyer der Villa. Mokuba reichte gerade Joeys Vater dessen Jacke, Serenity schlüpfte in ihre Schuhe und Joeys Mutter hielt ihren Sohn in den Armen. Als sie ihn wieder los ließ, wandte sie ihren prüfenden Blick zu Seto, lächelte dann aber auch diesen an. »Ich bedanke mich für den netten Abend Mister Kaiba. Meine Familie und ich haben uns wirklich sehr amüsiert!« »Ich habe für ihren Besuch zu bedanken Misster und Miss Wheeler. Es war sehr schön sie kennenzulernen«, erwiderte Seto so freundlich, wie ein Seto Kaiba eben sein konnte. Joey hingegen hatte mit seinem Lachen zu ringen. So viel Falschheit hatte er nicht mal einem Seto Kaiba zugetraut! »Sie sind ja so charmant«, grinste des Blonden Mutter. Und dieser war sich einer Sache nun absolut sicher: Seine Mutter war beschwipst, aber so was von. Das schien auch sein Vater zu bemerken, denn dieser packte sie einige Sekunden später sanft an den Schultern und schob sie zur breiten Tür, die bereits von Mokuba aufgehalten wurde. »Tschüssilie«, rief Miss Wheeler noch, dann fiel die Tür ins Schloss und alle Anwesenden seufzten erfreut. Joey fing sich schließlich als erster wieder, blickte Seto wütend an. »Gratulation, sie hat nicht gemerkt wie du wirklich drauf bist Arschloch!«, warf er ihm an den Kopf und verschwand dann in der Küche. Dort wartete nämlich noch ein Berg Abwasch auf ihn, was er nicht alles dem Geschirrspüler zu muten wollte. Zum einen, weil er keine Lust dazu hatte sich morgen noch mit dem Geschirr von heute zu beschäftigen und zum anderen, um einfach etwas zu tun zu haben, um Seto noch eine Weile aus dem Weg gehen zu können. Er hatte nämlich keine Lust darauf sich weiter zu streiten. Dafür hatten ihn die vergangenen Tage einfach zu sehr ausgelaugt!
 

Als er schließlich fertig mit allem war, löschte er noch das Licht und machte sich auf den Weg nach oben.

Schweigend betrat er das Schlafzimmer. Seto lag bereits im Bett, hatte einen Ringbuchordner im Schoß liegen und einen Stift in der Hand. Das brachte Joey beinahe schon wieder zum ausrasten, weswegen er sich schnell seiner Kleider entledigte und das Zimmer eigentlich wieder verlassen wollte, als ihn ein lautes Räuspern zurück hielt. »Wo willst du hin?«, fragte Seto, kühl und schneidend wie eh und je. »In eins der Gästezimmer«, knurrte der Blonde ohne sich umzudrehen. Er wollte dieses vertraute Gesicht jetzt nicht sehen, denn das würde ihn wieder dazu bringen seinen Stolz aufzugeben. Und das bisschen Stolz das er noch besaß würde er wahren. Er hatte sich in den letzten Tagen schon genug zum Trottel gemacht.

»Und warum?« »Um dir zu zeigen, wie wütend ich auf dich bin!«, entgegnete Joey gelassen. Wieder wartete eine Weile, doch als von Seto keine Antwort kam, verließ er den Raum und knallte die Tür laut zu.

Auf dem Flur begegnete er Mokuba, der ihn beinahe zu Tode erschreckte. Der kleine Zottelkopf stand im Pyjama in seiner Zimmertür, rieb sich verschlafen über die Augen. In der rechten Hand hielt er ein zerfranstes Kuscheltier. »Warum schläfst du nicht bei meinem Bruder?«, fragte der Schwarzhaarige träge, gähnte im Anschluss daran. »Weil dein Bruder ein Arschloch ist!«, entgegnete der Blonde mürrisch. »Hast du es also auch endlich geschnallt?«, erwiderte der Grauäugige unberührt. Erschrocken sog Joey einen Schwall Luft ein, fing sich aber relativ schnell wieder. »Ich finde nach zehn Monaten wird das auch langsam mal Zeit!«, antwortete der Braunäugige pikiert. Mokuba grinste ein wenig. »Das hält dich trotzdem nicht davon ab noch weitere zehn Monate bei ihm zu bleiben!«, murmelte der Zwerg. »Wenn du schon nicht bei Seto schlafen willst, dann schlaf halt bei mir. Besser als alleine in einem der Gästezimmer!«, schlug der Kaiba-Sprössling vor und verschwand dann - ohne die Antwort von Joey abzuwarten - in seinem Zimmer.

Es dauerte nicht lange, da hatten es sich die beiden in dem schmalen Bett gemütlich gemacht und die Lichter gelöscht. Eine Weile war es still, bis sich Mokuba noch einmal regte. »Vertragt euch bitte wieder«, murmelte der Zwerg, driftete dann aber endgültig ab. Joey, der ihn im Arm hielt, musste schon wieder mit den Tränen kämpfen. Das würde wohl oder übel eine schlaflose Nacht für ihn werden!



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