Zum Inhalt der Seite

Crystal of the Dark

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Erste Erläuterungen

Kapitel 6: Erste Erläuterungen
 

Sein warmes Lachen erfüllt den ganzen Raum.

"Man sagt zwar, Liebe geht durch den Magen aber ich hoffe inständig, dass das gerade nicht ernst gemeint war." Kauend sehe ich ihn an.

"Nicht direkt, nein. Übersetz' es in überschwängliche Freude und Dankbarkeit."

"Gut. Sonst hätten wir bereits das erste Problem gehabt."

"Welches?" Schnell stopfe ich mir ein weiteres Stück Pizza in den Mund. Mann, hab ich einen Hunger!

"Wölfe leben monogam." Prompt verschlucke ich mich.

"Ja, das war auch meine erste Reaktion. Aber es ist wahr. Ein Wolf bindet sich nur einmal in seinem Leben. Und wem auch immer du einmal dein Herz schenkst, an den wirst du ewig gebunden sein. Allerdings..." Er sieht mich kurz abschätzend an, während ich ganz langsam wieder zu Atem komme.

"Ich gehe davon aus, dass du noch unberührt bist, richtig?" schlagartig stelle ich die eben wieder erworbene Funktion wieder ein, spüre, wie meine Wangen beginnen zu glühen und senke deswegen den Kopf.

"War auch eigentlich nicht schwer zu erraten. Sonst hättest du dich nicht erst gestern Nacht verwandelt."

"Warum behagt mir nicht, was jetzt kommt?"

"Weil du ein kluges Mädchen bist und Eins und Eins zusammen zählen kannst."

"Ich hätte mich verwandelt, sobald ich mit jemanden geschlafen hätte." schlussfolgere ich.

"Genau. Allerdings hätte es einige sehr unschöne Konsequenzen nach sich gezogen. Wie gesagt, ein Wolf bindet sich nur einmal. Aber bei diesem Akt hättest du dich mitten im Geschehen verwandelt und unwillentlich deinen Partner getötet. Du hättest also gleich zwei Probleme: Dein neues Ich und deinen toten Partner, gefolgt von unendlicher Trauer um den Einen, der dich dein ewiges Leben hätte begleiten sollen."

"Mit anderen Worten, ich muss verdammt aufpassen, wem ich mich irgendwann einmal hingebe..."

"Richtig. Da du dich aber bereits verwandelt hast, wird deinem Partner ein frühzeitiges Ende erspart bleiben."

"Na wie beruhigend."

"Ehrlich, ich beneide dich nicht um deinen Monogamiestempel. Wir Dämonen leben ewig. Klar haben auch wir mal eine Erkältung oder Muskelkater aber das bringt uns nicht um. Im Regelfall passiert das auch nur während der ersten 100 Jahre nach unserer Metamorphose. Du bist also sozusagen mit 121 Jahren frei von menschlichen Gebrechen." Er grinst mich derart breit an, dass man glauben könnte, er hätte mir soeben die Lottozahlen verraten. Diese Informationen muss ich erst einmal verdauen!

"121... Jahre... zum Teufel, wie alt kann ich eigentlich werden? Und wie alt bist dann du?!" ungläubig starre ich ihn an.

"Lass mich eben nachrechnen..." Er hebt seine Hände und streckt nach und nach einen Finger nach dem anderen empor. Nach acht Fingern stoppt er.

"Wenn ich mich nicht verrechnet habe, werde ich dieses Jahr 824 Jahre alt. Oha... wie doch die Zeit vergeht." nun grinst er mich wieder schelmisch an, während mir einfach nur alles aus dem Gesicht fällt.

"Biologisch gesehen bleibt unser Körper in dem Zustand, in dem er unmittelbar vor seiner Metamorphose war. Du bleibst also ewig 21. Niemals Falten, niemals Midlife-Crisis oder Wechseljahre und keine grauen Haare. Es hat durchaus was für sich."

"Heißt das etwa auch, ich kann mein Leben lang Kinder kriegen?"

"Ohja. In deinem Fall süße, kleine Welpen." Sein Gesicht kommt meinem verdammt nah, kaum ein Zentimeter trennt unsere Nasenspitzen voneinander und zum wiederholten Mal ziehen mich seine nachtblauen Seelenspiegel in ihren Bann. Dann grinst er noch breiter als zuvor, tippt mir kurz an die Stirn und zieht sich wieder von mir zurück.

"Keine Sorge, ich bin nicht so verrückt und lasse mich mit einer Wölfin ein. Zum Einen gibt das einen Haufen Ärger mit Luzifer und zum -..."

"Luzifer?!" unterbreche ich ihn.

"Ja. Du weißt schon, der Chef aller Dämonen, der König der Unteren Welt. Er und seine reizende Gemahlin Luzifera - ja, ich weiß, guck nicht so - begrüßen es sehr, wenn die Dämonenrassen sich nur untereinander fortpflanzen und sich das Erbgut nicht vermischt. Gegen Spaß querfeldein hat allerdings niemand etwas."

"Ernsthaft?" Was für ein verrücktes System. Aber noch verrückter ist die Tatsache, dass Luzifer wirklich existiert. Jedoch ist der Name seiner Gemahlin mehr als einfallslos.

"Der Grund hierfür ist denkbar einfach." Und schon wieder wühlt der Kerl in meinen Gedanken!

"Sie übernimmt regelmäßig seine Arbeiten, wenn er unterwegs ist. Dadurch ist es aber auch des Öfteren vorgekommen, dass sie versehentlich mit dem Namen ihres Gatten angesprochen worden war. Um diesem Durcheinander - und Luziferas gekränktem Stolz - Einhalt zu gebieten, befahl Luzifer, dass seine Frau nur noch mit Luzifera anzusprechen sei. Dadurch geriet ihr wahrer Name mit der Zeit leider in Vergessenheit und nur ihr Mann kennt ihn noch. Zum Glück, muss man dazu sagen, sonst könnte diese Furie tun und lassen, was immer ihr beliebt und sie hätte uneingeschränkte Macht."

"Wieso?"

"Weil dein wahrer Name deine größte Schwachstelle ist. Kennt ihn jemand, kann er dir Schlimmeres zufügen, als den Tod. Derjenige hätte die volle Kontrolle über dich. Es ist also von größter Wichtigkeit, dass du deinen wahren Namen nur an jene verrätst, denen du bedingungslos vertrauen kannst."

"Aber meinen Namen..." traurig senke ich den Kopf.

"Aki!" Auffordernd tippt er mir unters Kinn, woraufhin ich wieder zu ihm aufsehe. Erst dann fährt er mit ruhiger Stimme fort.

"Aki, das ist nur dein menschlicher Name. Deinen wahren Namen kennt nur deine leibliche Familie." Ich horche auf. Ich habe eine Familie? Richtige echte Blutsverwandte?

"Ja, hast du. Leider gibt es diverse Gesetze, die es deinen Eltern nicht gestattet haben, dich aufzuziehen. Somit mussten sie dich schweren Herzens in die Irdische Welt in die Obhut der Menschen geben. Aber sei dir dessen gewiss, dass sie dich nicht eine Sekunde lang vergessen haben. Schon direkt nach deiner Geburt suchte deine Mutter mich auf und bat mich, dich nach deinem 21. Geburtstag zurückzuholen. Ich als Dämonenausbilder habe unter Anderem die Fähigkeit, andere Dämonen aufzuspüren, selbst dann, wenn ihr Blut noch nicht erwacht ist. Es ist meine Aufgabe, Neugeborene wie dich und andere junge Dämonen anzuleiten, ins System einzugliedern und ihnen zu helfen, mit ihren eigenen Fertigkeiten und Aufgaben zurecht zu kommen. Allerdings werden mir normalerweise nur bestimmte Dämonengruppen zugeordnet."

"Warte, warte! Du bist ein Ausbilder?"

"Eine Art Lehrmeister, ja."

"Ich dachte, du wärst eher so etwas wie ein Magier." Sein Lächeln kehrt zurück.

"Mir persönlich gefällt diese Bezeichnung auch besser. Aber da diese normalerweise unter Dämonen nicht üblich ist, würde ich dich bitten, sie nicht weiter zu verwenden."

"Das klingt beinahe so, als wäre es eine Beleidigung." Etwas verwirrt ziehe ich eine Augenbraue hoch. Ian lacht kurz auf.

"Ganz Unrecht hast du damit nicht. Aber das liegt hauptsächlich daran, dass der Dämonenstolz gekränkt wird." Seufzend fährt er sich durch seine kurzen Haare und blickt zum Fenster hinaus.

"Nur bei den Engeln werden die Ausbilder als Magier bezeichnet. Entsprechend verletzt sind Dämonen, wenn sie mit einem solchen gleichgesetzt werden. Es mag zwar mittlerweile Frieden zwischen den Welten herrschen aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Engel und Dämonen nun einmal nicht auf eine Stufe gestellt werden wollen. Jeder hält sich für etwas Besseres..."

Verblüfft sehe ich ihn an. Es gibt nicht nur Dämonen sondern auch Engel? So richtige echte Engel mit Flügeln und allem drum und dran?

"Nicht so ganz." Er fährt sich einmal durch sein blaues Haar - anscheinend hat er bei dieser unbedachten Aussage meine Neugier vergessen mit einzukalkulieren. "Scheint, als müsste ich viel weiter ausholen, als ich es ursprünglich geplant hatte." Dann blickt er wieder zu mir.

"Du bist viel zu neugierig, Aki!" Soll das ein Tadel sein? Falls ja liegt da viel zu viel Wohlwollen in seiner Stimme. Sein breites Grinsen verrät mir, dass er schon wieder in meinem Kopf ist. Hat er nicht gesagt, er will versuchen, es zu überhören? Leicht beleidigt ziehe ich einen Schmollmund.

"Es ist einfach zu verlockend, entschuldige. Dann wollen wir mal." Er streckt seine Hände in die Luft und formt drei etwa gleich große Eisskulpturen, die ein bisschen aussehen, wie ein Dorf.

"Die Welt, in der wir uns momentan befinden, existiert gemeinsam mit zwei weiteren Welten parallel zueinander. Stell dir einfach vor, jede Skulptur stellt eine dieser Welten dar. Diese hier..." Er deutet auf eine Eisskulptur, die von den anderen beiden gleichermaßen berührt wird. Wobei die zwei anderen dagegen zwischen sich einen kleinen Spalt aufweisen, während sie die erstere direkt berühren. Nur an einem Punkt treffen alle Drei aufeinander.

"... ist die Irdische Welt, die Welt der Menschen, in der wir uns momentan befinden. Das Dorf rechts, welches leicht nach unten versetzt ist, steht für die Welt der Dämonen, die Untere Welt, unsere Heimat. Und die dritte Skulptur steht für die Obere Welt, das Reich der Engel. Hier herrscht der Allvater über Recht und Ordnung, so wie es Luzifer bei uns tut. Diese Kluft zwischen der Oberen und der Unteren Welt ist das sogenannte Loch der schwarzen Seelen. Es ist der gefährlichste Ort zwischen den Welten und beherbergt den Grund, warum die Walküren der Engel und die Wölfe der Dämonen unentbehrlich für uns alle sind." Ian fixiert die kleine Kluft mit einem undefinierbaren Blick und kurz bin ich versucht, ihn zu fragen, was ihm gerade durch den Kopf geht, als er weiterspricht.

"Von hier steigen die Schatten auf. Verlorene, bösartige Seelen, die Leid und Zerstörung über die Welten und ihre Bewohner bringen wollen. Sie sind äußerst gefährlich. Ihr Ziel ist dieser eine Punkt, an dem die drei Welten sich berühren. Denn nur von hier aus können sie in die Irdische Welt gelangen. Sie wissen, dass sie dort leichtes Spiel hätten. Stürzen sie die Welt der Menschen in Finsternis und Chaos, wird es beinahe unmöglich auch die Obere und Untere Welt noch vor der Zerstörung zu retten. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass sie dies beinahe geschafft hätten aber glücklicherweise konnte Schlimmeres verhindert werden. Ihr letzter großer Angriff ist nun etwas mehr als 500 Jahre her. Damals gab es unzählige Opfer. Es war eine gewaltige Schlacht, die wir nur knapp für uns entscheiden konnten." Das Thema scheint ihn sehr zu belasten. Ich bin mir mehr als sicher, dass er bei dieser Schlacht dabei gewesen ist. Irgendetwas Furchtbares muss damals geschehen sein, sonst wären seine Augen nicht so voller Kälte und Zorn.

Vorsichtig taste ich nach seiner linken Hand, die neben mir auf dem Bett liegt. Die Berührung lässt ihn kurz zusammenzucken und zu mir herum fahren.

"Du musst nicht weiter reden, wenn du nicht willst. Ich sehe doch, wie sehr dich das belastet. Erzähl mir lieber etwas über die Engel und Dämonen. Ich dachte immer, Dämonen sind etwas Böses aber anscheinend habe ich mich da geirrt, denn sie scheinen die Welt der Menschen zu beschützen zusammen mit den Engeln." Ein schwaches Lächeln umspielt seine Lippen. Er lässt die Eisskulpturen verschwinden und verschränkt die Finger seiner linken Hand mit meinen. Eine Geste, die einen wohligen Schauer über meinen Rücken jagt. Dafür habe ich meine Hand aber eigentlich nicht auf seine gelegt gehabt...

"Dämonen sind keineswegs bösartig. Genauso wenig, wie Engel reine Unschuldslämmer sind. Glaub mir, einige von ihnen sind sogar streitsüchtiger als wir Dämonen. Außerdem sind Engel und Dämonen lediglich Oberbegriffe für die Bewohner der Welten, so wie Menschen die allgemeine Bezeichnung für die Bewohner der Irdischen Welt ist. Feen, Erzengel, Walküren und Meerjungfrauen beispielsweise gehören zu den Engeln, während Sukkubi, Dunkelelfen, Wölfe und Drachen zu den Dämonen zählen. Aber das sind nur einige Beispiele."

"Ich muss mir also keine Sorgen darüber machen, zu einer grausamen, herzlosen Bestie geworden zu sein?" versuche ich zu scherzen aber auch das hat nur mäßigen Erfolg, wie mir sein halbherziges Lächeln beweist. Sein Blick ruht auf einem unbestimmten Punkt im Raum, während er sein rechtes Bein mittlerweile angewinkelt hat, um seinen freien Arm darauf zu stützen.

"Nein, musst du wirklich nicht. Wir Dämonen kennen sehr wohl Ehre, Liebe und Ehrlichkeit. Manche mehr, manche weniger aber wir bilden da ja keine Ausnahme. Menschen und Engel sind da ganz genauso. Niemand ist über sein Herz erhaben. Selbst die nicht, die das behaupten, denn die haben ein Herz aus Eis und agieren deshalb so kalt. Auch sie werden also durch ihr Herz gesteuert." Und schon wieder ist da ein Ausdruck in seinen Augen, der mir mehr als deutlich macht, dass auch dieses Thema alte Wunden aufreißt.

Er massiert sich den Nasenrücken. Ich glaube nicht, dass er vorgehabt hat, das so ausufern zu lassen. Und ich glaube, ich bin Schuld daran.

"Indirekt ja. Und tut mir Leid, dass ich schon wieder deiner inneren Stimme lausche aber es ist verdammt schwer für mich, sie zu überhören. Ich möchte dir ja alle Fragen beantworten aber ich hätte gern mit etwas Unverfänglicherem angefangen, als mit den weniger schönen Kapiteln."

"Dann würde ich sagen, wir beenden das einfach hier und jetzt und machen morgen weiter." schlage ich vor, doch er schüttelt nur den Kopf.

"Es gibt da noch Etwas, das ich dir gern erklären wollte. Immerhin handelt es sich um wichtige Grundlagen und beantwortet zudem so ziemlich alle Fragen, die dir letzte Nacht so durch den Kopf gegangen sind." Grübelnd lege ich den Kopf schief. Spontan fällt mir nicht eine dieser Fragen ein.

"Wundert mich nicht." Lachend streicht er mit seinem Daumen über meine Hand, die noch immer mit seiner verbunden ist.

"Du warst ja auch mit deinen Gedanken ab einem bestimmten Punkt ganz woanders." Grinsend schaut er mich an und zwinkert mir kurz zu. Schlagartig fällt mir besagter Punkt auch wieder ein und in lebhaften Bildern spult meine Erinnerung Ians Verwandlung als Dauerschleife vor meinem geistigen Auge ab. Na schönen Dank auch!

"Ja, genau den Punkt meinte ich." Wie schön, dass wenigstens einer von uns beiden wieder Spaß an der Unterhaltung hat... "Ich glaub, das mache ich jetzt immer, wenn sich bei mir düstere Gedanken einschleichen. Deine unschuldige Art vertreibt wirklich alle bösen Geister."

Ich rolle mit den Augen.

"Reicht es dafür nicht, wenn du dich vor einen Spiegel stellst? Dann müssten die Bilder doch auch in deinem Kopf wiedergegeben werden und du müsstest mich da nicht jedes mal mit reinziehen..." grummelnd drehe ich meinen Kopf in eine andere Richtung.

"Ich hör ja schon auf. Dann wenden wir uns eben den Grundlagen zu."

"Ich bitte darum."

"Was, glaubst du, hat deinen Körper gestern Nacht in Alarmbereitschaft versetzt, als du neben mir am See standest?" Mit einem verschmitzten Grinsen sieht er mich an und natürlich fällt mir als Erstes wieder seine dämonische Gestalt ein, obwohl ich genau weiß, dass er das definitiv nicht gemeint hat.

"Aki, konzentrier dich." kommt es mit mahnendem Unterton. "Wenn du gedacht hast, du musst nur zuhören und aufmerksam tun, muss ich dich enttäuschen. Auf einige Sachen sollst du schon selbst kommen, immerhin ist es vorteilhafter, wenn du auch verstehst, was ich dir erzähle. Also denk gefälligst mit." Ich komm mir gerade vor, wie in der Schule.

"Etwas Anderes ist das hier auch nicht. Also, ich frage dich noch einmal: Was, glaubst du, hat deiner Aufmerksamkeit erregt?"

Ich atme einmal tief durch und rufe mir die Bilder der letzten Nacht ins Gedächtnis. "Es hing mit dem zusammen, was du da mit dem Wasser gemacht hast. Ich war auch nur kurz angespannt, denn instinktiv habe ich gespürt, dass von dieser... ich nenn es jetzt einfach Magie, keine Gefahr ausgeht."

"Was du gespürt hast, war die Anziehung von Elementarenergie. Ich habe dadurch meine Magie wieder aufgeladen, die ich zuvor verbraucht hatte, als ich dir gefolgt war."

"Das hattest du also damit gemeint, als du sagtest, du seist erschöpft."

Ein knappes Nicken seinerseits. "Jeder Dämon und auch jeder Engel gehört einem bestimmten Element an."

"Also bist du ein Wasserdämon?"

"Ja. Das Wasser ist sowohl meine Energiequelle, als auch meine Waffe. Auch wenn ich es in Form von Eis benutze."

"Heißt das, du kannst deine Magie nur mit Wasser wieder aufladen?"

"So ist es. Durch Schlaf allein stelle ich lediglich meine mentale Stärke wieder her. Aber meine Magie, sowie auch meine körperliche Stärke gewinne ich nur durch die Aufnahme meiner Elementarenergie zurück."

"Du brauchst also beides: Schlaf und Wasser. Ohne genug Schlaf bist du nicht in der Lage, deine Magie zu benutzen?"

"Nicht in der vollen Stärke. Ich wusste, du bist ein kluges Mädchen. Du begreifst schnell."

"Und was meintest du dann heute morgen, als du sagtest, du bist kein Wolf und brauchst mehr als drei Stunden Schlaf? Soll das heißen, ich brauche weniger Schlaf, weil ich keine Magie benutzt habe? Oder kann ich das gar nicht?" Ein wissendes Schmunzeln umspielt seine Lippen.

"Nah dran. Zuerst einmal solltest du wissen, dass dein Element die Erde ist. Erddämonen benutzen recht wenig Magie. Sie sind durchaus dazu in der Lage, allerdings brauchen sie sehr viel länger, um diese zu erlernen, da sie eher körperlich konditioniert sind. Die meisten Erddämonen haben eine tierische Gestalt aber um Magie anzuwenden, bedarf es einer humanoiden Gestalt oder wie bei den Drachen eines magischen Polsters innerhalb des Körpers."

"Stop! Soll das heißen, ein feuerspuckender Drache ist mir deswegen in punkto Magie überlegen, weil er irgendwo einen Hohlraum gefüllt mit dieser besitzt und ich nicht?!" Empört darüber balle ich meine Hände zu Fäusten. Auch die, die noch immer mit Ians verbunden ist, was mir völlig entfallen ist.

"Aki, das ist meine Hand, die du da gerade zerquetschst." Verwundert starre ich auf unsere verschränkten Finger, zügle meine Kraft und weiß nicht so recht, was ich darauf sagen soll. Das wäre der ideale Zeitpunkt, ihm meine Hand zu entziehen aber diese Berührung beruhigt mich auf eine ähnliche Weise, wie das Tätscheln meines Kopfes.

"Wölfe genießen die Nähe. Es beruhigt sie, zerstreut ihre innere Unruhe. Darum..." Er deutet auf unsere Hände.

"Je weiter der Nachmittag voranschreitet, umso aufgewühlter wirst du. Wir Dämonen sind Wesen der Nacht. Je näher diese rückt, umso mehr will dein Körper seine dämonische Gestalt annehmen."

"Zumindest, bis ich es kontrollieren kann."

Wieder nickt er nur knapp. Doch ich bin mir fast sicher, dass das nicht der ursprüngliche Grund gewesen ist, warum er seine Finger mit meinen verschränkt hat. Wobei der erste Schritt dieser Berührung ja eigentlich von mir ausgegangen ist. Aber egal. Ihn beruhigt diese Geste mindestens genauso sehr wie mich. Zugeben wird er das bestimmt nicht. So gut kann ich ihn mittlerweile doch einschätzen - er ist sehr verschlossen, wenn es um seine eigenen Emotionen geht. Ein kleiner Eisblock eben.

Ob sich die Charakereigenschaften eines Dämons wohl nach seinem Element richten? Auf mich und Ian scheint es zumindest zuzutreffen. Kurz muss ich leise lachen, als ich an meine beste Freundin Rhea denke. Wenn sie ein Dämon wäre, dann ein Feuerdämon bei ihrer aufgedrehten Art und dem hitzigen Temperament.

"Zurück zu den Elementen." Unterbricht er meine Gedanken.

"Dir ist sicher aufgefallen, dass du letzte Nacht keinerlei Erschöpfung verspürt hast, trotz der weiten Strecke, die wir zurückgelegt haben."

"Ich habe es auf meine neue Gestalt geschoben aber nach dem, was ich eben gehört habe, würde ich eher darauf tippen, dass es etwas mit meinem Element zu tun hat." Er sieht mich nur auffordernd an, anscheinend bin ich auf dem richtigen Weg.

"Du brauchst Wasser, um deine Reserven wieder aufzuladen. Brauche ich dann... Erde?"

Ein kleines Lächeln huscht über seine Züge aber noch immer antwortet er mir nicht. Ich soll demzufolge den Gedanken selbst zu Ende spinnen. Dann strengen wir unsere Gehirnzellen doch etwas an.

Mein Element ist die Erde, dementsprechend brauche ich auch diese, um mich wieder aufzuladen. Erde... braucht es da eigentlich bestimmte Erde oder ist das völlig egal? Denn dann würde ja beinahe jeder Untergrund dazu zählen: Sand, steinige Pfade und ebenso der Waldboden, über den ich die letzte Nacht größtenteils geprescht bin. Heißt das dann, ich habe deswegen keine Erschöpfung verspürt, weil sich meine verbrauchte Energie sofort wieder aufgeladen hat? Einfach so, während ich gelaufen bin?

"Du triffst den Nagel auf den Kopf, Aki." lobt Ian mich und plötzlich wird mir bewusst, dass er SCHON WIEDER in meinem Kopf ist! Er zuckt nur leicht amüsiert mit den Schultern.

"Was bleibt mir anderes übrig, wenn du still vor dich hin grübelst und den Mund nicht auf bekommst."

"Ich hätte schon noch etwas gesagt, keine Panik." entgegne ich schmollend.

"Dann können wir ja fortfahren. Wie du richtig erkannt hast, beziehst du deine Energie aus der Erde. Und ja, es ist völlig egal, welche Erde. Ob Moor, Wüste, Gebirge oder Wald spielt da keine Rolle. Genau deswegen sind es die Dämonen und Engel der Erdelemente, die zur Verteidigung der Welten eingeteilt sind. Euer Energievorrat ist im Kampf nahezu unerschöpflich."

"Aber sollte das nicht auch für die Windelemente gelten?"

"Bedingt. Außerdem wäre es nicht ratsam, Wind- und Erddämonen zusammen an einem Ort zu lassen."

"Warum nicht?"

"Die beiden Elemente kommen nicht sonderlich gut miteinander aus." Verdutzt ziehe ich eine Augenbraue hoch. Was soll das nun wieder heißen?

"Das heißt ganz einfach, dass sich Wind und Erde, sowie Feuer und Wasser gegenseitig an die Gurgel gehen würden. Du kennst das sicher: In deiner Vergangenheit gab es doch bestimmt auch jemanden, den du von Anfang an nicht leiden konntest und der so gegensätzlich zu dir war, dass ihr niemals auch nur im Ansatz auf einen gemeinsamen Nenner gekommen wäret."

"Solche persönlichen Feinde hat wohl jeder."

Ian lacht bei meiner zerknirschten Miene auf und drückt kurz meine Hand. "So kann man es auch ausdrücken. Aber umgekehrt gibt es auch Elemente, die sich gegenseitig stärken und damit ungeahnte Kräfte freisetzen können. Wind facht Feuer an und kann gigantische Feuerstürme erzeugen. Während Erde die Struktur von Wasser verstärkt und es resistenter gegen Angriffe macht." Ich mustere ihn interessiert. Meine Kraft würde also seine Magie verstärken? Überrascht sieht er mich an.

"So verlockend die Vorstellung auch ist, meine Kräfte mit deinen zu bündeln, so sehr würde ich es doch bevorzugen, nicht in eine solche Situation zu geraten, in der dies notwendig sein wird."

"Entschuldige. So war das nicht gemeint..." gebe ich beschämend zurück. Wie konnte ich nur so dumm sein und dabei vergessen, dass er dabei automatisch an eine Kampfhandlung denkt. Und vermutlich auch an die Ereignisse von vor 500 Jahren. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich darf so etwas nicht denken! Er kann es doch hören und dann kommen die Erinnerungen erst recht hoch.

"Du solltest dich nicht für etwas schelten, für das du nichts kannst. Niemand kann seine Gedanken vollständig kontrollieren. Und denkst du nicht, dass ich mittlerweile alt genug bin, um da drüber zu stehen? Ich kann die Vergangenheit nicht ändern und ich habe längst gelernt mit den Folgen von damals zu leben."

"Du wirst mir nicht erzählen, was damals vorgefallen ist, oder?"

"Nein."

Das habe ich bereits geahnt. Aber einen Versuch ist es wert gewesen. Er entzieht mir seine Hand, streckt sich kurz, bevor er sich zur Seite auf mein Bett fallen lässt. Damit distanziert er sich nun völlig von mir. Anscheinend bin ich gerade einen Schritt zu weit gegangen.

"Wenn ich vorher geahnt hätte, wie anstrengend deine Neugier ist, hätte ich abgelehnt, dich auszubilden..." brummt er unzufrieden. Jetzt bin ich also schon anstrengend? Und das nur, weil ich ihm eine Frage zu seiner Vergangenheit gestellt habe. Soviel also zu seiner überlegenen Haltung dem Thema gegenüber, pah!

"Du musst das hier nicht tun, wenn es dir so auf die Nerven geht, Ian. Sag mir einfach, wie ich zu meiner Familie komme, den Rest schaffe ich dann auch allein. Ich bin immerhin kein Kind mehr." Er will Distanz? Bitteschön!

"Du bist noch nicht so weit. Würde ich dich jetzt in die Untere Welt lassen, würdest du wahrscheinlich von einem Inkubus aufgegabelt und verführt oder gar von Schatten angefallen werden. Unsere Heimat ist kein Spielplatz aber das wirst du noch früh genug merken. Es ist sicherer, wenn du vorerst noch hier bleibst und so viel wie möglich lernst. Sobald ich dich zu deiner Familie gebracht habe, wirst du mich ohnehin los sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mir auch deine weitere Ausbildung noch aufbürden werden. Dafür gibt es sicher irgendwo einen ausreichend qualifizierten Erddämonenausbilder."

"Steht auf meiner Stirn irgendwo »Unerfahrene Jungfer« oder wie?" motze ich zurück.

"Ob du es glaubst oder nicht aber du hast fast Recht. Ein Inkubus spürt genau, ob du noch unberührt bist oder nicht. Das Gleiche gilt natürlich auch für die weiblichen Vertreter. Und ja, auch die Schatten haben so etwas wie einen sechsten Sinn für unerfahrene Kämpfer. Sie stürzen sich grundsätzlich auf das schwächste Glied der Kette." Angesäuert erhebe ich mich vom Bett und werfe einen letzten kurzen Blick auf den Blauhaarigen.

"Noch irgendetwas, was ich wissen sollte?" frage ich mit völlig unterkühlter Stimme.

"Für den Moment nur zwei Dinge: Erstens: Freundschaftliche Gefühle suchst du bei mir vergebens. Ich bin dein Ausbilder, nicht dein Spielgefährte. Merk dir das! Wenn du Freunde willst, such am besten bei den Feuerdämonen. Bei all den Unterschieden von Erde und Feuer, sind sie sich doch wieder so ähnlich, dass sie gar nicht anders können, als in Freundschaft miteinander zu leben. Das Gleiche gilt natürlich auch für Wind und Wasser. Und zweitens: Wenn du jetzt vorhast, zu gehen, bleib in der Nähe, damit ich dir im Notfall helfen kann. Auch hier gibt es mehr als genug Unholde und du bist ein begehrtes Ziel, schon seit deiner Geburt, ob du es glaubst oder nicht. Du bist die Tochter des Alphapaares des Wolfsrudels, noch dazu ledig und somit die derzeit begehrteste Junggesellin im ganzen Dämonenreich."



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück