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Wenn der Himmel weint

von

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Wenn der Himmel weint...
 

Zum dritten Male fühlte ich das kalte Wasser meinen Rücken hinunterlaufen.

Ich zog meinen Krager enger um wenigstens für das letzte Stück den Regen daran zu hindern, meine Klamotten vollends zu durchnässen. Meine Schuhe konnte ich getrost vergessen und mit einem wehleidigen Blick verabschiedete ich mich geistig schon von ihnen.

Ich hasste dieses Wetter!

Ich hasste es, bei diesem Wetter rauszugehen, ich hasste es, mich verstecken zu müssen und ich hasste Sie!

Warum also hatte ich mich, verdammt nochmal, darauf eingelassen?

Glücklicherweise erblickte ich in diesem Moment endlich das Haus, welches mein Ziel war und machte mir für den Moment keine weiteren Gedanken darüber.

Ich beschleunigte meine Schritte und lief, in meine Jacke geduckt wie ein Dieb durch das stürmische Wetter. Der Wind peitschte mir den Regen ins Gesicht und zum wiederholten Male landete ich knöcheltief in einer Pfütze.

"Shimátta!"

Ich biss mir auf die Lippe, um meinen Ärger zu unterdrücken.

Bald würde all das hinter mir liegen, sagte ich mir immer wieder, doch wirklich glücklich machte mich dieser Gedanke auch nicht.

Ich würde nicht nur schlechte Erinnerungen mit mir nehmen.

Tokyo war meine Heimat geworden in den letzten Monaten. Ich war hier zur Schule gegangen, hatte Freunde gefunden und mich in ein wunderbares Mädchen verliebt. Alles in Allem sehr schöne Erfahrungen, aber leider hatte das Ganze eine Schattenseite.

Ich war nur hier um zu kämpfen. Es war mir nicht gestattet, mein eigenes Leben zu führen, Freundschaften zu schließen oder mich zu verlieben...

>Der Kampf ist vorbei, wir kehren nach Hause zurück.<

Wie ein Echo hallte ihre liebliche Stimme in meinem Kopf.

Nach Hause...

Wie lange hatte ich mich danach gesehnt?

Endlich diesen Planeten verlassen, mich nicht mehr verstecken müssen, weg von dieser Lüge und weg von diesem Mädchen, daß mich nicht liebte...

Ich hob den Kopf und blinzelte gegen die Regentropfen, welche mir entgegenschlugen wie kleine Steine.

Ein wenig schemenhaft sah ich das Haus vor mir.

Wenn ich es auch niemals zugegeben hätte, Sie hatte Geschmack. Und zwar in jeder Hinsicht.

Ich konnte nicht verhindern, daß bei dem Gedanken "in jeder Hinsicht" ein kurzes Grinsen über meine Lippen huschte.

Das jedoch war nur von kurzer Dauer, denn der Gedanke an das, was mich in diesem Haus erwarten würde, drückte meine, sowieso schon miese Laune, auf den absoluten Tiefpunkt.

Heute Mittag hatte Sie mich angerufen.

Ich fand es schon erstaunlich genug, daß sie gerade mich anrief, aber als sie mich bat, ihr heute Abend einen Besuch abzustatten, war ich fast vom Glauben abgefallen.

Außer purem Sarkasmus hatte ich nichts mehr aufzubieten gehabt.

"Treffen? Du und ich?? Soll das etwa ein Date sein? Da kommst du aber etwas zu spät - ich habe mein Inkognito gerade aufgegeben" lachte ich in den Hörer, was ich wohl besser nicht getan hätte.

"Spar dir deine Unverschämtheiten und mach das du herkommst", fauchte sie mir ins Ohr, daß mir fast die Hirnschale hochging,

"Und wehe dich sieht auch nur eine Menschenseele. Wenn dir dein Leben lieb ist, sorg besser dafür, daß dich niemand erkennt!"

Einwände zu erheben wäre sinnlos gewesen, denn sie hatte bereits aufgelegt.

Noch soetwas, was mich an Ihr so maßlos ärgerte.

Für wen hielt Sie sich, mich so rumzukommandieren?

Und wer war ich, daß ich auch nocht tat, was Sie verlangte?

Wie sollte man die Welt verstehen, wenn man nichtmal sich selbst begriff?

Aber es half Alles nichts.

Ich hatte mich nunmal aus der Reserve locken lassen und stand pünklich um achtzehn Uhr vor ihrer Tür, also konnte ich es auch zu Ende bringen. Wahrscheinlich würde ich Sie danach sowieso nie wiedersehen, sagte ich mir.

Ich hob meinen Arm um zu läuten, doch noch bevor ich den Klingelknopf erreicht hatte, wurde die Tür aufgerissen, ich fühlte den Boden unter meinen Füßen schwinden und fand mich Sekunden später auf einem, garantiert sündhaft teuerem, Orientteppich wieder.

>Dieses Weib hat Kohle zum fressen und demonstriert das auch noch absolut ungeniert<, ging es mir durch den Kopf und erneut huschte dieses kurze Grinsen über meine Lippen.

"Soll ich dir den Teppich schenken oder stehst du irgendwann freiwillig wieder auf?"

Mir stellten sich die Nackenhaare auf.

Schlimm genug, daß ich mich von Ihr rumkommandieren ließ, aber nun besaß sie auch noch die Frechheit in einem derart abwertenden, spöttischem Tonfall mit mir zu reden, als sei ich einzig und allein dazu da, Prellbock für Ihre Launen zu sein.

"Jetzt hör mir mal zu", platzte es aus mir heraus und ich stand in einer solchen Geschwindigkeit vor Ihr, daß Sie sogar ein wenig zusammenzuckte,

"Ich renn hier im fiesesten Unwetter durch Tokyo, ruiniere meine Lieblingsschuhe, schleiche wie ein Schwerverbrecher durch die Gassen, darf kein öffentliches Verkehrsmittel benutzen - geschweigedenn meinen eigenen Wagen und warum das Alles?"

Ich konnte Ihr genau ansehen, daß meine Worte sie absolut nicht beeindruckten, dennoch ließ ich nicht locker.

"Ich sag dir was. Weil DU mich angerufen und mir aufs Auge gedrückt hast um sechs bei dir auf der Matte zu stehen - nur darum das Alles! Und genau aus dem Grund werd ich meinen Arsch jetzt auch wieder in dieses Sauwetter bewegen und dich Knalltüte einfach hier stehenlassen. Ich bin nämlich absolut nicht in der Stimmung, mir deine Launen aufzuladen!"

"Bist du jetzt fertig?" fragte sie und es klang irgendwie gelangweilt,

"Wenn ja, dann kannst du vielleicht endlich die Klappe halten und mitkommen."

Die Frau hatte Nerven!

Es interessierte Sie gar nicht, was ich zu sagen hatte, ebenso wenig wie es Sie interessierte, daß ich die Hand bereits wieder an der Klinke hatte. Sie sprach mit mir, als wäre ich total verblödet. Obendrein hatte Sie ihrem letzten Satz eine Betonung zugedacht, welche eine Widerrede meinerseits bereits im Vorraus unterbinden sollte.

Und wieder ließ ich Trottel mich von Ihr aus der Reserve locken.

Nur Gott weiß, welcher Teufel mich geritten hat und was mich dazu bewegte, aus meinen ruinierten Schuhen zu schlüpfen und Ihr in meinen nassen Socken hinterher zu latschen.

Wie erwartet führte Sie mich ins Wohnzimmer, wo ich zwei weitere, für Otto Normalverbraucher, unbezahlbare Stücke mit meinen Socken wohl für immer ruinierte und schließlich ziemlich unschlüssig stehenblieb.

Sie stand mit dem Rücken zu mir an einer kleinen Bar und füllte irgendetwas Hochprozentiges in ein Glas.

"Hättest du die Güte mich endlich darüber aufzuklären, warum ich mich, wie ein Dieb verkleidet, durch die halbe Stadt schleichen muß um dich - gerade dich! - zu besuchen?" brachte ich etwas barsch hervor.

Die nassen Sachen ließen meinen Körper immer mehr auskühlen und die Seelenruhe, mit welcher Sie scheinbar irgendwelche Drinks mischte und kein Wort verlor, machte mich rasend.

"Redest du jetzt endlich mal mit mir?" fuhr ich sie an.

Als hätten meine Worte Wirkung gehabt, drehte Sie sich herum und kam mit zwei Gläsern in der Hand auf mich zu.

"Hier. Bitte", sagte sie knapp, stellte eines der Gläser auf den Tisch und setzte sich auf einen der zwei vorhandenen Sessel.

Sie lehnte sich zurück, prostete mir zu und nahm einen Schluck aus Ihrem Glas.

Mir blieb glatt der Mund offenstehen.

Hielt Sie das für ein freundschaftliches Meeting oder was?

"Sag mal, spinnst du?" pustete ich fassungslos,

"Entweder sagst du mir jetzt, was du willst oder du lässt es und ich verschwinde wieder. Meine Klamotten sind triefnass und ich kann froh sein, wenn ich ohne Lungenentzündung davonkomme. Glaubst du ernsthaft ich verspüre auch nur den geringsten Drang danach, mit dir zusammen gemütlich etwas zu trinken?"

Sie verdrehte die Augen und murmelte etwas vonwegen Weichei oder so, doch noch bevor ich ihr erneut meinen Unmut kundtun konnte, war sie aufgestanden und irgendwohin in einen Flur verschwunden.

Ich stand da wie ein begossener Pudel und wußte wirklich nicht mehr, ob mir nun zum Lachen oder zum Heulen Zumute sein sollte.

Nach nur wenigen Minuten kam Sie zurück und warf mir ein paar Klamotten entgegen.

"Hier. Das muß reichen. Du bist es ja gewohnt, soetwas zu tragen. Hinten links ist das Bad."

Sie schmiss sich wieder in den Sessel und griff nach Ihrem Glas.

"Worauf wartest du?" fragte sie, nachdem sie einen Schluck genommen hatte und ich noch immer unbeweglich auf derselben Stelle stand und ihren Teppich volltropfte.

Gleich würde mir der Hut hochgehen - hätte ich einen aufgehabt.

Ich blickte kurz auf die Klamotten zu meinen Füßen und sah Sie dann kühl an.

"Ich habe nicht vor, mich hier häuslich niederzulassen", sagte ich trocken,

"Also rede endlich!"

Plötzlich stand sie vor mir.

Ich hatte lediglich einen leichten Windzug gespürt und in der nächsten Sekunde berührten sich fast unsere Nasenspitzen.

"Das Spiel hier läuft nach meinen Regeln", knurrte sie gefährlich,

"Pack dich aus dem nassen Zeug oder du erfährst gar nichts!"

Ich konnte nicht verhindern, daß sich ein Klos in meinem Hals festsetzte.

So ungern ich es mir selbst auch eingestand, Sie hatte mir gerade eine gehörige Portion Respekt eingeflößt.

Sie bewegte sich tatsächlich schnell wie der Wind und war dabei so grazil und gefährlich, wie ein scharzer Panther auf der Jagd.

In ihren dunklen Augen loderte ein Feuer, an welchem man sich sicher leicht verbrannte.

Ihr Atem roch nach Alkohol und ich war mir sicher, daß das heute nicht ihr erster Drink war.

Ten´ou Haruka war auch so schon eine absolut unberechenbare Person für mich und besaß leider allzu oft schlagende Argumente, alsdaß ich es hätte wollen darauf ankommen lassen, sie echt sauer auf mich zu machen.

Und in Anbetracht ihres, nicht mehr ganz nüchternen Zustandes, befand ich es für besser, mich nicht unnötig mit ihr anzulegen.

Nicht, daß ich Angst vor ihr gehabt hätte, aber ich schlage keine Frauen - selbst dann nicht, wenn sie Ten´ou Haruka heißen und erst Recht nicht, wenn sie sich nicht vernünftig wehren können.

Mit dieser Beruhigung meines Gewissens nickte ich und hob, nachdem sie sich wieder gesetzt hatte, die Klamotten vom Boden. Ohne ein weiteres Wort verschwand ich ins Bad, wo ich sogleich meine triefende Jacke in die Badewanne warf.

Meine Sachen waren tatsächlich völlig durchnässt und eigentlich war ich froh, sie loszuwerden. Nicht nur, weil sie mich frösteln ließen, sondern auch, weil sie das letzte Überbleibsel waren, welches mich an das erinnerten, was ich so sehr verabscheut hatte.

Gefangen in einem männlichen Körper hatte ich mir das letzte dreiviertel Jahr nichts Anderes gewünscht, als Kou Seiya endlich wieder loszuwerden und mit ihm all die Angewohnheiten und Gefühle, welche mir nichts als Schmerz gebracht hatten.

Diese fürchterlichen Männerklamotten und der dazugehörige Körper waren das Erste gewesen, wovon ich mich nach dem Sieg über Galaxia befreit hatte.

Mit dem Schmerz des Verlustes fielen mir wieder meine Schuhe ein. Auch wenn es Herrenschuhe waren, fielen sie nicht unter die Dinge, die ich hatte loswerden wollen.

Ich hatte ja auch nicht grundsätzlich etwas gegen Hosen oder Anzüge...

Rechts neben mir entdeckte ich frische Handtücher. Ich nahm mir Eines und trocknete meine unterkühlte Haut. Selbst mein Slip war vom Regen nicht verschont geblieben und so warf ich auch ihn zu den anderen Sachen in die Badewanne.

Nachdem ich endlich trocken war und wieder ein wenig Wärme in meine Glieder zurückkehrte, fischte ich nach den Kleidungsstücken, welche Haruka mir vorhin an den Kopf geworfen hatte.

"Na toll", murmelte ich,

"Socken, ein Hemd und Boxershorts. Ich werde das "Kerlsein" auch nicht los..."

Da mir aber keine andere Wahl blieb, zog ich die Sachen an. Wenigstens waren sie trocken.

Ich griff mir ein weiteres Handtuch, öffnete meinen Zopf und band mir einen Turban um das nasse Haar.

Eine Angewohnheit, über die Taiki und Yaten sich oft lustig machten.

Das es auch für Haruka mit Sicherheit gleich ein Faktor sein würde, sich auf meine Kosten zu amüsieren, ignorierte ich völlig. Ich würde mich schon zu wehren wissen...

Als ich das Bad verlassen wollte, fiel mein Blick auf den Spiegel und ich blieb wie angewurzelt stehen. Irgendwie sah ich aus wie gewollt und nicht gekonnt.

Nach kurzem Überlegen beschloss ich, auf meinen heißgeliebten Turban zu verzichten und als mich mein Spiegelbild auch danach nicht wirklich zufriedenstellte, öffnete ich die beiden oberen Knöpfe dieses langweiligen, weißen Hemdes.

Ich fragte mich nicht, wieso ich so sehr darauf bedacht war, eindeutig nach Mädchen auszusehen und schob es darauf, wie erleichtert ich darüber war, mich nicht mehr verstecken zu müssen.

Vielleicht glaubte ich auch, Haruka würde mich weniger hassen, wenn sie mit eigenen Augen sah, daß ich wieder für immer eine Frau war und wäre weniger grob mit mir.

In diesem Glauben jedenfalls verließ ich endlich das Bad und kehrte zurück ins Wohnzimmer.

Haruka hatte sich auf der Couch zurückgelehnt, las in einer Zeitschrift und trank noch immer dieses starke Zeug.

Als sie mich hörte, setzte sie sich auf und für den Bruchteil einer Sekunde sah ich ein Aufflackern in ihren dunklen Augen. Gleich darauf jedoch waren sie wieder so kalt und undurchdringlich wie eh und je.

Mit einer lässigen Bewegung schmiss Haruka die Zeitung auf den Tisch und blickte mich abwartend an, was mich im ersten Moment ziemlich verwirrte.

Diese Verwirrung wurde zu einer leichten Unsicherheit als ich sah, daß das Glas welches sie mir vorhin angeboten hatte, direkt neben ihrem auf dem Tisch stand.

Für den Bruchteil einer Sekunde huschten die verrücktesten Bilder und Gedanken durch meinen Geist und diese ließen mich nicht gerade an Sicherheit gewinnen.

Schließlich drängte ich energisch Alles beiseite, was an meiner coolen Fassade hätte kratzen können und setzte mich betont lässig auf den Sessel ihr gegenüber.

"Und? Worum geht es jetzt?" fragte ich kühl, bereute meine Herausforderung jedoch gleich wieder.

Erneut hatten ihre Augen den Ausdruck einer Raubkatze auf der Jagd. Und erneut kam ich mir vor, als wäre ich die Beute.

Ich spürte, wie die Farbe aus meinem Gesicht wich und kämpfte mit aller Macht dagegen an, um meine Stimme nicht kratzig klingen zu lassen.

"Jetzt erzähl schon", brachte ich fast freundschaftlich hervor und stellte fest, daß wenigstens meine Stimme mich nicht im Stich ließ.

Zumindest schien ich überzeugend gewesen zu sein, denn sie lehnte sich entspannt zurück und ihr Blick ließ mir nicht mehr das Blut in den Adern gefrieren.

Dennoch konnte ich das ungute Gefühl, welches ich, schon seit unserem ersten Zusammentreffen, immer in ihrer Gegenwart empfand, nicht wirklich besiegen.

Auch wenn wir am Ende doch irgendwie zusammen gekämpft und unsere Feindschaft begraben hatten - sie und ich würden niemals Freunde werden. Sie wußte das und ich wußte das.

"Ich...wollte nicht, daß sich unsere Wege in Feindschaft trennen, darum habe ich dich hergebeten."

Wie war das? Hatte ich gerade gemeint, sie wüßte das?

Da hatte ich mich wohl gründlich vergriffen.

Leider verunsicherte mich dieser Umstand ein weiteres Mal und dieses Mal konnte ich es nicht mehr überspielen.

"Freunde? Du und ich?" fragte ich kehlig,

"Unmöglich!"

Ich lachte, aber es klang nicht amüsiert, wie es sollte, sondern eher sarkastisch, fast schon leidend.

>Nimm dich zusammen! Du kannst dir vor ihr keine Blöße geben. Gerade vor ihr!<, versuchte ich mich selbst zur Ordnung zu rufen, doch wirklich gelingen wollte auch das mir nicht.

Warum verdammt war ich nur hierher gekommen? Was in Dreiteufelsnamen hatte mich dazu bewogen, ihrem unverschämten Befehl zu gehorchen, mich heimlich in ihr Haus zu schleichen und mich dem hier auszuliefern?

Ich fühlte mich mittlerweile derart unwohl, daß mir jedes noch so kleine Hilfsmittel meine Selbstbeherrschung wiederzufinden recht war und so entschloss ich mich, meinen Drink jetzt doch zu mir zu nehmen.

Um besser an das Glas, welches noch immer neben Haruka´s stand, heranreichen zu können, erhob ich mich ein kleines Stück und lehnte mich über den Tisch in ihre Richtung.

Als meine Finger sich um das kalte Glas schlossen, sah ich wieder diesen Lichtblitz in ihren Augen, welche daraufhin ganz dunkel und undurchdringlich wurden.

Ich schluckte.

Haruka´s Hemd war mir sowieso schon eine Nummer zu groß gewesen, aber ich hatte ja auch noch die oberen Knöpfe offenstehen lassen und diese Irre starrte mir tatsächlich geradewegs in den Ausschnitt. Nicht nur das - sie wurde nichteinmal rot dabei!

Dann war es, als würde ein Schatten aus ihren Augen weichen und sie grinste ertappt.

"Verzeihung", räusperte sie sich und griff nun ebenfalls zu ihrem Glas.

Ich wich zurück, verschloss das Hemd mit meiner linken Hand und fauchte sie an:

"Jetzt sag mir endlich, was verdammt nochmal du von mir willst. Ich hab keine Lust mehr, für dich den Pausenclown zu spielen!"

Während ich die oberen Knöpfe des Hemdes verschloss, sah ich sie wütend an und wartete auf eine Antwort.

Sie jedoch leerte in Seelenruhe ihr Glas und stellte es genauso ruhig auf den Tisch. Dann lehnte sie sich gelassen zurück und blickte mich an.

Ich wartete noch immer auf meine Antwort, doch sie blickte mich einfach nur an, mit einem Gesichtsausdruck, welchen zu deuten mir absolut unmöglich war.

Das wiederum ließ ein weiteres Mal mehr ein Gefühl von Unsicherheit in mir aufkommen. Irgendetwas mußte ich tun, wenn ich nicht völlig den Verstand verlieren wollte. Also nutzte ich die letzte noch vorhandene Wut in mir und erhob mich schwungvoll.

"Du spinnst doch Ten´ou", murrte ich ihr entgegen und hob drohend den Finger,

"Eines sag ich dir-du bist das letzte, was ich zum Abschied von dieser Welt hier sehen wollte und genau darum werd ich jetzt auch verschwinden. Lass deine verdrehten Launen an jemand anderem aus! Kou Seiya gibt es nicht mehr! Ich bin Sailor Star Fighter und eben jene hat absolut keine Lust darauf, sich von dir verarschen zu lassen!"

Ich drehte mich auf dem Absatz um und steuerte schnellen Schrittes die Haustür an. Meine Hand legte sich auf die Klinke, um sie zu öffnen, doch ihre Reaktion hielt mich zurück.

Sie lachte.

Dieses Wahnsinnsweib befahl mich ohne Angabe eines Grundes hierher, schikanierte mich wie eh und je und jetzt besaß sie auch noch die bodenlose Frechheit, mich auszulachen.

Das ging zu weit.

In mir brodelte es und gleich würde ich explodieren.

Ihr Lachen nahm ich nicht mehr wahr - ich war damit beschäftigt, mich irgendwie ruhig zu halten, denn ehrlich gesagt lag mir wirklich nichts ferner, als eine ernsthafte Schlägerei mit meiner größten Rivalin.

Nicht, daß ich Angst vor ihr hatte. Ich war schließlich auch nicht von schlechten Eltern.

Aber aus irgendeinem Grund hatte ich es nie ernsthaft auf ein Kräftemessen mit Haruka abgesehen, obwohl ich es doch immer wieder herausgefordert hatte.

Ich wollte sie nicht schlagen. Nicht nur, weil ich wußte, daß sie stärker war...

Sonderbarer Weise, war ich plötzlich von einer zur anderen Sekunde die Ruhe selbst.

Meine Wut war verraucht und ich mußte sogar ein wenig Schmunzeln.

Das alles hier war so verrückt, daß ich einfach nur darüber lachen konnte.

"Jetzt hör mal...", sagte ich freundschaftlich und drehte mich zu ihr um.

In der nächsten Sekunde spürte ich schmerzend, die Klinke in meinem Rücken und mein Hinterkopf machte Bekanntschaft mit der massiven Haustür.

Mir dröhnte wahrhaft der Schädel und ich war ernsthaft versucht, kleine, zwitschernde Vögelchen um mich herumfliegen zu sehen, doch ich hatte keine Gelegenheit.

Erneut hatte Haruka mir eine Lektion in "schnell und lautlos wie ein Panther" gegeben und stand so unverhofft direkt vor mir, daß ich nur noch nach hinten gesprungen war.

Und statt mir die Gelegenheit zu geben in meinen Schmerzen aufzugehen, blickte sie mich derart raubtierartig an, daß ich augenblicklich weit schlimmere Schmerzen vergessen hätte.

Ich schluckte.

Ihr Blick gefiel mir gar nicht. Ebenso wenig wie das kurze Stück, welches unsere Nasenspitzen nur noch voneinanderentfernt waren.

Noch nie zuvor waren sie und ich uns so nahe gewesen.

Ich konnte ihren Atem spüren und bekam plötzlich eine Gänsehaut nach der anderen, doch sie sah mir weiterhin nur genau in die Augen.

Ich wollte etwas sagen, doch ich hatte Angst, den Mund zu öffnen.

"Willst du wirklich gehen...?", schnurrte sie mir fast entgegen und ich bekam immer mehr den Eindruck eines Raubtieres von ihr.

"So...?"

Sie fing an zu grinsen und deutete mit dem Finger nach unten.

Nachdem ich einmal heftig geschluckt hatte, folgte ich mit den Augen und wäre im nächsten Moment am liebsten gestorben.

Mir schoss das Blut in den Kopf und ich konnte förmlich spüren, wie rot ich geworden war.

Hätte Haruka´s Lachen mich zuvor nicht zurückgehalten, wäre ich doch tatsächlich in Hemd und Boxershorts und nur auf Socken, hinaus in den noch immer strömenden Regen gerannt.

Allerdings stand ich jetzt nur mit Hemd, Boxershorts und Socken bekleidet hier - nur wenige Zentimeter von Haruka entfernt, die Tür verschlossene Tür in meinem Rücken.

Auch nicht unbedingt besser, fand ich.

Und noch immer begriff ich absolut nicht, was sie von mir wollte oder ob sie überhaupt etwas wollte.

Ihr amüsiertes Grinsen verunsicherte mich noch mehr und ich begann mich zu fragen, warum sie nicht endlich ein Stück zurückging.

"Jetzt sag mir endlich, was du von mir willst", stieß ich genervt hervor und wollte an ihr vorbeigehen, doch sie ließ mich nicht.

Blitzschnell schossen ihre Hände vor und stemmten sich rechts und links neben meinen Schultern an die Tür.

Deutlicher konnte ihre Herausforderung nicht sein.

Ich riss den Kopf empor und sah mich erneut ihrem Raubtierblick ausgeliefert.

Sie war einfach unberechenbar und die Frage, was sie hier nun für ein übles Spiel mit mir trieb, ließ mich immer handlungsunfähiger werden.

"Ich werde dich nicht so gehen lassen...", kam sie endlich mit ihrem Anliegen hervor.

Ihre Stimme war seltsam ruhig und irgendetwas in ihrem Augen veränderte sich. Trotzdem machte sie nach wie vor den Eindruck eines lauernden Panthers auf mich, der nur auf den kleinsten Fehler seiner Beute wartete.

Ich wollte diesen Fehler auf keinen Fall begehen, denn die möglichen Folgen, ließen mir flau im Magen werden.

Die Möglichkeit, diese Galaxie doch nicht heil an einem Stück zu verlassen, gefiel mir ganz und gar nicht und erst recht nicht die Tatsache, daß Haruka doch noch ihren Triumpf würde haben.

"Du glaubst wohl, du kannst dich einfach so davon machen und uns alle hier zurücklassen?"

Ich sah sie an.

Auch wenn es eine Frage war sah ich, daß sie keine Antwort erwartete.

Wahrscheinlich war eine Antwort sogar genau der Fehler, auf den sie von mir hoffte.

Also schwieg ich.

Sie nickte annerkennend.

"Du bist wirklich nicht so dumm, wie du immer tust", sagte sie und ich hatte keine andere Wahl, als meinen Ärger darüber hinunter zu schlucken.

"Hattest du vor, es einfach zu vergessen?" fragte sie dann weiter und plötzlich klang ihre Stimme kratzig.

"Was vergessen?" traute ich mich, zu fragen.

Irgendetwas in mir trieb mich regelrecht dazu, alle Folgen nun völlig außer Acht lassend. Ich wollte wissen, wovon sie sprach. Ob es dieses stillschweigende Einverständnis zwischen uns beiden wirklich gab...

Sie sah mich an und etwas in ihrem Blick verriet mir, daß sie mich nicht schlagen würde. Das sie mich nicht schlagen wollte...ebenso wie ich sie nicht.

"Ich habe ein dreiviertel Jahr versucht, dich zu hassen", flüsterte sie geschlagen,

"Ich habe mir eingeredet, du wärst Schuld daran, daß ich Michiru irgendwann wehtun würde..."

"Du mußt ihr nicht wehtun", gab ich leise zurück,

"Ich weiss, daß du sie liebst."

"Und warum steh ich dann jetzt hier vor dir?", lachte sie sarkastisch,

"Ich habe dich herbestellt, um diese Sache ein für alle Mal zu klären und ich wußte schon als ich das Telefonat beendet hatte, daß es passieren würde. Und wenn du ehrlich bist, weißt du es auch!"

Ihre Stimme war immer leiser geworden und beim letzten Satz versagte sie fast völlig.

Es zeriss mich innerlich, sie so zu sehen.

Die mächtige Uranus, eine der stärksten Kriegerinnen dieser Galaxie, an deren Mauer nichts kratzte, die sich durch Nichts und Niemanden aus der Ruhe bringen ließ, stand geschlagen vor ihr.

Nichts von der stolzen Kriegerin war geblieben. Sie war nur noch ein einfaches Mädchen, verwirrt von ihren eigenen Gefühlen und verängstig von ihren eigenen Sehnsüchten.

Ich konnte nichts anderes mehr tun, als zu nicken.

Meinetwegen hatte sie fast 10 Monate gelitten und meinetwegen verriet sie den Menschen, den sie am meisten liebte.

So, wie sie meinetwegen jetzt hier stand und bereit war das zu tun, was wir beide gleichermaßen vom ersten Moment an gewollt und immer vor uns selbst geleugnet hatten...

"Ich werde Michiru um Verzeihung bitten, bevor ich abreise...", sagte ich leise,

"...es wird nur diese einzige Mal geben..."

Ohne es verhindern zu können, reckte ich mich ihr etwas entgegen und schloß meine Augen.

Sekundenbruchteile später spürte ich ihre Lippen auf meinen und während draussen noch immer der Himmel weinte, verschmolzen hier Galaxien miteinander.
 

»Wir reisen mit Lichtgeschwindigkeit.

Eine Sternschnuppe kann niemand halten...

Meine Schwestern und ich folgen unserer Prinzessin in unsere Heimat.

Wir haben viel zurückgelassen. Wir alle.

Aber jede von uns nimmt auch etwas mit in unsere Welt. Etwas, daß uns helfen wird, unseren Planeten wieder aufzubauen.

Und wenn es geschafft ist, gibt es einen neuen Anfang...

Taiki wird sicherlich eines Tages auf die Erde zurückkehren, um Ami wiederzusehen und vielleicht für immer als Mann leben und sie heiraten.

Yaten wird es geniessen, wieder eine Frau zu sein und nicht mehr ständig vor Minako fliehen zu müssen. Sie wird auch weiterhin immer an Kakyuu´s Seite sein und mit ihr zusammen ganz sicher auch ab und zu zur Erde zurückkehren.

Ich jedoch werde nicht zurückkehren...

Mich bindet ein Versprechen, daß zu brechen mich nicht einmal der Tod brächte.

Ich habe dem Meer etwas von dem genommen, daß nur ihm gehört und ihm dafür etwas geschenkt, daß nur eine Sternschnuppe erfüllen kann.

Ihr Wind wird nun für immer nur ihr gehören und ein Kind, entstanden durch die Magie von Sternenstaub, wird die Kräfte ihrer beider Planeten in sich vereinen...«



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  MichirusPet
2019-04-10T09:37:06+00:00 10.04.2019 11:37
Mir gefällt die Geschichte. Ich finde du hast die Kurve von Hass zu sowas wie Zuneigung gut gekriegt, und ich finde dass die beiden nicht soooo schlecht zusammenpassen. Hat irgendwie was von einem Kampf der Giganten. Ich würd gern wissen wie´s weitergeht, aber ich glaube die Chancen auf ein weiteres Kapitel stehen schlecht.
Trotzdem toll. :)
Von:  dreamfighter
2017-10-01T11:36:00+00:00 01.10.2017 13:36
Nicht gerade mein favorisiertes Pairing. Aber dennoch hast du es geschafft, dass diese Zerrissenheit und widersprüchlichen Gefühle der beiden wunderbar zur Geltung kommen.


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