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Are you ready!?

von
Koautor:  Puppenspieler

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Food quiz

„Ikkun. Was fällt dir ein, wenn du an typisch japanisches Essen denkst?“

 

Yoru und Aoi standen am Küchentisch, auf dem verborgen unter Tüchern einige Gegenstände lagen, von denen Iku nicht mehr erkannte, als dass da wohl Schüsseln und Flaschen dabei waren. Nachdem er den Camcorder, den er zum Filmen nutzte, auf einen Küchenstuhl und einen Stapel Kochbücher gestellt hatte, damit der ohne sein Festhalten ein sinnvolles Bild filmen konnte, hatte er sich zu ihnen gesellt; die neue Perspektive hatte ihm aber auch nicht geholfen, zu erraten, was die Sachen auf dem Tisch sollten.

Eine erste Erklärung, was er eigentlich mit seinen Freunden vorhatte, hatte er schon in seinem Zimmer gefilmt, auch wenn er eigentlich davon ausging, dass er am Ende der Aufnahme-Aktionen ein neues Intro filmen würde.

Aber lieber zu viel als zu wenig, nicht wahr?

 

Sehr zu seiner Erleichterung hatten beide natürlich ihre Hilfe zugesagt, als Iku an sie herangetreten war. Gleiches galt auch für die anderen Namen auf seiner Liste; Shun hatte sogar ein paar Krokodilstränen verdrückt vorlauter Rührung, dass Iku sich freiwillig an ihn wandte. (You hingegen hatte erst lautstark gemeckert, und im nächsten Atemzug dann aber verkündet, es würde ohnehin wieder Zeit für einen Familienbesuch.)

Auch die Manager waren der Idee nicht abgeneigt gewesen. Iku war so nervös gewesen, als er ihnen den braunen Papierumschlag mit seiner Projektbeschreibung überbracht hatte! Es war einfach nicht spektakulär. Es war bodenständig, und ihm fehlte viel von den typischen grellen und schillernden Charakteristika, die einer Idol-Karriere sonst so innewohnten.

„Es passt zu dir“, hatte Kurotsuki schmunzelnd kommentiert. Zuerst war Iku sich gar nicht sicher gewesen, ob es ein Kompliment oder eher eine versteckte Kritik war, aber er vertraute darauf, dass das Management sein Projekt nicht durchgewunken hätte, hätte es nicht gepasst.

Also wohl doch ein Kompliment.

 

„Ähm…“

 

Seine beiden Kameraden hatten ihn gemahnt, nicht im Vorfeld zu recherchieren. Iku hatte es auch nicht getan, denn er verstand schon, wieso. Es war für die Fans wohl um einiges unterhaltender, wenn das Gespräch nicht nur daraus bestand, dass Iku alles, was Yoru und Aoi erzählten, mit „das wusste ich schon“ abwinken konnte.

Jetzt bereute er es ein bisschen, denn er fühlte sich gar nicht vorbereitet! Zum Glück gab es doch ein paar Dinge, die ihm auch unvorbereitet einfielen.

„Reis!“

Das war einfach. Er lachte nervös, kratzte sich am Hinterkopf.

„Aber das wird jetzt kein dauerhaftes Ratespiel, oder?“

Iku kannte die Antwort, ehe er sie bekam. Aoi kicherte, Yoru grinste, so schelmisch, dass er es sich zweifelsohne bei einem Leben an Yous Seite abgeguckt haben musste. Der Gedanke ließ auch Iku unwillkürlich wieder bedeutend zufriedener lächeln. Er mochte es, in diesen seltenen Momenten Facetten an seinen Freunden zu entdecken, die man ihnen auf den ersten Blick gar nicht zutraute.

„Natürlich wird es das“, gab der Blondschopf sanft zurück. Er griff einen Kochlöffel, der ebenfalls auf dem Tisch lag und den Iku bisher gar nicht bemerkt hatte, und reichte ihn weiter. Iku konnte nur verwirrt blinzeln, als er das Kochgeschirr annahm; er kam sich dumm vor mit dem Ding in der Hand.

„Wenn du allzu schlecht abschneidest, hilfst du uns kochen!“ – „W-was?!“

 

Iku  konnte nicht kochen. Es war nicht, weil er Sachen anbrennen ließ, oder pauschal unfähig war, aber sobald er kein ganz genaues Rezept vor der Nase hatte, war es bei ihm vorbei. Sich zu merken, wie man welches Gericht zubereitete, oder welche Gewürze man wann und wo verwendete – unmöglich. Er war ohnehin kein Talent im Auswendiglernen, und das bisschen Erinnerungsvermögen, das er besaß, ging einfach für wichtigere Dinge drauf.

Mit Yoru und Aoi an seiner Seite musste er sich um Rezepte sicherlich keine Sorgen machen, trotzdem hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. Auch in Hinblick darauf, hier mit einer Schürze am Herd zu stehen… Es war ein bisschen wie mit den glitzernden Idol-Outfits. Nicht Ikus Welt. Aber war es damit nicht auch eine Herausforderung? Er konnte Idol-Outfits tragen, ohne sich noch unwohl zu fühlen, da ging das auch mit Kochschürzen!

„Reis ist übrigens richtig.“

Iku war dankbar, dass Aoi ihn davon erlöste, sich weiter vorstellen zu müssen, wie ein rosa Rüschenungetüm von Schürze an ihm aussehen würde – obwohl er eigentlich ganz genau wusste, dass so ein Ding in ihrem Haushalt nicht existierte. Interessiert sah er zu, wie sein Freund eines der Tücher abhob; darunter kam eine Schüssel voll ungekochtem Reis zum Vorschein.

„Reis ist im Grunde das japanische Grundnahrungsmittel“, begann Yoru zu erzählen, „Heutzutage findet man zwar auch in vielen Gerichten stattdessen Nudeln wie Udon oder Soba, oder sogar die aus China stammenden Ramen-Nudeln, und Brot erfreut sich auch immer größerer Beliebtheit, aber immer noch essen rund siebzig Prozent der Bevölkerung täglich zu mindestens einer Mahlzeit Reis.“

 

Es machte Iku neugierig – wie viel hatten die beiden wohl recherchiert, und wie viel ohnehin schon gewusst? Dass sämtliche Prozentangaben recherchiert waren, war ja eigentlich logisch, aber Iku selbst hätte nicht einmal gewusst, dass Ramen einen ausländischen Ursprung hatte – oder dass so große Mengen Reis verzehrt wurden. Wann hätte ihm das auch auffallen sollen?

„Ich seh hier so oft jemanden morgens mit einem Toast in der Hand, dass ich gar nicht gedacht hätte, dass so viel Reis gegessen wird.“

Yoru lachte sanft. Aoi grinste, beinahe verschwörerisch.

„Wer nicht kochen kann oder will, isst natürlich keinen Reis.“ – „Und gerade, wenn ihr Frühaufsteher von Procella morgens aus dem Bett fallt, ist doch noch lange kein Frühstück fertig.“

Das stimmte allerdings. Morgens war Iku meistens schon wach, ehe der Koch auch nur darüber nachdachte, bei ihnen aufzuschlagen. Genau wie Kai. Den er übrigens noch nie hatte kochen sehen. Laut Rui konnte er es zumindest halbwegs, aber es schien wohl definitiv nicht zu seinen Hobbies zu gehören.

Und dass Shuns Kochkünste genauso inexistent waren wie sein Schamgefühl, das wusste Iku zur Genüge. Er lamentierte aber auch laut genug darüber! Wer nicht einmal die verpackten Reisbällchen aus dem Supermarkt öffnen konnte, ohne gleich einen halben Super-GAU draus zu machen… Aber gut. Das mussten die Fans nicht wissen. Ein paar Witzeleien waren okay, aber niemand hier würde Rufschädigung betreiben!

„Brot ist übrigens wirklich klar nicht-typisch japanisch“, fuhr Aoi schließlich fort. Die Stille dauerte gerade so lange, dass sie noch angenehm war. Man merkte, dass sie alle eine gewisse Erfahrung darin hatten, vor der Kamera zu reden, „Das ist erst mit allen anderen westlichen Einflüssen nach Japan gekommen. Hey, Iku. Fällt dir noch etwas ein, das wir heutzutage essen, das aber gar nicht traditionell ist?“

 

Ein Blick in sein ratloses Gesicht sollte reichen, um zu signalisieren, dass Iku nichts einfiel. Yoru und Aoi schienen ihn trotzdem nicht vom Haken lassen zu wollen – und das war auch gut so!

„Curry?“, riet er blindlings ins Blaue hinein. Curry klang an sich gar nicht so japanisch, wenn er es recht bedachte.

„Auch richtig, aber schon zu kompliziert. Es geht um Nahrungsmittel, nicht um ganze Gerichte. Und es ist etwas, dass du gerne isst, Ikkun.“

Für einen Moment hatte Iku keine Ahnung, worauf Yoru hinauswollte. Etwas, das er gerne aß. Aber kein spezifisches Gericht, sondern irgendein allgemeines Nahrungsmittel. Er hob ungläubig die Augenbrauen.

Fleisch?“

Die Antwort war ein beinahe synchrones Nicken. Wie Yoru weiter zu erklären wusste, war Fleisch etwas, das in der japanischen Kultur lange nicht gegessen wurde, nicht zuletzt, weil mit dem Auftreten des Buddhismus dann auch noch ein entsprechendes Tabu aufgekommen war. (Er warf scherzhaft ein, dass Iku doch You mal fragen sollte, ob er mehr darüber wusste. Obwohl Iku glaubte, dass You ihn dafür gehörig durch die Mangel nehmen würde, merkte er sich den Gedanken mal. Wenn es sich ergab…) Scheinbar war Fleisch erst seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts wirklich ein gängiges Grundnahrungsmittel.

Für Iku war das unglaublich – es gehörte so selbstverständlich dazu, dass er sich gar nicht vorstellen konnte, wie er nur mit Fisch und Gemüse leben sollte.

„Was bin ich froh, nicht im neunzehnten Jahrhundert geboren zu sein!“

Also, nicht nur wegen dem Fleisch, aber – auch deshalb.

„Oh, ich bin sicher, du würdest noch mehr Gründe finden, warum du froh bist“, gab Aoi schmunzelnd zurück, „Yoru, Arata, You und ich haben ein bisschen recherchiert für unsere Bühnenrollen. So cool Samurai auch sind, ich hätte auch nicht in solchen Zeiten leben wollen.“

 

Iku hätte gerne mehr gehört, aber – falscher Zeitpunkt. Vielleicht konnte ja einer der viere eine kleine Geschichtsstunde abhalten in seinem eigenen Projekt? Das wäre doch cool! Er würde es in jedem Fall unterstützen. Er würde jedes Projekt unterstützen, so tatkräftig er konnte, immerhin war das nun wirklich das Mindeste, das er tun konnte, nachdem er selbst so viel Unterstützung bekam.

Jetzt galt es vor aller Unterstützung aber erst noch, sein eigenes Projekt zu meistern, und bisher… sah es da eher mau aus. Typisches japanisches Essen. Was aß er denn in der Regel dazu, wenn Reis serviert wurde? (Und nicht gerade You gekocht hatte.)

Und vermutlich auch wieder keine ganzen Gerichte, sondern nur Nahrungsmittel?

„Gemüse. Fisch. Tsukemono.“

Mit jedem Kommentar wurde ein weiteres Tuch gehoben. Unter einem fand Iku verschiedenes Gemüse, das ihm aus dem Alltagsgebrauch bekannt war – Karotten, Zwiebeln, Kohl. Ingwer war auch dabei. Ein zweites Tuch verbarg Tintenfisch, und das Letzte ein Gefäß mit eingelegtem Gemüse.

„Miso-Suppe?“

Auch wenn er nicht glaubte, dass Yoru und Aoi hier einen Suppentopf versteckt hatten. Wo denn auch? Hier sah nichts nach einem Topf aus. Trotzdem zog Aoi ein weiteres Tüchlein weg. Keine Suppe, aber ein kleines Schraubglas mit Dashi-Pulver, das eine der elementaren Zutaten für Miso-Suppe war.

„Seetang?“

Ein weiteres Tuch verschwand und enthüllte einige Nori-Blätter.

„Im Grunde ist das auch alles.“

Yoru lächelte. Trotz seiner Worte hob er noch ein paar Tücher ab. Darunter versteckt waren Gewürze – Salz und Zucker –, sowie einige Fläschchen mit Sake, Mirin, Essig und Sojasauce.

„Wenn man es ganz traditionell herunterbricht, sind das weitestgehend die Hauptbestandteile der japanischen Küche. Im Vergleich sind viele andere Nahrungsmittel, die wir heute kennen und lieben, eher selten – oder einfach nicht typisch japanisch, sondern aus dem Ausland entlehnt.“

Iku hob die Augenbrauen, interessiert, aber skeptisch.

„Das sind ganz schön wenige Gewürze.“

Wenn er so daran dachte, wie viel Zeug You bei seinem Curry immer brauchte, sah es gleich noch weniger aus.

„Das hat seine Richtigkeit“, gab Aoi zurück, „Viel mehr an Gewürz nutzt man in der Regel nicht. Ab und an ein paar Kräuter, aber häufig eher zur Zierde als zum Geschmack.“ – „Genau. Besonders bei all den saisonalen Nahrungsmitteln, die wir hier haben, wird Wert darauf gelegt, dass die Zubereitung erfolgt, ohne viel von ihrem natürlichen Geschmack zu übertünchen. Einiges wird sogar ganz ohne Würze zubereitet.“

 

„Womit wir auch gleich beim nächsten Thema wären.“

Aoi hob belehrend den Zeigefinger. Mit der freien Hand deutete er auf die restlichen Tücher auf dem Tisch, die ein Stück entfernt lagen von dem Haufen an Lebensmitteln, die sie schon enthüllt hatten.

„Japan ist stark geprägt von saisonaler Küche. Das ist natürlich im Grunde in vielen Teilen auf der Welt so, dass es bestimmte Lebensmittel nur zu bestimmten Zeiten gibt, aber von allem, was ich mitbekommen habe, scheinen wir es da ganz schön zum Exzess zu treiben im Vergleich. Import, Export und fortgeschrittene Konservierungsmethoden haben saisonale Nahrungsmittel allgemein ziemlich entzerrt, aber wir haben an der Tradition deutlich festgehalten.“

Saisonale Nahrungsmittel. Iku warf verzweifelt die Hände in die Luft.

„Yoru-San! Aoi-San! Wie soll ich das denn erraten?!“

„Solltest du als Herbstkind nicht in der Lage dazu sein, typisch herbstliches Essen zu erkennen?“, konterte Aoi frech. Und ja, natürlich hatte er Recht, und Iku fielen sogar ein paar Sachen ein. Aber wusste er dadurch schon, ob sie typisch japanisch waren oder eher weniger? Unfair!

„Ich kenne Kürbis.“

Aber soweit Iku wusste, gab es den nicht nur im Herbst, auch wenn er den spätestens seit seinem Halloween-Shooting stark damit assoziierte.

„Birnen. Süßkartoffeln.“

Immerhin letztere beiden waren korrekt. Danach allerdings – scheiterte Iku drastisch. Er riet mehr auf gut Glück noch so einiges, das ihm gerade spontan einfiel, konnte aber kein weiteres Tuch dazu bringen, preiszugeben, was es versteckt hatte.

 

Irgendwann gab er auf. Yoru und Aoi lachten, und sie klangen viel zu zufrieden dabei.

„Wenn du aufgibst, wirst du uns automatisch kochen helfen müssen!“

Inzwischen hatte Iku sich mit dem Schicksal schon abgefunden, also willigte er seufzend ein. Die letzten Tücher enthüllten jetzt unter Yorus Erklärung, was sich dort befand – womöglich Dinge, die einige ausländische Fans so noch nicht gesehen hatten –, Kakis, Kastanien und einen Fisch, dessen Namen Iku nicht einmal gewusst hätte, wenn sein Leben davon abhinge. Pazifischer Makrelenhecht, und scheinbar wurde der nur im Herbst gefangen.

Dass sogar Fisch saisonal war, war beeindruckend.

Beeindruckend war auch, dass Iku jetzt, wo alles aufgedeckt war, neben dem Fleisch, das fehlte, noch mehr vermisste.

„Wenn man das so betrachtet, sieht es recht einseitig aus“, kommentierte er, die Augenbrauen ungläubig hochgezogen, „Was ist denn mit Milch und solchen Sachen? Ich meine, selbst wenn Fleisch aus ethischen Gründen nicht gegessen wurde, hat sich das wirklich auch auf Milch ausgeweitet?“

„Milch ist wirklich selten in der japanischen Küche“, erwiderte Aoi sanft, „Und selbst wenn sie das nicht wäre, wäre sie doch recht universell, oder?“ – „Gilt das nicht für vieles? Ich meine, Fisch und Gemüse ist auch international.“

„Aber vieles von diesem Gemüse gibt es auch nicht in allen Ländern, beziehungsweise, sie haben einfach einen anderen Schwerpunkt darauf, was oft gegessen wird und was nicht. Es könnte spannend sein, zu vergleichen, ob man diese Gemüsesorten auch öfter mal zuhause auf dem Teller hat, obwohl man ganz woanders herkommt, nicht wahr?“

Yoru hatte Recht. Und natürlich hatte Iku so weit nicht gedacht. Der Gedanke war allerdings schön; sich verbunden fühlen zu können einfach nur dadurch, dass man die gleichen Dinge auf dem Teller hatte, war doch super! So konnten ihre internationalen Fans sicher ein paar Dinge finden, um sich ihnen näher zu fühlen. Er grinste zufrieden.

„Und Fisch und Meeresfrüchte sind typisch, weil wir als Inselstaat natürlich viele unserer Ressourcen aus dem Meer holen?“ – „Genau. Japan ist sehr stark vom Meer abhängig. Wir feiern doch nicht umsonst den Umi no Hi.“

 

Feiertage. Das wäre eigentlich auch ein gutes Thema gewesen, oder? Japan hatte so viele tolle Feiertage und Feierlichkeiten! Er hoffte, dass zum Frühjahr oder Sommer hin einer der Jungs die Sparte abdecken würde. Und hey, eine Ausrede, auf ein Fest zu gehen, nahmen sie sicherlich alle gern. Iku hatte sich viel zu lange nicht mehr am Goldfischfischen versucht, auch wenn sie eigentlich schon genug Haustiere hatten.

Aber so ein paar Fische machten doch wirklich keinen Unterschied mehr, oder?

Er schob den Gedanken erst einmal wieder weg, konzentrierte sich wieder auf ihr Gespräch. Wo war der Faden noch gleich gewesen? Ach ja!

„Aber wirklich“, murmelte er kopfschüttelnd, „So viel Milch, wie wir immer im Kühlschrank haben, hätte ich nicht gedacht, dass die selten ist!“ – „Ist sie aber“, bekräftigte Yoru noch einmal, „Viele Japaner sind sogar laktoseintolerant. Kai-San ist einfach ein Ausnahmefall. Außerhalb seiner Reichweite wirst du wohl eher weniger große Milchvorkommen finden.“

Der Kommentar ließ Iku laut auflachen.

Innerhalb seiner Reichweite suchst du sie noch vergebener!“

Auch Aoi und Yoru stimmten in sein Lachen mit ein. Eigentlich stimmte das nicht einmal so ganz; wo Kai war, war Milch, das war ein unumstößliches Gesetz, weil irgendwie inzwischen doch jeder, der mal mit dem Einkaufengehen geschlagen war, Milchtüten einpackte. So wie Iku auch im Kühlschrank immer Sportsdrinks fand, oder Rui seinen Pudding. Er war sich auch ziemlich sicher, dass Gravi immer Süßigkeiten für Koi herumliegen hatten.

Es gehörte einfach dazu.

Und wo ihm das gerade so bewusst wurde – das war total wunderbar. Sie waren eben mehr als einfach nur ein Haufen Jungs, die zufällig zusammenarbeiteten. Sie waren wirklich wie eine Familie, in der sich jeder um jeden kümmerte!

 

„Eigentlich hatten wir übrigens auch überlegt, dir ein kleines Quiz zum Thema Tischmanieren und Essverhalten zu stellen. Scheint, als wären wir da auch wieder ganz schön eigen. Aber irgendwie war es dann doch zu trocken, deshalb haben wir es gelassen.“

Iku war froh darum. Er war nun wirklich kein unordentlicher Esser, aber er hätte es vermutlich trotzdem ganz schön versemmelt. Allein die kleine Info, die Aoi noch zu berichten wusste, dass es eine japanische Macke war, jede Komponente einer Mahlzeit getrennt zu servieren, hätte Iku gar nicht gewusst! Auch wenn es an sich irgendwie logisch war – in internationalen Filmen sah das immer ganz anders aus, wenn Leute aßen.

Es war unvorstellbar für ihn; Fisch und Gemüse auf sein Reisschälchen türmen? Undenkbar! Das ging doch einfach nicht.

Sicherlich wäre es interessant gewesen, mehr darüber zu erfahren, was das japanische Essverhalten ausmachte, aber auf der anderen Seite verstand Iku zur Genüge, dass das verdammt öde werden könnte. Trockene Theorie war sowieso immer langweilig, aber an typisch japanischen Lebensmitteln hatten ihre Fans immerhin insofern noch etwas, dass sie sie, wenn sie wollten, selbst ausprobieren konnten. Aber Tischmanieren? Eher weniger, damit würden sie doch in ihrer Heimat nur schief angeschaut werden.

Sie unterhielten sich nur kurz darüber, und es dauerte nicht lange, bis das Thema zum Essen zurückkehrte, immerhin war das schlussendlich der Grund für ihr Zusammensein.

 

Dass es überhaupt so viel dazu zu sagen gab, war verblüffend.

 

„Übrigens sind die Geschmäcker hier in Japan auch noch stark regional bedingt“, erklärte Aoi. Er stupste das Schraubglas mit dem Dashi-Pulver an.

„Hier in der Kanto-Region wird allgemein sehr stark gewürzt gegessen.“ – „Zu stark“, erwiderte Yoru mit einem leisen Schnaufen, „Ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen, egal, wie lange ich hier bin!“

Aoi lachte sanft.

„In der Kansai-Region isst man viel milder, nicht wahr?“ – „Genau. You macht es nichts aus, aber manchmal ist mir das wirklich zu viel. Besonders an der Miso-Suppe merkt man es sehr. Deshalb koche ich sie immer noch gern selbst.“

Iku erinnerte sich vage, dass das schon einmal Thema gewesen war, als Koi und Aoi diese seltsame Weckaktion gestartet hatten. Er war zwar nicht live dabei gewesen, aber natürlich hatte er sich die Aufzeichnung angesehen – und gehört, was da so alles rausgeschnitten worden war. Aus gutem Grund!

Aber davon ab wäre es ihm nie aufgefallen. Yoru kochte öfter mal, aber Iku könnte nicht sagen, dass sein Essen so bemerkenswert anders war als das, das er sonst aufgetischt bekam. Vielleicht war er einfach zu unaufmerksam in solchen Dingen. Er sollte Rui einmal fragen. Empfindlich, wie der manchmal war, bemerkte er sicherlich auch Geschmacksunterschiede sehr viel deutlicher.

Der Gedanke an Rui erinnerte ihn vor allem wieder daran, dass er noch ein Thema hatte, dass er dringend besprechen wollte. Und je länger sie quatschten, desto länger konnte er sich um die inexistente rosa Rüschenschürze drücken!

 

„Wie steht es eigentlich mit Süßigkeiten?“

Jedes Mädchen mochte Süßigkeiten, nicht wahr? Ikus Kenntnis über Süßkram belief sich allerdings im Grunde nur auf die Valentinsschokolade, die er seit ein paar Jahren bekam, und das Zeug, das er ab und zu mal naschte. Bonbons. Knabberzeug. Aber er hatte keine Ahnung, was davon nun allgemein gängig bekannt war, und was eher wieder ihrer besonderen Küche zuzuschreiben war.

„Unsere traditionell japanischen Süßigkeiten lassen sich unter dem Begriff Wagashi zusammenfassen. Sie werden normalerweise aus komplett pflanzlichen Rohstoffen hergestellt. Solche Sachen wie Daifuku, Dango oder Manjuu. Charakteristisch ist die Verwendung von Reismehl, und häufig wird Anko als Füllung verwendet. Heutzutage werden sie eigentlich in erster Linie zum Tee gereicht oder zu festlichen Anlässen zubereitet.“

Iku war immer noch ganz beeindruckt davon, wie viel Aoi und Yoru recherchiert hatten. Er hätte ein schlechtes Gewissen, wenn er nicht recht sicher wäre, dass sie beide viel Spaß gehabt hatten. So, wie Iku auch extrem viel Freude daran gehabt hätte, tausend Sportarten zu recherchieren. (Wieso hatte er es eigentlich nicht getan? Es gab doch auch sicher typisch japanischen Sport! Vielleicht, wenn er noch die Zeit fand…)

Er schüttelte den Gedanken wieder ab, als Aoi mit seiner kleinen Erzählung fortfuhr:

„In den letzten Jahren ist wohl alles Mögliche mit Grünteegeschmack in Mode gekommen, und darüber hinaus haben wir wohl an modernen Süßigkeiten viel aus dem Ausland übernommen – oder uns inspirieren lassen. Käsekuchen und solche Dinge. Pockys. So richtig japanischen Ursprungs ist das alles nicht, aber ich denke mal, da es auf unseren Geschmack abgestimmt ist, ist es schon wieder irgendwie typisch japanisch.“

 

Das Argument ließ Iku im ersten Moment verdutzt blinzeln. War das denn so ein großer Unterschied?

„Mich würde jedenfalls sehr interessieren, wie unsere heutigen Süßigkeiten, die es teilweise auch international vertrieben gibt, in anderen Ländern schmecken.“

Er grinste, weil Yoru ihm beinahe die Gedanken aus dem Kopf klaute. Doch, darauf wäre er auch neugierig! Und sicher nicht nur er. Das war doch genau das richtige Stichwort, um ihre ausländischen Fans ebenfalls anzusprechen, oder? Sicherlich würden einige jetzt auf die Idee kommen, japanischen Süßkram probieren zu wollen, vor allem die internationalen Marken, wo sie ernsthaft vergleichen konnten.

Und vermutlich aber nicht nur sie.

„Sagt das aber nicht zu laut, sonst kommt Koi auf Ideen.“

Yoru lachte herzlich. Aoi verzog das Gesicht zu einer gutmütigen, aber leidenden Grimasse. Er konnte sich vermutlich viel zu gut vorstellen, wie das enden würde, wenn Koi da auf die Idee kam, sich durch internationalen Süßkram futtern zu wollen.

„Bitte nicht! Hajime-Sans Gesicht dürfte ganz schön entgleisen, wenn da auf einmal eine riesige Kiste mit ausländischen Süßigkeiten vom Postboten abgegeben wird!“

 

Iku ahnte, dass da nicht nur Hajimes Gesicht entgleisen würde; Harus Begeisterung dürfte sich ebenfalls in Grenzen halten.

 

Leider wurde die Vorstellung viel zu bald unterbrochen, als eine Zwiebel auf ihn zuflog. Iku fing sie reflexartig auf, blinzelte zu Aoi hinüber, der gerade grinsend aus einem Schrank einen Stoß Schürzen hervorzog. Keine einzige war rosa oder hatte Rüschen. Beruhigend.

„Es wird Zeit, dass wir mit dem Kochen anfangen, oder? Die Jungs werden Hunger haben, wenn sie von ihren Jobs zurückkommen!“

Iku willigte ein – eine andere Wahl hatte er sowieso nicht, und außerdem begann sein Magen, sich bemerkbar zu machen. Er griff nach der Schürze, die Aoi ihm hinhielt – sie war ganz neutral dunkelblau, und er war dankbar dafür –, und band sie sich um. Yoru und Aoi taten es ihm gleich, und für einen Moment waren sie so alle drei mit ihren Schürzen beschäftigt.

Eigentlich wusste Iku, dass man in diesem Haus nichts unbeaufsichtigt stehen lassen konnte. Besonders in der Nähe von Nahrungsmitteln auch nur mal kurz wegzuschauen war in der Regel eine verdammt dumme Idee.

In diesem Moment hatte er es aber vergessen.

Wahrscheinlich hätte Iku auch noch lange gebraucht, um zu bemerken, dass etwas fehlte, als er wieder von seiner Schürzenbinderei aufsah.

 

„Nanu? Wo ist denn der Kohlkopf?“

Erst Aois Worte machten ihn darauf aufmerksam, dass da etwas nicht stimmte. Er blinzelte. Sah sich verwirrt um. Sah rein aus Reflex unter dem Tisch nach, auch wenn er nicht glaubte, dass der Kohlkopf einfach kommentarlos da hinuntergerollt war.

War er auch nicht.

Er war schändlich entführt worden. Und gemeuchelt. Überall lagen Kohlfetzen verstreut, während ein dicker, schwarzer Hase eine tiefe Kuhle in den Kohl knabberte, in der sein dickes, rundes Hasengesicht beinahe verschwand. Für einen langen Moment starrte Iku einfach nur, sah zu, wie das Hasenköpfchen tiefer in dem Kohl verschwand. Dann stürzte er sich mit einem hilflosen Schrei auf das kohlvernichtende Ungetüm.

 

„Kuroda!!!“



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