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Die Legende vom Mädchen vom Mond der Illusionen ( LMMI )

von

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LMMI 4 Kapitel 1

© der beiden Lieder (soweit ich weiß) by R. Blackburn and C. Night 1997

Und das letzte von der selben CD hebe ich mir für den Schluss von LMMI 6 auf. *Erinnerung an mich selbst*
 

"Gesprochenes"

»Gedanken«

*Schriftliches* oder auf andere Art fernkommunikatives *g* schönes Wort!
 

Die Rückkehr
 

Magical World
 

I called your name out loud in the Courtyard,

The crystal I held was like an old friend

The vines crawled the walls

The wind held its breath

But the answer I longed for never came...
 

Your name, they had said,

Was cursed beyond measure,

The families at odds fought with poisoned tongues

And yet through the dark,

Of blind, bitter hate

Broke a glittering light of two lovers faith
 

Walls build between us,

Miles separate us,

Yet in our hearths we share the same dream

Feelings so strong,

We just must carry on,

On to our magical world
 

Destiny called them like a silver poem

They followed the dance, ´till the music died out

Last time they met was on an earth bed

Both know, they´d meet again in the light
 

Walls build between us,

Miles separate us,

Yet in our hearths we share the same dream

Feelings so strong,

We just must carry on,

On to our magical world
 

In our magical world... In our magical world
 

Fear not, dear Juliet, your Romeo´s calling

He´s waiting for you at the end of the song...

This world was to cruel... for lovers like you,

But here in our hearts you´ll always live on...
 

***************************************
 

Prolog
 

Sie schlug zu, und hätte ihm das Holzschwert um ein Haar aus der Hand geschlagen. "Bravo, weiter so!" schrieen ihr die Zuschauer zu, und das Mädchen gestattete sich ein Lächeln. "Du schaffst ihn!" hörte sie ihre beste Freundin.

Lauernd wartete sie auf den nächsten Angriff ihres Gegners. Eine ihrer Schulterlangen Haarsträhnen hatte sich gelöst, und war im Winkel zwischen ihren Lippen hängen geblieben. Sie pustete die Strähne weg, und das nahm ihr Gegenüber offenbar als Möglichkeit wahr, sie zu überraschen. Doch sie hatte damals gelernt, sich niemals ablenken zu lassen, und so wurde ihm seine Vermutung zum Verhängnis.

Ein lauter Krach, und sein Schwert flog in hohem Bogen durch den Raum, wirbelte ein paar Mal um die eigene Achse, und schlug dann klackernd auf den Boden. Dort drehte es sich noch einige Male, um dann liegen zu bleiben.

Das Holzschwert des Mädchens hatte in der Zwischenzeit seinen Bogen beendet, und war am Hals des schwarzhaarigen, hochgewachsenen jungen Mannes schweben geblieben. Dieser hob die Hände, und gab auf. Sie senkte ihr Schwert.

"Ich kann es zwar nicht glauben, aber ich bin doch tatsächlich von einem Mädchen geschlagen wurden- und dann noch von einer, die erst vor gut einem halben Jahr angefangen hat." Er verbeugte sich vor ihr, nicht ohne durch ein warmes Lächeln seinen Worten die Schärfe zu nehmen.

Jubel brandete auf, und die Zuschauer kamen, um die Siegerin zu beglückwünschen. Natürlich war ihre beste Freundin die erste. "Oh Mann, das war Klasse! Du hast es doch wirklich geschafft, unseren Kendo- Champion zu schlagen! Da wird sich Chiaki wohl nach einem neuen Hobby umsehen müssen!"

"Yukari! Das glaubst du doch nicht im Ernst! Bei unserem nächsten Duell werde ich sie schlagen."

"Keine Chance, Chiaki." Hitomi schaute ihn um Verzeihung bittend an. "Aber nichts kann meinen Entschluss ändern. Ich gehe morgen, und wir werden uns vielleicht niemals wieder sehen."

Der ehemalige Kendo- Champion seufzte theatralisch. "Ja, ich weiß. Es ist eine Schande. Dann habe ich wieder keinen, der mir das Wasser reichen kann."

"Vielleicht findet sich ja doch noch wer. Viel Glück auf jeden Fall."

"Dir auch Hitomi- wo immer du auch hingehst."
 

"Und du willst wirklich keine Party geben?" fragte Yukari ihre Freundin auf dem Weg zu deren Haus. Hitomi schaute ein letztes Mal auf die Silhouette der Schule, die gleich hinter der Biegung des Weges verschwinden würde.

"Nein, Yukari. Das würde es für mich nur schwerer machen- außerdem bin ich mir nicht sicher, dass ich dann nicht in Tränen ausbreche, und du willst doch nicht, dass mich alle als Heulsuse in Erinnerung behalten, oder?"

"Hitomi!" Yukari stöhnte übertrieben auf. "Manchmal bist du wirklich komisch. Du wirst nicht heulen, dazu bist du viel zu glücklich. Stimmt doch, oder?"

Hitomi schaute auf das Meer hinaus, dorthin, wo sich der Mond schwach im Wasser der Bucht spiegelte. Es war Vollmond. Keine Wolken waren am dunkelblauen Himmel zu sehen, die die untergehende Sonne hätte beleuchten können. Der Frühling hatte gerade begonnen, und das Schuljahr war vorbei. Hitomi hatte hier schon wesentlich schönere Abende erlebt, aber trotzdem war sie noch nie so... wirklich glücklich? Entspannt? Losgelöst? gewesen wie heute. Es würde ihr letzter Tag auf der Erde sein, und dann würde sie ein Versprechen einlösen, das sie vor einem dreiviertel Jahr gegeben hatte. Das Versprechen, zu ihm zurück zu kommen.
 

**********
 

Wish You Were Here
 

Wish You Were Here...

Me, oh, my country man,

Wish You Were Here...
 

I Wish You Were Here...

Don't you know, the snow is getting colder

And I miss you like hell,

And I´m feeling blue
 

I´ve got feelings for you

Do you still feel the same?

From the first time I led my eyes on you...

I felt joy of living

I saw heaven in your eyes...

In your eyes...
 

Wish You Were Here...

Me, oh, my country man,

Wish You Were Here...
 

I Wish You Were Here...

Don't you know, the snow is getting colder

And I miss you like hell,

And I´m feeling blue
 

I miss your laugh, I miss your smile,

I miss everything about you...

Every second´s like a minute,

Every minute´s like a day

When you are far away
 

The snow is getting colder, baby,

I Wish You Were Here

A battlefield of love and fear,

And I Wish You Were Here...
 

I´ve got feelings for you,

From the first time I laid my eyes on you...
 

Kapitel 1
 

Nur mühsam konnte sich Van beherrschen. Immer und immer wieder stritten die Botschafter über die selben Themen. Was sollte Fanelia tun, was nicht? Dass der König eben dieses Landes an ihrem Tisch saß, schien sie nicht zu interessieren. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass dieser Teil des Schlosses heute noch feierlich eingeweiht werden sollte, und sie schon viel zu lange hier waren. Die Diener, die den Thronsaal schmücken sollten, in dem die Konferenz stattfand, hatten schon mehrmals nervös in den Raum geschaut, obwohl es ihnen strengstens verboten war. Wenn sie bemerkten, dass Van sie sah, verschwanden sie sehr schnell und offensichtlich ängstlich. Wahrscheinlich hatten sie seine Miene gesehen.

Am schlimmsten fand Van, dass sich die Botschafter am meisten darüber ereiferten, welche von den Prinzessinnen ihrer Länder nun die geeignetste für den Posten der Königin von Fanelia war. Was bei ihrem letzten Versuch in dieser Richtung geschehen war, schienen sie vergessen zu haben. Dabei war es erst ein dreiviertel Jahr her. Ein dreiviertel Jahr, das Van wie eine Ewigkeit erschienen war, denn für ihn gab es nur eine, die er sich neben sich auf dem Thron vorstellen konnte. Dieses Mädchen hatte ihn vor einem dreiviertel Jahr verlassen, und dabei versprochen, zu ihm zurück zu kommen, wenn die Zeit gekommen war.

Diese Zeit war nun gekommen, Van wusste, dass sie irgendwann in diesen Tagen kommen würde, und seine Aufregung stieg mit jedem Sonnenuntergang den er allein verbrachte.

Unwillkürlich griff Van nach dem Anhänger, den er um den Hals trug. Es war nicht mehr der, den Hitomi ihm bei ihrem ersten Abschied gegeben hatte. Diesen trug sie nun wieder. Aber im Austausch dafür, und als Versprechen, hatte sie ihm diesen gegeben, der einst Mai Ling gehört hatte.

Wie zur Antwort auf seine stummen Gebete glühte der Stein des Anhängers in diesem Moment in einem sanften, blauen Licht auf, dass schwach zwischen Vans Fingern hindurch schien. Überrascht holte Van den Anhänger heraus, und starrte ihn an. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn... Ein Gefühl wie die Frühlingssonne auf dem Gesicht, der Duft der Frühblüher und das helle Grün der sprießenden Blätter. Ein Gefühl der Ruhe, auch eines wehmütigen Schmerzes überkam ihn, ein Gefühl, dass er mit einem bestimmten Platz in Verbindung brachte, und dass nur wenige an diesem Ort empfinden würden...

Van lächelte. Er wusste was das bedeutete. Mit einem Ruck stand er auf, und seine Stimme schallte kräftig und energisch durch den Raum, so dass die Streitenden überrascht mitten in ihren Sätzen innehielten, und ihn erschrocken ansahen.

"Meine Herren." Van hob in theatralischer Geste die Arme. Er konnte nicht anders, und musste einfach in diesem Moment jedes Fitzelchen vorhandenen oder nicht vorhandenen Königtums aus sich herauspressen. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, dem gerade der Streich des Jahres eingefallen war.

"Eure endlosen Zänkereien haben Uns verärgert. Darum haben Wir beschlossen, selbst und ohne Rücksprache mit euch eine Entscheidung zu treffen. Wir werden sie heute Abend bei der Einweihungsfeier des Schlosses bekannt geben. Und nun gehabt euch wohl, Wir haben vor, diese Entscheidung ganz allein und ungestört zu treffen."

Nachdem er ausgesprochen hatte, schritt er schnell, aber ohne Hast zu zeigen aus dem Thronsaal. Noch Sekunden, nachdem die Tür lautstark hinter ihm zugefallen war- nicht ohne unauffällige, tatkräftige Unterstützung Vans- herrschte Schweigen bei den überrumpelten Botschaftern. Dann brach Ohrenbetäubender Lärm aus. Die Männer schrieen sich gegenseitig an, beschuldigten sich abwechselnd, den König beleidigt zu haben, und rauften sich die Haare, weil sie alle Einflussnahme schwinden sahen. Die Diener jedoch ignorierten sie, und begannen mit der Ausschmückung des Saales. Wo immer ihnen einer der Botschafter im Weg war, schoben sie ihn höflich, aber bestimmt zur Seite, so dass diese nach einer Weile beinahe Fluchtartig den Saal verließen.
 

Van dagegen schlich sich durch die Hintereingänge aus dem Schloss, und eilte zum Grab seines Bruders. Nervös fuhr er sich mit der linken Hand durch das Haar, während die rechte in der Hosentasche ein kleines Kästchen umklammerte, das dort schon seit mehreren Wochen war. Immer und immer wieder strichen seine Finger über das alte, glatte Holz, das schon so abgedunkelt war, dass es fast schwarz wirkte. In diesem Kästchen war etwas, dass ihm wichtiger war als das ganze neu aufgebaute Schloss, und nun war der Zeitpunkt der Entscheidung gekommen. Heute würde er es öffnen, und die eine Frage stellen, die ihm auf der Seele brannte.
 

***
 

Die Lichtsäule setzte Hitomi an einer Stelle ab, die sie nur zu genau kannte. Auch wenn sie lange weg gewesen war, das Grab sah immer noch so neu und gepflegt aus wie damals, und ebenso schimmerte auch Escaflowne weiß im Licht der Sonne. Lediglich dort, wo sein Energist war, schienen ihre Strahlen von einem Schatten verschluckt zu werden.

Hitomi stellte ihre Tasche ab und kniete vor Folkens Grab nieder. Eine Weile betete sie zu den Göttern, dass sie seiner Seele vergeben würden, denn er hatte alles in gutem Glauben getan. Dann stand sie wieder auf, schaute auf Fanelia hinab, und bewunderte die Anmut des neuen Schlosses, das hier in so kurzer Zeit errichtet worden war. Mann konnte ihm deutlich ansehen, dass die Erbauer stolz auf sich und ihren jungen König waren. Auch an der Stadt selbst zeigte sich diese selbstbewusste Zuversichtlichkeit. Auch wenn Fanelia nur ein eher kleines und armes Land war, wollten die Menschen Schönheit in seine Hauptstadt bringen, und das war ihnen auch gelungen.

Hitomi drehte sich wieder um, und ging das kurze Stück bis zu Escaflowne. "Du findest es auch schön, oder?" fragte sie den Guymelef, und fast schien es ihr, als ob er zustimmend nickte. "Es ist erstaunlich, was die Menschen in dieser kurzen Zeit geschafft haben. Ich bin wirklich beeindruckt- und glücklich darüber, dass sie anscheinend in Frieden leben konnten. Auch wenn das bedeutet, dass du nie wieder deine Schwingen zeigen und fliegen wirst." Sie hob die Hand, und strich mit den Fingerspitzen über das kühle, weiße Metall auf dem Knie des Riesen. Dann hörte sie auf einmal das Geräusch von Schritten, und ihr Herz schlug schneller. Es gab nur wenige Personen, die hierher kommen würden, und außerdem kannte sie diesen Schritt. Sie wusste nicht wie, aber sie war sich sicher, dass sie ihn unter Tausenden herausgehört hätte. Sein Atem ging schnell, als ob er gelaufen wäre. Hitomi lächelte, atmete tief ein, und trat einen Schritt zurück. Auf einmal hatte sie einen Kloß im Hals, und traute sich nicht, sich umzudrehen. Dabei war sie doch nur wegen ihm hier...
 

Als Van die Lichtung betrat, legte Hitomi gerade ihre Hand auf das Knie Escaflownes. Van hörte auf zu rennen, wie er es die letzten Meter den steilen Weg herauf getan hatte, und blieb schwer atmend stehen. Es schien ihm wie ein Traum zu sein, dass sie nun plötzlich vor ihm stand, so lange wie er gewartete hatte. So lange... Jeder Tag schien ein Jahr gewesen zu sein, jeder Monat eine kleine Ewigkeit. Und nun stand sie da vor ihm, hatte ihm den Rücken zugedreht und trat nun gerade einen Schritt zurück, drehte sich aber nicht um. Hatte sie ihn nicht bemerkt? Das konnte er sich nicht vorstellen.

Er lächelte. Sie, die das Unsichtbare und die Zukunft sehen konnte, sollte ihn nicht bemerkt haben? Nein, eher spürte sie, wie sehr sein Herz schlug, wie sehr er sich nach ihr gesehnt hatte.

Langsam schritt er auf sie zu, ging dabei seitlich an ihr vorbei, um sie in Ruhe zu betrachten. Sie war gewachsen, wirkte jetzt weniger wie ein Mädchen, dass sie ja eigentlich war, sondern mehr wie eine junge Frau. Van lächelte. Ihm gefiel die Veränderung. Sie war noch schöner geworden, als er sie in Erinnerung hatte. Auch ihre Haare zeigten deutlich die vergangene Zeit. Sie reichten ihr nun ein ganzes Stück den Hals hinunter, fast bis auf ihre Schultern. Die Sachen, die sie trug, waren immer noch die selben. »Nein, nicht die selben.« verbesserte sich Van »Da würde sie nicht mehr hinein passen. Aber es ist noch immer die selbe Uniform.«

Ihm fiel außerdem auf, dass sie viel kräftiger wirkte. Ob es nur daran lag, dass sie gewachsen war? Auf jeden Fall wirkte sie nun nicht mehr etwas unbeholfen und schlaksig, so wie früher.

Er beschloss, ihr auch die Zeit zu geben, ihn genauer zu mustern. Er ging an ihr vorbei zu Escaflowne, ohne ihr dabei ins Gesicht zu sehen.
 

Hitomi hatte sich nicht getraut, sich zu ihm zu drehen, doch als Van an ihr vorbei ging drehte sie den Kopf und betrachtete ihn.

Auch er war ein wenig gewachsen, doch im Gegensatz zu ihr war sein Haar noch genauso, wie sie es in Erinnerung hatte. Immer noch die gleichen wirren Strähnen. Und wie sie sah er kräftiger aus. Männlicher. Sie lächelte bei diesem Gedanken.

"Er ist schön, oder?" fragte Van in die Luft, und Hitomi wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie ließ ihren Blick genau wie Van an Escaflowne entlang nach oben wandern. "Ja. fast so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Nur noch schöner." Beiden war klar, dass Escaflowne nicht wirklich derjenige war, dem die Komplimente galten.

"Da hast du Recht." sagte Van aus tiefstem Herzen und strich über das kühle, weiße Metall des Guymelefs. Hitomi konnte sehen, dass seine Hand zitterte. Ein winziger Teil von ihr amüsierte sich darüber, wie sie beide um den heißen Brei herumschlichen, aber der größte Teil von ihr war froh darüber. Sie war viel zu aufgeregt um zu wissen, was sie sonst hätte sagen sollen. "Da bin ich wieder"? oder "Ich habe dich vermisst"? Das wäre viel zu unpassend gewesen, hätte nicht im mindesten ausgedrückt, was sie empfand.

Van drehte sich um, und ein warmer Schauer durchlief sie. Es war nicht, dass Van besonders glücklich ausgesehen hätte, oder sie angestrahlt hätte. Es war die Art, wie seine Augen leuchteten und wie das winzige Hochziehen der Mundwinkel seinem ansonsten immer irgendwie mürrisch aussehenden Gesicht den Ausdruck tiefster Zufriedenheit gaben. Eine Art inneres Leuchten, dass deutlicher als alle Worte zeigte, was er in diesem Augenblick fühlte.

"Komm!" forderte er sie auf, und reichte ihr die Hand. Hitomi griff zu, und wurde nach oben gezogen. Gemeinsam kletterten sie an dem ruhigen Koloss empor, der die Hände auf die Knie gelegt hatte und nicht die geringste Regung erkennen ließ.

Van setzte sich auf den Kopf, Hitomi auf die rechte Schulter darunter. Jetzt brauchte sie keine Erklärung mehr, warum sie hier hatte herauf kommen sollen. "Es ist wunderschön, Van." sagte Hitomi andächtig.

Im Tal unter ihr lag Fanelia, neu aufgebaut mit weiß glänzenden, wie Spielzeug wirkenden Häusern. Die Dächer leuchteten rot im Licht der Sonne, und mit ein wenig Phantasie konnte man sich vorstellen, wie die Leute fröhlich in den Straßen, Parks und Plätzen ihrem Tagwerk nachgingen. Handwerker, denen man von der Straße aus in ihren offenen Läden zusehen konnte, Marktschreier, deren Stimmen weit durch die Straßen hallten und Fuhrleute, die alle möglichen Dinge durch die Straßen trugen oder fuhren.

"Wie habt ihr das bloß alles geschafft?" fragte sich Hitomi und merkte erst, dass sie laut gedacht hatte, als Van ihr antwortete "Mit viel, viel harter Arbeit, einem unbeugsamen Willen und einer großartigen Vision der Zukunft. Und es hat sich gelohnt."

"Das hat es." Bestätigte Hitomi.

"Das Schloss ist erst vor ein paar Tagen fertig geworden. Heute Abend findet ein Maskenball statt, mit dem es eingeweiht werden soll."

Hitomi entging der plötzlich angespannte Ton in seiner Stimme nicht. "Was ist? Stimmt etwas nicht mit dem Maskenball?"

Van lachte nervös, und strich sich verlegen durch die Haare. "Nein, mit dem Ball ist alles in Ordnung, nur..." Er sah sie an, sah ihr in die Augen, und wieder erschauerte Hitomi. Es war das erste Mal, dass sie sich wirklich angesehen hatten, und auf einmal hatte sie einen Kloß im Hals.

Van schaute wieder verlegen zur Seite und trommelte nervös auf Escaflownes Kopf. "Diese Schlosseinweihung war natürlich ein guter Zeitpunkt, um mal wieder über meinen Familienstand zu diskutieren. Man hat mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sich da bald was ändern muss. Ich kann ihnen nicht mal einen Vorwurf machen, für einen Diplomaten ist ein König ohne Königin etwas wie ein Tisch ohne Stühle- das mag es zwar theoretisch geben, aber niemand würde auch nur im Traum auf die Idee kommen, sich so etwas zu leisten."

Hitomi schwieg peinlich berührt. Sie wusste, was es schon auf ihrer Welt für einen Klatsch über die Königshäuser gab, aber hier auf Gaia...

Ihre Gedanken wurden unterbrochen als sie merkte, wie Van sie ansah, wie ernst und durchdringend er sie musterte. Seine Augen sahen sie an, schienen sie durchdringen und in die tiefsten Winkel ihrer Seele sehen zu wollen. Hitomi spürte, wie sie rot wurde.

"Hitomi, ich weiß, das ist nicht der richtige Zeitpunkt aber... du hast ja eben gehört, was los ist, und da du wieder da bist... wenn du dich an unseren Abschied erinnerst... ich..." Nun wurde auch Van rot, und Hitomis Augen weiteten sich, als ihr langsam ein Verdacht kam. Natürlich erinnerte sie sich an ihren Abschied- und an das Versprechen.

"Nun ja, die Zeit drängt." Versuchte Van es noch einmal. "Ich habe zugestimmt, heute Abend zu entscheiden... ach um Teufel!" Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Hitomi über diesen untypischen Ausbruch Vans gelacht, doch nun blieb ihr der Atem stehen, als sie sah, wie er in die Tasche griff und ein kleines hölzernes Kästchen hervorholte. »Er muss es schon die ganze Zeit umklammert haben!« wurde ihr jetzt erst klar.

Van hielt ihr das Kästchen hin und öffnete es. In einem samtenen Kissen steckten dort zwei große silberne Ringe in Form von Drachen, einen kleinen grünen Stein in den Augen und einen großen roten im Maul. Jede einzelne Schuppe der Drachen war zu sehen, wenn man sich anstrengte, denn mit bloßem Auge waren sie fast zu klein. Das Silber glänzte und schillerte in allen Farben des Regenbogens. Ein wahrer Meister musste Wochen, wenn nicht gar Monate an den beiden Ringen gearbeitet haben.

"Mein Vater hat sie für meine Mutter anfertigen lassen. Es waren ihre Verlobungsringe. Es ist fast das einzige, was mir von ihnen verblieben ist. Meine Mutter hat ihren Ring erst an dem Tag abgelegt, als sie verschwunden ist, um Folken zu suchen. Ich glaube fast, sie hat geahnt, dass sie nicht mehr zurück kommt.

Hitomi. Willst du mich heiraten?"

Hitomi musste schlucken. Einmal, zweimal. Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen und konnte immer noch nicht sprechen. Darum umschloss sie nur stumm die Hände Vans, die immer noch das Kästchen mit den Ringen umklammerten, sah ihm in die Augen und nickte. Eine ganze Lawine schien von Van abzufallen. Er lächelte erleichtert, wenn auch immer noch nervös, nahm die Ringe heraus, sah Hitomi an und steckte ihr schweigend, aber lächelnd den Ring auf den Finger. Dann gab er ihr den zweiten und küsste Hitomis Hände, nachdem diese ihm den zweiten Ring auf den Finger geschoben hatte. "Ich will. Auf immer und ewig." Flüsterte sie. "So sei es." Antwortete Van unwillkürlich in feierlichem Ton, dann zog er Hitomi an sich um sie zu küssen.
 

Eng umschlungen gingen sie den schmalen Pfad entlang, der nach Fanelia führte. "Hitomi?" fragte Van auf einmal und blieb stehen. "Was?" wunderte sich Hitomi. "Würdest du mir einen Gefallen tun?" Hitomi sah ihn fragend an. Für diesen besonderen Augenblick war das eine merkwürdige Frage. "Würdest du dich bis zum Ball heute Abend... na ja, versteckt halten?"

"Versteckt? Aber wieso?"

"Ich will die Kuppler überraschen. Ich will ihnen deutlich machen, dass ich nicht ihr Spielzeugprinz bin. Und außerdem..." fügte er nach einer kurzen Pause hinzu "außerdem würde ich gerne ihre langen Gesichter sehen, wenn sie es erfahren."

"Du bist unmöglich! Du willst, dass ich die Unsichtbare spiele und die wichtigste Neuigkeit meines Lebens für mich behalte? Schämst du dich dafür, mich heiraten zu wollen?"

"Himmel, Hitomi! So habe ich es nicht gem..."

"Nur unter einer Bedingung!"

Van verstummte mitten im Wort. Eben noch hatte Hitomi so wahnsinnig empört geklungen, aber nun... Nun hörte sie sich fast hinterhältig an. "Und die wäre?" fragte er vorsichtig.

"Du machst mir noch einmal einen Antrag. Heute Abend, auf dem Ball, vor allen Leuten."

"Hitomi! Das kannst du nicht von mir verlangen!" Van schien es auf einmal zu eng in seinen Sachen zu werden, denn zupfte krampfhaft an seinem Kragen herum.

"Wieso nicht?" fragte Hitomi schnippisch.

"Das... das kann ich nicht!"

"Warum?"

"Weil... weil... vor allen Leuten!"

"Dann hast du wohl Pech gehabt."

"Hitomi!"

Van schaute immer noch verzweifelt in Hitomis strenges Gesicht, doch da wich diese Strenge plötzlich und Hitomi schmiegte sich an ihn.

"Ach Van. Verstehst du es nicht? Es ist der größte Traum einer Frau, dass ihr Geliebter vor möglichst vielen Leuten um ihre Hand anhält."

Vans Verkrampfung löste sich in einem lauten, befreiten Auflachen. "Du hast mir ganz schön Angst gemacht, Hitomi. Gut, Einverstanden. Wir verstecken dich, und dafür frage ich dich noch einmal. Vor allen Leuten, auf dem Höhepunkt des Balles. Eine faire Abmachung." Van schob Hitomi von sich, und sah sie streng an.

"Verflucht seiest du, Hitomi Kanzaki. Du machst, dass mir der Angstschweiß ausbricht, und ich kann an nichts anderes denken, als daran, wie sehr ich dich liebe." Er zog sie wieder an sich und küsste sie heftig.

Nach einer Weile lösten sie sich und Hitomi meinte neckisch "Das war schon ganz gut. Aber wenn du mich heute Abend fragst, will ich etwas Besseres hören. Das erste Mal war ja nicht gerade eine Glanzleistung von dir."
 

Van brachte Hitomi durch den Schlossgarten hinein. Natürlich kannte er eine unbewachte Stelle. Die gab es immer. Wachen am Außenrand des Schlossbereiches waren nicht dazu gedacht, einzelne Leute aufzuhalten, auch keine Einbrecher oder anderes Gesindel. Es war einfach unmöglich.

Im Schloss allerdings war es etwas anderes. Jeder Eingang, selbst der, der die Außentür der immer belebten Küche war, wurde bewacht. Aber Van hatte vorgesorgt. Es gab eine "geheime" Tür zu den Gärten, direkt verbunden mit dem Gang, in dem die königlichen Gemächer lagen. Diese äußere Tür war gut getarnt in einer Ecke, die nie betreten wurde. Sie öffnete sich völlig lautlos, doch dahinter war eine weitere Tür und diese öffnete sich mit lautem Knarren.

"Das ist für die Wache. Damit niemand unbemerkt hier herein spaziert." Erklärte Van, und sah durch ein Loch in der Wand. "Augen zu!" kommandierte er, und eine Stimme, die Hitomi vage bekannt vorkam antwortete "Jawohl, Majestät!"

Van bedeutete Hitomi zu schweigen, und führte sie den mehrfach gewundenen Gang entlang. In jeder Wand war ein Loch, durch das die Wache von ihrem Platz aus blicken konnte. Hitomi erkannte ein vernarbtes Gesicht, und plötzlich dämmerte es ihr, woher sie die Stimme kannte. Es war der Soldat namens Markus, den sie an ihrem letzten Tag hier im Schloss kennen gelernt hatte.

"Hat wer nach mir gefragt?"

"Merle. Aber ich habe ihr wahrheitsgemäß gesagt, dass ich euch nicht hier entlanggehen gesehen habe."

"Gut. Danke, Markus." Lächelnd zog Van Hitomi weiter. Nachdem sie an den Sichtfenstern vorbei wahren, befahl Van Markus, die Augen und die Tür zu öffnen.

"Diese Tür ins Schlossinnere kann nur von hier oder von der Wache entriegelt werden. Der Wachraum wiederum hat auch nur einen sicheren Eingang ins Schlossinnere. So kann niemand unbemerkt diesen Weg benutzen." Erklärte Van stolz, als sie auf der anderen Seite hinter einem Wandteppich standen. Er schaute vorsichtig um die Ecke, doch niemand war zu sehen.

"Ich habe das bauen lassen, um auch mal ungestört sein zu können. So muss ich nicht durch den "offiziellen" Bereich des Schlosses, wo mir eine Meute von Möchtegern-Günstlingen auflauern kann."

"Das klingt ziemlich einsam." Meinte Hitomi mitfühlend.

"Ja, aber das ist ab heute anders." antwortete Van, küsste Hitomi überraschend und schob sie dann durch eine Tür. Er schloss sie, ohne Hitomi los zu lassen und immer noch küssend.

"Na, das ist ja eine Überraschung!" meinte eine trockene Stimme.

Wie von der Tarantel gestochen fuhren Van und Hitomi herum.

"Thana! Was machst du in meinem Zimmer!" rief Van erschrocken.

"Auf dich warten natürlich." Kam die lakonische Antwort. "Ich wollte wissen, was in dich gefahren ist. Aber jetzt weiß ich es ja." Thana stand auf, und lächelte. "War ja ziemlich eindeutig. Hallo Hitomi!"

"Thana! Du bist noch hier?!" Lachend umarmten sich die beiden Mädchen.

"Es ist interessant hier." Antwortete Thana schulterzuckend und zwinkerte ihr dann zu. "Man erlebt viele Überraschungen."

Erstaunt nahm Hitomi die Veränderung an Thana zur Kenntnis. Auch sie war sichtlich älter geworden, nicht mehr ganz so blass. Aber wesentlich mehr hatte sich ihr Humor verändert.

"Gut dass du da bist, Thana." Sagte Van nun. "Ich habe mir schon den Kopf zerbrochen, wie ich jemanden befehlen kann, mir ein Kleid zu bringen ohne dass das Schloss zwei Minuten später unter der Last der Gerüchte zusammen bricht." Thana sah ihn verwundert an.

"Für den Ball heute Abend? Kann Hitomi sich denn nicht selbst ein Kleid aussuchen?"

"Natürlich könnte ich das. Aber Van will mich unbedingt bis heute Abend verstecken." Antwortete Hitomi ein wenig schmollend.

"Verstecken? Wieso... oh!" Thana überlegte einen Moment, dann schmunzelte sie "Gute Idee. Das wird eine Überraschung. Ich sollte vorsichtshalber ein paar Ärzte holen. Es könnte sein, dass es ein paar Ohnmachtsanfälle gibt." Thana wandte sich vertraulich an Hitomi. "Dein lieber Van ist nämlich ganz schön begehrt. Wann hat man schon mal einen ledigen König? Auch wenn es nur ein kleines, armes Königreich ist- der Titel hat ja auch seinen Wert. Allein der Klang: Königin von... macht etwas her."

Hitomi wurde rot. Schließlich würde sie bald diesen klangvollen Titel tragen. "Der Titel ist mir egal." Sagte sie leise.

"Weiß ich doch. Wenn es anders wäre, hätte ich dich auch schon rausgeekelt." Meinte Thana zwinkernd, und Van musste lachen. "Ja, das kann sie gut. Sie hat sich in ein richtiges Ekelpaket verwandelt- wenn sie will. Sie hat mir in den letzten Monaten so manchen üblen Schleimer vom Hals geschafft."

"Genug geplaudert!" rief Thana und klatschte in die Hände. "Ich werde sonst noch ganz verlegen. Außerdem gibt es eine Menge zu tun." Sie musterte Hitomi kritisch.

"Da werden wir noch einiges machen müssen. Van, du wirst dich wohl ohne mich um die restliche Organisation kümmern müssen. Ich werde mich ganz unserem Überraschungsgast widmen."

"Ist gut." Van nahm Hitomi in die Arme.

"Ich fürchte, wir werden uns bis heute Abend nicht noch einmal sehen. Ich werde viel zu beschäftigt sein, um noch einmal her zu kommen, und du sollst dich ja nicht zeigen. Thana wird sich um dich kümmern." Dann beugte er sich nach vorn, und flüsterte ihr ins Ohr. "Ich werde dich vermissen. Ich werde jede Minute an dich denken müssen." Er gab ihr einen kurzen Abschiedskuss und lief davon. Hitomi sah die Tür zuschlagen und starrte eine ganze Weile ohne einen Gedanken darauf.

"Aufwachen, Träumerin!" rief Thana und Hitomi fuhr erschrocken herum.

"Entschuldige, ich... wo bist du denn?"

"Hier drüben." Antwortete Thana und streckte den Kopf durch die eine Tür in de Seitenwand. Hitomi folgte ihr.

"Das ist das königliche Schlafzimmer." Erklärte Thana im Ton eines Fremdenführers. Hitomi wunderte sich warum, bis Thana eine weitere Tür in der gegenüberliegenden Wand öffnete.

"Und das ist das Schlafzimmer der Königin. Man beachte das Architektonische Detail, dass genau diese beiden Räume miteinander verbunden sind.

Die beiden Flügel des Gebäudeteiles sind spiegelbildlich angeordnet, die Wand zwischen euren Schlafzimmer ist die Spiegelachse.

Zu deiner Linken ist das komfortabel ausgestattete Badezimmer, rechts ein ebenso komfortables Bett und hinter den Glastüren eine Balustrade, die natürlich mit der baugleichen vor Vans Zimmer verbunden ist. Falls die Tür mal klemmt oder so."

"Hör auf Thana!" protestierte Hitomi. "Ich werde schon wieder rot."

"Eine gesunde Hautfarbe. Also schön. Ich bin ohnehin fertig. Wie bei Van ist das Arbeitszimmer dort. Merle und ich haben baugleiche Räume an den Außenseiten. Merle natürlich auf Vans Seite." Sie drehte sich zu Hitomi.

"Du hast etwa meine Größe, das macht es leichter. Es wäre natürlich besser, dir ein Kleid anfertigen zu lassen, aber ich bin sicher, es findet sich eines. Sag mal... hat er dich schon gefragt?"

"Wer? Van? Was gefragt?"

Thana rollte mit den Augen. "Himmel, ob du ihn heiratest, natürlich."

"Thana!"

"Was?"

"So etwas fragt man doch nicht- vor allem nicht so!"

"Wieso nicht? Hat er, oder hat er nicht?"

"Ja, er hat!"

"Na Gott sei Dank! Ich dachte schon, ich müsste ihn dazu prügeln."

"Nun ist es aber genug!" rügte Hitomi sie verärgert. Thana wurde ernst.

"Du hast ja keine Ahnung, wie schlimm es war. Er hat buchstäblich jeden Abend draußen gestanden und den Mond der Illusionen angestarrt bis ihm die Tränen gekommen sind. Ich bin froh, dass du hier bist. Ich glaube nicht, dass er es viel länger ausgehalten hätte."

Hitomi schluckte. "Wirklich so schlimm?"

"Fast. Er hat dich schrecklich vermisst. Und ich auch. Du passt einfach hierher, zu ihm. Ich glaube, sogar Merle wird sich freuen, dass du da bist. Sie hat erst vor kurzem gesagt, dass Van ohne dich gar nicht richtig anwesend ist. Und sie muss es ja wissen. Sie kennt ihn schließlich länger als wir beide zusammen."
 

"Hier sind noch zwei."

"Gut. Du kannst gehen."

Die junge Zofe verbeugte sich lässig und ging fort, nicht ohne noch den Versuch zu unternehmen, ins hintere Zimmer zu schauen. Thana lachte. "Sie hat mich noch fragender angesehen als die andere. Wie komme ich bloß auf den Gedanken, ein paar Stunden vor dem Ball plötzlich alle Schneider der Stadt abgrasen zu lassen, nach Kleidern die mir etwas zu klein sind? Wenn die wüssten... Wahrscheinlich glauben sie, irgendeine von den herumschwirrenden und Van nachstellenden Prinzessinnen, Herzoginnen und was weiß ich nicht noch alles hat ihre Koffer zu Hause vergessen!"

"Thana!" Immer noch kam Hitomi mit der neuen Thana nicht ganz zurecht. Sie nahm wirklich kein Blatt vor den Mund, und hatte Hitomi schon mehrmals rot werden lassen.

"Nun, was hältst du von diesen beiden hier?" fragte Thana Hitomi und betrachtete die beiden neuen Kleider kritisch. Ihr gefiel das rechte besser. "Hitomi?" Sie blickte auf, weil keine Antwort kam und sah in ein vor Staunen erstarrtes Gesicht. "Hitomi? Alles in Ordnung?"

"Ja." Hitomi schien wieder in das Hier und Jetzt zu fallen. "Ja, alles in Ordnung. Gibst du mir das mal?"

"Das Linke? Ich würde das andere bevorzugen..." Thana schloss den Mund. Es hatte keinen Zweck. Hitomi schien sie nicht zu hören. Dabei war das Kleid nun wirklich nicht etwas so besonderes.

"Das nehme ich. Hoffentlich passt es." Hitomi zog sich in fliegender Hast um, und zerriss das Kleid dabei beinahe.

"Pass doch auf! Ich glaube nicht, dass Van es gefällt, wenn du in Fetzen erscheinst." Witzelte Thana. "Obwohl... vielleicht gefällt ihm das gerade."

"Thana! Hör endlich auf!" Hitomi betrachtete sich glücklich im Spiegel. "Passt wie maßgeschneidert."

"Ich gebe zu, du hattest Recht. Es ist die bessere Wahl, es scheint wie geschaffen für dich."

"Ja, aber das ist nicht der Grund."

"Nein? Was dann?"

"Das erkläre ich dir heute Abend." Hitomi drehte sich noch einmal vor dem Spiegel, und ließ sich dann zufrieden auf einen Stuhl sinken. "Und jetzt heißt es warten. Warum bloß habe ich zugestimmt, mich zu verstecken?" fragte sie seufzend.

"Weil du ihn liebst. Und jetzt entschuldige mich, auch ich habe noch zu tun." Thana drehte sich um und wollte die Tür öffnen, doch plötzlich hielt sie mitten in der Bewegung inne, die Hand erhoben. Langsam drehte sie sich um, und musterte Hitomi noch einmal ganz genau und etwas wie Erkennen huschte über ihr Gesicht. "Aber wenn du dich amüsieren willst, schau in der untersten Schublade meines Schreibtisches nach." Meinte sie rätselhaft.

"Eigentlich wollte ich es dir ja erst später zeigen, aber... Der Schlüssel ist hinter dem Spiegel. Bis nachher."

Thana verschwand, und Hitomi sah ihr verwundert nach. Was sollte das denn? Einen Moment lang zögerte sie, doch dann siegte ihre Neugier. Sie stand auf und ging zum Spiegel.

Der Schlüssel war leicht zu finden, und genauso leicht ließ sich das Schloss öffnen. Zu ihrem Erstaunen fand sie eine Menge zusammen gefalteter Blätter und obenauf einen Brief mit ihrem Namen. Verwundert setzte sie sich auf den Schreibtischstuhl und öffnete den Brief.

*Hallo Hitomi* begann er. *Das hier hat Van gemalt. Ich konnte es erst nicht glauben. Ich habe ihn vor ein paar Tagen beobachtet, wie er aus dem Schloss geschlichen ist. Er hatte dieses Bündel unter dem Arm. Ich gebe zu, ich war zu neugierig und bin ihm gefolgt. Er hat sie im Wald vergraben, und ich habe sie wieder ausgebuddelt. Eines ist ihm nämlich unterwegs unbemerkt verloren gegangen, und ich konnte nicht glauben, was ich darauf gesehen habe. Wahrscheinlich war es ihm zu peinlich, und er hat sie deswegen beseitigt. Männer sind halt komisch, wenn es um ihre Gefühle geht.*

Völlig verwirrt legte Hitomi den Brief zur Seite, nahm das erste Blatt vom Stapel und klappte es auf. Was sie sah, verschlug ihr den Atem. Dann traten ihr die Tränen in die Augen, teils aus Rührung, teils aus Lachen.

Auf dem Bild war nämlich eine Person zu sehen, die ihr sehr bekannt vorkam- sie. In dem Kleid, das sie in Pallas von Millerna geschenkt bekommen und gleich wieder ruiniert hatte, als sie es zerriss um Van zu retten. Das Kleid, dessen Ebenbild sie jetzt anhatte.

Hastig sah sie sich ein Blatt nach dem anderen an. Auf jedem war sie, in den verschiedensten Situationen. Auf der Terrasse in Pallas, im Crusador...

Van hatte ganz entschieden kein Talent zum Zeichnen, und bei manchen seiner Werke hätte sie sich wohl kaum wieder erkannt, aber gerade deswegen waren die Bilder so bedeutend. Hitomi drückte die letzte Zeichnung- es zeigte sie schlafend- an ihr Herz und feuchte Tropfen fielen auf das Blatt.
 

Merles Schwanz wirbelte durch die Luft. Das war doch nicht normal! Thana hatte sich nie sonderlich um ihre Kleidung gekümmert. Sicher- sie hatte immer darauf geachtet, dass sie gut aussah, aber das ging über alles hinaus, was sie je bei ihr erlebt hatte.

Misstrauisch schielte Merle einem weiteren Mädchen hinterher, dass eilig zwei Kleider zu Thanas Zimmer brachte. Jetzt war das Maß aber voll! Leise schlich Merle ihr hinterher. Sie sah, wie das Mädchen Thana die Kleider gab. Thana sagte etwas, das offensichtlich an jemanden in ihrem Zimmer gerichtet war. Also das war die Lösung des Ganzen! Aber wen um alles in der Welt wollte sie so ausstaffieren? Hatte eine der Weiber, die sich an ihren Van heranschmissen ihre Sachen verdreckt? Würde diesen dummen Puten nur Recht geschehen! Aber andererseits würde sich Thana dann doch nicht so viel Mühe geben, oder?

Ganz die Unschuld in Person ging Merle auf Thanas Tür zu. Schließlich wohnte sie auch hier.

Es war nichts zu hören! Warum nur mussten es so dicke Türen sein, dass selbst ihre Katzenohren nichts wahrnehmen konnten, ärgerte sich Merle. Sie wollte dieselben gerade an der Tür platzieren, als diese aufging. Erschrocken versteckte sich Merle hinter der Tür.

Anscheinend hatte Thana sie nicht bemerkt. Erleichtert atmete Merle auf. Da blieb Thana stehen und drehte sich um.

"Ach, du bist das. Ich dachte, die Zofe hat gelauscht. Aber ich hätte mir denken können, dass du das bist."

"Elende Gedankenschnüfflerin!"

"Nicht Gedanken, nur Gefühle. Hättest du dich besser im Griff, hätte ich dich gar nicht bemerkt. Jetzt komm. Du kannst mir helfen."

"Wer ist da drin?" fragte Merle, und folgte Thana zögerlich.

"Heute Abend. Wird eine Überraschung."

"Eine Überraschung?"

"Ja. Aber du darfst kein Wort darüber verlieren. Das würde Van sehr traurig machen."

"Van? Er weiß davon?"

"Natürlich. Eigentlich war es sogar seine Idee."

"Seine Idee? Was war seine Idee?" ragte Merle genervt.

"Ich sagte doch, heute Abend. Übrigens, kommt Blinx?"

Merle seufzte. "Ich hoffe doch. Wird sonst ziemlich langweilig."

"Du vermisst ihn ja sehr."

"Tu ich gar nicht."

"Tust du doch!"

"Tu ich nicht!"

"Doch!"

"Bleib stehen, damit ich dir das Gesicht zerkratzen kann!"

Lachend ließ sich Thana von Merle durch die Gänge jagen. Diese hatte völlig vergessen, dass es in Thanas Zimmer ein Geheimnis gab.



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