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Schmetterlinge im Bauch

von

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Schmetterlinge im Bauch

Nun gab es kein Zurück mehr.
 

Über die Dramatik seiner Gedanken musste er lächeln. Doch eben jenes Lächeln verblasste augenblicklich wieder, als die Realität ihn einholte. Nervös zupfte er an seiner Krawatte, strich sie glatt und fragte sich, ob er diese überhaupt richtig gebunden hatte. Irgendwie schien der Knoten aus seiner Perspektive nicht mit denen der Anderen überein zu stimmen. Gott, ausgerechnet heute hatte er sich auf seine routinierte Handarbeit nicht verlassen können.
 

Er spürte, wie ihm der Mund ganz trocken wurde und es unmöglich schien, gegen den immer größer werdenden Kloß in seinem Hals anzuschlucken. Seine Hände fingen an zu zittern. Um dies zu verstecken, drehte er sie auf seinen Rücken und straffte seine Statur. Ihm war aufgefallen, dass er zudem alle paar Sekunden von einem Bein auf das andere getreten war.
 

Konnte es nicht einfach losgehen?
 

"Hey, Tiger, alles in Ordnung mit dir?"
 

Eben Angesprochener zuckte zusammen und schaute neben sich seinem besten Freund in die Augen. Er öffnete den Mund, wollte antworten, brachte jedoch kein Wort zustande. Stattdessen nickte er einfach nur und versuchte sich an einem Lächeln. Doch anhand der Reaktion des Anderen erkannte er, dass es mehr schlecht als recht war. Ein Grinsen der Belustigung erschien auf dem Gesicht seines besten Freundes.
 

Idiot, dachte er.
 

Und dann setzte die Kirchenorgel ein. Ein monströses Musikinstrument, dass am Ende des Raumes beinahe die komplette Wand einnahm. Dröhnend überrollten die Klänge die anwesenden Gäste. Alle drehten sich wie auf Knopfdruck um und erhoben sich. Jedes Augenmerk war auf die Doppeltür gerichtet, die sich in jenem Moment öffneten.
 

Ihr Anblick raubte ihm den Atem. Das weiße Kleid war bodenlang und etwas ausgestellt. Während ihr Gesicht von einem Schleier bedeckt wurde, konnte er jedoch sehen, dass sie ihre dunkelbraunen Haare hochgesteckt hatte. An ihrer Seite war ihr Vater, der sie zum Altar begleitete. Mit jedem Schritt kam sie näher, näher zu ihm, näher zu dem Versprechen, das sie sich heute geben würden.
 

Während er sie beobachtete, dachte er an ihre erste Begegnung.
 

Eines Tages, es war nach der Schule gewesen, hatten ihm drei Jungen seiner Klasse aufgelauert. Er konnte sie noch nie leiden und das beruhte zu seiner Missgunst auf Gegenseitigkeit. Die Jungen ließen nämlich nie eine Gelegenheit aus, ihn zu schikanieren oder gar körperlich anzugehen. Kneifen, Schubsen oder gar Anspucken waren noch die harmloseren Dinge, die sie gerne an ihm ausübten. Oft versuchte er sich zu wehren, sah dann aber schnell ein, dass er allein keine Chance hatte. Er ließ es über sich ergehen, mit der Hoffnung, dass sie dadurch das Interesse an ihm verlieren würden.
 

"Seht nur, da ist unser Freund!", lachte der älteste Junge und die anderen fielen in sein Gelächter mit ein, "Wie es scheint, freut er sich auch, uns wiederzusehen."

Wortlos stand er da, unsicher, wie er reagieren sollte. Gerade als er den Entschluss gefasst hatte, auf seine Schnelligkeit zu vertrauen und einfach wegzulaufen, kamen die drei schon auf ihn zugerannt. Keine Chance.
 

Kaum waren sie bei ihm, traf ihn schon der erste Stoß gegen die Brust. Er stolperte, versuchte noch, sich zu fangen, doch er konnte das Gleichgewicht nicht mehr halten. Unsanft landete er auf den Boden. Sofort bearbeitete sie ihn mit Tritten. Er versuchte, sein Gesicht mit seinen Armen und Händen zu schützen, während er vor Schmerzen aufstöhnte. Tränen traten ihm in die Augen.
 

"Seid ihr feige!", erklang plötzlich eine Mädchenstimme.
 

Die Tritte hörten auf. Die drei Jungen drehten sich nach eben jener Stimme um und auch er lugte vorsichtig zwischen seinen Armen hindurch. Keine zehn Meter entfernt stand ein Mädchen selbstbewusst mit einer Hand in der Hüfte gestemmt.
 

"Was geht dich das an?! Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten." Der Älteste von den Jungen schien damit die Sache für geklärt und drehte sich ihm wieder zu, der nach wie vor zusammengekauert am Boden lag und lachte.
 

Ohne weitere Vorwarnung, war das Mädchen bei ihnen und benutzte eine Wasserpistole, um die drei Jungen damit nass zu machen.
 

"Hey", schrien sie unison. Sie rückten von ihm ab.
 

"Wenn ihr nicht gleich die Biege macht, schreie ich so laut ich kann um Hilfe. Und dann wollen wir mal sehen, wie ihr die Situation erklären wollt!", mahnte das Mädchen und hielt ihre Wasserpistole weiterhin auf die Jungs gerichtet. Diese sahen sich nacheinander unsicher an, ehe sie einen letzten Blick auf ihn warfen. Der Älteste zuckte mit den Schultern. "Das ist er eindeutig nicht wert."
 

Als die drei Jungen weit genug weg waren, ließ das Mädchen die Wasserpistole sinken und reichte ihm die Hand. Sie half ihm auf die Beine und lächelte. "Ich hätte nie gedacht, dass das klappen würde."
 

Unglaubwürdig starrte er seine Retterin an. Sie war einen halben Kopf kleiner als er, strahlte aber eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein aus, die sie eher einen ganzen Kopf größer erscheinen ließ.

"Was ist? Hat es dir jetzt etwa die Sprache verschlagen? Warte, ich helfe dir auf die Sprünge. In solch einen Moment sagt man einfach 'Danke'. Hm? Ist wirklich ganz leicht. Versuch es mal."
 

Er lächelte zaghaft und blickte geradewegs in ihre blauen Augen. "Ich glaube, ich habe Schmetterlinge in meinem Bauch". Daraufhin fing sie an zu lachen und das war das Schönste, was er bis dahin jemals gehört hatte. Und damit begann eine wunderbare Freundschaft, aus der sich nach und nach eine Liebesbeziehung entwickelte.
 

Als sie bei ihm angekommen war, griff er unsicher nach ihrem Schleier und enthüllte ihr Gesicht. Es war nach all den Jahren immer noch das, in welches er am Tag seiner Rettung geblickt hatte. Etwas älter, aber nicht minder schöner. Er spürte, wie es warm um sein Herz wurde und wertete das als Bestätigung dafür, dass er genau das Richtige tat.
 

"Wie fühlst du dich?", fragte er leise, da er an ihr nicht die geringsten Anzeichen von Aufregung sehen konnte. Sie schien die Ruhe selbst zu sein, das genaue Gegenteil von ihm. Wie an jenem Tag.
 

Sie lächelte und sagte: "Ich glaube, ich habe Schmetterlinge im Bauch."



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Zaje
2015-11-30T19:31:08+00:00 30.11.2015 20:31
Hallo!

Nachdem ich die Frist für die Kommentare beinahe übersehen hätte, bekommst du jetzt noch eins von mir :)

Der direkte Einstieg gefällt mir sehr gut. Man ist sofort im Geschehen, obwohl man zuerst gar nicht genau weiß in welchem Geschehen eigentlich. Ich finde es gut, dass man nicht gleich erfährt warum der Protagonist so nervös ist. Was ich sehr schön finde ist, dass du eigentlich nicht direkt ansprichst das er heiratet, sondern einfach die Situation beschreibst - mit der Orgel, dem weißen Kleid, dem Versprechen. Das macht das ganze eine Spur persönlicher.
Ihr erstes Treffen war ja sehr ereignisreich xD Die junge Dame strotzt ja richtig vor Selbstbewusstsein, das finde ich gut. Ich fands auch ziemlich süß, dass er dann einfach so sprachlos war - ich hätte wohl an seiner Stelle auch nicht gewusst, was ich auf diese Aktion hin sagen soll. Dass die 'Schmetterlinge im Bauch' wie ein Motiv immer wieder auftauchen finde ich sehr toll :D Ich kann mir auch gut vorstellen, dass das über die Jahre hinweg zu ihrem Running-Gag geworden ist.

Nachdem ich jetzt seit guten zweieinhalb Stunden an diesem Kommentar hier sitze, tut es mir ehrlich leid, dass ich hier aufhören muss, weil ich gar nicht mehr weiß was ich noch sagen soll ^^" Ich fand den One Shot sehr toll und schön zu lesen. Vom Titel her dachte ich anfangs ja, dass es recht romantisch und etwas schnulzig werden könnte, aber da hab ich mir wohl geirrt. Eine wirklich gute Umsetzung auf jeden Fall :)

LG Zajé
Antwort von:  Veku
03.12.2015 18:38
2 1/2 h? Tatsächlich? Spricht das jetzt für oder gegen die Story? xD

Vielen lieben dank für deinen ausführlichen und ehrlichen Kommentar. Freut mich wirklich sehr, wenn dir die Story gefallen hat. Und keine Sorge wegen dem Aufhören, es ist mehr als genug Lob, ich bin sogar etwas rot geworden *zwinker*
Von:  Kerstin-san
2015-11-22T17:38:18+00:00 22.11.2015 18:38
Hallo,

den Einstieg fand ich richtig gut, weil ich selbst nicht wusste, was genau Sache ist und warum der Protagonist jetzt so schrecklich nervös ist.
Dann kam der Satz mit der Kirchenorgel und ich dachte, ah! Er heiratet heute!

Ein paar kleine Rechtschreibfehlerchen haben sich eingeschlichen (z.B. "Mistgunsten"), die den Lesefluss aber nicht großartig stören.

Der Rückblick zu der ersten Begegnung der beiden, hat mir gut gefallen, auch wenn ich mir nicht so ganz sicher bin, ob die drei sich einfach so aus dem Konzept bringen lassen, weil da auf einmal irgendein kleines Mädchen mit Wasserpistole auftaucht. Andererseits, weiß man ja nicht, wie jung sie da alle sind und vielleicht ist es wirklich die Überraschung, dass sich überhaupt jemand fremdes einmischt, der sie dann zum Rückzug bewegt.

Das Mädchen scheint auf jeden Fall so ein richtig selbstbewusster Wirbelwind zu sein, was ganz lustig ist, weil er so sprachlos und passiv rüberkommt. Das ist ein toller Gegensatz (und wie es so schön heißt: Gegensätze ziehen sich ja an)

Awww, der letzte Satz hat mir dann ein fettes Lächeln aufs Gesicht gezaubert, weil er so einen herrlichen Bogen zurück zu ihrer ersten Begegnung schlägt.

Liebe Grüße
Kerstin

PS: Meine Lieblingspassage: "Was ist? Hat es dir jetzt etwa die Sprache verschlagen? Warte, ich helfe dir auf die Sprünge. In solch einen Moment sagt man einfach 'Danke'. Hm? Ist wirklich ganz leicht. Versuch es mal." Haha, was eine tolle erste Begegnung. xD
Antwort von:  Veku
23.11.2015 08:10
Mistgunsten?! xDD wie cool ist das denn? Habe ich das wirklich geschrieben? Das muss ich doch gleich erst mal kontrollieren und korrigieren!

Ja, die Idee mit der Wasserpistole war zugegeben ein wenig heikel. Seh ich ein, beim Schreiben habe ich mich auch oft gefragt, ob es denn die richtige Entscheidung ist. Andererseits... da steht nirgendswo WAS das für eine Wasserpistole ist o.o wahrscheinlich sprechen wir hier nicht einfach von einem harmlosen Kinderspielzeug xDD

Aber ich danke auch dir für dein ehrliches Kommentar. Vielen lieben Dank dafür ^_^
Von: abgemeldet
2015-11-22T00:36:10+00:00 22.11.2015 01:36
Huhu =)
Vielen lieben Dank, für die Teilnahme an der Aktion! Es freut mich sehr, dass so kurzfristig noch eine Einsendung gekommen ist, das hat mir den gestrigen Tag gerettet =D
Ich mag diese kleine Geschichte - die beiden Charaktere sind unheimlich plastisch dargestellt und die Tatsache, dass sie keine (richtigen) Namen haben, macht das Ganze noch reizvoller, wie ich finde. Du hast seine Nervosität am Anfang sehr schön dargestellt, gerade diese Sorge um den Krawattenknoten fand ich goldig. Und, dass man erst einmal nicht genau wusste, worum es überhaupt geht - bis sie eben in ihrem weißen Kleid da steht.
Ich bin zugegebenermaßen ja kein Freund von Kennenlerngeschichten, aber den Sprung in die Vergangenheit finde ich trotzdem sehr gut gelungen und sie hat definitiv Pluspunkte gesammelt, als sie die anderen Jungs mit der Wasserpistole attackiert hat. Darauf muss man erst einmal kommen und sie hat eindeutig bleibenden Eindruck hinterlassen! Haha, ich an seiner Stelle, hätte sie auch geheiratet!
Ein sehr schöner OS, mit liebenswerten Charakteren! Danke dafür!
Antwort von:  Veku
23.11.2015 08:05
Bitte, bitte :) oh, und ich bin eine Tagretterin! Yeah, wollte ich immer schon mal sein *zwinker*

Schön, dass dir die Story gefallen hat. War nicht ganz einfach - ich muss ja sagen, dass 1000 Wörter nicht gerade viel sind und man sich darauf konzentrieren muss, nicht ZU ausschweifend zu werden.

Ich sage ganz vielen lieben Dank für dein ehrliches Kommentar! Es macht mich wirklich sprachlos, dass der One-Shot so viel positives Feddback zu Tage fördert. Danke danke =)
Von: abgemeldet
2015-11-21T18:47:10+00:00 21.11.2015 19:47
Hallo :)
 
Ein sehr schönes Stück hast du da geschrieben. Ich mag die Idee, diesen schönen Moment des Verlieben einzufangen und das ist dir auch sehr gut gelungen. Vor allem, ohne Namen auszukommen (gut, Spitzname hast du aber drin ;D) ist eine tolle Idee und schön, dass du sowas einfach mal ausprobierst!
Gerade, wie er am Anfang nervös ist, hast du super eingefangen und die kleinen Andeutungen, die einem auch selbst passieren (die Beine ständig wechseln z.B.), schön eingeflochten. Toll!
Ehrlich gesagt dachte ich bis zur Mitte wirklich, dass er einfach total verknallt ist - aber nicht, dass es die Hochzeit ist! Da hast du mich echt überrascht :D
 
 
"Gott, ausgerechnet heute hatte er sich auf seine routinierte Handarbeit nicht verlassen können."
Ich mag den Satz, weil ich unheimlich lachen musste. Ich hab nämlich dabei irgendwie an was anderes gedacht...
 
Ich mag deinen Stil, der sich wirklich leicht und flockig liest. Mir ist aber trotzdem was kleines aufgefallen:
 
Er spürte,wie ihm der Mund ganz trocken wurde und es unmöglich schien, gegen den immer größer werdenden Kloß in seinem Hals anzuschlucken.
- Nach "spürte" kommt ein Komma, da du dann im Nachsatz ein eigenes Verb hast
 
Eben Angesprochenen zuckte zusammen (...)
- Angesprochen klein
 
Mit jedem Schritt kam sie näher, näher zu ihm, näher zu dem Versprechen, dass sie sich heute geben würden.
- Sehr, sehr toller Klimax! Mag ich sehr - aber "das" hier nur mit einem s ("(...), welches sie sich heute geben würden.")
 
Der Älteste von den Jungen schien damit die Sache für geklärte
- geklärt, ein "e" zu viel.
 
Er spürte, wie es warm um sein Herz wurde und wertete das als Bestätigung dafür, dass er genau das richtige tat.
- das Richtige groß
 
Das sind alles kleine Flüchtigkeitsfehler, die aber dem Lesen keinen Abbruch tun (und vermutlich meistens sowieso überlesen werden).
Gerade das Ende hat mir unglaublich gut gefallen, ich mag es, wenn sowas wieder aufgenommen wird. Und die Kennenlern- Geschichte ist so süß!
 
 
Ich find die Geschichte wirklich toll! Du hast einen sehr, sehr angenehmen Stil.
 
Liebe Grüße,
Lichti
Antwort von:  Veku
23.11.2015 08:00
Und was das für Flüchtigkeitsfehler sind -.- ich musste gerade wirklich lachen, da ich die Story nicht nur einmal korrigiert habe, und dann ist mir doch noch so vieles durch die Lappen gegangen, tze xD

Ich danke dir für dein ehrliches und vor allem umfangreiches Kommentar. Und ja, das mit der "routinierten Handarbeit"... ich habe wirklich lange überlegt, ob es der richtige Ausdruck dafür ist und ob ich es wirklich so stehen lassen kann, aber letztendlich dachte ich, ja, lass mal stehen =) die passende Wirkung hatte es ja anscheinend xD ein Hoch auf die Gedanken!


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