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Erinnerungen

von

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Die Sonne neigte sich bereits gegen den Horizont und färbte die Welt in ein dämmriges Licht. Trotz allem war es warm, wodurch der Strand noch immer gut besucht war. Ein buntes Treiben verschiedenster Personen und Aktivitäten. Für die meisten unbemerkt stand eine Gestalt am Rand des Treibens, die so überhaupt nicht in dieses Bild passen wollte. Die hohe, aufgerichtete Gestalt mit fast steif wirkender Körperhaltung, die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt, das Gesicht ausdruckslos. Der Vulkanier wirkte so fehl am Platz und doch stand er schon eine ganze Weile unbewegt an der gleichen Stelle. Es war schwer zu sagen, ob er das ausgelassene, fröhliche Treiben als unlogische Dummheit abwertete oder ob er es überhaupt bemerkte. Er stand so unbeweglich da, dass er beinahe wie eine Statue wirkte.

Tatsächlich hatte Sarek kaum einen Blick für die Menschen und anderen Rassen um ihn herum. Warum genau er hierhergekommen war, wusste er selbst nicht. Die Handlung entbehrte jeder Logik, hatte nicht einmal den geringsten Anteil einer vernünftigen Regung und dennoch hatten seine Schritte ihn hierher geführt. Erneut lag ein langer Tag mit Versammlungen hinter ihm, ein Tag wie jeder andere, den letzten 364 Tagen so gleich. Nichts war anders heute. Zumindest gebot der Verstand, dass heute nichts anders war. Doch selbst der aufrichtigste Anhänger Suraks konnte sein Herz an diesem Tag nicht mit Logik und Verstand beruhigen. Nicht heute!

Natürlich drang davon nichts nach außen. Sarek würde sich niemals die Blöße geben seine Gedanken oder gar Emotionen an die Oberfläche treten zu lassen. Dennoch tobte alles in ihm, Wut, Trauer, ja selbst Hass, doch keine Emotion reichte so tief wie die Sehnsucht. Und diese hatte ihn hierher geführt. Überfüllt von allen möglichen Rassen, die in der Akademie der Sternenflotte gemeinsam lernten, viel zu nah an der Stadt mit ihrem künstlichen Licht, die das Leuchten der untergehenden Sonne und nahenden Sterne vertrieb. Es war ein anderer Strand, es war sogar eine andere Küste. Dieser Besuch widersprach aller Vernunft. Dennoch bemerkte Sarek von seiner Umwelt kaum etwas, sah den Strand von San Francisco und sah ihn doch nicht. Seine Gedanken waren weit weg. In einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, an einem anderen Strand…
 

„Vulkan ist ein Wüstenplanet nicht wahr?“, fragte ihn die junge Frau. Sarek wandte sich zu ihr um, begegnete dem Blick ihrer warmen Augen. Sie wich seinem Blick nicht aus, lächelte leicht, jedoch nicht dieses falsche Lächeln, hinter dem Menschen sich allzu gern versteckten. Amanda Grayson, ihres Zeichens Lehrerin für englische Literatur, stand vollkommen entspannt vor ihm und wartete auf seine Antwort. „Das ist korrekt.“, erwiderte Sarek. Sie nickte und da die Frage beantwortet war, wandte Sarek sich erneut zum gehen. „Sagen Sie Botschafter“, setzte die Menschenfrau erneut an und wartete bis er sich ihr wieder zuwandte. Das war ungewöhnlich, viele Menschen waren von ihm eingeschüchtert, wagten nicht ihn anzusprechen, ja nicht einmal anzusehen. Und nun stand diese Frau vor ihm, betrachtete ihn offen und wollte anscheinend ein paar Fragen stellen. Sarek empfand diesen Umstand als ausgesprochen akzeptabel. Ein solches offenes Verhalten erschien ihm logischer als das Verhalten vieler seiner Kollegen. „Gibt es auf Vulkan Meere?“, beendete sie ihren Satz, worauf seine Augenbraue ein wenig in die Höhe wanderte. „Nein.“, antwortete er wahrheitsgemäß. Miss Grayson sah ihn an, auffordernd, wartend? Wollte sie mehr wissen? Ihre Frage hatte er beantwortet, vermutete aber, dass in dieser einfachen Ja/Nein Frage weitere enthalten waren. Auch dies war eine Angewohnheit der Menschen, die ihm inzwischen häufiger begegnet war. Sie verwendeten ihre Sprache häufig höchst ineffizient, indem sie beispielsweise Mehrdeutigkeiten verwendeten oder eben unklare Fragen stellten.

„An der Oberfläche des Planeten gibt es kaum größere Wasserflächen. Doch es gibt unterirdische Wasservorkommen.“ Er hätte ihr den genauen Prozentsatz der Wasservorkommen Vulkans nennen können, die Unterschiede zwischen Sommer- und Wintermonaten. Aber er hatte festgestellt, dass Menschen häufig mit ungenauen Antworten zufriedener waren und Worte wie „kaum“, „etwa“ und ähnliches verwendeten. Auch dies erschien ihm ausgesprochen unlogisch, aber er lernte damit umzugehen und nutzte sie selbst in Gesprächen mit Menschen. Obwohl ihm das unlogisch erschien, waren die Menschen damit zufriedener.

Auch Amanda schien diese Antwort zu genügen. „Dann sollten Sie unbedingt unseren Strand besuchen Botschafter. Nicht die Touristenfalle, sondern ein Stück weiter. Dort wo die Lichter der Stadt nicht hinkommen. Und dann wenn die Sonne untergeht oder direkt in der Nacht“ „Warum sollte ich das tun?“, fragte er, da sich ihm der Sinn eines solchen Besuchs nicht wirklich erschloss. Miss Grayson lächelte ihn an und es war ein Anblick der tiefer in ihn drang, als Sarek sich jemals eingestehen würde. „Weil es wunderschön ist! Wenn die Welt im sanften Leuchten der Dämmerung versinkt, wenn es so aussieht als würde die Sonne ins Wasser fallen. Weil es nichts Schöneres gibt als in einer warmen Sommernacht am Strand zu liegen, das Rauschen des Meeres im Ohr und die Augen auf die fernen Sterne gerichtet.“ Der Blick ihrer braunen Augen schien in die Ferne zu gleiten und ihre Worte schienen ihn mit in diese Ferne mitnehmen zu wollen. Fast war es Sarek als könne er sehen, wovon sie sprach, fast so, als würden ihre Erinnerungen offen vor ihm liegen…

Ein Klingelzeichen unterbrach die Szene und rief beide, Mensch wie Vulkanier wieder zur Ordnung. Miss Grayson schüttelte den Kopf in einer Weise, als müsste sie etwas abschütteln. Dann sah sie wieder lächelnd zu ihm. „Ich weiß, Sie haben einen straffen Zeitplan Botschafter, aber bitte, tun Sie sich selbst den Gefallen und lassen sich vom Meer verzaubern. So und jetzt muss ich wirklich gehen, sonst springen meine Schüler über Tische und Bänke.“ Mit einer schnellen Bewegung drehte sie sich um und verschwand in dem langen Gang.
 

Sarek hatte sich in der folgenden Meditation mit dem Gespräch auseinandergesetzt. Normalerweise hätte es in seinen Gedanken kaum eine Rolle gespielt, schon gar nicht in einer Meditation. Doch Amanda Grayson vermochte es immer wieder sich in seine Gedanken zu drängen. Schon bei ihrer ersten Begegnung vor ein paar Wochen war sie ihm aufgefallen, weil sie so sehr aus der Masse der Menschen heraus zu scheinen schien. Und heute wieder, was waren das für Bilder gewesen, die sie ihn hatte sehen lassen? Sarek reflektierte darüber, ob er sie möglicherweise berührt hatte, doch zu keinem Zeitpunkt während keiner ihrer Begegnungen hatte es körperlichen Kontakt zwischen ihnen gegeben. Die nächste Überlegung bestand darin, ob er, auch ohne sie tatsächlich zu berühren, einfach zu nah gekommen war, sogar in ihren Intimitätskreis eingedrungen war und dadurch ihre Gedanken spüren konnte. Doch auch dies musste er verneinen. Sie hatten einen akzeptablen Abstand eingehalten, der für ein Gespräch angebracht war. Aber er konnte sich die Bilder auch kaum eingebildet haben. Sarek war noch nie an einem Strand gewesen, weder auf der Erde noch auf einem anderen Planeten. Es hatte bis her keine Notwendigkeit dazu bestanden. Dennoch hatte er deutlich vor Augen, was Miss Grayson beschrieben hatte und noch viel deutlicher war der Nachklang ihrer Empfindungen in seinem Inneren. Freude, pure Freude hatte ihren Geist in diesem Moment durchflutet und der aufrichtige Wunsch, dass ihm ein Besuch dieses Ortes mit derselben Emotion erfüllen würde.

Sarek öffnete die Augen und sah auf das Meditationslicht vor ihm. Er konnte sich diesen Vorfall nicht erklären. Im Grunde konnte er nicht einmal klären, ob nun er in ihren oder sie in seinen Geist eingedrungen war. Das verblüffendste an dieser Sache war jedoch wie vertraut ihm diese Präsenz erschienen war. Eine Präsenz die so viel Wärme und Sanftheit ausgestrahlt hatte, aber auch so viel Leidenschaft. Umso mehr er über Amanda Grayson nachdachte, umso mehr erschien sie ihm als der faszinierendste Mensch, der ihm jemals begegnet war.
 

Die Sonne spiegelte sich auf den Wellen wider, die langsam an den Strand rollten. Ein leichter Wind trug die Gerüche des Meeres an Land. Der Wind brachte keine Kühle, er war warm. Der Sommer hatte auch für Vulkanier eine akzeptable Temperatur. Sie lag zwar deutlich unter dem gewöhnten Niveau auf Vulkan, war jedoch noch im durchaus als angenehm zu bezeichnenden Rahmen.

Und in dieser warmen Sommersonne saß Sarek nun also am Strand, den Strand, welchen Amanda in sein Bewusstsein gepflanzt hatte. Im Gegensatz zu dem Abschnitt, der direkt an die Hauptstadt grenzte, war es hier angenehm ruhig. Nur vereinzelt waren Menschen zu sehen, die entweder in der Sonne lagen und … Ja, was taten diese Menschen da? Sie setzten ihre leichtbekleideten oder gar nackten Körper den Strahlen der Sonne aus, aber er erkannte den Sinn dahinter nicht. Meditierten sie? Schliefen sie? Einige Menschen lasen, anderen unterhielten sich. Wieder andere gingen sportlichen Aktivitäten nach, an Land oder im Wasser. Es war ein interessantes Schauspiel die Menschen in diesen Handlungen zu beobachten, die sie selbst als „Freizeitbeschäftigungen“ bezeichneten. Der Sinn vieler Aktivitäten verstand er nicht, vermutete aber, dass es sich um Taten handelte, die von den Menschen als „Spaß und Erholung“ definiert wurden. Wie jeder Vulkanier, verstand auch Sarek unter Erholung eine tatsächliche Erholung und Ruhephase für Körper und Seele in Form von Meditation oder Schlaf. Energieverbrauch bei körperlicher Betätigung als Erholung zu bezeichnen erschien ihm in höchstem Maße unlogisch und wies die menschliche Rasse erneut als eine unlogische aus.

Doch auch wenn ihn die Beschäftigungen der Menschen irritierten konnte sich Sarek der Faszination für das Meer selbst tatsächlich kaum entziehen. Bei jedem Anflug auf die Erde waren die blauen Flächen des Planeten in seinen Blick gekommen. Nun saß er direkt davor und ließ seinen Geist ziehen. Er spürte die gewaltige Macht, die in den scheinbar sanften Wellen lag. Eine Macht die ebenso schrecklich wie gewaltvoll sein konnte, wenn sie entfesselt wurde. Er spürte die verborgenen Tiefen in denen das Leben dieses Planeten einst seinen Ursprung genommen hatte. Wasser bedeutete Leben, das galt auch für Vulkanier. Und dieses Leben nun in diesem Ursprung zu fühlen, erfüllte ihn mit tiefem Respekt.

Doch plötzlich rief etwas oder jemand seinen Geist aus der tiefen Meditation zurück an die Oberfläche der Realität. Eine Präsenz, die ihm nicht so vertraut sein sollte und es doch war.

Sarek öffnete die Augen und begegnete dem überraschten, aber freundlichen Blick von Amanda Grayson.

Sie stand vor ihm, ihr Körper tropfte und der Geruch des Meeres mischte sich mit ihrem eigenen. Ihr Körper war lediglich dürftig bedeckt und das auch nicht in einem Maße, die etwas verbergen würde, da das Kleidungsstück sich wie eine zweite Haut um ihren Körper gelegt hatte. Um ihre Schultern hatte sie ein Handtuch. Ihre sonst ordentlich frisierten Haare, fielen lang und wild über ihren Rücken.

Sarek hatte dies alles in der Sekunde gesehen, die sein Blick nach oben gewandert war, um ihrem Blick zu begegnen.

„Miss Grayson!“, grüßte er sie und erhob sich in einer einzigen Bewegung, sodass die Menschenfrau nun wieder zu ihm aufsehen musste. „Botschafter Sarek, wie schön Sie hier zu sehen.“ Erneut breitete sich dieses offene Lächeln in ihren Zügen aus und gab ihren braunen Augen den so vertrauten warmen Schein. „Ich muss sagen, ich bin positiv überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass sie hierher kommen würden.“, eröffnete sie ihm ehrlich. Und in seinem Inneren musste Sarek ihr Recht geben, hierher zu kommen hatte keine wirklich erklärbare Ursache. „Nun ich befolge Ihren Rat.“, sagte er. „Die Erde über offizielle Termine heraus kennenzulernen gehört als Botschafter ebenso in meinen Pflichtbereich wie die Vertretung Vulkans. Ich habe Ihre Aussage in dieser Weise interpretiert und bin ihrem Ratschlag daher gefolgt.“ Das Lächeln von Miss Grayson veränderte sich, Sarek glaubte Belustigung zu erkennen, war sich aber nicht ganz sicher. „Die Pflicht steht über allem, wie es scheint.“, sagte sie leise und Sarek neigte in einer minimalen Geste zustimmend seinen Kopf. „In der Tat.“, erwiderte er. Sie schüttelte den Kopf und lachte leise, was Sareks Irritation vergrößerte. „Darf ich fragen, worin der Grund für Ihre Belustigung liegt, Miss Grayson?“

Sie sah ihn an, schien einen Moment zu überlegen und dann Entscheidung zu treffen. „Sie dürfen Botschafter, aber dafür würde ich mich gern zu Ihnen setzen… Ach und bitte sagen Sie Amanda. Außerhalb der Schule hat Miss Grayson immer so einen ungewohnten Klang.“ Ihre Offenheit faszinierte ihn erneut und so neigte er erneut in einer zustimmenden Geste den Kopf.

Sie setzte sich auf ihr Handtuch und auch Sarek ließ sich wieder in den Sand sinken. „Nun Botschafter der Grund für meine Belustigung, wie Sie es nennen, liegt in Ihren Worten.“, begann sie. „Ich habe Ihnen einen Besuch des Strandes empfohlen, damit Sie auch mal was anderes tun als arbeiten. Nun bezeichnen Sie diesen Besuch hier aber auch als Teil Ihrer Pflicht, aber es hört sich an wie eine Rechtfertigung dafür, dass Sie einfach mal neugierig waren und nun hier entspannen. Und das finde ich gleichermaßen amüsant wie sympathisch.“ „Ihre Denkweise entzieht sich meinem Verständnis.“, antwortete Sarek ihr wahrheitsgemäß, worauf sie lächelte. „Das kann ich mir vorstellen und ich versichere Ihnen Botschafter, es geht mir häufig nicht anders mit Ihnen! Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen genieße ich unsere Unterhaltungen sehr und freue mich, wenn ich Sie sehe.“ Miss Grayson, nein Amanda, faszinierte ihn mit ihrer Art und fehlenden Berührungsängsten immer mehr. Und dies führte dazu, dass Sarek etwas tat, was er während seines gesamten Lebens noch nie getan hatte, er handelte spontan und aus einem, nun es gab kein anderes Wort dafür, er handelte aus einem Gefühl heraus. „Auch ich empfinde unsere Gespräche als ausgesprochen akzeptabel und anregend. Und da Sie darauf bestehen, dass ich Sie in einem solchen privaten Umfeld bei Ihrem Vornamen nenne, möchte ich Sie bitten dies ebenfalls zu tun und meinen Titel wegzulassen.“ Sie warf ihm einen überraschten Blick zu, nickte aber. Sarek begegnete ihrem Blick und sah, dass sie überlegte. Doch auch dieses Mal traf Sie eine schnelle Entscheidung. „Ist Sarek denn Ihr Vorname?“ Neugier, sie hatte überlegt, ob sie ihm diese Frage stellen sollte. Sarek prägte sich diesen Blick ein, ein weiteres Detail über diese Frau.

„Ja.“, beantwortete er ihre Frage. „Ich habe noch einen anderen, aber den könnten Sie nicht aussprechen.“, führte er weiter aus, weil er spürte und weil er wusste, dass sie mehr wissen wollte, als sie mit ihrer Frage ausgesprochen hatte. „Vielleicht ja doch, ich habe eine begabte Zunge.“, sagte sie und Sarek erkannte dieses Mal ohne Probleme den Scherz. Es war leichter sie zu verstehen als viele andere Menschen.
 

Sie hatten eine Weile geschwiegen und sie hatten über viele Dinge gesprochen. Reden wie Schweigen waren mit ihr sehr angenehm gewesen. Die Zeit verging und irgendwann bemerkte Sarek zu seiner eigenen Verwunderung, dass es bereits abends war. Der Strand um sie herum war inzwischen leer und sie waren allein. Und er bemerkte noch etwas anderes. „Sie frieren Amanda.“ Sie schien nicht wirklich Interesse dafür zu haben. „Selbst Schuld den nassen Badeanzug anzulassen.“ Sie zuckte mit den Schultern, machte jedoch keine Anstalten sich zu erheben, um trockene oder zumindest wärmere Kleidung überzuziehen. „Wir sollten zurückkehren, damit Sie sich aufwärmen können. Ich habe gelesen, dass Menschen schnell krank werden, wenn sie frieren.“ Sarek wollte sich erheben, um zu signalisieren, dass er bereit zum Aufbruch war, doch Amanda berührte seinen Arm.

Es war nur eine leichte Berührung, flüchtig. Und doch konnte Sarek ihre Berührung bis tief in seinen Geist fühlen. Die eigentümlich kühl-warmen Finger auf seiner wärmeren Haut, die sich nicht bewegten, die nicht einmal Druck ausübten und ihn doch mit einer Wucht in seiner Position verharren ließen, als würde ihn ein anderer, stärkerer Vulkanier auf den Boden drücken. Sie wünschte nicht, dass er ging, sie wünschte seine Anwesenheit an ebendiesem Platz zu dieser Zeit. Und wie könnte er ihr diesen Wunsch nicht erfüllen!

„Die Sonne wird gleich untergehen und danach werden die Sterne zu sehen sein. Sie sollten ihre begonnenen Betrachtungen zu Ende führen Sarek.“ Amanda hatte ihre Hand längst zurückgezogen, doch nun hielt ihr Blick ihn ebenso fest, wie es ihre Hand getan hatte. „Wie Sie wünschen Amanda…“, erwiderte er leise und sie hatte ihm wieder dieses wunderbare Lächeln geschenkt.

Und so blieben sie sitzen.

Amanda hatte ihn nur kurz verlassen, um ihre Sachen zu holen und sich ein Kleid überzuziehen, das kaum so aussah, als würde es sie mehr wärmen. Es war offensichtlich, dass sie nicht darauf eingestellt gewesen war, über den heißen Nachmittag hinaus am Strand zu bleiben. Als sie wieder zu ihm zurückkam, signalisierte Sarek ihr, dass sie sich näher zu ihm setzen sollte, sodass seine höhere Körpertemperatur ihr zumindest ein wenig Wärme bereiten konnte.

Es fiel kein Wort mehr zwischen ihnen.

Sie saßen nebeneinander und betrachteten den Sonnenuntergang.

Und wieder später lagen sie stumm nebeneinander, den Blick zu den Sternen gerichtet, umgeben von den Geräuschen des Meeres.

Sie waren sich so nah, dass sie sich beinahe berührten, doch Sarek spürte ihre Nähe so sehr, als würden sie in enger Vereinigung liegen. Er hörte sie atmen, nahm ihren Geruch wahr, doch vor allem spürte er ihre Präsenz in sich. Es war als hätten sich ihre Geister verbunden und lagen ebenso beieinander wie ihre Körper es taten, vielleicht sogar noch enger.

Amanda ließ ihn teilhaben an ihren Gedanken und Erinnerungen. Er sah die Sterne mit ihren Augen, spürte die tiefe Sehnsucht hinauszuziehen und wenigstens ein paar von ihnen zu besuchen. Und er ließ sie ebenso an seinen Erinnerungen teilhaben, zeigte ihr Bilder von Vulkan und anderen Planeten, die er auf seinen vielen Reisen besucht hatte. Sie reagierte mit Staunen, mit Faszination und Dankbarkeit. Er sah die Dinge anders als sie, sein logischer Verstand reflektierte Wahrnehmungen so verschieden zu ihrem gefühlsbetonten Denken und doch fanden sie einen gemeinsamen Weg ihre Erinnerungen zu teilen.

Sie kamen mit ihren Gedanken zurück auf die Erde, zurück zu diesem Ort. Amanda übermittelte ihre Freude an diesem Ort, der Tätigkeit des Schwimmens und ihr Erstaunen, als sie sein Unbehagen bei dem Gedanken verspürte vollständig von Wasser umgeben zu sein. Er ließ sie teilhaben an der Macht des Meeres, in die er sich während der heutigen Meditation hatte gleiten lassen. Sie nannte es eine andere Art des Schwimmens, eine die weiter ging als ihre. Und Sarek ließ ihr diesen unpräzisen Vergleich durchgehen.

Und so lagen sie am Strand, umgeben von den Geräuschen der Nacht und des Meeres, unter ihnen der warme Sand und über ihnen der klare Himmel voller Sterne. Sie waren so eng verbunden, so nah und doch hatte es in dieser Nacht keine einzige Berührung zwischen ihnen gegeben.
 

Sareks Gedanken verfolgten diese erste Nacht und gingen noch viel weiter. Er dachte an die Unsicherheit, mit der sie sich in der auf diese Nacht gefolgten Begegnungen getroffen hatten. Er erinnerte sich an Versuche der Annäherung und des Zurückstoßens. Er ließ die Bilder in sich aufsteigen, ließ die Erinnerungen kommen. Amanda errötet nach ihrem ersten Kuss, wütend über Gerüchte um sie beide, müde der Rechtfertigungen ihrer Beziehung, strahlend an seiner Seite, traurig über den Abschied von der Erde und doch gespannt auf neue Planeten. Er sah ihr Lächeln, ihre Tränen. Er spürte ihre Wärme, ihre Leidenschaft, ihre Liebe. Er gedachte jedem Wort, jeder Geste, jedem Konflikt, jeder getauschten Zärtlichkeit. Und er fühlte sich betrogen, betrogen um die Worte, die sie nie mehr reden würden, um die Reisen, die sie nie mehr antreten würden, um die Küsse, die sie nie mehr tauschen würden. Er fühlte sich betrogen um all die Jahre, die Amanda noch hätten gehören sollten. Hätte es denn nicht gereicht, dass ihr Leben umso viel kürzer gewesen wäre, als das seine! Hätte ihr Tod nach einem langen, glücklichen Leben ihm denn nicht schon genug Kummer bereitet!

Stattdessen war sie ihm geraubt worden, so lange vor ihrer Zeit. Wie selten zuvor spürte Sarek die unverheilte Wunde, die ihr Tod in seinem Inneren hinterlassen hatte. Er spürte die Einsamkeit in ihrer brutal zerrissenen Bindung. Amanda, Freundin, Partnerin, Geliebte, tief verbunden in Körper und Geist. Eine Verbindung die stark genug gewesen war, die Grenzen ihrer Rassen zu überwinden. Und klarer als jedes andere Bild in seinem Inneren trat nun ein anderes hervor. Amanda, müde und erschöpft, noch mit den Spuren vergossener Tränen auf ihren Wangen und doch unendlich glücklich mit ihrem Baby im Arm. Er war zu ihr gekommen, hatte seinen Sohn in ihren Armen betrachtet. „Er hat deine Augen“, hatte er gesagt und sie hatte liebevoll über den kleinen Kopf gestrichen. „Und deine Ohren.“ Ihr Blick hatte nur dem Kind gegolten, das sich in ihre sanften Berührungen geschmiegt hatte. Spock, sein Leben lang so bemüht um die vulkanische Kontrolle und doch hatten ihn seine menschlichen Augen sooft verraten. Amandas Augen im Gesicht seines Kindes hatten ihn wie alle anderen Vulkanier ebenfalls immer an seine Andersartigkeit erinnert. Doch für die anderen unentdeckt geblieben waren die anderen Dinge, die Spock von seiner Mutter hatte. Ihre Güte, ihre Sanftheit, aber auch ihren starken Willen und Neugier. „Du wirst immer ein Kind zweier Welten sein … und ich bin dankbar dafür und für dich!“, hatte Sarek seinem verzweifelten Sohn auf der Enterprise gesagt. Er war schon immer dankbar für Spock gewesen, doch nach Amandas Tod war sein Sohn ihm noch wertvoller geworden. Spock war Amandas Geschenk an ihn, sie würde immer erkennbar, immer lebendig sein in ihrem Kind. Und Sarek spürte wie die tiefen Wunden in ihm ein wenig zu heilen begannen. Amanda war tot, doch sie war nicht endgültig verschwunden. Nicht solange sich an sie erinnert wurde, nicht solange sie so sehr geliebt wurde. Sie war bei ihm, sie war bei Spock und Zeit seines Lebens würde sie auch bei ihnen bleiben.



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