Zum Inhalt der Seite

Hot Touch

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Hannahs und Paulas Margaritas stießen mit einem hellen Klingen zusammen und die beiden zwinkerten sich kicherten zu.

Dann fing das Gerede über Schuhe von neuem an. Innerhalb der letzten Stunde hatte Noah bereits gelernt, dass Paula Peeptoe Ankle Boots trug und Hannah Weinrote Plateau High Heels, die so verboten hoch waren, dass sie Noah damit sogar um 1 oder 2 Zentimeter überragte.

Jan dagegen reichte sie trotzdem nur bis unters Kinn. Wie groß er war und diese starken, breiten Schultern.....gedankenverloren rührte Noah mit dem Strohhalm in seinem Mojito herum und versuchte konzentriert, an Stelle von Jan, zur Abwechslung einmal die Limette am Glasrand zu fixieren. Jan schenkte ihm ohnehin keine Beachtung.

Noah seufzte leise und sah zu wie der Mann ihm gegenüber seinen Whisky in einem Zug leerte und zwei junge Frauen ansprach, die an ihm vorbeitänzelten.

Noah wurde fast schlecht bei dem Anblick der überschminkten Püppchen.

„-und dann hab ich ihr gesagt, dass man doch deutlich sehen kann, dass das nicht von Versace ist. Unmöglich, oder? Nicht wahr?“, Hannah stieß Noah in die Seite, dem daraufhin die Limette vom Glas fiel: „Was?“

„Verdammt Noah! Hast du gar nicht zugehört?!“, schimpften Paula und Hannah wie aus einem Mund.

„Also ich finde, dass ein Absatz nicht über 8cm hinaus gehen muss“, erwiderte Noah trocken und stieß schon zum fünften Mal gegen den schweren, kleinen Cocktailtisch, der immer im Weg stand und ihm nicht einmal über die Knie reichte.

„Darüber reden wir doch schon lange nicht mehr. Es ging um Versace. Oh man. Also wirklich! Hauptsache du hörst morgen auf der Arbeit wieder besser zu.“

Noah sah sie mit überfordertem Gesichtsausdruck an und lehnte sich resigniert zurück. Bis er merkte, dass die dumme Bank ja gar keine Lehne hatte und er mit den Armen rudernd nach hinten über kippte, wobei er mit dem Fuß seinen Mojito vom Tischchen kickte.

„Hab dich!“, sagte eine raue Stimme hinter seinem Kopf, während ihn zwei starke Arme wieder nach oben Zogen, ehe er auf dem Boden aufschlagen konnte.

Noah hatte gar nicht bemerkt, dass Jan aufgestanden war.

Diesmal setzte Jan sich nicht wieder in den Sessel gegenüber, sondern lies sich zwischen Hannah und Noah auf die Bank fallen.

„Ich ...äh danke.“, Noah griff hastig nach seinem Mojito und trank den Rest mit einem Mal leer, „Ich glaub ich brauch noch einen.“, seine Worte überschlugen sich, als er aufstehen und zur Bar gehen wollte.

Doch Jan zog ihn wieder runter: „Brauchst du nicht. Ich hab uns allen eben schon Nachschub bestellt. Geht auf mich.“

Noah begann nervös auf der Unterlippe zu kauen: „Danke..“, nuschelte er.

„Hannah hat erzählt, dass du nächsten Monat 23 wirst.“, Jan grinste.

Es war das erste Mal, dass Noah ihn grinsen sah.

„Stimmt..“, gab er verlegen zu, „Sag mal...wie..“, er stockte.

„Wie alt ich bin?“

Noah nickte und rührte sinnlos in seinem Glas herum in dem nur noch Eiswürfel und Minze waren.

Jan knöpfte sich die beiden obersten Knöpfe seines anliegenden schwarzen Hemdes auf und schob die Ärmel bis in die Armbeugen hoch.

„35.“, sagte er schließlich, nahm seiner Schwester, den Margarita aus der Hand und trank den letzten Schluck daraus.

„Hey!“, protestierte Hannah wobei sich eine Locke aus ihrer aufwendigen Hochsteckfrisur löste und in ihr Gesicht fiel.

„Du hattest sowieso schon ganz schön viel.“, stellte Jan neutral fest und wirkte zum ersten Mal tatsächlich wie der ältere Bruder.

„Oh man und das mitten in der Woche...“, stöhnte Paula reumütig, der wohl gerade aufgefallen war, dass ihr Verhalten nicht gerade der verantwortungsbewussten Chefin entsprach, die sie gern verkörpern wollte.

„Du hast wenigstens morgen frei!“, flötete Hannah ihre Vorgesetzte an und schwankte leicht.

Eine ziemlich kleine Blondine mit einem für ihren sonst so zierlichen Elfenkörper ungewöhnlich großen Vorbau, schnellte mit einem schwarzen, runden Tablett auf ihren Tisch zu und verteilte diverse Shots vor Ihnen.

„Vielleicht sollten wir morgen den Laden schließen!...wenn ich das so sehe..“, Hannah lachte schrill auf und drehte an einem ihrer Ohrringe herum.

Noah sah besorgt auf Paula und erwartete eine Predigt, doch Paula war schon so angetrunken, dass sie einfach fröhlich mitlachte und ohne auf den Countdown zu warten, eine Cocktailkirsche von ihrem ersten Drink mit einem Shot hinunterspülte.

Jan wandte sich zu Noah: „Ich glaub die müssen wir nachher ins Taxi tragen.“

Während er das sagte zwinkerte er ihm leicht zu, was Noah nur noch mehr irritierte.

Von der Bar sah hin und wieder eine Gruppe von Kerlen, zu den beiden kichernden Frauen herüber, woraufhin Jan ihnen eine finsteren Blick zuwarf den Kopf schüttelte und die Männer sich wieder den Barfrauen widmeten. Noah lächelte verstohlen: „Da passt aber einer auf.“

Sie stießen mit ihren Shots an, ehe Paula und Hannah sich auch noch darüber hermachen konnten.

„Ach du scheiße!“, Noah verzog das Gesicht und wischte sich mit dem Ärmel über die Lippen.

Jan lachte nur.

„Scheiße was war das denn?!“

„ Ich glaube du hattest den B52.“, Jan lachte immer noch.

„Gar nicht meins.“, stöhnte Noah und sah über die weiteren, „Na du hast es aber gut gemeint mit der Auswahl!.“

Hannah und Paula hatten derweil die Arme hinter ihre Rücken gelegt und sich über zwei neue Shots gebeugt. Gerade als sie die Lippen um die kleinen Gläser schlossen, sah Noah skeptisch zu Jan und fragte: „Was machen die denn jetzt für einen Quatsch?“

Jan zwinkerte ihm leicht zu, doch als er merkte, dass Noah es wirklich nicht wusste, erklärte er: „So trinkt man die. Ohne Hände.“

„Und welche Shooter haben sie? Ich kann die nie unterscheiden, wenn ich sie nicht selbst bestellt habe.“

Jan sah Noah in die Augen: „Die nennt man...Blow job.“

„ach deswegen ...das Glas nur...mit dem...“

„nur mit dem Mund . genau.“, ergänzte Jan während Noah rot anlief.

„Ich ….bin mal kurz...“, Noah brachte den Satz nicht zu Ende und flüchtete mit pochendem Herzen in Richtung der Toilettenräume.

Die Spiegel über den Waschbecken waren nicht wirklich sauber und an dem vor dem er jetzt stand, klebte sogar ein Obstaufkleber. Von einer Banane glaubte er. Ausgerechnet von einer Banane..

Immer noch zittrig spritzte Noah sich etwas Wasser ins Gesicht und betrachte sein Spiegelbild.

Er lies noch zwei Minuten verstreichen, ging sich die Hände und das Gesicht abtrocknen und wandte sich schnell und ohne aufzusehen zur Tür, wobei er gegen eine harte Brust stieß.

„Gehts dir gut?“, fragte Jan, „Ich dachte ich schau mal lieber nach dir. Du warst schon 10 Minuten weg.“

Noah sah ihn nur erschrocken an. Es machte ihn nervös, dass er zu dem Anderen aufsehen musste, dass sie hier gerade allein drin waren, dass Jan wusste wie lange er weg gewesen war und dass er so verdammt...so verdammt nah vor ihm stand. Die Nähe vor allem.

„Ich glaub ich hatte einfach....einen zu viel.“

Jan packte Noah an den Schultern und sah ihn an, wobei er mit Nachdruck fragte: „Ganz sicher nur das?“

Noah nickte und fragte sich sofort, ob Jan etwas ahnte. Trotz der zahlreichen Drinks, fühlte sein Mund sich jetzt gerade Staubtrocken an.

Er räusperte sich leise und hatte das peinliche Gefühl, dass sein Herz so laut schlug, dass Jan es doch hören musste.

Jan schien jedoch beruhigt und nahm die Hände wieder runter: „Lass uns zu den beiden Hühnern zurück gehen, okay?“, er machte Anstalten die Schwingtür mit der Schulter aufzustoßen.

„Warte..“, Noah griff nach Jans Handgelenk, der Rum und die Aufregung ließen heisse Schauer durch seinen Körper jagen.

Draußen vor der Tür dröhnte dumpf der nächste Song der aktuellen Charts. Irgendwas von Robin Schulz. Headlights oder so. Irgendwie sowas.

„Was denn?“, Jans Stimme klang nach dem Whisky noch rauer und wurde fast von der Musik in der Bar übertönt:

»[...] I know it's cold. But if you stay then I can keep you warm all night..[...]«

„Sag schon, die beiden trinken uns sonst alles weg.“

Noahs Gedanken rasten. Dann wagte er es doch nicht und flüsterte nur heiser:

„Ich muss nach Hause. Ich verschlaf sonst morgen.“

Schnell drängelte er sich an Jan vorbei durch die Tür und durch die vielen Menschen, die sich in die Bar gequetscht hatten.

Er hörte wie Jan ihm einmal nachrief, dann war er draußen auf der Straße und atmete die kühle Nachtluft ein. Es begann stark zu regnen. Ein warmer, nächtlicher Sommerregen.
 

Als er wenig später mit zerzausten Haaren im Bett lag, hätte er vor Frust fast in sein Kopfkissen gebissen. Er hatte das Gefühl als würde die Musik immer noch laufen und der Raum sich drehen.

Wieso hatte er Jan nur festgehalten. Was wollte er ihm denn sagen??

Irgendwie war es ein Reflex gewesen.

In seiner Fantasie hatte Jan ihn geküsst. Mitten im Regen. Benommen blinzelte er zum Nachttisch und sah wie sein Handy mal wieder übers Holz vibrierte. Fahrig griff er danach und entsperrte es:

10 neue Nachrichten.

Alle von Hannah.

Klar.....er war einfach abgehauen.

„Scheiße...“, stöhnte er gegen die Matratze und dämmerte schließlich in einen unruhigen Schlaf weg.

Am Donnerstag meldete er sich schnell krank und hustete ein paar mal wenig überzeugend ins Telefon. Wenigstens war weder Hannah noch Paula dran gewesen.

Er verbrachte den Tag im Bett. Ignorierte sein Handy und öffnete lediglich einmal dem Pizzaboten die Tür. Pizza Hawaii und 2 Liter Cola. Sein Körper musste ihn hassen.

Noch ein Bier. Spätestens jetzt: Hass!
 

Am Freitag Morgen band er sich gerade die dunkle Arbeitsschürze mit der schnörkeligen Aufschrift darauf um, als Hannah auf ihn zustürmte. Er hatte gehofft, sie würde erst in einer Stunde aufschlagen.

„Hat Jan Scheiße gebaut?!“, wetterte sie ihn an und stieß ihm ihren Zeigefinger mit dem spitzen pink lackierten Nagel in die Brust.

„Au. Hey.Wieso Jan?“, druckste Noah verwirrt.

„Na er wollte nach dir schauen und auf einmal stürmst du wie von der Tarantel gestochen nach Draußen!! Was hat er gesagt?!“

„Er hat gar nichts...falsches gesagt... ich war...einfach müde.“

Hannah sah ihn ernst an und deutete dann auf ihr Gesicht: „Seh ich aus als würde ich dir das abkaufen?“

Eine Weile war nur das leise Summen des Geschirrspülers zu hören.

Dann brach es schließlich aus Noah heraus: „Was lädst du auch deinen verdammten Bruder ein?! Ich dachte es wären nur wir drei! Du hast mich total damit überrumpelt....!“

„Ich hab ihn nicht eingeladen, er war mit zwei Freundinnen da und hat sich irgendwann einfach zu uns gesetzt, weil er meinte auf mich aufpassen zu müssen!“, verteidigte Hannah sich.

Das stimmte wahrscheinlich sogar.

Noah dachte an die beiden aufgebretzelten Püppchen mit denen Jan geredet hatte.

„Du hättest ihn wegschicken sollen! Oder mal mehr auf mich eingehen können ! Was soll ich denn über scheiß Schuhe mitreden können?!“

„Oh gott ich dachte du würdest mit Jan reden wollen. Immerhin scheinst du ja unerklärlicher Weise auf ihn zu stehen.“

„Ja tu ich verdammt. Das ist ja das Problem!“

Jetzt war es raus.

Noah schien selbst überrascht, dass er es ihr mitten ins Gesicht gebrüllt hatte und obwohl sie es ihm schon die ganze Zeit unterstellte, wirkte sie jetzt etwas aus der Bahn geworfen, als es auf einmal tatsächlich zwischen Ihnen im Raum stand.

„Er ist ...total alt und...ein Klugscheißer und...na mein großer Bruder halt.“

„ Ich ...werd demnächst 23...“, erwiderte Noah leicht verunsichert.

„Dann ist er trotzdem noch 12 Jahre älter und er trinkt Whisky pur“, sie verzog das Gesicht.

„Ach lass mich damit in Ruhe. Ich muss den Geschirrspüler ausräumen!“, zischte Noah und schob sie unsanft zur Seite.

„Finger weg! Der läuft doch noch! Man Noah beruhig dich mal...!“

„Und...und dann habt ihr auch noch verdammte Blow Jobs getrunken!“, kam er aufgebracht wieder aufs Thema zurück. „BLOW JOBS Hannah!“

„Hey die hat Jan uns bestellt, da kann ich nichts für.“, die Spannung zerriss mit einem Mal und beide mussten etwas verlegen lachen.

„Noah er hat uns zwei Mal gefragt, ob er dir vielleicht besser hinterher gehen sollte.“

„Wirklich? Meinst du er.....“

„Oh gott frag mich doch sowas nicht. Wir reden von meinem Bruder!“, sie schüttelte sich und tat etwas angeekelt.

„Hat er sonst noch etwas gesagt. Was hat er gesagt als ich abgehauen bin?“

Hannah grinste verschwörerisch: „Er hat gesagt, dass-“

In diesem Moment betrat Jan selbst das Café und gab ihnen von der Tür aus mit Handzeichen zu verstehen, dass er das übliche wollte, dann setzte er sich an seinen Stammtisch gleich hinter die alte Lady mit dem Chihuahua.

„Machst du das Noah?“

Noah schüttelte den Kopf und steckte flink die Arme ins schaumige Spülbecken, um geschäftig zu wirken: „Mach du lieber.....“

Sie verdrehte die Augen und zog eine große bauchige Kaffeetasse aus dem Regal hinter sich.

„Kommt sofort!“, rief sie zu ihrem Bruder rüber.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück