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Sterbemutation

von

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The Last

Mit einer derartigen Gleichgültigkeit, die man nicht erwartet hätte, blickte Talinse auf die Flecken, die sich auf seinem Arm ausgebreitet hatten. Das war es also. Er hatte es ja geahnt. Auch er war nun infiziert. Infiziert mit dieser unbekannten Seuche, die bereits neunzig Prozent des Lebens dahin gerafft hatte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er starb.

Seufzend nahm er einen großen Schluck aus seinem Flachmann. Was kümmerte ihn ein gesunder Lebensstil, wenn er eh nicht überleben würde? Sein Blick glitt zum dunkel bewölkten Himmel. Er war klitschnass, da er bereits seit Stunden im Regen stand. Aber das kümmerte den ehemaligen Sergeant nicht. Grüner Regen. Zeichen, des immer währenden Verfalls. Dass der Regen ihm langsam oder sicher den Körper zerfraß interessierte ihn nicht. Wieder nahm er einen Schluck aus seinem Flachmann, ehe er sich entschied, sich eine Zigarette anzustecken.
 

„Das ist aber nicht gesund.“ Die Stimme kam von hinter ihm. Ruhig nahm Talinse einen Zug und blies den Rauch aus. „Was kümmert es mich. Ich bin eh so gut wie tot.“ antwortete er der Fremden, die hinter ihm stand. „Und dann machst du dir dennoch die Lunge kaputt?“ Talinse drehte sich um, sah die Kreaturen hinter sich an. „Es ist mir egal. Wofür soll ich gesund leben, wenn mich die Seuche eh bald dahin rafft.“ Er zog wieder an der Zigarette. Die Kreaturen hinter ihm waren die Folge dieses Massensterbens. An den Verwesungsgeruch, der inzwischen dauerhaft in der Luft lag, hatte sich der Sergeant schon

gewöhnt. Nun drehte er sich zu den Fremden um. Die beiden hinter ihm waren das, was er Sterbemutation nannte. Körper von Pokemon, kombiniert mit denen von Menschen. Die eine hatte den Körper eines Psiana, hatte allerdings ihren menschlichen Kopf gehalten. Die andere wirkte mehr wie ein Nachtara-Zentaur. Beide Kreaturen selbst schienen wie zu groß gewordene Katzen.

„Vor allem... Was kümmert es euch? Ihr seid doch eh schon tot.“

„Und dennoch achten wir auf Gesundheit.“ sagte das, was einmal ein Psiana gewesen war.

„Wir stehen im Diesseits, sowie im Jenseits.“

„Das ist mir bereits bewusst.“

Talinse nahm wieder einen Zug von seiner Zigarette.

„Die Seuche rafft mich dahin, wie auch das andere

Leben.“ Er sah aus seine mit Flecken bedeckte Hand und kurz wurde sein Blick schummrig. „Wir kennen den Ursprung der Seuche nicht.“ sagte das Psiana. „Aber wir wissen, dass sie nicht natürlichen Ursprungs ist.“ Talinse antwortete nicht. Sein Blick

glitt wieder zum Himmel, während der Regen in Bächen von seinem Gesicht rann. Dann schüttelte er den Kopf. „Mich interessiert gar nichts mehr. Ich stehe lediglich nur noch hier und warte auf meinen eigenen Tod, auf das die Qualen endlich enden.“ Der letzte Schluck aus seinem Flachmann fand den Weg in seine Kehle. Brummend warf er den Behälter einfach weg.

„Willst du denn leben? Oder willst du sterben?“ stellte das Nachtara ihre Frage. Sie kümmerte sich schon längst nicht mehr um Bekleidung, weshalb ihre menschliche Brust gut sichtbar war. „Definiere Leben.“ brummte Talinse. „Ihr seid doch eh schon

längst tot.“

„Tot, aber wieder ins Leben zurück geholt.“ antwortete ihm das Psiana. „Ich weiß. Eure Königin holt euch aus dem ewigen Frieden zurück in die harte, grausame Welt.“ Langsam sammelten sich um ihn weitere Sterbemutationen von Pokemon und Menschen. Da war eine Art Ibitak. Ein Mensch mit Federn und Flügeln, sowie dem Kamm des Ibitaks. Da war ein Evoli, das dem Psiana vom Aufbau her ähnelte. Es hatte den Kopf eines kleinen Kindes. Eine Schande, dass die Seuche ihm ein richtiges Leben schon im Voraus genommen hatte. Und dann war da ein Pikachu. Menschlich, gelbe Haut, mit Ohren und blitzförmigem Schweif. Alles, was fehlte, waren die roten Wangen. Talinse lies seinen Blick über die Mutationen schweifen. Sie alle waren Menschen und gleichermaßen Pokemon. „Die Seuche hat selbst das Leben selbst getötet.“ sagte Nachtara. „Unsere Königin, selbst zum sterben verurteilt, so wie du, vereinte sich letztendlich mit dem sterbenden Leben. Sie und Xerneas sind eins. Sie gab uns unsere Existenz zurück.“

„Und sie ist wahrscheinlich genauso eine Sterbemutation

wie ihr.“ Daraufhin fauchte Psiana ihn an.

„Beruhig‘ dich, Schwester.“ Nachtara legte ihrer Schwester eine Hand auf den Rücken. „Ja, sie ist genau wie wir, aber was zählt das.“

„Mir egal. Was wollt ihr eigentlich von mir?“ stellte Talinse nun die Frage. Kurz breitete sich Stille aus, ehe Psiana ihn fragte. „Willst du überleben?“ Sie sah ihn genau an. „Oder willst du nach dem Tod nie Frieden finden?“

„Ihr wollt mich also zu einem von Euch machen.“

Ruhig zog Talinse ein letztes mal an seiner Zigarette.

„Wie wir zu sein ist nichts schlechtes.“ gab Psiana zurück. „Unsere Körper mögen vielleicht teilweise verwest sein, dennoch sind wir keine Zombies.“

„Na, da bin ich mir nicht so sicher.“ Talinses Körper begann nun langsam aber sicher zu schwächeln. Sein Blick verschwamm in mehr und kürzeren Abständen und er wurde müde. Sehr müde. „Ich frage dich noch einmal: Willst du leben, oder sterben?“ Talinse sah erneut in den Himmel, und schwieg.

„All meine Lieben, meine Familie, Freunde und Verwandten, sind dieser Seuche bereits zum Opfer gefallen.“ sagte er. „Es... würde mich freuen... sie wieder zu sehen... Wieder mit ihnen vereint zu sein...“ Er dachte an seine Pokemon, die vor Jahren bereits gestorben waren. „Glurak, Arkani... Lucario... Ich vermisse meine Freunde...“ Nachtara trat auf ihn zu, stellte sich neben ihn. Eine ihrer Pfoten war bereits skelettiert, wie er nun bemerkte. „Willst du mit ihnen wieder vereint sein?“ fragte sie und legte

ihm eine Hand auf die Schulter. „Willst du dir mit ihnen einen Körper teilen?“ Talinses Blick legte sich auf den des Nachtaras. Ein Auge fehlte der zentaurartigen Sterbemutation. „Das würde nichts bringen.“ sagte er. „Sie sind schon zu lange von mir gegangen. Alles, was von ihnen übrig ist, sind Knochen... Und Erinnerungen...“ Nachtara lächelte. „Du vergisst, unsere Königin ist das Leben selbst. Sie wäre nicht in der Lage, uns Sterbemutationen, wie du uns nennst, zu erschaffen, wenn sie nicht die Kraft dazu hätte.“ Sie nahm die Hand von seiner Schulter.

„Demnach... Ist dass das geringste Problem, mein Lieber.“ Sie lächelte ihn verschmitzt an. Talinse lies seinen Blick über all die Sterbemutationen gleiten. Einer von ihnen... Sein Körper wurde immer schwächer, machte langsam nicht mehr mit. Wieder sah er auf seine zitternde Hand. Sein Blick verschwamm immer mehr, wurde langsam schwarz. Die Flecken hatten nun Überhand genommen. Die Seuche forderte ihren Tribut. „Sie ruhen im... Poke... mon... Turm...“ Mit diesen Worten fiel der ehemalige

Sergeant zu Boden. „Herrje...“ Psiana seufzte. „Leg ihn auf meinen Rücken, Schwesterchen. Wir ziehen los.“

„Ja, Mary.“ Das Nachtara hob den Verstorbenen auf und bettete ihn auf den Rücken ihrer Schwester.

„Dann auf. Ich werde unserer Königin Bescheid geben.“

„In Ordnung, Karina.“ sagte das Psiana und setzte sich mit dem Rest ihrer Freunde in Bewegung. Der Pokemon Turm also. Die letzte Ruhestätte verschiedener Pokemon und Heimat des ruhelosen Geistes von Tragossos Mutter und des vor so vielen Jahren lebendig begrabenen. Diese beiden geisterten schon seit Urzeiten im Turm herum. Wie ein kleiner Zug machte sich Mary mit ihren Freunden, den anderen Sterbemutationen, auf den Weg in die einstige lavendelfarbene Stadt.
 

Lavandia war herunter gekommen, war eine Geisterstadt. Hier lebte niemand mehr. Nur noch die Geister wohnten hier zusammen mit den Toten. Pokemon, die schon lange vor der Seuche gestorben waren. Mary, die Psianamutation, betrat den verfallenen Turm und stieg die Treppen behutsam höher, darauf bedacht, ihr Gepäck nicht zu verlieren. Sie wusste, welche Gräber sie suchen musste. Immerhin war sie ein Psycho-Typ. Sie hatte die Positionen der Gräber in den Erinnerungen des Sergeants gesehen. Schließlich legte sie den Toten vor den Gräbern ab und sah sich um. Ein trauriger Ort. Ein Ort des Todes und der Trauer. Und oben auf der Spitze er... Buried Alive, wie man ihn nannte. Mary wusste nicht, wie viele Trainer ihm schon zum Opfer gefallen waren. Zumindest konnte er den Turm nicht verlassen. Dafür sorgte der Geist von Knogga, der die Treppe in die Turmspitze bewachte.

„Eure Majestät!“ Mary horchte auf und drehte sich um. Da schritt sie die Treppe hoch. Elegant wie immer. Meisterin Xerneas. Ihr Geweih leuchtete und schimmerte und vertrieb die düstere Atmosphäre etwas. Sie war wie auch sie. Das Geweih und die Juwelen des Pokemon des Lebens, sowie seine Hinterbeine. Der Rest war menschlich. Nicht, wie man erwartet hätte, das schönste, was man je gesehen hatte. Meisterin Xerneas hatte sich mit einer gewöhnlichen Frau verbunden. Das Pokemon des

Lebens hatte schon von jeher keinen Maßstab am Aussehen gesetzt.

„Psiana.“ sagte sie. „Wo ist derjenige, der unseren Reihen beitreten möchte?“ Mary trat zurück, gab den Blick auf Talinse frei. „Ich sehe.“ Xerneas schritt auf den Verstorbenen zu, legte ihm eine Hand auf den Kopf und schloss kurz die Augen. „Glurak, Arkani, Lucario, Luxtra, Monargoras, Vulnona.“ sagte sie. Sechs Gräber leuchteten auf. „Ihr seid dazu aufgerufen, euch mit eurem Freund zu verbinden und ihm sein Leben wiederzugeben.“ Aus den Gräbern entstiegen Knochen, die sich über dem Toten zu einem Skelett zusammensetzten. Die Leiche schwebte in die Mitte. Xerneas streckte die Hände aus. Fleisch, Haut, Fell und Schuppen begannen zu wachsen, verschlossen zunehmend den Blick auf den toten Sergeant. Die Kreatur nahm Form an.

Gluraks große Flügel spreizten sich auf seinem Rücken. Arkanis Fell wanderte über den Körper, fasste es ein. Vulnonas Schweife schwangen zusammen mit Luxtras Schweif sacht hin und her. Monargoras Schuppen bedeckten den Bauch und eine Mischung aus seinen Zweifingerklauen und Lucarios Pfoten bildeten die Arme. Luxtras Hinterbeine übernahmen den Part der Beine. Talinses Kopf und Statur blieb gleich, doch zuckten auch Lucarios Ohren und die Körperteile, mit denen diese Pokemon die Aura spürten, auf dem Kopf des ehemaligen Sergeants. „Sergeant Talinse.“ sagte Xerneas. „Dir und deinen Freunden wurde das Leben wiedergegeben.“

Talinse blinzelte. Er lebte wieder... Sein Blick glitt als erstes auf seine nun deformierten Hände. Dann sah er an sich runter. Schuppen, Fell, Schweife, Flügel... Alles Teile seiner einstigen Freunde, dessen Anwesenheit er nun auch deutlich wieder spürte. Sie waren bei ihm. Zusammen mit ihm in seinem Körper. Ein Körper brachte sieben verschiedene Leben wieder

zueinander. Talinse drehte sich einmal um sich selbst, um seinen Körper spüren zu können. Seltsamerweise fühlte sich das ganz normal an, obwohl er wusste, dass er nun eine Sterbemutation war. Aber nun, wo er im Nachhinein darüber nachdachte..

gefiel ihm die Tatsache doch... „Danke, Meisterin Xerneas.“ Talinse neigte das Haupt. „Das werde ich ihnen nie vergessen.“

„Schön, dass du nun zu uns gehörst.“ Nachtara legte ihm ihren Arm auf die Schulter. „Hab doch gleich gewusst, dass es dir gefällt.“ Sie grinste. Talinse lächelte.



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