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Homecoming

von

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Jack erinnerte sich noch sehr genau an den Tag, als er erfuhr, dass sein Vater als M.I.A. galt. Er war von der Schule heim gekommen und seine Mutter hatte einen Ausdruck auf dem Gesicht, den er sonst noch nicht gesehen hatte. Im Nachhinein dachte Jack eher daran, dass sie genervt war und nicht wirklich in Sorge.

Sie hatte ihren Sohn zu sich gebeten und ihm ohne Vorwarnung, ohne eine sanfte Wortwahl, um die Ohren gehauen, dass sein Vater als vermisst galt. Und für Jack war diese Tatsache schlimmer, als die klare Botschaft, dass sein Vater gefallen war. Jack hatte keine Vorstellungen, was es bedeutete, während eines Einsatzes plötzlich verschwunden zu sein. Er war sich zwar der Tatsache bewusst, dass es auch bedeuten könnte, dass sein Vater noch lebte, aber trösten konnte er sich damit nicht, war er sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass sein Vater somit entweder ein Kriegsgefangener war und damit möglicher Folter ausgesetzt, oder aber er irrte irgendwo umher, ohne Aussichten auf Heimkehr. Und es ging ja nicht nur um seinen Dad. Onkel Pac war ja ebenfalls verschwunden.

Nach Dunns Tod war Jack aufgefallen, dass vor allem Pac sehr viel mehr Zeit mit ihm verbringen wollte. Sein Vater hatte sich eher weniger verändert und Jack fragte sich in ruhigen Minuten, wenn er die Gelegenheit hatte seinen Vater zu beobachten, was in ihm vorging. Allerdings hatte er noch nie den Mut gefunden, ihn danach zu fragen.

Mit dem Alter kam auch die Erkenntnis und Jack beschäftigte sich zunehmend mit den Konsequenzen eines Lebens als Soldaten. Er laß über etwaige Krankheiten, Verhaltensänderungen, natürlich auch über Verletzungen physicher Art. Aber Jack hatte in all der Zeit nie etwas an seinem Vater feststellen können. Er hatte immer ein gleichbleibendes Verhältnis von Distanz und Liebe von seinem Vater erfahren. Was aber immer noch mehr Liebe beinhaltete, als von seiner Mutter, die fragwürdigerweise nie etwas dazu sagte. Zwar stritten sie nie, oder zumindest nicht so, dass Jack es mit bekam, aber oft stellte er sich die Frage, warum sie beide überhaupt noch zusammen waren. Als er seine Mutter einmal darauf angesprochen hatte, hatte sie ihm erklärt, dass sie sich damit abgefunden hatte, dass die Beziehung zu einem Soldaten früher oder später dramatisch enden würde. Und sie war darauf vorbereitet. Zumindest war es das, was sie ihm sagte.

Es waren inzwischen mehrere Wochen vergangen, seit die Nachricht eingetroffen war und Jack versuchte, weiter zu leben, wie bisher. Allerdings tat er sich verdammt schwer damit, hoffte er doch jeden Tag aufs Neue auf eine Nachricht. Er hatte sich vorgenommen, nicht aufzugeben. Hätte sein Vater auch nicht getan. Zumindest redete Jack sich das ein. Sein Vater wusste, wie wichtig es war, vorwärts zu kommen. Jack versuchte das eher ein wenig zu leugnen.

Da sich die Ereignisse überschlagen hatten, war auch niemandem die Gelegenheit geboten, den Familien der Vermissten Erleichterung zu verschaffen. In den Nachrichten konnte Jack verfolgen, dass es im Kriegsgebiet endlich bergauf ging, für die Staaten. Aufmerksam hatte er die Augen und Ohren überall, wo das Wort Marines fiel, hielt nach bekannten Namen Ausschau, aber nirgendwo gab es einen Hinweis auf seinen Vater, Pac oder andere Mitglieder des Squads.

Es waren Geschichten, die Jack zu seinen liebsten zählte. Zwar hatte sein Vater ihm immer nur die Highlights mitgeteilt und manchmal auch die Wahrheit verdreht, aber Jack fand es unglaublich abenteuerlich, was Tombstone so alles leistete. Mit leuchtenden Augen hing er an Daniels Lippen, wenn er zu erzählen anfing. Jack fand den Namen zudem unheimlich cool. Er nutzte den Namen als Username auf ein, zwei Websites und erzählte Pac, dass er am liebsten einen Song dazu schreiben wollte. Mit seinem Vater konnte er weniger gut über seine Leidenschaft reden, hielt Daniel diese eher für Zeitverschwendung. Er drängte seinen Sohn zu guten Noten, wollte, dass sein Sohn am besten mehreren Sportarten nachging. Allerdings hatte er, durch die geringe Anwesendheit, nicht wirklich Einfluss darauf. Und seine Mutter war den Wünschen ihres Mannes eher gleichgültig eingestellt. So ließ Jack sich die Haare wachsen, färbte sie, ließ sich mehrere Ohrlöcher stechen und sogar tätowieren. Inzwischen hatte er sogar eine Band mit mehreren Freunden.

Dinge, auf die er vermutlich hätte verzichten müssen, wäre sein Vater mehr zu Hause. Jack stellte sich oft die Frage, ob er auf diese Freiheiten verzichten könnte, hätte er seinen Vater dafür mehr um sich herum. Auch, wenn die Bindung nicht so stark war, wie er sich das manchmal wünschte, war Daniel ihm mehr Vater, als Amy ihm eine Mutter und bis zu einem gewissen Punkt wollte er immer werden, wie sein Vater. Der Wunsch hatte im Laufe der Pubertät abgenommen und war inzwischen Vergangenheit. Zwar sah er immer noch zu seinem Vater auf, aber es gab nichts, was Daniel tat, dass Jack ihm nachmachen wollte.

Am Abend saß er auf der Couch, im Wohnzimmer. Er war, einmal mehr, alleine. Seine Mutter war im Ausland unterwegs, beruflich. Zumindest sagte sie so etwas. Auch hier gingen Jack nach und nach die Augen auf. Allerdings hielt er es nicht für seine Aufgabe, die Sache anzusprechen, zumal es eher ein Gefühl war, denn eine bewiesene Tatsache.

Seine Augen waren zwar auf den Fernseher gerichtet, seine Gedanken allerdings schweiften einmal mehr ab: ob er sämtliche Hausaufgaben erledigt hatte, was er sich morgen zum Mittag besorgen sollte, ob er sich jetzt noch was zu Essen bestellen sollte... Als er hörte, dass die Tür aufgeschlossen wurde. Normalerweise sollte seine Mutter doch erst in einer Woche zurück sein, weshalb er sich überrascht umdrehte. Die Gestalt war allerdings um einiges größer und es brauchte nicht viel, um zu erkennen, dass es nicht seine Mutter, sondern sein Vater war. "Jack.. ? Ich bin... wieder zu Hause."

Sich beinahe überschlagend sprang Jack vom Sofa und rannte auf Daniel zu. Er warf die Arme um dessen Oberkörper und hatte so viel Schwung drauf, dass Daniel mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür stieß, dass ihm die Luft für eine Sekunde wegblieb. Er musste gestehen, dass er damit nicht gerechnet hatte. Es war unterschiedlich, wie Jack auf die Heimkehr reagierte. Mal kam er an und wollte alles genau wissen, mal hob er bloß den Kopf, um Hallo zu sagen. Mal umarmte er ihn, mal nicht. Jetzt presste er sich an seinen Vater, als fürchtete er, man könnte ihn ihm wieder wegnehmen, sobald er los ließ und weinte so laut und intensiv, dass es Daniel einen Schauer über den Rücken jagte. Er lehnte an der Tür, legte beide Arme um seinen Sohn und strich ihm über die Haare, ehe er seine Wange dagegen lehnte. Auch, wenn sie beide nicht immer das beste Verhältnis zueinander hatten, musste Daniel gestehen, dass es gut tat, so begrüßt zu werden.

Man verharrte eine Weile so, bis Daniel versuchte, seinen Sohn ein wenig auf Abstand zu bringen. Allerdings machte Jack es ihm da nicht ganz so einfach. Irgendwann gab er dann aber doch nach, starrte schlurchzend auf Daniels Brust, obwohl er sowieso kaum etwas sah. "Jack?"

Sein Sohn sah dann endlich zu ihm auf, wischte sich mit dem Handrücken einmal über die Augen. "Du... du hast mir...gefehlt, Dad..." Wirklich beruhigen konnte Jack sich nicht. Zu aufgewühlt war er, zu viel aufgestaute Angst über die letzten Wochen und jetzt konnte er endlich los lassen. Und im Moment dachte er auch nicht daran, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Daniel wieder los musste. Dieser seufzte müde und zog Jack wieder in die Arme, lehnte an der Tür und wartete darauf, dass Jack sich wieder beruhigte.



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