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Stimme des Schweigens

von

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» And suddendly all can be over... «

Die nächsten Augenblicke vergingen wie in Zeitlupe. Deine Schritte fühlten sich viel zu träge und langsam an. Mit jeder Sekunde, die verstrich, sahst du das Unheil näher rücken. Tausend Gedanken rasten durch deinen Kopf, während sich die schrecklichsten Szenarien vor deinem inneren Auge abspielten. Du wusstest, dass etwas Schlimmes geschah, wenn du dich nicht beeiltest und trotzdem wollten sich deine Beine einfach nicht schneller bewegen. Schon immer warst du recht unsportlich. Vermutlich würde sich das auch nicht ändern. Und das, obwohl du in der Basketball-AG warst. Jene wähltest du aber nur, weil du nur die und die Garten-AG zur Auswahl hattest. Du wechseltest mitten im Schuljahr die Schule, sodass die meisten AGs bereits voll waren. Gerne wärst du zusammen mit Debrah und Iris in der Musik-AG gewesen. Zwar lag dir Sport nicht, doch der Umgang mit Pflanzen dafür sogar noch weniger. Selbst Blumen aus Plastik überlebten bei dir nicht.

All diese Dinge schossen dir innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde durch den Kopf, ehe alles ganz schnell ging. So, als ob jemand auf die Vorspultaste der Fernbedienung gedrückt hatte. Auf einmal schien es so, als ob du noch einmal deine letzten Kräfte mobilisiertest und nun einen Zahn zulegtest. Gerade, als Joél drei weitere Schritte auf die Straße gemacht hatte, erreichtest du ihn. Deine schmalen Finger packten ihn an den dünnen Oberarmen, während ein Quietschen der Reifen auf dem Asphalt des stark bremsenden Wagens ertönte. Dein gehetzter Blick schweifte zur Seite, sodass du einem entsetzten Mann in die Augen blicktest, der noch gar nicht ganz zu begreifen schien, was hier gerade passierte. Zeitgleich wirbeltest du mit deinem Bruder herum und stießt ihn in die Richtung zurück, aus der ihr gekommen wart. Auf diese Weise gelang es dir, ihn vor dem Schlimmsten zu bewahren. Ganz im Gegensatz zu dir selbst. Einen Wimpernschlag später nahm das Unglück seinen Lauf.
 

Der Fahrer des roten Golf 3 hielt das Lenkrad mit beiden Händen fest umklammert. Nur für einen kurzen Moment suchte er seine Sonnenbrille im Handschuhfach und als er wieder auf die Straße sah, warst du da plötzlich mit dem Jungen, welchen du gerade noch rechtzeitig zur Seite stoßen konntest. Der Fuß des jungen Mannes trat das Bremspedal förmlich durch, ein Ruck ging durch das Auto und die Reifen suchten lautstark Halt auf der Fahrbahn. Dein erschrockener Blick traf auf den Entsetzten des Fahrers. Unfähig, noch etwas zu tun, musste er mit ansehen, wie sein Wagen dich mit einem lauten Knall erwischte, du auf die Motorhaube flogst und anschließend mit dem Rücken gegen die Frontscheibe pralltest, während der Golf endlich zum Stehen kam. Durch den Ruck, der beim Stillstand entstand, glitt dein zierlicher Körper über die rot lackierte Kühlerhaube und landete auf dem Boden. Der Schock saß tief. Bei allen Beteiligten. Noch nie baute der Dunkelhaarige einen Unfall und plötzlich standest du dort und hattest keine Zeit, um dich selbst zu retten.

Noch immer starrte der Fahrer durch die Scheibe, durch die er dich und den blonden Jungen zuvor noch gesehen hatte. Nun konnte er nur noch das Kind sehen, welches wie erstarrt auf deinen am Boden liegenden Körper sah. Erst jetzt kam Bewegung in den Mann. Der erste Schock war überwunden und jetzt musste er handeln. Er schnallte sich ab, stellte den Motor ab und sprang geradezu aus dem Auto. Er wählte den Notruf, berichtete knapp, was passiert war und wo er sich befand. Die Dame am Telefon versprach ihm, dass sie sofort jemanden schicken würden, bevor sie sich erkundigte, ob du noch lebtest und was für Verletzungen sichtbar waren. Jérôme - der Fahrzeugbesitzer - kniete sich neben dich und musterte dich. Du lagst auf der Seite, deine blonden Locken fielen dir ins Gesicht. Er konnte einige Schrammen und Kratzer erkennen. Bisher sah es nicht lebensgefährlich aus, doch dann fiel es ihm auf. "Sie blutet am Kopf!", rief er völlig panisch in sein Mobiltelefon und fuhr sich durch den dunklen Schopf. Du hattest ein Platzwunde an der rechten Schläfe. Das Blut verklebte dir die Haare und rann dickflüssig über dein Gesicht. "Ist sie ansprechbar?", informierte sich die Frau auf der anderen Leitung nun angespannt. Immer wieder versuchte Jérôme deine Aufmerksamkeit zu erlangen, indem er dich ansprach doch schienst du das Bewusstsein verloren zu haben. "Sie reagiert nicht! Aber sie atmet.", erklärte der junge Mann mit zittriger Stimme. Er wusste nicht, was er tun sollte. Was geschah, wenn du starbst? Wie sollte er jemals wieder in den Spiegel blicken können? "Wo bleibt der Krankenwagen?!", brüllte er nun vollkommen verzweifelt in sein Handy, was die Dame mit einem "Er muss jeden Augenblick bei Ihnen sein. Bleiben Sie ruhig und-" Mehr wollte Jérôme nicht hören. Wie sollte er in einer solchen Situation ruhig bleiben? Er hatte einfach aufgelegt und strich sich nun durch das Gesicht, als eine kleinlaut Stimme deinen Namen sagte. "Wird sie wieder gesund?", fragte der kleine Mann, als auch schon die Sirenen des Notarztes zu hören waren.
 

Was um dich herum geschah, bekamst du nicht mit. Bereits kurz nach dem Aufprall verlorst du das Bewusstsein. Erst wurde dir schlecht und schwindelig und kurz danach wurde alles schwarz. - Als würdest du schlafen.

Wie und du ins Krankenhaus kamst, wusstest du nicht. Sicher rief jemand den Krankenwagen, der dich dort hin brachte. Was dort aber geschah… An nichts konntest du dich erinnern, als du irgendwann langsam die Augen aufschlugst. Zunächst wurdest du von dem grellen Licht, welches von der Decke auf dich herab strahlte, geblendet, weshalb du deine Lider wieder sinken ließt. Nach einem kurzen Moment startetest du einen neuen Versuch und diesmal gewöhnten sich deine Augen schneller daran. Als erstes erkanntest du, dass alles hier weiß war. Wo warst du? Das hier war nicht das Haus deines Vaters und erst recht nicht dein Zimmer. Krampfhaft überlegtest du, was vorgefallen war, doch dröhnte dein Kopf so sehr, dass du nur ein gequältes Stöhnen von dir gabst. Vorsichtig hobst du deine Hand in dessen Rücken eine Nadel steckte, an der widerum ein dünner Schlauch befestigt war. “Krankenhaus…”, murmeltest du kaum hörbar vor dich hin, ehe deine Handfläche sich auf deine Stirn legte. Oder eher auf den Verband, welchen du dort ertasten konntest. Langsam ließt du deinen Arm wieder sinken. Dein ganzer Körper schmerzte und fühlte sich an, als wärst du gerade aus einer Presse gekrochen.

Rechts von dir vernahmst du das Geräusch einer sich öffnenden Tür, weshalb du deinen Kopf in jene Richtung drehtest. Das gelang dir zwar nicht ohne dabei die Zähne zusammen beißen zu müssen, doch irgendwie schafftest du es. Du konntest auch feststellen, dass sich die Mühe lohnte, denn zu deiner großen Freude stand Joél im Zimmer. Dicht gefolgt von deiner aufgelösten Mutter, deren Augen sich weiteten, als sie dein waches Selbst erblickte. “Liebling!”, rief sie erleichtert, schob ihren Jüngsten vorwärts und kam mit langen Schritten auf dich zu. Neben deinem Bett setzte sie sich auf den Stuhl und ergriff deine Hand, während dein kleiner Bruder sich auf die Bettkante setzte und dich anstrahlte. “Mama.”, gabst du schwach von dir, was die Frau mit den goldenen Locken mit einem “Pscht!”, unterband. “Ich hab’ mir solche Sorgen gemacht, als das Krankenhaus mich anrief.”, erzählte sie dir, wobei man ihr den Kummer deutlich anhören konnte. Da du nicht sprechen solltest, schenktest du ihr ein sanftes Lächeln, ehe sie vorsichtig über deine Wange strich. “Ich bin so froh, dass du noch lebst.”, wisperte dir deine Mutter zu und drückte deine Hand ein wenig. “Sie ist eine Heldin!”, verkündete Joél, der anscheinend noch nicht ganz begreifen konnte, was da überhaupt passiert war.

Bevor du antworten konntest, wurde die Tür ein weiteres Mal geöffnet, sodass sich deine Aufmerksamkeit darauf richtete. Dein Vater lugte ins Zimmer. Offenbar war er sich nicht sicher, ob das der richtige Raum war. Als er dich jedoch sah, stieß er - ebenso wie deine Mutter zuvor - erleichtert deinen Namen aus und betrat die Räumlichkeiten. In seiner rechten Hand prangte ein großer Blumenstrauß, den er aber achtlos auf den Nachtschrank neben dir legte, bevor er dir eine Kuss auf die Wange gab. Sein Dreitagebart piekste dich ein wenig, doch beschwertest du dich darüber nicht. “Was machst du denn für Sache.”, seufzte er, wobei er sich durch seinen kurzen, dunklen Haarschopf fuhr. Anschließend zog er sich ebenfalls einen Stuhl heran, auf dem er Platz nahm. “Tut mir leid.”, gabst du kleinlaut vor dir, obwohl du wusstest, dass dir niemand einen Vorwurf machte. Dennoch hattest du Schuldgefühle, weil du deinen Eltern solchen Kummer bereitetest. “Dir muss doch nichts Leid tun!”, kam es von deiner Mutter und deinem Vater wie aus einem Munde, was euch alle etwas zum Schmunzeln brachte. Ein wenig hatte dieser Augenblick etwas von einer heilen Familie. Du genosst es einfach, da du wusstest, dass es jetzt lediglich keinen Streit gab, weil sich beide Elternteile um dich sorgten. Ihnen war bewusst, dass das hier jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um dem jeweils Anderen Vorwürfe zu machen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und da ist auch das vierte Kapitel.
Eigentlich war erst etwas Anderes geplant, aber irgendwie gefiel mir diese Idee dann doch besser, als die Ursprüngliche. Ich baue die vorherige Idee einfach an einer anderen Stelle ein. Ist ja nicht, dass diese FF bereits beendet ist. ^~^
Hoffentlich findet auch dieser Teil Gefallen bei allen, die dieses Geschreibsel hier lesen. Falls nicht, dann sollte ich mir vielleicht Gedanken machen, ob ich alles richtig mache.
Lasst mir doch einen schönen Kommentar da. Verbesserungsvorschläge, konstruktive Kritik und Lob sind wie immer gerne gesehen. (:

Liebste Grüße Komplett anzeigen

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