01.
Wenn Erinnerungen rufen…
Es war eine jener Nächte, in denen für ihn an Schlaf gar nicht zu denken war; und auch wenn die Wolken den Mond aus ihren Fängen freigaben, so wurde die Nacht dadurch nicht weniger gespenstisch. Und dennoch verlieh das fahle, bläuliche Mondlicht der Straße unweigerlich etwas Magisches. Seinen Kopf hatte er auf dem Fensterbrett niedergelegt und starrte hinaus, schien einen Punkt zu fixieren, den sonst niemand sah. Etwas Magisches hatten auch die letzten Jahre an sich gehabt. Ja, wenn er so zurückdachte, dann konnte er es heute kaum glauben. Aber bei allem, was er mit seinen Freunden erlebt hatte, war das wohl auch nicht weiter verwunderlich. Gedankenverloren wanderte sein Blick hinüber zum Nachttisch, wo sein Draciel MS lag. Wie viele Kämpfe hatten sie beide schon zusammen gemeistert, wie oft hatte Max schon geglaubt, an einem Punkt zu stehen, an dem es nicht mehr weiter ging? Zum Glück hatte das nie der Wahrheit entsprochen. Letztlich hatte sich immer ein Weg gefunden, gemeinsam mit Tyson oder in Amerika bei seiner Mum, zusammen mit den AllStarz. Unweigerlich musste der Fünfzehnjährige lächeln. Mit Tyson hatte er eine Menge Unfug getrieben; er erinnerte sich noch genau an ihr erstes Treffen. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass sein Leben irgendwie anders hätte verlaufen können, auch wenn er damals zunächst nicht sonderlich begeistert gewesen war, als sein Vater mit ihm nach Japan hatte gehen wollen. Zum Glück waren sie gegangen, denn seine Freunde wollte er heute nicht mehr missen, und im Laden seines Vaters hatten sie ihre Beyblades so manches Mal auseinander geschraubt – hin und wieder auch mit Problemen beim Wieder-Zusammen-Schrauben… Der Junge stand auf, schaute sich kurz in dem dunklen Zimmer um und ging dann zielstrebig auf ein lädiertes Bücherregal zu. Das spärliche Mondlicht reichte gerade aus um die Umrisse der einzelnen Bücher erkennen zu können, doch das genügte auch schon. Langsam kniete Max vor dem Regal nieder, sein Zeigefinger strich über die Bücherrücken, seine Augen wanderten von links nach rechts, bis er fand, wonach er gesucht hatte. Mit einer schnellen Bewegung zog er zwei dicke Fotoalben aus dem Regal. Fotoalben, die Erinnerungen an die letzten drei Jahre festhielten. Erinnerungen an die Reise der Bladebreakers nach Moskau, Begegnungen mit den Saint Shields und natürlich die Weltmeisterschaften. Mit den beiden Büchern bewaffnet setzte er sich nun an seinen Schreibtisch, knipste die Leselampe an und schlug das erste Album auf. Seite für Seite wurde umgeblättert, manchmal hielt er kurz inne, begutachtete eines der Bilder genauer. Eines davon war ein Gruppenbild der Bladebreakers aus dem letzten Sommer. Es spiegelte das Team genau so wider, wie es war. Tyson und Daichi waren am Streiten, bei ihnen Hilary, die versuchte die beiden zu trennen. Chef saß an seinem Laptop und Kai stand abseits im Schatten eines Baumes. Mit einem genervten Blick, wie eigentlich immer, obgleich es schien, als ob ein leichtes Lächeln seine Mundwinkel umspielte. Und er? Passend zu seinem Sonnenschein-Image - und er hatte auch nichts dagegen im Team immer wieder gute Laune zu verbreiten - strahlte er zusammen mit Ray in die Kamera. Ja, das Bild gefiel ihm.