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Ein Produkt.

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Traurig schaute er in den Spiegel, schaute an sich herunter und musterte sein Spiegelbild kritisch. Die Haare lagen platt an seinem Kopf, er fühlte sich schon seit Tagen schlecht. Ein "dauermüder" Zustand. Antriebslos und schwach. Es war, als hätte jemand einen Stecker gezogen und seinen Akku langsam auslaufen lassen, ihn vergessen wieder anzuschließen. 

Der dunkle Bart hatte eine beachtliche Dichte erlangt, die Haare waren auch länger geworden, ein wenig zugenommen hatte er auch. Den Bauch konnte man unter dem langen, grauen T-Shirt gut erahnen. 
 

Seufzend, mit gesenktem Kopf, trat er an das Fenster. Die Gardinen waren zu gezogen, die Rolläden runter gelassen. Sinn? Nicht vorhanden. Er spähte durch die kleinen Schlitze, die Welt war grau in grau getaucht. Wie seine Stimmung, wie er die Welt tatsächlich momentan sah. Man könnte meinen, es würde nicht mehr derselbe Mensch vor einem stehen. Tatsächlich war dem so. Nichts war mehr von dem aufgeschlossenen, kontaktfreudigen und frohen Mann zu sehen. Und es nervte ihn selbst am meisten. 

Mit dem Gesicht voran ließ er sich wieder in das breite Bett fallen, tauchte sein Gesicht in die weichen Federn. Wärme spendete das Bett nicht mehr, aber was sollte man machen?
 

"Wollen wir heute Abend was machen?" 

Er lehnte sich gegen den Türrahmen des Raumes, in dem der Blonde arbeitete. 

"Wenn Viola mitkommen kann?"

Er spürte, wie sich sein Gesicht verzog, wie sich irgendwas in seinem Inneren ebenfalls nicht mehr gut anfühlte.

Viola. Er mochte sie nicht. Mochte ihre Art nicht, ihr Auftreten. Sie tat ihm nicht gut.

"Ja, klar."

Ein schwaches, kaum erkennbares, Lächeln ruhte auf seinen dünnen Lippen. Der Blonde grinste, nickte und erwähnte, wann und wo sie sich treffen sollen. 

Es sollte der bislang schlimmste Abend seines Lebens werden.
 

Genervt rappelte er sich wieder von seinem Bett auf, ging barfuß in die dunkle Wohnung. Seit einigen Tagen hatten die Räume das Tageslicht nicht mehr gesehen. Er war ja "verreist". Man hatte sich gewundert, dass er alleine fahren wollte, aber man sagte dazu nichts. Der Fernseher flimmerte, irgendeine Show lief leise im Hintergrund, die einzige Lichtquelle in der Wohnzimmer-Küche-Verbindung. Es bestand ein Zustand, der mit "Death on the Stairs*" zu beschreiben war. Ohne groß nachzudenken, ohne überhaupt nachzudenken, ließ er sich auf die geräumige Couch fallen. Kurz blickte er zu dem Fernseher, zu der Konsole. Er war froh, dass sich jemand in seiner Abwesenheit um das ganze Kram kümmerte. 
 

Sie hatten etwas getrunken. Nicht nur "etwas". Eigentlich war es viel. Viel zu viel um am nächsten Tag noch klare Gedanken zu bekommen. Doch er hatte nicht so viel gekippt, ein wenig angetrunken, ja. Aber nicht so betrunken, wie der andere und seine Freundin. Genervt von dem Anblick, wie sich zwei Menschen den Speichel von Mund zu Mund schoben, verließ er die kleine Bar am Rande der Stadt. Er folgte ihm strauchelnd und lallte übermäßig laut in die Nacht hinein.

Was danach kam, war nur ein Schleier der Erinnerung. Aber er fühlte es noch auf seinen Lippen. Die Berührung, das, was er sich eigentlich am meisten gewünscht hatte. Aber dann kam Viola, welche nicht mehr an sich halten konnte, ihn selbst beleidigte und den Blonden - ohne das dieser was sagte - mit sich zog.
 

Nach dem Abend hatte er direkt Urlaub genommen. Es stand ihm sowieso zu, Manuel hatte sich auch abgesetzt. Der Blonde wollte es ebenso, daher war es kein Problem. Und was war? Er war hier alleine, in seiner Wohnung, sein Herz so schwer wie der Kölner Dom. Ausdruckslos legte er sich auf den Rücken, die Augen geschlossen, versuchte zu entspannen und einzuschlafen. 
 

"Der Abend war doch ganz nett." Sie saßen sich in einem Imbiss gegenüber. Der Blonde mit Augenringen bis nach Pakistan, übermüdet, aber trotzdem in seinem Auftreten einnehmend. Er wusste nicht, wie derjenige es machte. Aber er sah immer, permanent, gut aus. "Ja, der war voll in Ordnung." Er ließ die Pommes stehen, erhob sich von seinem Stuhl und verschwand aus dem Imbiss. Er hielt es einfach nicht aus. So blind konnte ein Mensch doch gar nicht sein?

Wie gerne hätte er ihm alles gesagt. Doch über sowas redete man nicht - es bestand nur die Gefahr, alles zu ruinieren, die ganze jahrelange Freundschaft. Die Projekte, die sie stemmten, würden zunichte gemacht. 
 

Er wachte auf, als er die Klingel hörte. Wieso klingelte jemand? Eigentlich war es doch klar, dass er nicht zu Hause war.

Missmutig erhob er sich von der Couch, schleppte seinen schweren Körper zu der Wohnungstür, bedacht darauf nicht durch den kleinen Spion erkennbar zu sein.

Seine Wange legte er an die Tür, versuchte zu horchen. 

"Ich weiß, dass du da bist. Mach' auf Erik."

Es war seine Stimme. Die Stimme des Blonden. Woher ...?

"Ach, komm' schon. Du bist da. Ich habe deine Nachbarin ausgequetscht und du fährst sowieso nie spontan in den Urlaub."

In seiner Tonlage schwang etwas triumphales mit. Er hätte ihm in diesem Moment fast den Hals umgedreht.

Es vergingen einige Minuten der Stille, ehe er an dem Schloss drehte und so die Tür öffnete. Er wollte nicht, dass der Blonde ihn so sah. Doch nun konnte er es auch nicht mehr ändern.

"Erik?"

Ihre Blicke trafen sich, schweigend geleitete er den ungewollten Besuch in die Wohnung. Erst jetzt merkte er, wie stickig es eigentlich in seinen vier Wänden war. 

Sie setzten sich auf die Couch, redeten erst einmal nicht miteinander, ehe der Blonde zu reden begann.

"Wieso bist du nicht mit uns mitgekommen? Das wäre wirklich lustig gewor-"

"Valentin." Ernst, mit traurigen Augen, schaute er seinen besten Freund an, welcher den Mund immer noch offen hatte, um seinen Satz zu beenden.

"Nenn' mich nicht so.", erwiderte dieser daraufhin und rutschte unruhig auf dem Sofa hin und her. 

Erneut schwiegen sie sich an. Der Fernseher lief immer noch, man hörte eingespielte Lacher. Irgendeine amerikanische Sitcom. Ebenfalls war auch das leise, penetrante, Ticken der Wanduhr zu hören. Fast fünf Minuten ohne ein einziges Wort.

"Küss mich."

Erschrocken zuckte er zusammen, er konnte seine Emotionen, die in diesem Augenblick aufblitzten, nicht überspielen.

Er wurde promt rot - Scham, absolute Scham. 

Es dauerte einen Moment bis er alles realisierte.

"Wieso?"

"Ich weiß doch, dass du insgeheim auf mich stehst."

Der Schlag ins Gesicht war zurück. Nur härter. Es fühlte sich an, als hätte man ihm die Nase gebrochen und andere Körperteile ebenfalls. 

"Das sieht ein Blinder mit dem Krückstock. Also, los, küss' mich."

Seine Augen zogen sich zusammen - so war das also: plötzlich wieder in der Realität zu sein. 

Er fühlte sich furchtbar, widerlich. Nicht so wie am Morgen. 

Er beugte sich leicht vor, der andere schon die Lippen gespitzt und mit einem selbstzufriedenen Lächeln verziert - ihre Gesichter berührten sich fast, doch sein Herz schlug nicht mehr vor Aufregung, sondern vor Enttäuschung.

"Du hast rein gar nichts verstanden, oder?"

Die Stimme gepresst, vorsichtig aber leicht bestimmend. Er war doch so ein Idiot gewesen.

In dem Blick des anderen erkannte er Verwirrung - seine Augen formten ein riesiges "Hä?" in Leuchtschrift.

"Ich möchte, dass du gehst, Valentin. Geh' einfach, ja? Du kapierst es einfach nicht."

Ohne eine Reaktion überhaupt auch nur abzuwarten, zog er den Blonden von der Couch, schob ihn zur Tür und schloss diese, nachdem er über der Schwelle war, direkt wieder ab.

Die Leere in seinem Körper wurde langsam wieder gefüllt, nach und nach, er begann alles zu verstehen und wieder klar zu sehen. Mit Tränen in den Augen und auf den Wangen, dennoch mit einem schwachen Lächeln, ging er in das Bad. Begann, seinen Bart zu rasieren und die Haare aufzufrischen. Für einen Moment schaute er in den Spiegel. Abermals schüttelte er den Kopf, musste tatsächlich leicht lachen über seine Naivität und die Tatsache, dass er ein absoluter Idiot war. 

Er lächelte seinem Spiegelbild zu, hob die Hand und verließ den Raum, die Wohnung. 

Und er hatte ihn wirklich geliebt. 
 

*Carl once said to Pete "its either the top of the world or the bottom of the canal" - he had a big fear of wasting his life and ending up eating cold beans out of a tin and watching daytime telly on a fuzzy TV - they grew to call this concept 'death on the stairs' - the miserable state that some people become, and thats what this song is about. (zwar von The Libertines, aber absolut passend)



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  RandaleEiko
2013-12-28T15:06:00+00:00 28.12.2013 16:06
iwann musste doch so eine ff kommen hab nur drauf gewartet:D
Antwort von: Pochita
02.01.2014 09:38
Ist das jetzt Positiv oder Negativ? :D
Antwort von:  RandaleEiko
02.01.2014 10:44
prositiv ;)


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