Zum Inhalt der Seite

Familiengeschichten

Der Weg zur Liebe ist ein steiniger
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Strategisch ungünstig

Kapitel 3 – Strategisch ungünstig

Len und Naoko wurden durch ein Klopfen an die Tür aus dem Schlaf geschreckt.

„Seid ihr wach?“, flötete es von draußen.

„J-Ja!“, antworteten die beiden im Chor.

„Sehr schön. Frühstück ist fertig!“

So schnell sie konnten, schlüpften in ihre Kleider und zogen sich an. Dann wurden sie auch gleich zum Einkaufen geschickt. Naoko, die überglücklich war, hakte sich bei ihm ein und in einer einsamen Minute zog sie Len sogar zu sich und wollte ihn küssen. Aber dieser wies sie ab.

„Naoko, das war einmal, ja?“

„Was meinst du?“, fragte Naoko etwas enttäuscht, weil sie ihm gegenüber gerne ihre Zuneigung ausgedrückt hätte. Len antwortete nicht unmittelbar. Aber Naoko war geduldig und letztlich wandte Len den Kopf zur Seite und meinte:

„Ich habe nur mit dir geschlafen, weil du es dir gewünscht hast. Jetzt hattest du dein erstes Mal und jetzt ist gut.“

Naokos Antwort war eine Ohrfeige. „Du hast was …?!“

„Wir sind Geschwister, dabei bleibe ich.“

Das war zu viel für Naoko. Sie brach in Tränen aus und schrie Len an, er solle sich zum Teufel scheren. Dann rannte sie davon.
 

Len tat es Leid. Natürlich war es gelogen. Aber er konnte die Verantwortung für so eine Beziehung nicht auf sich nehmen. So wäre sie vielleicht eine Weile traurig, aber auf Dauer konnte er so den Frieden in der Familie sichern. Da war er sich sicher. Wenn sie meinte, er solle sich zum Teufel scheren, war ihm das nur Recht, auch wenn er sich Sorgen machte, wo sie jetzt wohl hin lief. Aber Naoko hatte im Gegensatz zu ihm einen stabilen Freundeskreis. Sie würde schon jemanden finden, bei dem sie sich ausweinen konnte.

Und so machte er sich auf den Heimweg, um sich nach der langen Nacht ein wenig hinzulegen. Er schritt wortlos an seinem Vater vorbei, der gerade in der Küche stand und Plätzchen backte. Doch er konnte einfach nicht einschlafen und wälzte sich wegen seines schlechten Gewissens nur herum. Schließlich beschloss er, spazieren zu gehen, um auf andere Gedanken zu kommen.
 

Naoko ging zu niemandem. Sie hatte sich im Park auf einer Bank nieder gelassen und still vor sich hin geweint. Sie war so wütend auf Len, weil er sich nicht richtig zur Wehr gesetzt hatte, sondern einfach nur mitgemacht hatte, um ihr einen Gefallen zu tun. Sie brauchte so ein komisches Mitleid nicht. Wenn er sie als Schwester ansah, sollte er dabei bleiben! Aber letztlich tat es ihr doch Leid, da sie ja diejenige war, die die Initiative ergriffen hatte und ihn so überrumpelt hatte. Hatte er an dem Abend nicht auch Wein mit ihren Eltern getrunken gehabt? Vielleicht hatte er auch deshalb die Kontrolle über sich verloren. Sie sollte sich entschuldigen gehen. Schließlich hatte sie ihn lieb. Auch als Freund und Halbbruder.

Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, ging sie dann einkaufen, wie ihr befohlen und nach Hause. Ihre Mutter wunderte sich, dass Naoko alleine zurück kam, aber diese entgegnete nur, dass die Einkäufe ja nicht so schwer wären und Len etwas dazwischen gekommen war. Der verwunderte Gesichtsausdruck war nicht wirklich von Maos Gesicht zu wischen, aber sie hakte auch nicht nach.

Dann ging Naoko schon wieder aus dem Haus und meinte, sie wolle spazieren gehen. Maos Sorge war ihr deutlich am Gesicht abzulesen, doch sie ließ ihre Tochter gehen.
 

Eine halbe Stunde später stand Naoko vor dem Haus der Kons. Doch es war nicht Len, der ihr die Tür öffnete, sondern Ray.

„Len? Der ist vor ein oder zwei Stunden wieder aus dem Haus. Ich denke aber, dass er bald zurück kommt. Willst du nicht so lange reinkommen?“

Naoko hatte schon völlig vergessen, wie gutaussehend Ray war und erstarrte einen Moment als sie ihn wieder vor sich sah. Dann fasste sie sich aber wieder. Ray war ja laut aller unberechenbar und ihre letzte Begegnung war alles andere als romantisch zu deuten. Laut Len war Ray ja auch ein Weiberheld. Das wunderte Naoko nicht, bei diesem Aussehen. Laut Len war der Kuss außerdem vermutlich auch reine Provokation gewesen. Logisch, was wollte ein gestandener Mann wie Ray schon von einer 16-Jährigen? Sie beäugte ihn skeptisch, traute sich dann aber doch herein. Dann fiel ihr der Kinnhaken ein, den Kai Ray verpasst hatte und sie studierte kurz dessen Kiefer. Die Haut war so makellos wie zuvor.

„Danke der Sorge. Ist aber nicht viel passiert, damals,“ beantwortete Ray ihren prüfenden Blick und lächelte ihr zu. Dieses verflixte Lächeln. Irgendwie sah er aus wie ein kleiner Junge, dem man ein Bonbon geschenkt hatte, wenn er sie mit diesen strahlenden Augen anlächelte. Nur dass kleine Jungen nicht so attraktiv dabei aussahen.

Naoko schloss die Tür hinter sich und hängte ihre Jacke an einen der Haken neben der Tür.

„Setz dich doch. Ich habe gerade Kekse gebacken. Willst du welche?“

„Ich weiß nicht so recht …“

„Keine Sorge, die sind nicht vergiftet!“, rief Ray und lachte bei Naokos nachdenklicher Miene. „Schau!“ Und damit schob er sich einen der runden Kekse, die in einer Schüssel auf dem Esstisch standen in den Mund.

Naoko setzte sich mit an den kleinen Tisch, an dem gerade so zwei Personen essen konnten. Die Kekse dufteten herrlich. Also ließ sie sich doch breit schlagen, einen zu probieren. Sie waren köstlich. Also nahm sie sich noch einen zweiten.

Ray lachte, als er sah, mit welcher Begeisterung Naoko die Kekse verputzte. „Schmeckt's?“

„Ja! Die sind verdammt gut! Wo hast du gelernt so gut zu backen?“

„Ich bin Chefkoch in einem 5-Sterne Restaurant.“

„Was?!“, rief Naoko erschrocken und ihr fiel fast ein Stück Keks aus dem Mund.

„Hat dir das niemand erzählt? Dabei scheint deine Familie ja viel über mich zu reden.“

„Nein, das wusste ich nicht.“

„Oh je“, meinte Ray dazu nur und kramte eine Visitenkarte hervor. „Hier, das ist das Restaurant, in dem ich arbeite. Ich würde mich freuen, dich einmal als Gast bei mir begrüßen zu dürfen.“

„Mondlicht Taverne“, las Naoko. „Was für ein furchtbar kitschiger Name.“

Damit brachte sie Ray abermals zum Lachen. „Den habe ich mir nicht rausgesucht.“

„Sagtest du nicht, du seist Chefkoch?“

„Das stimmt auch, aber das heißt nicht, dass ich auch der Geschäftsführer bin. Im Grunde bin ich nur der Chefkoch eines Ablegers einer größeren Restaurantkette.“

„Verstehe.“

Auch wenn es unangebracht war, verfiel Naoko darin, Ray von ihrem Streit mit Len zu erzählen. Ray hatte auf unerklärliche Weise eine vertrauenswürdige Aura. Und Ray hörte ihr aufmerksam zu und sprach ihr sogar zu, sich mit Len zu vertragen, auch wenn er für einen Augenblick traurig wirkte, als sie erzählte, wie intim sie mit Len geworden war. Als Naoko das sah, sprach sie sich zu, dass der Eindruck sicher nur Einbildung war.

„Du bist gar kein so schlechter Mensch“, meinte sie schließlich und lächelte ihm zu.

Ray blickte ihr nicht ins Gesicht, meinte aber nur „Danke.“ Eine Weile blickte der die Keksschüssel vor sich an, dann begann auch er zu erzählen. „Weißt du … eigentlich wollte ich damals wegen Mao nicht so ausrasten. Aber ich war so verzweifelt, sie zu verlieren, als dein Vater auftauchte. Und dann tat sie wenn ich heim kam immer so, als existiere ich nicht und als mir klar wurde, dass sie mich nie geliebt hatte und nur noch wegen Len mit mir zusammen war, war das zu viel. Sie hat auch nie etwas gesagt, sondern nur geschwiegen und unglücklich geschaut, woher sollte ich dann wissen, was los ist?“

„Fehler von beiden Seiten. Aber passiert ist passiert. Man muss weiter gehen und fürs nächste Mal aufpassen, nicht wahr?”, meinte Naoko. Halb, um sie beide aufzumuntern.

Ray blickte sie mit weichem Blick an. “Ja, du hast recht.” Dann beugte er sich über den Tisch und küsste Naoko flüchtig auf den Mund.

Naoko schreckte zurück und erwartete, wieder von ihm irgendwo festgehalten zu werden, doch nichts geschah. Stattdessen blickte Ray verlegen zur Seite.

“Verzeih mir. Ich … konnte nicht widerstehen. Du bist so süß“, gab er zu. Doch es lag nicht der Tonfall eines Machos in seiner Stimme, nein, es klang wie eine wirkliche Entschuldigung. “Du solltest wissen, dass ich in dir nicht deine Mutter sehe. Für mich bist du Naoko. Es erweckt leicht den Anschein, als würde ich nur einen Ersatz suchen … ”

“Schon gut. Ich glaube dir”, beschwichtigte ihn Naoko, war aber selbst verunsichert. Wieso machte es ihr nichts aus, das Ray ihr einfach näher kam? Sie liebte doch Len, oder?

“Ach wirklich?”, ungläubig lächelnd blickte er auf, wandte den Blick dann aber schnell wieder ab.

“Sag, Ray, könntest du mich lieben?”, fragte Naoko und ihr kam eine Idee.

“Mehr noch, als ich deine Mutter geliebt habe. Das kann ich dir versprechen. Weil du auch den Kontakt zu mir aufrecht erhältst.”

Die Antwort bereitete ihr Herzklopfen. Eigentlich dachte sie, die Situation und ihre Gefühle unter Kontrolle zu haben, aber mit solchen Aussagen warf Ray sie aus der Bahn. Diese Antwort hatte sie für ihren Plan nicht erwartet.

“Kontakt? Wir hatten doch noch keinen Kontakt!”, antwortete Naoko nach langem Zögern und strich sich eine Strähne hinter das Ohr.

“Ich … ich meinte damit, dass du offen wirkst.” Ray wirkte selbst unbeholfen in dem, was er sagen wollte. War dieser Mann wirklich 36? Naoko musste lachen.

“Ich wollte dich um etwas bitten.”, begann Naoko und sah Ray in die Augen. Doch dies zu tun war der finale Fehler. Denn in seinen Augen las sie Ehrlichkeit. Ray schien sie wirklich zu mögen.

“Worum wolltest du mich bitten?”, schreckte er sie nach der kurzen Stille auf.

“Ach…vergiss es.”

Verwirrt blickte er Naoko an. “Worum geht es denn?”, fragte er eindringlicher.

“Nun ja, ich dachte… also …wenn Len uns erwischen würde … “

“Ah ja, ich verstehe”, unterbrach Ray sie und grinste, als ob er ihr nicht böse über die kommende Aktion sein könnte. “Eifersuchtstest, habe ich recht?”

Naoko nickte. “Aber das … ich meine … wenn du ein übler Typ gewesen wärst, dann wäre es in Ordnung gewesen. Aber jetzt wo ich dich kennen gelernt habe, möchte ich nicht, dass ihr, du und Len, euch streitet. Es tut mir Leid. Noch dazu sagtest du - ”

“Ach Blödsinn. Der redet seit meiner letzten Aktion so oder so schon kaum ein Wort mehr mit mir.” “Aber -”

“Ich bin wieder da!”, schallte es plötzlich durch den Flur. “Spaziergang hat ein bisschen länger gedauert … Ray?”

Ray erhob sich, ging einmal um den Tisch und drehte Naoko geschwind zur Seite, um besser an sie heran zu kommen.

“Nein, Ray! Bitte! Ich will keinen Streit!”, flüsterte sie ihm noch eindringlich zu, doch Len stieß bereits die Tür zum Wohnraum auf und sah Ray, der eine erschrockene Naoko küsste.

“Nicht schon wieder!!”, brüllte Len - die von ihm erwartete Reaktion.

Ray ließ sich provokant noch einige Sekunden Zeit bevor er Naoko losließ. Dann blickte er seinen Sohn herausfordernd an.

“Kannst du es nicht einmal unterlassen, dich an ihr zu vergreifen?! Sie ist nicht meine Mutter! Du bist so widerlich …. - “

“Warte! Stopp! Len, es ist meine Schuld, ich habe ihn dazu angestiftet!!”, unterbrach ihn Naoko und ergriff Lens Arm, doch Len schüttelte sie einfach ab.

Er blickte auf Naoko mit überlegenem Blick herab. “Wer glaubt, wird selig. Du brauchst ihn nicht in Schutz zu nehmen.”

“Ich nehme ihn nicht in Schutz, es ist die Wahrheit!”

Daraufhin seufzte Len nur und packte sie an der Hand. “Komm, ich bringe dich nach Hause. Und ich will, dass du dich nie wieder hier blicken lässt, solange ich nicht hier bin, verstanden?!” “Nein!!”

Len ignorierte Naokos Sturheit und holte ihre Jacke. “Los, zieh dich an.”

“Nein!! Ich will nicht, dass ihr wegen mir streitet!”

“Wir streiten nicht wegen dir, sondern weil mein Vater sich nicht zu benehmen weiß. Ein normaler Mann in seinem Alter sollte seine Triebe unter Kontrolle haben.”

“Aber ich habe doch gesagt, dass ich schuld bin. Hör mal, ich habe ihn verführt, okay?!”

“Mit was denn? Mit deiner bloßen Anwesenheit? Es ist egal, wer an dem Szenario schuld ist. Tatsache ist, dass er der Erwachsene ist und deshalb die Verantwortung trägt.”

“Aber das ist unfair!!” Hilfesuchend wandte sie sich zu Ray um, doch der lehnte an der Wand, vor der sie noch vor wenigen Minuten miteinander gesprochen hatten und schwieg. Das Grinsen, das auf seinem Gesicht aufgetaucht war konnte seine Mine gut überdecken.

“Willst du die junge Dame nicht nach Hause begleiten?”, fragte er schließlich noch immer halunkisch grinsend.

Len reagierte wie erwartet. “Du bereust es kein Stück, habe ich recht?”, zischte er ihm feindselig zu. “Nicht die Bohne.”, entgegnete Ray unverfroren. Und weil Naoko nichts mehr sagte und Ray nur verständnislos und traurig anblickte, legte Len Naoko die Jacke über die Schultern und zog sie zur Tür. Und auch wenn Len es nicht sah, Naoko bekam Rays liebevolles Lächeln und sein Abschiedswinken ihr gegenüber noch mit.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück