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The taste of falling rain.

[Crashdiet - FF]
von

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6. Kapitel - "Wie schmeckt Regen?"

Es fühlte sich an wie ein Tritt mitten ins Herz.

Hätte ich eine Ahnung gehabt, was ich hier oben vorfinden würde, ich hätte wahrscheinlich alles getan, um dem Dachboden fernzubleiben. Andererseits tat es auf eine perverse Art und Weise gut, sich ihm wieder so nah zu wähnen.
 

Dave.

Ich erinnerte mich noch zu gut an jenen Tag, an dem ich Frostbeule spielte, weil ich mal wieder nur im Tanktop auf die Straße gegangen war. Natürlich klapperte ich schon bald mit den Zähnen, was Dave nicht verborgen blieb. Ganz der Gentlemen legte er mir seine Lederjacke über die Schultern mit den Worten, ich könne sie ihm ja bei Gelegenheit wieder vorbeibringen.

Gelächelt hatte er dabei. Und seine Jacke hatte er nie mehr zurückbekommen können. Denn die Szene hatte sich kurz vor seinem Tod zugetragen.

Meine Hände zitterten, als ich über das glatte, kühle Material des Kleidungsstücks strich, was den Krampf in meinem Magen noch unerträglicher machte. Wie konnte ich auf seine Jacke vergessen? Und wieso hatte ich sie auf den Boden geräumt? Viel mehr wollte ich sie doch bei mir haben, besonders jetzt, wo ich so allein war. Natürlich stellte sie nicht das letzte Erinnerungsstück dar, was uns von ihm geblieben war, aber gerade diese Jacke war es, die ihm so viel bedeutet hatte. Fast täglich trug er sie, schlief manchmal sogar in ihr, und dass er sie mir geliehen hatte, kam einer großen Ehre zuteil. Für mich war es damals ein Zeichen unserer tiefen Freundschaft.

Dave war besonders zum Schluss mein engster Vertrauter. Nicht mal Peter oder Eric wussten so genau wie er, was in meinem Kopf vor sich ging. Und wenn sie es doch wussten, dann hatten sie es nicht verstanden. Dave aber verstand mich immer oder zumindest versuchte er es. Und er hatte stets einen Rat. Einen Lösungsvorschlag. Jedoch war der Tod niemals einer davon. Deswegen schlug die schlimme Nachricht auch so hart ein. Erschütterte mich komplett. Ja, ich hatte gewusst, dass Dave manchmal recht depressive Phasen durchmachte, aber Selbstmord war eine Sache, die man nur aus Filmen oder den Nachrichten kannte und einem deshalb so fern vorkam. Nie hätte ich damit gerechnet, dass er auf solch eine Weise mit sich Schluss machte. Und mich somit ganz alleine ließ.
 

"Oh so sad

you're never coming back

but your soul will shine

in all our minds."
 

Ich hörte es immer wieder. Auf Endlosschleife. Dieses eine Lied, welches ich mit Dave in Verbindung brachte. Wild Rose.

Den gesamten restlichen Tag verbrachte ich in meinem Bett, die Lederjacke fest an mich gedrückt und mit einem Schmerz, der zu tief saß, damit Tränen an die Oberfläche dringen konnten. Und dann das Lied. Traurig und so schön zugleich. Jedes Wort stach mir wie ein Dolch in die Brust, aber irgendwie war er da, wenn ich seine Stimme hörte. Dann waren die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit so lebendig und greifbar wie selten zuvor. Denn ich wollte Dave irgendwie am Leben halten. Irgendwie bei mir haben. Wenn es schon nicht körperlich war, dann sollte er wenigstens in meinem Kopf weiter existieren. Ich wusste, es würden keine neuen Erinnerungen an und mit ihm hinzukommen, deswegen durften die alten niemals verblassen. Dave sollte mir nicht ferner werden mit der Zeit. Auch wenn es wehtat. Für ihn quälte ich mich gern. Für ihn und das, was ich noch von ihm hatte.
 

Doch der Mensch war von Natur aus kein schmerzperverses Individuum. Die Seele wusste sehr gut, was sie ertrug und was nicht und da konnte ich auch nicht mit meinen Gedanken entgegensteuern.

Irgendwann gestand ich mir ein, dass ich es nicht mehr aushielt. Dass ich in einer Situation steckte, aus die es weder einen Ausweg noch ein Happy End gab. Es war eine Sache, die man nicht mehr ändern konnte, egal, wie sehr man es sich wünschte. Und genau das war es, was es schier unerträglich machte. Wenn man die Kontrolle über die Dinge verlor, die sich um einen herum abspielten, dann wurde man wahnsinnig. Ich zumindest spürte mehr und mehr, wie ich den Boden unter den Füßen verlor. Würde ich so weitermachen, würde ich Dave vielleicht sogar folgen, überlegte ich, während ich verzweifelt die Kontaktliste meines Handys durchscrollte.
 

Ich hatte mich plötzlich wieder an Peters Worte erinnert. Auch wenn er nicht mehr hier wohnte, er wollte für mich da sein. Ich konnte ihn anrufen, zu jeder Tageszeit.

Über den Dächern schwelte mittlerweile ein dunkler Schleier und läutete die kommende Nacht ein. Doch an Schlaf war für mich nicht zu denken. Das Gedankenkarussell hatte mich und würde mich in nächster Zeit wahrscheinlich nicht mehr entlassen. Es gab so viel, was mich beschäftigte, so viel, dass mir bereits der Kopf brummte. Und ich spürte, dass ich einen Halt benötigte. Ich brauchte Peter.
 

Ewig ließ ich es klingeln. Doch das gleichmäßige Tuten machte auch nach drei Minuten keinen Platz für Peters vertraute Stimme.

Irgendwann gab ich auf. Legte mich zurück in mein Bett. Frierend. Zitternd. Bitter enttäuscht.

Er hatte gesagt, er wäre für mich da. Hatte mir so oft gezeigt, wie viel ich ihm bedeutete. Doch das alles schien mit einem Mal einzustürzen. Ich glaubte, dass Peter mich nie so sehr geliebt hatte, wie er vorgab. Wie hätte er sich sonst auf Olli einlassen können, wenn er doch nur mich wollte? Für ihn war es ein Leichtes, über unsere Zeit hinwegzukommen. Nur ich musste mit dem nagenden Kummer kämpfen, dem ich allerdings nicht die Oberhand gewinnen lassen wollte.

Peter war kalt. Manchmal fühlte es sich so an, als ob er wirklich etwas für einen empfand, aber dann bewies er dir, dass du ihm scheißegal warst. Ich war ihm genauso egal wie Dave. Hauptsache, er hatte seinen Spaß. Hauptsache, er bekam seinen Willen. Hauptsache, er hatte Sex. Was andere fühlten, das interessierte ihn einfach nicht, auch wenn er es manchmal glaubwürdig rüberbrachte und einen somit einlullte.
 

Vielleicht stellten das alles nur Verschwörungstheorien dar. Doch egal, ob es stimmte oder nicht: Peter war kein Freund. Peter war einfach jemand, den man liebte, ohne, dass er es sich verdient hatte. Aber selbst liebte er nicht wider. Er konnte es nicht. Vielleicht, weil er im Grunde noch ein Kind war. Weil er so vieles nicht kapierte. Weil er nicht wahrhaben wollte, wie hart die Realität sein konnte.

Deswegen ließ auch er mich allein. Weil es ihm zu kompliziert wurde. Und deswegen ging er jetzt auch nicht an sein Handy. Weil er bestimmt gerade mächtig viel Spaß mit Olli hatte und für seinen eigentlich besten Freund keinen Sinn. Dabei hätte es mir doch genügt, wenn er mich einfach nur an sich gedrückt hätte, wie bei meinem ersten Zusammenbruch. Ich hätte keine Ratschläge von ihm erwartet. Keine weisen Worte.

Ich wollte einfach nur, dass er da war. Doch er war mir im Grunde ferner als Dave. Weil die neuen Erinnerungen und Begebenheiten die alten, schönen überdeckten. Weil es sie wertlos machte. Warum sollte ich noch an ihnen festhalten, wenn sie doch eh nicht aus Aufrichtigkeit entstanden waren?
 


 

*****
 

Irgendwann kam der Zeitpunkt, ab dem ich mich von mir aus der Gesellschaft anderer Menschen entzog. Dennoch war ich nicht einsam. Irgendwann war ich es nicht mehr. Denn ich hatte einen treuen Begleiter gefunden, auf den ich mich immer verlassen konnte: Die Musik.
 

Lange Zeit hatte ich an einem Kreatief gelitten, meine Gitarre in einer Ecke verschimmeln lassen, doch plötzlich, wie über Nacht, spürte ich, dass es Zeit war, wieder etwas zu schaffen. Etwas, das mir helfen sollte, meinen Kopf, der noch immer sehr mit dem Verlust Daves haderte, auf andere Gedanken zu bringen. Und gleichzeitig sollte es mich meinem engsten Vertrauten wieder näher bringen. Ihn noch lebendiger machen. Für mich. Doch wenn ich ehrlich bin, wollte ich einfach nur ausdrücken, wie sehr er mir am Herzen lag. Egal, wo er jetzt war - den Platz in meinem Herzen würde er niemals aufgeben. Dave war besonders. Dave ging nicht einfach, ohne wiederzukommen. Doch ich wusste, dass er mich im Grunde genauso im Stich gelassen hatte wie Peter. Und trotzdem liebte ich sie. Ich liebte sie beide. Nur deswegen konnte ich sie auch so hassen. Tiefe Gefühle empfand man nicht einfach für einen Menschen, der einem egal war. Wenn du etwas liebtest, konntest du es theoretisch auch hassen. Und nur geliebte Menschen vermochten dich in deinem tiefsten Inneren zu verletzen.
 

Irgendwo hatte ich mal gehört, dass Melancholie und schwere Zeiten kreativ machten. Und ich wusste nun, dass es stimmte.

Da mir zu Hause mit jedem Tag die Decke ein Stückchen mehr auf den Kopf fiel, verzog ich mich samt meines Instrumentes in den Proberaum. Heute würde sich dort keiner aufhalten, wusste ich, die Arbeiten an einer neuen Platte sollten erst in ein paar Wochen beginnen und selbst dann galt es eher, das Tonstudio aufzusuchen anstatt den kleinen, gerümpeligen Keller, der mit dem gemütlichsten Sofa auf der ganzen Welt aufwartete, zu belagern.

Als ich die Tür aufstieß, umfing mich sofort ein warmes Gefühl, welches ich nicht wirklich einordnen konnte. Vielleicht lag es daran, dass wir manche Tage und sogar Nächte zu viert auf diesen paar Quadratmetern verbracht hatten und uns genauso häufig auf den Pisser gingen wie wir Spaß hatten. Vielleicht war es aber auch nur eine weitere Erinnerung an die Zeit mit Dave, die mir gut tat, mich auf der anderen Seite aber auch ganz schwach werden ließ.
 

Es kam selten vor, dass ich allein hierher kam. Wenn alles so ruhig war wie jetzt, war die Atmosphäre eine ganz andere, als wenn wir vier wilden Typen Remmidemmi in der Bude veranstalteten. Aber da ich gerade die Einsamkeit vorzog, störte es mich nicht sonderlich, im Gegenteil. Es fühlte sich gut an, mal rausgekommen und gleichzeitig niemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Meine Gitarre war schließlich geduldig, sie fragte nie nach meinem Befinden oder dem, was in meinem Kopf für Gülle rumflatterte. Und wenn ich wollte, dass sie mit mir sprach, zupfte ich einfach ihre Saiten. Melodien stellten ohnehin eine ehrlichere Sprache da als die, die Worte benötigte, um etwas auszudrücken. Musik war etwas so Persönliches, aber zugleich konnten sich so viele Menschen an ihr weiden. Ob das Lied, welches ich an diesem Tag schrieb, jemals ein Fremder zu Gesicht bekommen würde, wusste ich noch nicht. Denn eigentlich diente es mir nur dazu, meine Gedanken nach außen zu befördern. Die Gedanken, die niemand hören wollte. Die mir aber so wichtig waren. So wichtig, dass ich sie nicht mehr länger nur in meinem Kopf aufbewahren wollte.
 

Ich vertiefte mich regelrecht in mein Spiel. Notierte ab und an Griffe oder Wortgruppen. Bis ich letztendlich den Refrain zusammenhatte. Und dieser war so metaphernreich gestaltet, dass wahrscheinlich kein Außensteher verstanden hätte, was diese Worte bedeuteten. Mir bedeuteten.

Dass ich bald schon nicht mehr allein sein sollte, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Deswegen erschrak ich umso mehr, als ich einen sich bewegenden Schatten aus den Augenwinkeln wahrnahm.

Mit rasendem Herzschlag blickte ich ihn an.

Peter.

Was macht er hier, war mein erster Gedanke, aber schon bald wurde mir das Was gleichgültig. Viel wichtiger war doch die Frage, wieso er sich mit einem angedeuteten, ungewohnt zaghaften Lächeln neben mich auf die Couch setzte und gar nichts sagte.

Ich versuchte mich währenddessen wieder auf mein Lied zu konzentrieren, aber bei Peters Anwesenheit fiel mir das schwer. So viel ging mir plötzlich wieder durch den Kopf. Zuvor hatten all meine Gedanken an Tempo verloren und nun machte mir der Bassist das alles zunichte.

War es ihm plötzlich unangenehm geworden, dass er mich so lange ignoriert hatte? Woher wusste er, dass ich hier war? Wollte er mich überhaupt antreffen oder war das alles nur ein bekloppter Zufall? Ich konnte es nicht erfragen. Wollte nicht sprechen. Wollte nicht mit ihm sprechen. Und doch ließ es sich nicht umgehen.
 

"Darf ich mal sehen?"

Peters sonst so laute Stimme hatte eine ganz andere, ungewohnte Tonlage angenommen. Ja, natürlich hatte ich ihn schon so reden gehört, auf diese Art, die so einfühlsam klang und es doch nicht war.

Unverwandt schaute ich ihn für ein paar geschlagene Sekunden an. Sein Blick allerdings galt nicht mir, sondern dem Blatt mit meinen Notizen.

Sollte ich es ihm zeigen? Er würde nicht kapieren, was ich damit ausdrücken wollte. Weil er nicht dasselbe fühlte wie ich. Doch vielleicht war genau das gut so. Es würde mir genauere Fragen ersparen. Er würde denken, dass ich einfach ein neues Lied mit bedeutungslosen Lyrics schrieb, die nach viel klangen, aber nicht mehr als Schall und Rauch waren.

Nach einigem Zögern reichte ich ihm das Blatt. Spielte währenddessen ein paar Akkorde, die richtig gut klangen. Zum ersten Mal seit langem spürte ich ein durch und durch positives Gefühl in mir aufsteigen. Stolz. Ja, ich war stolz auf mich. Ich hatte meine Trauer in etwas Sinnvolles verwandelt. Alles im Leben hatte sein Gutes. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so schien.
 

"Uh, taste of falling rain,

uh, the tears that I can't take."
 

Es dauerte eine Weile, bis Peters Blicke sich von den wenigen Worten lösen konnten. Es wirkte, als dachte er angestrengt über irgendetwas nach.

Als er das Blatt allerdings zurück auf den Tisch gelegt hatte und ich nicht mehr damit rechnete, stellte er etwas fest, das mich ihn gleichermaßen ertappt wie überrascht anstarren ließ.

"Du denkst wieder an Dave."

Auf meinem Gesicht wuchs so etwas wie ein Lächeln, das jedoch keines war, welches von Amüsiertheit oder ähnlichem zeugte.

Ich wollte es vermeiden. Ich wollte dieses Gespräch um jeden Preis vermeiden. Aber es entglitt mir. Ich sprach, ohne dass ich es verhindern konnte.

"Ja. Seit Tagen denke ich an nichts anderes mehr."

Sag bloß, Peter konnte auch sensibel sein. Er schien schon wieder nachzudenken. Wenn er nicht nachgedacht hätte und in Wahrheit die ganze Zeit bei Olli war, hätte ich ihn auf der Stelle zum Roboter erklärt. Wenn er kapiert hatte, dass ich wieder in mein Loch gefallen war und ohne ihn an meiner Seite schon viel zu lange mit mir selbst kämpfte, dann war da doch so etwas wie ein Funken Verständnis. Dachte ich.
 

"Wie schmeckt Regen?", fragte er plötzlich vollkommen zusammenhanglos. Doch als ich ihm direkt in die Augen schaute, musste ich feststellen, dass er es wirklich wissen wollte. Er hatte die Metapher also nicht erkannt. Oder?

"Salzig", antwortete ich knapp. Dann folgte wieder eine dieser unerträglichen Pausen, in der ich Peters gleichmäßigem Atem lauschte. Ich weiß nicht, warum ich es tat, aber im Nachhinein glaube ich, ich sehnte mich einfach nach diesem Geräusch, das von Menschlichkeit zeugte. Zu lange war ich schon allein. In Wahrheit war diese Einsamkeit pures Gift für mich gewesen. Doch das hätte ich mir nie eingestanden.
 

"Salzig. Wie Tränen."

So leise kam das über Peters Lippen. So leise, dass es mir einen kleinen Stich versetzte.

Tränen.

Er wusste es.

Er wusste doch mehr, als ich angenommen hatte. Ich fühlte mich durchschaut, obwohl es dafür keinen Grund gab. In Wirklichkeit hatte ich oft genug vor Peter blank gezogen, er kannte mein Innenleben. Fraglich war nur, ob er es kennen wollte. Und das konnte ich selbst jetzt noch nicht beantworten.
 

Ich nickte schließlich geruhsam, um seine Worte zu bestätigen.

Tränen. Ja, es waren Tränen. Die Tränen, die ich all die Tage vergossen hatte, waren zu Worten geworden. Zu Worten auf Papier. Und erst dadurch fühlte ich mich so richtig leer. Nicht ausgebrannt oder mürbe, aber leer. Es war eine angenehme Leere. Doch umso länger Peter neben mir saß, umso mehr spürte ich, wie er diese Leere wieder zu füllen versuchte. Mein Herz wog schwerer und es wurde auch nicht besser, als Peter sich mir nähere, um den Kopf an meine Schulter zu lehnen. Im Gegenteil. Es zerriss mich beinahe. Der Mann, der mich genauso zerstört hatte wie Dave, der mich ignoriert und mit meinem Kummer allein gelassen hatte, tat etwas so Unlogisches. Mit einem Mal war er mir wieder so nah. Nicht nur körperlich. Sondern psychisch. Es war, als wäre er nie weggewesen.
 

Ich ließ es zu. Tat, als wäre nichts geschehen. Doch das stimmte nicht. Und wenn Peter so sensibel war, wie er gerade vorgab, hätte er es bemerkt. Er hätte merken müssen, wie sehr es mir zusetzte. Wie ich mental schon wieder komplett seins war. Der Hass hatte sich herumgedreht und somit die Liebe freigegeben. Er hätte es wissen müssen. Doch er wusste gar nichts.
 

"Du musst versuchen, dich von Dave zu lösen, Süßer", säuselte er. "Es tut dir weh. Du leidest."

Ich hielt inne. Alle meine gegenwärtigen Bewegungen erstarrten zu Stein.

Was hatte er da gesagt? Ich sollte mich von Dave lösen? Von dem einzigen Menschen, der zu mir gestanden hatte und der mir noch immer das Wichtigste war, weil es keiner schaffte, ihm Konkurrenz zu machen? Unfassbar. Der kleine Funken Nähe zwischen Peter und mir war schneller erloschen, als er aufgeglommen war.

"Niemals", sagte ich leise, aber dennoch fest. "Dave loszulassen ist für mich, als wenn ich einem Freund, den ich noch immer liebe, einfach den Rücken zuwende. Das kann ich nicht. Und das will ich nicht."

"Du kannst dich aber nicht ewig an ihm festklammern", widersprach mir Peter mit sanftem Druck, noch immer an meine Schulter gelehnt, was ich bald nicht mehr aushalten konnte. "Dave ist tot, aber dein Leben geht weiter. Denkst du, er hätte gewollt, dass du dich so gehen lässt? Nein. Denn Dave hat das nicht getan, um uns zu ärgern. Er hat das getan, weil er eg-"

"Uns? Du sprichst von uns?"

Mir platzte nun tatsächlich der Kragen. Die innere Stille hatte sich aufgelöst.

Vor Schreck war Peter endlich von mir gewichen und schaute mich aus seinen großen Augen an. Damit hatte er allen Anscheins nach nicht gerechnet.

Langsam und zutiefst enttäuscht wiegte ich mein Haupt.

"Du verstehst gar nichts, Peter. Du vermisst Dave ja nicht mal. Deswegen hast du auch leicht reden. Du bist so kalt."

Sofort schnappte Peter nach Luft, um Einspruch zu erheben.

"Du verstehst auch so vieles nicht, Martin. Du versteht ja nicht mal deine eigenen Gefühle."
 

Das genügte. Ich weiß nicht mehr, wie ich es schaffte, Peter aus dem Raum zu befördern, aber ich weiß noch ganz genau, wie es sich anfühlte, als er weg war.

Ich war allein. Aber es tat nicht mehr weh.

Peter Nähe hatten mich mehr verletzt, als es jede Einsamkeit vermocht hatte.
 

Um ehrlich zu sein wollte ich ihn nie wiedersehen. Doch das Schicksal hatte es so nicht vorgesehen.

Es hatte einen anderen Plan geschmiedet. Einen Plan, der so unerwartet wie heftig über mich hereinbrach.
 

Und er war...wunderschön.



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