Zum Inhalt der Seite

Eine Nacht, Die Mein Leben Veränderte

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 2

Kapitel 2
 

Der Wecker rappelte zu einer für mich vollkommen unchristlichen Stunde. Mir fielen die Ereignisse der Nacht wieder ein und ich musste grinsen. Langsam taperte ich zum Bad hinüber, warf die Dreckwäsche in den Schmutzkorb und betrat danach die Dusche. Alles ging mir irgendwie heute Morgen schnell und leicht von der Hand und so eilte ich schon nach kurzer Zeit ins Esszimmer, wo meine Mutter mit dem Frühstück schon auf mich wartete.
 

Nach dem gewohnten Hin und Her packte ich meine Brote und eine Flasche Sprudel, dann hatte ich mich schon auf den Weg zur Schule gemacht. Mein Gesicht musste wohl ständig gelächelt haben, denn alle Leute, die mir begegneten, lächelten mich gleichfalls an. Doch so richtig registrierte ich das nicht, waren meine Gedanken doch unentwegt bei der gestrigen Nacht und bei Nikolas.
 

Der war aber auch ein Bild von einem Mann. Genauso, wie ich mir immer meinen Freund gewünscht hatte. Es schien mir, als wäre Nick einfach aus der Backform für den besten für mich möglichen Mann gesprungen, so genau entsprach er meinen Vorlieben. Sogar seine Stimme gefiel mir, sie war etwas rau, sehr männlich, sogar ein klein wenig singend, was ich sehr mochte.
 

Fast wäre ich an meiner Schule vorbeigegangen, so sehr nahmen mich die Gedanken an Nikolas gefangen. Der Schultag ging eher zäh vorüber und zog sich quälend in den frühen Nachmittag hinein. Schließlich konnte ich die Lehranstalt wieder verlassen und eilig machte ich mich auf den Weg nach Hause. Kurz bevor ich die Haustür erreichte, schellte mein Handy.
 

Vollkommen überrascht erkannte ich darauf „unbekannter Teilnehmer“. Ich rätselte nur kurz, dann entschloss ich mich, das Gespräch anzunehmen. Die Möglichkeit bestand ja, dass es Nikolas sein könnte. Leider war er es nicht. Stattdessen sprach mit lauter Stimme ein Stufenkamerad auf mich ein, der meine Unterlagen der letzten Stunde Biologie von mir ausleihen wollte.
 

Nun gut, dachte ich, das muss auch mal sein. Nach dem Essen räumte ich das Geschirr in den Geschirrspüler und ging in meine Räume hinunter. Meine Eltern würden in den nächsten Wochen immer erst sehr spät von der Arbeit heimkehren. Darum hatte ich über den Tag das Haus für mich.
 

Auf der Terrasse vor meinem Zimmer zog ich eine der großen Sonnenliegen unter dem weit hervorspringenden Balkon hervor, der fast die ganze Rückseite des Hauses einnahm und von dem eine Treppe ins, von der Straße aus gesehene, eigentliche Erdgeschoss hinaufführte. Nachdem ich mich mit dem Nötigsten zum Überleben an einem heißen Sommertag versorgt hatte, verschloss ich sorgfältig die Balkontür, stieg die Treppe hinab, legte mein Tablett auf einem neben der Liege stehenden Tisch ab und ließ mich schwer auf die Liege fallen.
 

Im Haus hatte ich mich schon eingecremt und so griff ich nach meinem angefangenen Krimi, drehte das kleine Radio ein wenig lauter, goss mir ein Glas Limonade ein und drückte mich erwartungsvoll gegen die Rückenlehne, gespannt darauf, wie der Held meines Buches weiter vorgehen wollte. Immer wieder nippte ich abwesend an meiner Limonade und ließ mich vollkommen gefangen nehmen.
 

Die Zeit verging und ich schreckte regelrecht hoch, als neben mir eine dunkle Stimme ertönte: „Na, mein Lieber, da kann ich lange darauf warten, bis du mir die Tür öffnest. Als wenn ich es geahnt hätte.“
 

Neben meiner Liege stand Nikolas und starrte mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf mich herunter.
 

„Ich hoffe, du bist mir nicht allzu böse, dass ich neben dem Haus nach deinem heimlichen Fluchtpfad gesucht habe. Er war sogar leicht zu finden und es war genauso einfach hier runter zu kommen, wie du es gestern Abend geschildert hast. Macht es dir etwas aus, wenn ich mich ein wenig zu dir setze?“
 

Fragte mich das dieser wunderbare Mann im Ernst? Sofort bestätigte ich ihm, dass es mir sehr recht wäre, zog einen Stuhl für ihn an den Tisch, holte eiligst ein weiteres Glas von oben aus der Küche, bot ihm Kekse, Obst und verschiedene Getränke an, alles, was ich ebenfalls gleich auf einem weiteren Tablett mit nach unten gebracht hatte.
 

Um es kurz zu machen, wir unterhielten uns stundenlang blendend, lachten viel, gingen unheimlich locker miteinander um, so, als würden wir uns schon ewig lange kennen. Wir mochten ähnlich gelagerte Bücher, ähnliche Musik, sprachen über Sport und die in dieser Stadt spärlich gegebenen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, kamen vom Hundertsten ins Tausendste und brachen gerade auf, um die Million zu erkunden, als mir Nick auf einmal praktisch ins Wort fiel.
 

„Valentin, tut mir leid, wir plaudern hier so fröhlich und ich habe dabei ganz vergessen, dich nach deinem Ausweis zu fragen. Den Zettel mit deinen Daten habe ich wohl verkramt, denn er ist unauffindbar. Würdest du ihn mir wohl kurz bringen, dann kann ich alles noch einmal abschreiben“, meldete er sich.
 

Ich machte mich sogleich auf, den Ausweis aus meinem Zimmer zu holen, als Nick einfach aufstand und mir ins Haus folgte. Dabei bemerkte ich, wie er sich unauffällig im Flur und kurz darauf auch in meinem Zimmer umsah und über ein paar Poster an der Wand schmunzelte. Dort hatte ich einige Bilder von Boygroups aufgehängt, damit ich etwas zu träumen hatte, wenn ich abends im Bett lag und mein kleines Kopfkino anwarf, um mich zu erleichtern.
 

„Hast du eigentlich deinen Eltern von gestern Abend etwas erzählt? Oder hatten sie wirklich nichts mitbekommen?“ fragte Nikolas mich so ganz nebenbei aus, als er sich gegen das Ende meines Schreibtischs lehnte.
 

„Nö, die haben geschlafen, so wie immer. Warum sollte ich ihnen also etwas erzählen? Sie würden sich nur unnötig Sorgen machen und ich könnte nachts nicht mehr joggen gehen. Nein, besser nicht“, war meine Antwort.
 

Dann bückte ich mich nach meiner Hose, in der der Ausweis stecken musste.
 

„Oh, hm, ok. Danke, hm, sag mal“, Nick holte hörbar tief Luft.
 

'Er musste wohl etwas auf dem Herzen haben, so wie er gerade herumstotterte', waren meine Gedanken.
 

Dann sprach Nikolas weiter: „Nachdem das mit deinem Ausweis jetzt gleich geklärt und beendet ist, hättest du vielleicht Lust, dich mal mit mir zu treffen? Vielleicht sogar mit mir mal an einem Wochenende an den See zu fahren und dort mit ein paar meiner Freunde zusammen zu grillen? Oder auch zu zelten, je nachdem, wie spät es wird? Oder gestatten dir deine Eltern keinen freien Ausgang? Musst du dich immer bei ihnen abmelden? Wie haltet ihr das hier bei euch?“
 

Wieder neue Fragen dieses coolen Mannes, der jetzt dicht neben mir an meinem Schreibtisch stand, wo ich noch immer in meiner über den Stuhl geworfenen Jeans herumkramte, um meinen Personalausweis zu finden, den ich dort in eine der Taschen geschoben hatte. Und eben von diesen Fragen wurde ich vollkommen überrascht, so dass ich ihn wohl sehr ungläubig angesehen haben musste, so, wie er gerade schmunzelte.
 

„War dir mein Auftreten zu forsch? Kannst es ruhig sagen? Ich bin dir nicht böse, wenn du ehrlich antwortest. Mir haben schon viele gesagt, dass ich es öfters viel zu eilig hätte und es doch manchmal einfach abwarten sollte. Aber das kann ich hier mit dir nicht. Nach heute Nachmittag trennen sich unsere Wege, Valentin und wir hätten nichts mehr miteinander zu schaffen und das würde mir, ehrlich gesagt, so gar nicht gefallen“, aufrichtig sah mich Nick an.
 

Ich blickte zu ihm auf und musste erst kräftig schlucken, bevor ich auch nur ein leises „Ja“, herauskrächzen konnte. Dann räusperte ich mich laut.
 

„Gerade fühle ich mich ein wenig wie von einem Bus überrollt. Wie kannst du nur so forsch vorangehen? Bei mir dauert es immer ewig, bis ich mich dazu entschließen kann, über etwas Wichtiges zu sprechen. Und das mit dem Ausweis ist dann auch nur ein Vorwand gewesen, um hierher zu kommen, oder?“
 

Schon wieder war mein Mund schneller gewesen, als mein Gehirn und ich lief daraufhin rot an. Nikolas bekam einen Hauch von Rot in seine Wangen und sein Lächeln verbreiterte sich noch, dann trat er ganz dicht an mich heran und legte eine Hand auf meine Schulter.
 

„Mach dir nichts draus. Ich finde, du bist genau richtig so, wie du bist.“
 

Langsam beugte er sich zu mir hinab und küsste mich ganz zart auf meine Lippen und wollte sich schon wieder von mir zurückziehen, als ich meine bebend für ihn öffnete. Ich wurde hart an Nicks Körper gezogen, eine Hand lag auf meinem Rücken, eine an meinem Hinterkopf. Unser Kuss wurde leidenschaftlicher, wurde inniger, erregender. Seine Zunge umwarb meine, spielte mit ihr, erforschte meinen Mund und ich tat es ihm gleich. Meine Arme schlangen sich wie von selbst um seinen Rücken und so hielt ich mich an ihm aufrecht.
 

Immer wieder zögerten wir eine Trennung unserer Lippen hinaus, vertieften und lockerten unseren Kuss, bis ich leise in diesen Kuss hinein stöhnte und mich erregt an Nikolas´ Körper rieb. Nach einiger Zeit lösten sich unsere Münder voneinander und beide blickten wir uns verträumt an.
 

„Das war sogar für meine Verhältnisse etwas zu schnell“, murmelte Nick leise vor sich hin, während er mir weiterhin tief in die Augen sah.
 

„Aber sehr schön“, hauchte ich und lehnte mich an ihn.
 

Wir hatten uns geküsst, dieser wunderbare Mann und ich hatten uns geküsst. Wahnsinn! Der Kuss war herrlich, erotisch, so total schön gewesen, so, so... mir fehlten die Worte, um ihn zu beschreiben. Noch immer kuschelte ich mich in die Arme dieses unglaublichen Menschen, ließ ihn nicht los und auch Nikolas hielt mich weiterhin umfangen.
 

Er gestand: „Ja, natürlich war dein Ausweis nur ein Vorwand. Schließlich hat sogar in unsere Polizeibehörde das Computerzeitalter Einzug gehalten und alleine mit deinem Namen bekäme ich fast alles über dich heraus. Aber ich wollte dich wirklich sehen. Da war mir jede Ausrede recht.“
 

Erneut küssten wir uns, ließen unsere Zungen miteinander tanzen. Nick hielt mich fest umschlungen, als könnte ich ihm entwischen, wenn er das nicht machen würde. Ausdauernd erforschten wir die Mundhöhle des anderen, erkundeten unsere Hände vorsichtig den Körper des anderen. Ganz leicht rieb Nikolas über meinen Rücken, wobei mein Shirt ein wenig nach oben rutschte und er so etwas von meiner Haut erwischte. Schnell lag seine Hand auf meiner nackten Rückseite, streichelte über sie und verursachte bei mir eine enorme Gänsehaut. Doch irgendwann muss man einfach mal wieder Luft holen und so trennten sich unsere Lippen voneinander.
 

„Könntest du mir vielleicht eine Antwort auf meine Frage nach dem Zelten geben“, bat mich dieser coole Mann vor mir, der sich noch immer weigerte, mich wieder aus seinen Armen zu entlassen.
 

Durch seine Berührungen ein wenig benommen und abgelenkt sagte ich: „Seit mich mein ehemaliger bester Freund schneidet, weil er herausbekommen hat, dass ich schwul bin, gehe ich nicht mehr großartig aus dem Haus. Ich denke, meine Eltern würden sich sehr darüber freuen, wenn ich wieder unter die Leute komme. Gegen dich hätten sie bestimmt nichts einzuwenden, da du ja Polizist bist und mich beschützen könntest. Sie werden wohl gegen grillen und zelten nichts haben, wenn sie mich dorthin bringen können und sehen, um wen es sich alles handelt. Also, kein Problem. Ich würde mich auf dieses Wochenende mit dir zusammen jedenfalls sehr freuen.“
 

„Oh, wie schön, das freut mich sehr. Dann werde ich mich mal mit deinen Eltern gut stellen, damit sie auch wirklich nichts gegen mich haben“, grinste Nick. Gleich darauf wurde er etwas ernsthafter und blickte mir tief in die Augen. „Sag mal, wegen der Frage jetzt nicht böse werden, aber du hast wirklich noch nicht sehr viel Erfahrung sammeln können, oder?“
 

Erneut überraschte mich Nikolas mit seiner Frage. Beschämt blickte ich nach unten und wollte mich aus seinen Armen lösen.
 

„Oh, Mist, das muss ja jetzt sehr unsensibel für dich geklungen haben. Ich wollte mich nicht beschweren. Für mich ist es schön, zu merken, dass du nicht wild durch die Betten hüpfst“, schnell sprach Nick weiter.
 

„Das kannst du doch gar nicht wissen. Vielleicht mochte ich es nur nicht, von den anderen Jungen geküsst zu werden, weil ich sie nicht gut kannte? Das vermutest du doch alles gerade nur“, begehrte ich ein wenig auf, weil ich nicht so gerne als naives Jüngelchen vor ihm stehen wollte.
 

„Nein“, wehrte Nikolas ganz schnell ab. „So hatte ich das doch gar nicht gemeint. Ich wollte damit nur sagen, dass du für mich eine erfreuliche Überraschung bist, weil ich es auch nicht mag, von Blüte zu Blüte zu hüpfen und jede Nacht in einem anderen Bett und mit einem anderen Kerl einzuschlafen. Damit hätten wir dann wieder etwas gemeinsam, das wollte ich sagen.“
 

Beschwichtigend legte er mir eine Hand auf meine Schulter und drehte mich wieder zu sich. Er hob meinen Kopf an und sah mir tief in die Augen. In seinen bat er um Verständnis und sein Blick wurde bettelnd, als ich nicht sofort auf seine Worte einging und ihn noch etwas zappeln ließ.
 

Doch dann erwiderte ich grinsend: „Nein, du hattest schon Recht damit. Ich habe bisher mit fünfzehn bei einem Spiel nur ein Mädchen aus meiner Parallelklasse ganz flüchtig geküsst und das auch nur ganz schnell und fast hatte ich nur ihre Wange getroffen. Zu mehr Erfahrung hat es bisher bei mir nicht gereicht.“
 

Etwas unangenehm war es mir schon, mich so deutlich vor ihm zu erklären und mich und meine Einstellung damit praktisch zu verteidigen.
 

„Allzu schnell wollte ich nichts mit einem Jungen anfangen oder nur einfach so, aus Spaß, mit ihm im Bett landen. Ich wollte irgendwie auf den Richtigen warten, auch wenn sich das vielleicht vollkommen blöd anhören mag. Aber ich möchte, wenn, dann nicht nur ein One Night Stand für ihn sein, sondern dann schon mehr von ihm wollen, ihn besser kennenlernen, länger mit ihm zusammen sein. Das hatte ich bisher nie gefunden.“
 

Zum Ende meiner Worte hin wurde ich erneut verlegen und meine Stimme leiser und leiser. Ich wollte mich schon wieder von ihm wegdrehen, was Nikolas aber nicht zuließ. Er zog mich kraftvoll in seine Arme. Wir wankten ein wenig, taumelten und setzten uns oder besser gesagt, wir fielen auf das kleine Sofa, das in einer Ecke neben dem Schreibtisch stand. Dort zog er mich auf seinen Schoß, hielt mich umfangen und hielt mich ganz fest an sich gedrückt, presste mir fast schon die Luft aus meinen Lungen.
 

„Ich freue mich riesig, dass wir ähnlich denken. Jetzt habe ich dich total überrumpelt und viel mehr zugelassen, als ich überhaupt vorhatte. Du bist übrigens sehr verführerisch für mich, weißt du das auch?“
 

Bei dieser Frage blinzelte mir Nick so lieb entgegen, dass ich nur grinsen konnte und mich an seine Schulter kuschelte. Was für ein tolles Kompliment für mich. Ich fühlte mich gerade unheimlich erotisch und durch seine wenigen Worte fühlte ich mich auf einmal äußerst begehrenswert.
 

„Im Moment könnte ich ewig so hier mit dir sitzen. Aber deine Eltern kommen sicherlich bald nach Hause. Da wäre es besser, wir würden uns nur normal unterhalten. Sie müssen ja nicht gleich mit dem zukünftigen Freund ihres Sohnes überrascht werden.“
 

Nikolas rückte ein wenig von mir ab, hob mein Gesicht zu sich hoch und sah mich fragend an. Ganz ernsthaft blickte er mich an und meinte, mir dabei immer über einen Arm streichelnd:
 

„Sag mal, Valentin, willst du wirklich nicht mal mit ihnen reden und dir diese Last von deiner Seele nehmen lassen? Ich möchte auch nicht gerne Verstecken vor deinen Eltern spielen. Das liegt mir nämlich nicht, denn ich spiele immer mit offenen Karten. Sonst käme ich mir deinen Eltern gegenüber nicht ehrlich vor.“
 

Damit spielte er auf meine Worte in der Nacht an, als ich ihm gestanden hatte, dass meine Eltern nichts von meinem Schwulsein wussten. Plötzlich schien ihm etwas Unangenehmes einzufallen und er sah auf einmal mehr als nur traurig vor sich hin und schüttelte, unwirsch ob seiner eigenen Gedanken, den Kopf. Anschließend blickte er mich an, ernsthaft, prüfend und so, als hoffte er, dass das, was ihm gerade durch sein Gehirn geschossen war, nicht stimmen würde.
 

„Oder willst du mich vor ihnen geheim halten? Sollen sie von mir nichts wissen oder davon, dass wir uns kennen?“
 

Wieder atmete er tief ein und ließ seinen Atem langsam entweichen.
 

„Das aber würde mir so gar nicht gefallen, Valentin. Ich möchte ihnen ehrlich und offen gegenübertreten und dir auch. Verstecken bringt übrigens nichts. Niemals. Nicht für lange. Es schmerzt dich und auch deine Eltern. Egal wie lange du dich vor ihnen verstecken willst, meistens hat ein Elternteil schon eine Ahnung, was mit seinem Kind abläuft. Zumindest, wenn sie ihrem Kind einigermaßen nahestehen, was bei euch ja wohl der Fall ist, denke ich. Sie werden bestimmt nicht so sauer reagieren, wie du dir das denkst. Hm? Was meinst du? Überlege es dir doch, bitte.“
 

Langsam schüttelte ich meinen Kopf und wollte ihm gerade versichern, dass ich das einfach noch nicht konnte, ihn aber nie verstecken würde, sondern stolz auf ihn wäre, als ich die Stimme meiner Mutter an der Zimmertür hörte.
 

„Tino, mein Schatz, du musst uns gar nichts erzählen. Dein Vater und ich konnten uns das schon seit längerem irgendwie zusammenreimen, genauso, wie der junge Mann neben dir das auch gerade aussprach. Wir sind schließlich deine Eltern und so, wie du hier mit diesem jungen Mann sitzt, bestätigst du gerade unsere Vermutungen.“
 

Erschrocken fuhren wir auseinander und ich rutschte oder besser, fiel von Nikolas´ Schoß herunter. Mit wild klopfendem Herzen sah ich zu ihr hinüber und konnte doch nur ein Lächeln in ihren Augen sehen. Sofort stürzte ich in ihre Arme und drückte sie kräftig an mich, immer noch davon überrascht, wie einfach sie es mir gemacht hatte. Als ich mich wieder von ihr löste, blickte ich zu Nick hinüber und sah ihn auf uns zukommen. Er streckte einfach seine Hand aus und stellte sich vor:
 

„Hallo, mein Name ist Nikolas Schönauer und ich bin ein Freund Ihres Sohnes“, sagte er mit einem gewollt leichten Tonfall in seiner Stimme, der aber seine leichte Anspannung nicht verbarg, dann schüttelte er meiner Mutter die Hand.
 

„Schön Sie kennen zu lernen. Wenn es nach meinem Sohn gehen würde, dann hätte er Sie uns sicherlich erst am Ende dieses Jahres vorgestellt oder vielleicht auch erst nächstes Jahr. Mein Name ist Angelika von der Hofe und ich freue mich, einen Freund meines Sohnes hier begrüßen zu dürfen. Obwohl es mir doch mehr danach aussah, als wären sie D E R Freund meines Sohnes“, grinste meine Mutter.
 

„Nun, für diesen Posten bewerbe ich mich gerade.“ Nicks Stimme klang warm, einladend und einschmeichelnd, aber nicht anbiedernd. „Es würde mich sehr freuen, wenn Sie nichts dagegen hätten, dass Valentin und ich uns näher kennenlernen. Wir haben uns vor ein paar Tagen im Park getroffen, als er gerade beim Joggen war.“
 

Nichts davon war gelogen und doch war es nicht die ganze Wahrheit. Innerlich fing in meiner Brust eine kleine Blase an aufzusteigen, die mit Lachen gefüllt war und mit unheimlich viel Erleichterung und Befreiung. Es war, als wäre ein tonnenschweres Gewicht von meinen Schultern genommen worden und irgendwie fühlte ich mich so frei und unbeschwert, dass ich hier einfach hätte herumtanzen und Purzelbäume schlagen können.
 

Der Blick meiner Mutter lag prüfend auf ihm, als sie ihn musterte und anschließend leicht anlächelte. Nikolas hatte, nicht sehr überraschend, einen guten Eindruck hinterlassen. Meine Mutter mochte es, wenn Menschen ihr mit dieser etwas eher altmodischen Höflichkeit begegneten, wie Nick sie gerade vor ihr ausbreitete.
 

„Mein Mann Gregor wird ein wenig überrascht sein, dass unser Sohn sich gleich zu seinem Outing bei uns einen Freund angelacht hat. Darf ich fragen, Sie sehen mir ein wenig älter als mein Sohn aus, was Sie beruflich machen? Oder sind Sie Student?“
 

Jetzt war meine Mutter ganz in ihrem Element, wenn es galt, ihre Neugierde zu befriedigen. Nick erzählte ihr kurz und knapp, dabei aber sehr freundlich bleibend, das er 23 Jahre alt, gerade mit seiner Ausbildung bei der Polizei fertig geworden war und er nun im Schichtdienst arbeiten würde. Dass seine Eltern in der Nähe von Köln wohnen würden und er noch drei Schwestern hätte, die alle älter wären als er und auch alle schon verheiratet und er mit kleinen Neffen und Nichten gesegnet wäre.
 

Meine Mutter schaute ein wenig traurig drein und als sie bemerkte, dass ich es gesehen hatte, lächelte sie mich an und beruhigte mich. „Mach dir keine unnützen Gedanken, Tino. Es geht schon in Ordnung, dass wir keine Enkelkinder haben werden. Die Hauptsache ist doch, du findest jemand, der dich liebt und der dir zur Seite stehen und dich immer unterstützen kann.“
 

Ich lächelte zurück, fühlte mich aber gerade so gar nicht wohl. Das war jetzt ein bisschen mehr, als ich gerade verkraften konnte und ich war sehr froh, als wir endlich alle mein Zimmer verließen und sich das Gespräch anderen Themen zuwandte. Wir gingen alle zusammen auf die Terrasse, wo uns wenig später auch mein Vater vorfand und dort die ganze obligatorische Elternbefragung noch einmal von vorne begann, einschließlich einer etwas skeptischen Musterung von Nikolas, allerdings wesentlich verkürzter und nicht ganz so peinlich wie bei meiner Mutter. Meine Eltern waren ja wirklich sehr lieb, aber manchmal nervten sie halt doch ein wenig.
 

Nach dem Abendessen, das wir vier gemeinsam draußen einnahmen und anschließenden weiteren Gesprächen, ließen meine Eltern Nick und mich doch endlich gehen. Inzwischen waren ein paar Stunden vergangen und Nikolas musste zurück nach Hause, sich für die morgige Frühschicht bereitmachen. Noch einmal bestätigte ich das auch von meinen Eltern gegebene Einverständnis für das kommende Wochenende und brachte Nick hinaus zu seinem Auto.
 

Im Hausflur verabschiedeten wir uns mit einem leidenschaftlichen Kuss voneinander und erst hier kamen wir auf die Idee, unsere Telefonnummern auszutauschen. Schnell rannte ich nach unten in mein Zimmer, holte mein Mobiltelefon und wir gaben die Nummer des jeweils anderen in unsere Telefonlisten ein.
 

Ein weiterer Kuss bedeutete dann das endgültige Ende von Nikolas Besuch und so machte er sich schließlich auf den Weg, nicht, ohne mir unter der Haustür noch einen innigen Kuss zu rauben, mir schelmisch zuzublinzeln und mit einem Winken seiner Hand aus dem geöffneten Fenstern seines Autos verabschiedete er sich.
 

Ich stand noch etwas länger im Hausflur und sah dem nicht mehr vorhandenen Wagen nach, den Nick souverän die Straße hinunter gefahren hatte und der schon längst aus meiner Sicht verschwunden war, bevor mir richtig bewusst wurde, das ich wie ein schmachtendes Mädchen am Rahmen unserer Haustür angelehnt da stand. Errötend verließ ich meinen Platz und ging auf mein Zimmer, um über die letzten beiden Tage nachzudenken.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück