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Unter der Oberfläche

Wer bist du wirklich?
von

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Der Sturz

Vorsichtig blickte die junge Frau durch die Absperrung auf den Platz unter ihr. Ein leichtes Gefühl von Schwindel überkam sie. Seltsam, normalerweise hatte sie kein Problem mit Höhen und den damit verbundenen Tiefen. Aber in letzter Zeit war sowieso alles anders. Nicht nur, dass sie nun anscheinend unter leichter Höhenangst litt, auch fühlte sie sich seit geraumer Zeit wie unter Beobachtung. Diese Paranoia hatte sie nun schon seit fast einem halben Jahr, aber vor zwei Wochen war es schlimmer geworden und die seltsamsten Angstzustände hatten sich eingestellt. Doch heute war es anders. Heute glaubte sie nicht mehr verfolgt zu werden, heute wusste sie es. Ein Mann, ca. 1 Meter 80 groß in einen schwarzen Trenchcoat gehüllt mit einem tief in die Stirn gezogenen Hut verfolgte sie schon seitdem sie am Nordbahnhof ausgestiegen war. Auf ihrem Weg hatte sie unzählige Haken geschlagen und Umwege genommen, aber der Trenchcoat-Typ hatte sich nicht abschütteln lassen. Sie war sich sicher, dass er nun auch auf dem Turm war. „Geht es dir nicht gut?“, Flora, eine Mitschülerin, hatte sie aus ihren Gedanken gerissen. Verwirrt blickte sie die Schülerin an. „Du bist ganz blass.“ „Nein, alles okay, Flo. Wir sind hier eben nur verdammt hoch oben.“ Sie zwang sich ein Lächeln ab. Es war wohl überzeugend, denn Flo grinste nun ebenfalls. „Na was dachtest du denn? Dass der Eifelturm niedrig ist, oder wie? Ach Gwen, du hast doch selbst erst eine Präsentation über Paris und seine Wahrzeichen halten müssen.“ Gwendolyn nickte lächelnd und ging, gefolgt von Flora, weiter in die Richtung in welche ihre restlichen Klassenkameraden verschwunden waren. Aus den Augenwinkeln bemerkte Gwendolyn einen Schatten, der sich nun auch in Bewegung setzte. Sie war sich nicht sicher, doch sie hätte schwören können, dass es die gleiche Person war, die sie schon den ganzen Tag verfolgte.
 

„Also gut, hört zu!“, versuchte Professor Metis für Ruhe zu sorgen. „Heute ist der letzte Abend unserer Schulreise. Ab morgen beginnen die Sommerferien und das bedeutet, dass ihr ab Mitternacht“, die Professorin blickte auf ihre Armbanduhr, „also in etwa 10 Minuten nicht mehr unter meiner Aufsichtspflicht steht. Unsere Flugtickets sind optional was das Abreisedatum betrifft. So besteht für diejenigen die hier in der Umgebung Verwandte haben“, dabei sah Metis in Floras und Fabiennes Richtung, „die Möglichkeit noch ein paar Tage länger zu bleiben. Doch für die Allgemeinheit: Morgen Abend müssen wir aus dem Hotel ausgecheckt sein. Um 22 Uhr geht ein Flug zurück nach England. Und damit“, sie schloss ihre kleine Ansprache mit einem breiten Lächeln, „bin ich offiziell nicht mehr für euch verantwortlich. Wir sehen uns offiziell im nächsten Schuljahr wieder.“ Übertrieben freudiger Applaus kam von ein paar Jungen aus Gwens Klasse, die es offenbar kaum erwarten konnten, das Nachtleben von Paris unsicher zu machen. Gwendolyn war froh, dass sie nun bald wieder zu Hause sein würde, denn wer auch immer sie verfolgte, würde doch wohl kaum nur zwecks Stalken ein Flugticket kaufen. Oder? „Und du willst wirklich nicht noch ein paar Tage mit zu meiner Tante kommen?“ Flora stand wieder neben Gwen und sah sie bittend an. „Nein, danke.“ Gwendolyn sah ihre Freundin entschuldigend an. Sie hatte ihr schon vor der Reise gesagt, dass sie keinen Wert darauf legte, eine Woche lang am Strand in der Sonne zu verbrennen. Gwen mochte es lieber kühl, wenn auch nicht unbedingt kalt.

Da an diesem Abend von der Westseite des Eifelturmes ein großes Feuerwerk um Mitternacht zu sehen sein würde, versammelten sich viele Touristen am Plateau. Im Gedränge der Schaulustigen verloren Gwen und Flora sich. Eisern kämpfte Gwen sich auf die andere Seite der Aussichtsplattform und atmete erleichtert aus, als sie auf der weniger belebten Ostseite ein freies Plätzchen fand, um in aller Ruhe die grandiose Aussicht bestehend aus dem Lichtermeer der Stadt genießen konnte.
 

Doch lange wehrte diese Ruhe nicht. Schon nach ein paar Minuten hatte Gwen wieder das Gefühl beobachtet zu werden. „Unsinn“, sagte sie in Gedanken zu sich selbst, warum sollte jemand ausgerechnet sie verfolgen? Das war doch alles nur Einbildung. Fest entschlossen sich nicht wegen eines unheimlichen Touristen verrückt zu machen, ging sie weiter an der Absperrung entlang. Eine kühle Brise wehte ihr durchs Haar und kurz schloss Gwendolyn, mit dem Rücken an die Absperrung gelehnt, die Augen um den Moment zu genießen. Erst im Nachhinein wurde ihr Bewusst, dass das wohl keine so gute Idee war, denn als sie die Augen wieder öffnete ging alles sehr schnell. Im Bruchteil von Sekunden war der Schatten zu ihr gehechtet. Gwen hatte die Augen in dem Moment geöffnet, als er zwei Schritte von ihr entfernt einen Hechtsprung hinlegte und sie packte. Vor Schreck brachte die Schülerin keinen Ton heraus, als die Gestalt sie mit sich, die Absperrung durchbrechend, in die Tiefe zog. Gwen nahm den starken Fallwind wahr und wartete darauf jeden Moment auf dem Platz unter dem Eiffelturm aufzuschlagen, doch nichts geschah. Sie spürte nur die Wärme des Mantels ihres Verfolgers, der sie festhielt. Und dann wurde ihr Fall plötzlich gestoppt und Gwendolyn fand sich auf dem Rücken liegend auf einer Wiese wieder.



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