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100 Storys

Für den 100 Storys Zirkel
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1 - Freiheit

Sehnsüchtig starrte Charlet aus dem riesigem Fenster. Draußen schien die Sonne und die Blätter eines großen Baumes, der mit etwas Abstand vor dem Gebäude stand, wiegte seine Blätter sanft im Wind. Einige Vögel saßen auf den Ästen und sangen ihre Lieder, denen das junge Mädchen leicht lächelnd zuhörte.

Wie lange würde es wohl noch dauern, bis die Vögel aufhören würden, ihre Lieder zu singen und sich in ihre Unterschlüpfe zurückziehen würden oder in den Süden fliegen würden?

Gedankenverloren blickte Charlet weiterhin aus dem Fenster und beobachtete das bunte Farbspiel, was sich ihr bot. Einzelne bunte Farbkleckse sanken vor dem blauen Schleier zu Boden, den Charlet von hier aus nicht sehen konnte.
 

Kurz zuckte sie zusammen, als sie merkte, wie eine Tür geöffnet wurde und Schritte vernahm, die sich ihrem Bett nähertem.

"Charlet? Wir werden dich nun auf die OP vorbereiten, ja?", meldete sich eine freundliche Frauenstimme zu Wort.

Einen Moment hielt die Angesprochene inne und hielt den Atem an. Es ging also los. Sie warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, ehe sie sich der Frau in weiß zuwandte, die neben ihrem Bett stand. Zittrig nickte Charlet, antwortete mit gezwungener fester Stimme: "Ja. Ich... bin bereit." Das Mädchen musste schlucken und merkte, wie sich ihre Hände ins Laken gekrallt hatten. Peinlich berührte ließ sie wieder locker und lächelte verlegen.

"Keine Sorge, du musst nicht nervös sein. Du spürst einen Pieks und wenn du aufwachst ist auch schon alles vorbei."

Ja. Die Krankenschwester versuchte sie aufzumuntern.

Charlet wandte ihren Blick zur Frau und blickte in ihr Gesicht, kneifte die Augen zusammen und versuchte die Umrisse von Augen, Nase und Mund zu erkennen. Die Krankenschwester stieß einen überraschten Laut aus. "Warum trägst du deine Brille denn nicht?" Sowohl Charlets Blick, als auch der der Krankenschwester wanderten leichzeitig auf den kleinen Tisch neben dem Krankenhausbett. Dieser war bis auf eine kleine Vase mit einem Strauß hellgelber Narzissen und roter Tulpen und ein Glas Wasser leer. "Wo... ist deine Brille denn?" Die Verwunderung in der Stimme der frau nahm zu.

"Ehm. Gute Frage. Eh... Es kann sein, das die Brille vorhin runter gefallen ist. Oder so."

Ein betretendes Schweigen trat ein, als die Krankenschwester zum Reden ansetzte, aber von Charlet unterbrochen wurde.

"Brauche ich die Brille, wenn ich operiert werde?"

"Was? ... Nein, entschuldige bitte."

Die Krankenschwester ging ums Bett herum und löste die Bremsen, die das Bett hinderten, weggeschoben werden zu können. Als alle Bremsen gelöst waren, rollte die Krankenschwester das Bett aus dem Zimmer, einige Gänge weiter, mal links, mal rechts an den Enden der Gänge.

Charlet war das in dem Moment egal. Die Menschen die ihnen entgegen kamen, waren fast ausschließlich alle weiß gekleidet und fielen vor den weißen Wänden auch nicht weiter auf. Das Mädchen richtete ihren Blick starr geradeaus und ignorierte die weißen Schatten an denen das Bett vorbeirollte. Schließlich öffneten sich zwie große dunkle Türen am Ende eines breiten Ganges und Charlet wurde direkt in das Zimmer geschoben.

Sie blickte sich kurz um, konnte aber nur verschwommen einige helle Fliesen an den Wänden sehen.
 

Als jemand nach ihrer Hand griff, zuckte Charlet zusammen und blickte in die Richtung, aus der die Hand zu kommen schien.

"Keine Angst, es piekst nur kurz."

Tatsächlich spürte Charlet ein kurzes Pieksen, war dann aber schon weg.
 


 

Piep.
 

Piep.
 

Piep.
 


 

Charlet öffnete die Augen. Sie musste einige Male blinzeln, ehe ihr einffiel, wo sie war und weswegen sie hier war. Taumelnd versuchte sie sich aufzurichten, wurde bei dem Versuch aber durch leichtes Runterdrücken daran gehindert.

"Was...?", brachte Charlet nach einigen Versuchen hervor.

"Die OP ist gut verlaufen."

"Was??"

"Du wirst in Zukunft ohne den Rollstuhl zurecht kommen können."

Die Stimme gehörte ihrer Mutter, das erkannte Charlet nun. Fassungslo blickte das Mädchen an die Zimmerdecke. "Ich... kann laufen...?"

Ein Lächeln machte sich langsam in ihrem Gesicht breit.

"Ja, aber bis zu dem Tag an dem du wieder wirst laufen können, musst du noch ein paar Mal untersucht werden und trainiert werden, dann wirst du laufen können."
 


 


 

Drei Jahre später...

Charlet blickte verträumt aus dem Fenster. Genau heute vor drei Jahren war sie aufgewacht und war erzählt bekommen, dass es ihr möglich sein würde zu laufen.

Vorsichtig setzte sie sich auf und schwang ihre Beine aus dem Bett, blieb auf der Bettkante aber sitzen. Sie dachte kurz darüber nach, wie sie ihre komplette Kindheit im Rollstuhl verbracht hatte, ehe sie leichtfüßig aufstand. Ein leises Lachen entfuhr ihr dabei. Sie drehte sich kurz und hüpfte dann ins Badezimmer. Ihr alltägliches Ritual am Morgen seit dem Tag, an dem es ihr möglich geworden war, aus eigener Kraft zu stehen und zu laufen.



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