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C'est la vie

Manchmal geht das Leben seltsame Wege
von

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Just another horrible day

Wer lächelt statt zu toben,

ist immer der Stärkere.

– Japanische Weisheit
 

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es nicht nur dunkel. Nein. Es war noch nicht einmal sechs Uhr. Und das in meinen Ferien und am Wochenende. Wieso ich aufgewacht war, wusste ich zuerst selber nicht, bis mich das permanente Piepen neben meinem Bett daran erinnerte. Was war das denn jetzt? Wer rief mich um diese Zeit an?

Knurrend griff ich nach dem nervenden Ding und hob einfach ab. „Was?“

„Ich wollte dir nur gute Nacht sagen, Süße. Ich geh gleich ins Bett.“

Einen Augenblick… Das war Kimberly. Meine beste Freundin. Aber Freundschaft, wenn man mich in aller Frühe aus dem Bett klingelt? Niemals.

„Hast du mal auf die Uhr geguckt?“, grummelte und fuhr mir mit der Hand über das Gesicht, bevor ich weiter durch meine völlig durcheinandergeratenen Haare strich. Ich schlief einfach zu unruhig. Das lag bestimmt an der ungewohnten Luft.

„Wieso? Es ist doch noch nicht einmal zehn Uhr. Wie kommt es, dass ich dich schon geweckt habe?“

Aua. Ich konnte ein genervtes Seufzen nicht unterdrücken. Ja, so war Kimberley. Strohdoof, aber doch irgendwie lieb. Warum umgab ich mich eigentlich immer wieder mit Menschen, die den IQ eines Toastbrots hatten? Ach ja, das waren meistens die, mit denen man Spaß haben konnte und die sich auch nüchtern so benahmen, als wären sie völlig blau. Und eigentlich glaubte ich gar nicht, dass sie wirklich so dumm waren. Nein, sie benutzten ihre Gehirne nur nicht, und Kimberleys musste schon umgeben von Spinnweben sein. „Kimi, bei dir ist es noch nicht einmal zehn Uhr. Hier ist es fast sechs Uhr morgens“, erklärte ich geduldig und gähnte. „Und jetzt tust du mir bitte den Gefallen und lässt mich weiterpennen. Und demnächst denkst du dran, dass ich dir acht Stunden voraus bin. Zumindest zeitlich. Okay?“

„Ach so, entschuldige. Verdammt, du bist ja nicht mehr zuhause. Dann schlaf noch eine Runde und hab dann einen schönen Tag? Wir schreiben morgen. Oder so.“

Und damit hatte sie auch wieder aufgelegt. Kopfschüttelnd schmiss ich mein Handy zurück auf den Nachttisch und schloss die Augen wieder, legte mir einen Arm über das Gesicht. Eigentlich war es gar nicht so schlimm, dass ich wach war. Ich hatte immerhin fast zehn Stunden durchgehend geschlafen, das konnte reichte selbst nach langen Tagen eigentlich immer. Aber irgendwie hatte ich einfach keine Lust, mich aus dem Bett zu bewegen. Ich hätte ja diesem… Daniel über den Weg laufen können. Pah. Niemals würde ich mich freiwillig aus diesem Zimmer bewegen. Ich hatte einen Fernseher, einen DVD-Player, meinen Laptop und eine Anlage. Und bei Weitem genug Platz. Es reichte, um sich hier für einige Monate zu verschanzen. Und wenn ich Möbel vor die Tür rücken musste, um meine Ruhe zu haben, hatte meine Mutter immer noch die Möglichkeit, mir Nahrung durch das Fenster zukommen zu lassen. Wenn ich einen simplen Flaschenzug baute.

Aber ich war mir sicher, meine Mutter würde mich die ersten Tage erst durch die Gegend schleppen und alles besichtigen, dass auch nur annähernd für Touristen gemacht war. Ja, so war sie manchmal, und da ich mich nach wie vor weigerte, mit ihr zu reden, konnte ich ihr schlecht klar machen, dass ich eigentlich gar keine Lust auf so etwas hatte. Ich wollte mich nur nicht rausbewegen. Das würde ja an Arbeit grenzen.

Seufzend drehte ich mich um. Nur noch acht Monate und 20 Tage. Dann war ich volljährig in Deutschland und konnte wieder hier weg. Ja. Diesen Tag würde ich als den schönsten meines Lebens feiern. Dann hatte ich meine liebenswerten, idiotischen Freunde wieder. Dann konnte ich nachts durchschlafen und war von meiner Mutter befreit. Auch wenn ich sie einerseits ja immer noch lieb hatte. Verdammt, sie war meine Mutter! Selbst wenn sie mir manchmal nur auf die Nerven ging mit ihrer ganzen Art. Der einzige, den ich ernsthaft nicht verlieren wollte, war mein Bruder. Warum ich mich nun mit dem so gut verstand, wusste ich auch nicht so genau, aber wir hatten uns schon immer gut verstanden. Obwohl es ja eigentlich immer hieß, Geschwister seien wie Feuer und Wasser. Vielleicht lagen wir auch einfach zu dicht beieinander, was unser Alter betraf. Wir waren eher Freunde.

Genervt schlug ich die Bettdecke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Es hatte doch keinen Sinn mehr, noch schlafen zu wollen, und ewig lange im Bett liegen zu bleiben, wäre auch nur sinnvoll, wenn ich mich in aller Ruhe selbst bemitleiden wollte. Also zog ich die Gardinen auf und sah auf die in morgendliches Dämmerlicht getauchte Straße, die einige 100 Meter von dem Grundstück entfernt verlief. Es hatte schon seine Vorteile, am Stadtrand zu wohnen, auch wenn die Autos schon eine Weile unterwegs waren, hier war wesentlich weniger Verkehr als im Stadtzentrum. Und auch das Grundstück war nicht gerade klein, das wäre im Stadtzentrum absolut undenkbar.

Ich schüttelte den Kopf und ging zur anderen Wand, vor der der Fernseher stand, den ich einfach mal anschmiss. Ich sollte auf jeden Fall aufhören, etwas Positives an der Situation zu finden. Das war ganz mies und absolut scheiße. Stattdessen sollte mich doch bitte sinnloses Fernsehen ablenken, aber… Da gab es ein Problem. Richtig, ich konnte nur ein paar notdürftig zusammengeschusterte Sätze koreanisch und genau die Sprache laberten die Leute in dem Flimmerkasten. Halleluja. Viel schlimmer konnte das auch nicht mehr werden. Aber Fernsehen hatte im Vergleich zu Radio den Vorteil, dass die Bilder einem auch einen Teil der Ereignisse erzählen konnten, also ließ ich die Kiste einfach laufen und zog mich nebenbei an. Kurzzeitig ging ich ins Bad zur morgendlichen Routinewäsche, bevor ich mich in meinem Zimmer auf das Bett schmiss und gelangweilt auf den Fernseher starrte.

Ich hatte das Gefühl, dass diese Serie, die da lief, einfach völlig sinnlos war, aber wahrscheinlich war der Inhalt in den Dialogen versteckt. Was es mir erst recht unmöglich machte den Kram zu verstehen, aber damit konnte ich leben. War schon okay so, immerhin konnte ich es momentan auch nicht ändern. Trotzdem griff ich nach der Fernbedienung und suchte, bis ich einen halbwegs nett aussehenden Musiksender fand. Musik war immer gut, da musste man nicht so viel denken und erst recht nicht verstehen. Nicht, dass ich nicht schon koreanische oder japanische Musik gehört hatte. Nein, ich liebte asiatische Musik sowieso, demnach kam mir das Programm gerade recht.

Ich streckte mich auf dem Bett aus und genoss es einfach, die Musik zu hören. Ich schaffte es tatsächlich wieder, in eine Art Halbschlaf abzudriften, ich nahm zwar die Musik noch war, aber ich konnte mich nicht dazu bewegen, die Augen zu öffnen. Anscheinend war es doch noch ein bisschen früh gewesen, als Kimi mich aus dem Bett geklingelt hatte.

Ich wusste nicht, wie lange ich so dalag, aber irgendwann hörte ich die Haustür unten, was mich wieder ein wenig fitter werden ließ. Als mein Blick auf die Uhr fiel, stellte ich fest, dass es mit neun Uhr morgens für meine Verhältnisse zwar immer noch früh war, aber immerhin eine Zeit, zu der die Welt langsam munter wurde. Oder zumindest diese Welt, in die man mich jetzt geschmissen hatte.

Und in dieser Welt bekam ich ernstzunehmenden Hunger. Ich hatte am vorigen Abend immerhin wirklich nichts gegessen, weil man mich nicht hatte zwingen wollen und ich auf meine neue ‚Familie‘ keine Lust gehabt hatte. Mein Bruder war meine Familie, meine Mutter eigentlich auch, wenn ich sie nicht gerade aus Rebellion ignorierte, aber dieser Typ sicherlich nicht. Der würde niemals zu meiner Familie gehören.

Wenn ich Hunger hatte, sollte ich wohl etwas essen, deswegen machte ich mich auf den Weg nach unten. Ich wusste ja mittlerweile immerhin, wo die Küche war, und wenn ich mir rechtzeitig genug Nahrung und Getränke mit nach oben nahm, konnte ich vielleicht überleben, ohne jemals unten essen zu müssen.

In der Küche angekommen, öffnete ich erst einmal den Kühlschrank und starrte den Inhalt an. Es gab da Sachen, die ganz essbar aussahen. Joghurt, Käse, Wurst. Aber auch einige Dinge, die ich beim besten Willen nicht identifizieren wollte und bei denen ich auch nicht sicher war, ob ich es konnte. Nein. Ich schnappte mit einige Becher Joghurt und kippte den Inhalt in eine Schüssel. Aus dem auf der Anrichte stehenden Obstkorb nahm ich mir einfach Orangen, Bananen und Äpfel, schnitt diese und mischte die Stückchen unter, bevor ich mir einen Löffel schnappte, mir eine Flasche Cola unter den Arm klemmte und mit meiner Ausbeute in mein Zimmer verschwand. Eineinhalb Liter trinken genügten locker bis zum Abend, meine Schüssel Obstsalat würde auch zumindest ein paar Stunden halten und die Zeit würde ich schon irgendwie rumbekommen. Ich hatte nicht um sonst drei sehr dicke Bücher in meinem Koffer gehabt, außerdem gab es zur Not immer noch das Fernsehen und mein Laptop gewährte mir Zugang in das heilige Reich des Internets.

Aber erst einmal blieb ich bei meinem Musiksender und frühstückte nebenbei, sicherlich nicht komplett gesund, aber ich würde den Teufel tun und mich beklagen. Immerhin hatte ich mein Frühstück und musste meine Mutter an diesem Morgen noch nicht sehen. Zumindest wäre das eigentlich zu vermuten gewesen. Hätte sie nicht plötzlich in meinem Zimmer gestanden und mich beim Essen beobachtet.

„Jia, wir sollten wirklich einmal reden“, sprach sie mich ruhig an, was bei mir sofort alle Alarmglocken schrillen ließ. Wenn so etwas kam, hatte sie etwas vor, das mir gar nicht gefiel. Nicht, dass ich überhaupt mir ihr reden wollte und alles in mir direkt auf Abwehr ging. Aber ich konnte mir ja zumindest anhören, was sie von mir wollte. Beinhaltete ja nicht, dass ich antworten musste.

„Ich weiß doch, dass dir das alles hier nicht passt. Aber ich verstehe nicht, warum. Versuch doch wenigstens, Daniel und dem Land neutral gegenüber zu stehen.“

Gereizt stand ich auf und lief mit verschränkten Armen in dem Raum auf und ab. Es war eine harmlose Forderung, aber trotzdem hätte ich sie am Liebsten geohrfeigt. „Du fragst mich, was mein Problem ist?! Meine Mutter, die sich wie ein pubertierender Teenager benimmt, ist mein Problem!“, fuhr ich sie giftig an. „Du hast zwei Kinder, die du aus ihrer Umgebung gerissen hast, du warst nicht einmal offen für die Möglichkeit, dass ich bei einem anderen hätte bleiben können! Ich hätte bei Kimi wohnen können, aber nein, du hast mich gegen meinen Willen mitgeschleppt! Und ich kann Daniel und dieses verfluchte Land nicht ausstehen, egal, wie nett er ist oder die Menschen hier allgemein, weil es nicht mein Zuhause ist! Ich kenne hier niemanden, ich verstehe diese Sprache nicht, ich bin tausende Kilometer von meinen Freunden entfernt, nur um einmal ein paar Punkte zu nennen!“ Fest gruben sich meine Fingernägel in meine Haut. Ich musste verhindern, auf sie loszugehen, eine Schlägerei würde ich so oder so gewinnen, immerhin war ich trainierter.

„Schon, aber dein Bruder sieht das Ganze offener-…“

„Ich bin aber Jia und nicht Joshua! Joshua hat kein so großes Problem damit wie ich, das ist mir klar, aber du glaubst doch nicht, dass er damit glücklich ist! Du reißt unsere ganze Familie wegen diesem Typen auseinander! Villen gibt es überall, Jobs auch, er hat keine Familie, er hätte locker nach Deutschland kommen können!“

„Natürlich hätte er das, aber ehrlich, du bist eine unwahrscheinliche Zicke geworden, seit du ständig mit deinen Mädels zusammenhingst. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es dir einmal gut tut, in eine neue Umgebung zu kommen.“

„Was für ein Problem hast du mit mir und meinen Freundinnen?!“ Wütend sah ich meine Mutter an. Das konnte doch wohl nicht ihr Ernst sein. Jetzt argumentierte sie so, dass ich es nicht einmal nachvollziehen konnte? „Tut mir leid, dass ich mir diese Freundinnen ausgesucht habe, aber zum Glück kann man sich seine Freunde im Gegensatz zur Familie aussuchen“, entkam es mir schnippisch. „Würdest du jetzt bitte zusehen, dass du deinen Arsch hier rausbekommst?! Ich will allein sein, oder zumindest dich und deinen tollen, neuen Macker nicht sehen.“

Ich hörte ihr gestresstes Seufzen, als ich die Tür hinter ihr schloss. Genugtuung. Ja, das war es. Ich konnte ihr heimzahlen, was sie mir angetan hatte, und dafür war ich einfach nur noch dankbar. Anscheinend litt meine Mutter unter der Tatsache, dass ich nichts mit ihr zu tun haben wollte, aber sie litt noch nicht genug. Nicht so sehr wie ich. Nein, bis sie wusste, was ich durchmachen musste, musste ich sie noch lange schmoren lassen.

Aber bitte, niemand hatte das Recht, etwas gegen meinen Freundeskreis zu sagen. Außer mir natürlich. Immerhin kannte ich meine Freunde ziemlich gut und wusste nur zu genau, dass einige den IQ einer Qualle hatten. Oder eines Toastes. Im Gegensatz zu dem, was meine Mutter für mich gern gehabt hätte, mochte ich meine Freunde. Sie waren lustig drauf und man konnte mit ihnen Spaß haben. Keine verklemmten Spießer, die sich nur allzu sehr um Schule, Job und Zukunft sorgten. Sie lebten wie ich. Sie lebten für das Hier und Jetzt. Denn wenn aus man das Jetzt nicht nutzte, war jede Überlegung für die Zukunft sinnlos. Und ohne Spaß konnte man nicht permanent arbeiten. Immerhin würde ich Arbeiten um zu leben, nicht umgekehrt. So lange ich jung war, konnte ich immerhin Spaß haben. In zwanzig Jahren konnte ich immer noch zu einer verklemmten Übermutti werden.

So wie meine Mutter es jetzt war. Ich konnte für meinen Vater nur hoffen, dass sie nicht schon immer so war, sonst könnte ich ihn ja wirklich bemitleiden. Das war auf Dauer ja unerträglich, so verklemmt konnte ein Mensch nicht sein. Obwohl dieser spontane Umzug alles andere als verklemmt oder durchdacht war. Es würde eh nicht lange dauern, bis wir zurück nach Deutschland gingen, die Geschichte mit diesem Daniel würde nicht ewig halten, da war ich mir sicher.

„Schwesterchen, kommst du? Wir wollten ein bisschen in die Stadt“, hörte ich die Stimme meines Bruders durch die Tür. Es war immer noch Samstagmorgen, was wollten wir um diese Zeit in der Stadt? Aber offenbar war mein Auftritt meiner Mutter gegenüber laut genug gewesen, um selbst meinen kleinen Bruder einzuschüchtern. Gut so. Joshua konnte auch gleich wissen, wie ich diesen Kinderkram fand. Auch wenn er sowieso der einzige war, der mich zu verstehen schien.

„Wer hat gesagt, dass ich mit will?“, gab ich störrisch zurück, als ich die Tür geöffnet hatte und ihm gegenüber stand. Und damit hatte ich nicht einmal Unrecht, niemand hatte mich gefragt.

„Niemand, aber Carola besteht darauf, dass du mitkommst“, beantwortete er meine Frage und betrat den Raum. Carola. Ja, das war noch eine gute Idee, meine Mutter zu bestrafen.

„Wenn du sie übrigens fertig machen willst: Lächeln, Schweigen, Schlampe denken. Das bringt mehr und ist für dich gesünder. Ergib dich einfach vorerst in dein Schicksal, ändern kannst du es nicht.“

Nachdenklich sah ich ihm nach, als er nach unten ging und mir noch zurief, ich solle mich beeilen. Auch wenn es mir ganz und gar nicht gefiel, er lag damit richtig. Für mich waren solche Wutanfälle nie schön, besonders, weil es dauerte, bis ich mich wieder abgeregt hatte. Vielleicht war die Taktik gar nicht mal so schlecht. Wenn sie ausrastete, weil ich äußerlich völlig ruhig blieb, war ich mental auf jeden Fall stärker. Und das war das, worum es in diesem Krieg ging. Ab sofort gab es dann eine komplette Taktikänderung.

Eilig schaltete ich den Fernseher aus und schlüpfte in meine Schuhe, sprintete dann die Treppe runter und hakte mich bei meinem Bruder ein. Ja, so würde es gehen. So hatte ich einen Verbündeten und wir würden siegen, aber erst hieß es jetzt den Ausflug in die Stadt zu überleben.

„In den nächsten Tagen machen wir dann noch eine Sightseeingtour“, eröffnete meine Mutter freudestrahlend und erntete von mir nur einen kalten Blick. Ja, von mir aus konnten wir gern eine Sightseeingtour machen, auch wenn ich innerlich kochte, ich blieb nach außen ruhig. Auf eine weitere Woche, in der ich nicht ein einziges Wort mit meiner Mutter sprechen würde.

Ich war mir sicher, mein Plan würde funktionieren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine sensible Frau, die ihre Kinder liebte, sich von so etwas beeindrucken ließ.

Wir fuhren mit der U-Bahn in das Stadtzentrum, und auch, wenn ich es meiner Mutter niemals gesagt hätte, war das einfach nur beeindruckend. War das hier eine Stadt oder ein Ameisenhaufen? Auch wenn es nicht später als halb zwölf sein konnte, wimmelte es nur so von Menschen, überall waren Wolkenkratzer. Das war so… ungewohnt. Ich kam immerhin aus einer Kleinstadt mit süßen 16.000 Einwohnern. Und das hier war eine Metropole, eine der größten Städte der Erde. Nachts musste es beeindruckend sein, wenn die bunten Leuchtreklamen die Straßen erhellten. Gegen Mittag waren sie nun einmal ausgeschaltet, wahrscheinlich kostete es auch einfach zu viel Strom. Aber konnte das in einer Millionenstadt wirklich Thema sein?

Ich nahm mir auf jeden Fall vor, noch einmal ausgiebig shoppen zu gehen, bevor ich zusah, dass ich wieder nachhause kam. Wenn ich das heute Morgen im Fernsehen richtig gesehen hatte, trugen die Musiker teilweise sehr schöne Sachen, wieso sollte ich nicht zusehen, dass ich mit Daniels Kreditkarte noch einmal einen komplett neuen Kleiderschrankinhalt bekam? Es war ja nicht mein Geld, und der hatte davon so viel, dass ihm ein bisschen weniger nicht schaden würde.

Eine Weile bummelten wir einfach nur ziellos durch die Innenstadt. Ich blieb dicht bei meinem kleinen Bruder, und irgendwie hatte ich das Gefühl, ich drückte mich immer enger an ihn. Ich spürte die Blicke in meinem Rücken, ich fühlte mich so beobachtet wie selten. Sicher war meine Haarfarbe nicht unauffällig und ich war immerhin Europäerin, demnach schon etwas Besonderes, bis zu einem gewissen Grad zumindest. Und ich kuschelte ja mehr oder weniger öffentlich. Zwar mit meinem Bruder, aber man sah es uns nicht deutlich an. Und dadurch, dass mich diese Blicke beunruhigten, suchte ich nur mehr Schutz, was wieder mehr Blicke auf uns zog. Ich hasste diesen Effekt jetzt schon. Zuhause hätte sich niemand darum gekümmert, wenn ich mich bei einem jungen Mann, ob Bruder oder nicht, eingehakt hätte. Ich wäre allgemein nie so angestarrt worden, denn ich war in Deutschland nichts Besonderes. Oh, wie ich diese Gaffer gerade dafür verabscheute. Trotzdem rückte ich ein wenig von meinem Bruder ab und versuchte, diese Unruhe zu vertreiben. Vielleicht lagen die Blicke auch nur an meiner Haarfarbe. Oder an meinem Outfit. Wer konnte das schon so genau sagen? Anfang März und ich trug eine lange Jeans, ein nicht gerade hochgeschlossenes Top und High Heels. Na gut, vielleicht war ich selber schuld, aber es war warm genug, und auch in Deutschland wäre ich so rumgelaufen, wenn die Temperaturen dementsprechend gewesen wären.

So gut mir die Shoppingmeile auch gefiel, ich war froh, als es hieß, dass es Zeit wurde, zum Haus zurückzukehren. Endlich hatte der Spießroutenlauf ein Ende, endlich konnte ich mich wieder verziehen und meinen Gedanken nachhängen. Und vielleicht im Internet meinen neu angelegten Blog einweihen. ‚Daily horror‘ hatte ich ihn genannt und wollte eigentlich meine Zeit in Südkorea nur zu genau dokumentieren. Ich musste doch meine Freunde und auch sonstige Menschen, die sich dafür interessierten, von meinem kleinen Ausflug und dem Flug wissen lassen. Und irgendwann musste ich auf jeden Fall Fotos machen. Von dem Haus, dem Essen, das mir seltsam vorkam, und allem anderen, das auch nur irgendwie interessant war.

In meinem vorübergehenden Zuhause angekommen, wollte ich mich direkt nach oben verziehen, aber meine Mutter hielt mich gleich auf. Und sie klang ziemlich aggressiv.

„Jia, es reicht! Du solltest aufhören, dich selbst zu bemitleiden, das bringt dir auch nichts!“

„Und dir bringt es nicht, mich mitgenommen zu haben, Carola“, erwiderte ich distanziert lächelnd.

„Du bleibst jetzt hier unten!“

Ich hörte gar nicht weiter auf sie, sondern ging einfach die Treppe hinauf und verzog mich in mein Zimmer, wo sich ein bitteres Lächeln in mein Gesicht schlich. Die Runde ging an mich. Auch wenn es nur eine Runde war, die ich für mich entschieden hatte, wenn ich durchhielt würde ich endgültig siegen. Ich konnte nur hoffen, dass es so blieb, denn wenn sie sich aufregte, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich gehen ließ, einfach viel größer.

Der erste, vollständige Tag in Korea hatte also wieder grauenhaft angefangen. Aber irgendwann würde er nur einer von vielen grauenhaften Tagen sein. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich hier nicht einen einzigen guten Tag haben würde, die höchste Stufe wäre wahrscheinlich erträglich, und das auch nur, wenn man mich in Ruhe in meinem Zimmer bleiben ließ, ich meinen Laptop mit Nonstop-Internet hatte und ich mit Nahrungsmitteln versorgt wurde. Aber bis ich meine liebste Mutter und Daniel soweit erzogen hatte, würde es wohl noch ein wenig dauern.

Ich wusste nicht, wieso, aber meine liebe Familie ließ mich tatsächlich für den Rest des Tages in Ruhe. Wahrscheinlich heulte meine Mutter sich bei ihrem neuen Macker aus und mein Bruder hatte unten eine Konsole entdeckt. Bei dem Riesenfernseher machte das Zocken ihm wahrscheinlich viel mehr Spaß. Aber es konnte mir egal sein, solange ich meine Ruhe hatte.
 

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Kapitel 2. ^.^

Oh Gott, ich habe Kopfschmerzen. D:

Und ich bin erkältet, aber ich dachte mir, dass ich das Kapitel einfach mal hochladen sollte.

Nyu, Kommentare sind erlaubt und gern gesehen, auch Favos natürlich.

Uuuund... im nächsten Kapitel wird das Geheimnis gelüftet, um welche Band es eigentlich geht. :D
 

Bis dahin! ^___^



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Asmodina
2012-08-24T06:55:03+00:00 24.08.2012 08:55
Ich mag dieses Kapitel und warte auf die Nächsten *knuddel*


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