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OS-Sammlung

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IV. Der Herrscher [Max x Oliver]

Wissen ist Macht.

Dessen war sich Oliver mehr als bewusst. Und ihm war auch klar, dass er an Macht gelangen würde, wenn er es nur verstand. Verstand, was der Künstler ihn mit diesem Bild sagen wollte. Es war ein schönes Gemälde. Das schönste, was Oliver seit langem gesehen hatte. Die Farbverläufe waren so harmonisch und Licht und Schatten waren aufs Genaueste eingefangen worden. Er wurde nicht satt, es zu begutachten und zu studieren. Er war fasziniert davon. Und genau deshalb wollte er es begreifen.

Auch, wenn er sich bewusst war, dass er dafür eine Unterrichtseinheit bei seinem Privatlehrer sausen ließ. Nicht, dass er einfach geflohen war. Er hatte seinem Lehrer ein kleines Schreiben zukommen lassen, dass er nicht an der heutigen Stunde teilnehmen würde. Seine Ausrede war, dass er einen Ausflug in die National Gallery genau das richtige. Wahrscheinlich war sein Lehrer sogar der Meinung, dass er, wenn er schon mal für einen Wochenendausflug in London war, solch einen Besuch tätigen sollte, statt eine ermüdende Lerneinheit im Hotelzimmer abzusitzen.

Eigentlich töricht. Oliver hatte genug Geld, jeden Tag noch London zu fliegen und die Galerie zu besuchen.

Aber war das nicht egal?

Nun war er hier, die Galerie für andere Besucher gesperrt, damit er seine Ruhe hatte, und er betrachtete vergnügt das Bild, wurde dessen nicht müde.

Er hatte kein schlechtes Gewissen, auch wenn er wusste, wie wichtig Bildung war. Deshalb ertrug er die Unterrichtsstunden, mochte sie eigentlich ganz gerne. Aber wirklich anstrengen tat er sich nur bei den Dingen, die ihm Spaß machten. Und dazu gehören nun mal eher Dinge wie Bladen, Malerei, Musik und Kochen. Ja, er liebte das kochen. Natürlich liebte er das Kochen, würde er es sonst in seinem Restaurant tun?

Wie dem auch sei, er duldete es jedenfalls nicht, wenn ihn jemand auf seinen Gebieten schlug. Er hasste es, wenn ihn jemand beim bladen besiegte. Er hasste es, wenn jemand ein besseres Soufflé hinbekam, als er. Und natürlich hasste er es auch, wenn jemand ein Stück von Mozart besser spielen konnte oder ein Bild malte, dass Licht und Schatten besser einfing, als es das seine tat. Und deshalb hasste er auch dieses Bild, vor dem er saß.

Er studierte es wieder. Wenn er verstand, was der Maler ausdrücken wollte, dann verstand er auch, worauf er bei seinem nächsten Gemälde achten würde. Er würde es ausdrücken und vielleicht gelang es ihm dann, ein schöneres Bild zu malen.

„Ich würde es doch besser hinkriegen, wenn ich nur den Geist einfangen könnte,“ meinte er und sah seinen Butler erwartungsvoll an. Dieser nickte: „Selbstverständlich würden Sie das.“

Zufrieden wandte sich Oliver wieder dem Gemälde zu und machte es sich auf dem Stuhl bequem, den er hatte heranschaffen lassen, um sich setzen zu können, während er nachdachte.

Er hatte sich sein Ziel bereits gesetzt. Er würde ein hübscheres Bild malen! Ein viel hübscheres. Einfach, weil er es konnte.

Wenn er es nur verstand.

Er schluckte einen Kloß herunter, der sich in seinem trockenen Hals gebildet hatte. Er wollte nicht, dass man es ihm ansah, aber er hasste es, wenn er vor einer Herausforderung stand, der er noch nicht gewachsen war.

Seiner Meinung nach durfte es keinen Besseren geben, als ihn. Er und seine Familie standen in der Öffentlichkeit. Und was würde die sagen, wenn er versagte? Ein Bild präsentierte, dass offensichtlich hässlich war? Nicht perfekt?

Das er es nicht mit hoch angesehnen Malern aufnehmen konnte, war ein Gerücht, dass er aus der Welt schlagen würde. Aber dieses war es, das ihn anstachelte. Dabei war es nur ein dämlicher Kommentar eines dämlichen Reporters in einer dämlichen Zeitung gewesen, als man ihm zur Eröffnung eines weiteren Restaurants gratuliert hatte und er gesagt hatte, er würde gerne malen.

Er aber hatte es als Herausforderung wahrgenommen und verkündet, dass er durchaus ein wahres Kunstwerk erschaffen konnte, dass im Louvre ausgestellt werden würde.

Nun… jetzt hatte er den Salat. Aber natürlich würde er genau das auch schaffen.

Wenn er denn nun endlich verstand, was der scheiß Künstler mit seinem scheiß Gemälde ausdrücken wollte!

„Ich hätte gerne ein Wasser,“ meinte er und wedelte harsch mit der Hand, um seinen Butler anzutreiben, als wäre er eine Fliege, die es zu verscheuchen galt.

Es war nicht in seiner Natur, mit obszönen Wörtern und Gesten um sich zu werfen und deshalb behielt er seine Gedanken für sich.

Lieber lenkte er diese zurück auf den Künstler und fragte sich, was dieses Verschmelzen von Farben, von Licht und Schatten, von zwei sich umarmenden Gestalten nur darstellten sollte.
 

„Das darf doch nicht wahr sein!“

Frustriert raufe Max sich die Haare und sah den Wachmann böse an.

„Sie können doch nicht die ganze Galerie sperren!“, empörte er sich. Da war er nun hier, in London. Wegen eines komisches Benefiz-Turniers, an dem Tyson unbedingt teilnehmen wollte, und dann hatte die Galerie geschlossen.

Es war ihr letzter Tag. Besagtes Turnier war vorbei und natürlich hatten sie gewonnen. Natürlich… eigentlich stimmte das nicht. Einige Gegner waren stark gewesen. Aber er ließ sich manchmal gerne mit Tysons Optimismus anstecken und dachte ab und an schon so hochmütig, wie dieser.

Dabei wusste er, dass man sich alles erarbeiten musste.

Das alles löste aber nicht sein Problem. Er blickte den Wachamnn an, der ihn kalt musterte und sich wahrscheinlich fragte, warum er noch immer mit verschränkten Armen vor den Toren stand und ihn trotzig musterte.

Er hatte einfach kein Glück, es war wie verhext. Als sie damals in Paris waren und in den Louvre wollten, da hatte man sie auch nicht durchgelassen. Nun war es wie ein Déjà-vu. Er stand erneut vor den verschlossenen Toren einer Galerie.

„Ich bitte Sie, zu gehen,“ meinte der Wachmann, dem wohl nicht geheuer war, dass er sich nicht wegbewegte. Max zog eine Schnute.

„Ich bin nur noch heute in der Stadt,“ murrte er und der Wachmann zuckte nur hilflos mit den Schultern.

„Vielleicht ist er bis Abends fertig und sie könnten zu einem späteren Zeitpunkt noch hinein.“

Max rümpfte die Nase. „Wer ist überhaupt er?“

Es war ja kaum vorstellbar, dass es noch so einen reichen Schnösel wie diesen Oliver gab, der glaubte, mit Geld könne man alles regeln – und sei es, eine ganze Galerie der Öffentlichkeit unzugänglich zu machen.

Das er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, merkte er erst, als der Wachmann ihn interessiert ansah und fragte: „Sie kennen Master Oliver?“

Er hob die Brauen hoch. Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Und er dachte, der junge Franzose hätte verstanden, dass sich so etwas irgendwie nicht gehörte. Das es überheblich wirkte.

„Ja,“ meinte er nun zu dem Wachmann und sah ihn aus wahren Hundeaugen an, weil er seine Chance gewittert hatte: „Dürfte ich wohl zu ihm?“

„Und wer sind Sie? Ein Freund?“

„Ja. Ja! Ein Freund!“, jubbelte er und hoffte, Oliver sah das auch so.

Zumindest durfte er die National Galery nun betreten und dem Wachmann folgen.

Wenig später waren sie bei Oliver angelangt und der komische Wachmann meinte: „Ein Freund, der Sie sehen möchte.“

Max blickte Oliver an, der langsam den Blick von dem Gemälde löste, dass er gerade bewunderte, und sich ihm zuwandte.

„Ein Freund, hm,“ meinte er und Max wurde ein wenig rot. Vielleicht waren sie keine dicken Freunde, aber Oliver konnte ja wohl nicht abstreiten, dass sie Bekannte waren.

„Schon gut, er kann bleiben, wenn es unbedingt sein muss,“ meinte der Franzose dann und wedelte mit der Hand, als wollte er Insekten verscheuchen. Max zog die Brauen hoch. Benahmen sich eigentlich alle Reichen so dermaßen unverschämt?

„Wieso lässt du die ganze Galerie sperren, nur weil du ein Bild ansehen möchtest?“, fragte Max und wusste, die Frage war unsinnig. Das hatten sie ihn im Louvre auch schon gefragt.

„Weil ich es nicht leiden kann, wenn alle Menschen um mich herum drängen, ohne die wahre Schönheit dieses Bildes zu erkennen und es zu huldigen,“ erklärte der Franzose ungerührt und wandte seine Aufmerksamkeit von Max ab, seinem Butler zu, der ihm ein Glas Wasser brachte. Ohne ein Danke nahm er es entgegen und trank es aus.

„Wie findest du das Bild, Max?“, fragte Oliver dann und Max zog die Brauen zusammen und betrachtete das Bild.

Es war lächerlich, aber er hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Wenn er nun eine Bemerkung machte, die sich nicht schickte, weil es einfach klang, als hätte er keine Ahnung, dann würde Oliver sicher lachen.

Er wusste ja noch nicht mal etwas mit dem Namen des Künstlers anzufangen.

Dafür gab er Oliver die Schuld. Immerhin war es der Franzose, der immer dann eine Galerie sperren ließ, wenn Max sie besuchen wollte. Kein Wunder, dass er keine Ahnung von Kunst hatte.

„Max?“, meinte Oliver ungeduldig und der Blondschopf seufzte und blickte das Bild an. Dann entschied er, einfach etwas zu sagen, was Leute in den Filmen auch immer sagten, wenn sie so etwas gefragt wurden: „Also… Das Licht ist toll eingefangen und die Farben… wirken sehr… ausdrucksstark.“

Er hoffte, je geschwollener seine Worte rüber kamen, desto mehr würden sie Oliver imponieren.

„Ausdrucksstark, hm?“, machte dieser und blickte das Bild mit zusammengekniffenen Augen an.

„Was will er denn ausdrücken, der Maler?“

Das fand Max fast leichter zu beantworten, auch wenn er sehr unsicher wirkte, als er meinte: „So wie die Gestalten sich umarmen und ineinander laufen, sicher die Einheit zwischen Hell und Dunkel, Gut und Böse.“

Oliver sah ihn an und runzelnde die Stirn.

„Oder… oder nicht?“, schob Max unsicher nach.

„Zu der Erkenntnis kam ich auch. Aber das kann ja wohl nicht alles sein,“ wehrte der Franzose ab und Max sah ihn fragend an.

„Und warum nicht?“

Die Frage brachte Oliver – und das überraschte Max wirklich – total aus dem Konzept. Er starre ihn an, wie vom Donner gerührt und deutete mit fahrigen Bewegungen auf das Bild.

„Wäre das alles, würde ich es ja wohl auch hinkriegen, nicht?“

Max zog die Brauen hoch, ehe sich ein belustigtes Grinsen auf seinen Lippen zeigte. „Was redest du denn da? Du kannst doch wohl nicht mit einem solch bekannten Maler mithalten!“

Empört riss Olive die Augen und nickte dann zur Tür: „Ich denke, du gehst jetzt besser.“

Nun war es an Max, empört zu sein.

„Was soll das denn jetzt?“, fragte er und Oliver sah ihn an und schnaubte. „Du hast doch gar keine Ahnung, wie talentiert ich bin,“ meinte er dann und reckte das Kinn nach oben, so dass seine Nase ungewöhnlich spitz wirkte.

„Ich glaube eher, du bist größenwahnsinnig,“ meinte Max und fuhr fort, ehe Oliver ihn weiter empört anfauchen konnte: „Du kannst so viel, warum willst du dann mit jemanden wie diesem Maler konkurrieren?“

Oliver wollte ihn wegschicken, dann aber besann er sich und wollte Max aufklären, der gar keine Ahnung zu haben schien. Wie der Blondschopf bisher durchs Leben gekommen war, war ihm unbegreiflich.

„Du musst immer versuchen, der Beste zu sein. Nur so kannst du dir die Annerkennung der Anderen sichern!“, erklärte er und erzählte Max dann von der Provokation des Reporters.

„Verstehst du?“, fragte er nach seinen Ausführungen und Max nickte. „Ich verstehe es sogar gut,“ sagt er und grinste ihn an, „Du tust immer so selbstsicher, als wärst du total von dir überzeugt. Aber eigentlich bist du nur unsicher und willst dich vor anderen beweisen.“

Olivers Wangen färbten sich rot. Max konnte nicht sagen, ob vor Wut oder vor Scham.

„Das stimmt nicht,“ kreischte er und hielt sich die Hand vor dem Mund. Es schickte sich wohl nicht, so zu schreien.

„Warum stehst du sonst stundenlang vor einem Gemälde und benimmst dich dermaßen rücksichtslos?“

„Rücksichtslos?“, fragte Oliver und schien ehrlich nicht zu wissen, was Max meinte. Dieser machte eine umschweifende Handbewegung.

„Wie lange bist du schon hier? Solange ist das ganze Gebäude gesperrt. Dabei gibt es so viele Leute, die sich das hier gerne ansehen würden. Und das nicht aus solch egoistischen Gründen, wie du, sondern weil sie sich einfach die schönen Bilder ansehen wollen.“

Der Franzose schüttelte den Kopf. „Ich liebe die Kunst und die Schönheit der Gemälde. Meine Absicht ist also nicht egoistisch.“

„Natürlich ist sie das. Weil du diese Bilder nur mit deinen vergleichst. Welches denn nun gelungener ist. Ich sag es dir. Das da. Und das ist auch okay. Statt dir zu überlegen, wie du es besser hinkriegst, solltest du es einfach genießen und nach Hause gehen und was Eigenes aufs Papier bringen, dass nichts mit Licht und Schatten zu tun hat. Dann wird auch dieser Journalist begeistert sein.“

Oliver verzog das Gesicht, widersprach aber nicht.

„Sei nicht so ehrgeizig. Man kann nicht in allem Gut sein,“ meinte Max und trat näher, strahlte Oliver an.

„Wie wäre es, wenn wir die anderen Besucher einlassen und zuhören, was sie zu dem Gemälde zu sagen haben. Und dann schauen wir uns zusammen die anderen Bilder an und dann gehst du nach Hause und malst etwas Eigenes.“

„Du denkst, dass wäre so leicht?“, fragte Oliver und schüttelte den Kopf. „Du bist schon sehr naiv, Max.“

Der Blondschopf grinste.

„Und du bist borniert.“

Oliver lächelte schwach. „Du weißt doch gar nicht, was das bedeutet.“

„Aber ich weiß, dass du das bist,“ entgegnete Max, „Und das reicht vollkommen aus.“
 

Wenig später standen sie umringt von anderen Besuchern vor dem Gemälde und Oliver runzelte die Stirn.

„Wenn ich es nicht analysiere, hat es für mich seinen Reiz verloren,“ klärte er Max letztlich auf.

Der Amerikaner sah ihn an und dann wieder auf das Bild.

„Natürlich hat es das. Es ist hässlich.“

Oliver verzog den Mund zu einem Lächeln, dass sich langsam in ein herzhaftes Lachen verwandelte.

„Ja, das ist es.“

„Gehen wir weiter,“ meinte Max, während Oliver sich Lachtränen aus den Augen wischte und Max zum nächsten Bild folgte.

„Wie schaffst du es eigentlich immer, so zu sein?“

„Wie zu sein?“, fragte Max und Oliver zuckte mit den Schultern: „Wie du eben bist. Sorglos, glücklich…“

„Keine Ahnung. Vielleicht weil ich es mir nur selbst Recht machen will und keinem anderen.“

Er lächelte Oliver an und neckte ihn: „Im Gegensatz zu dir, dem Ansehen so wichtig ist.“

Der Franzose nickte nachdenklich.

„Du fliegst heute Abend zurück, oder?“, wechselte er dann das Thema und Max nickte. „Kannst du nicht hier bleiben? Und mir helfen?“

„Helfen? Wobei?“ Irritiert sah Max zu Oliver, dessen Wangen sich schon wieder rosa färbten.

„Dabei, ein Bild zu malen, dass nur ich bin und niemand anders?“

„Ach Oliver, dafür brauchst du meine Hilfe nicht. Du weißt doch am besten, wer du bist.“

„Das weiß ich wohl,“ nickte er und sah nochmals zu Max.

„Aber es wäre schön, wenn du trotzdem bleiben könntest.“

XIX. Die Sonne [Spencer x Max]

Wie er in diese Sache gerutscht war, das wusste Spencer selbst nicht mehr. Es war an einem Nachmittag im Januar gewesen. Er hatte es satt gehabt, Talas Befehle über sich ergehen zu lassen und war einfach gegangen. Er war sich sicher, sein Teamleader würde ausflippen, wenn er zurückkäme. Nichts hasst er mehr, als wenn jemanden unerlaubt dem Training fern blieb oder dieses einfach abbrach.

Aber zu dem Zeitpunkt war es Spencer egal gewesen. Er sah keinen Grund mehr darin, zu trainieren. Seit Ian ihre Gruppe verlassen hatte, war er das schwächste Glied der Kette. Ob nun Tala oder Bryan, oder Kai, wenn er ab und an vorbei sah, der alten Zeiten willen; sie alle besiegten ihn mit einer Regelmäßigkeit, die auf ihn nur noch demotivierend und vor allem frustrierend wirkte.

Er war also abgehauen und hatte sich in sein kleines Lieblingscafé in Tokios Innenstadt zurückgezogen. Er saß gerne hier, beobachtete die Leute, die gestresst umherwanderten und dabei doch nicht wussten, was Stress war. Meist trank er Kaffee – schwarz und ohne Zucker.

Früher kamen sie oft gemeinsam her. Er und sein Team. Aber in letzter Zeit hatte sich Spencer von ihnen abgeseilt, wollte alleine sein. Zu frustrierend war es, wenn das Gespräch auf das Training fiel und ihm wieder einmal klar wurde, wie weit er hinter den anderen zurück hing.

Nach der WM, in ungefähr sechs Wochen, würden sie eh zurück nach Moskau kehren. Dann waren seine Sorgen und dieses Café hier Vergangenheit und er könnte in seiner Heimat etwas Neues anfangen.

An diesem Nachmittag im Januar aber, war dann aber alles ganz anders gekommen, als Spencer es erwartet hatte. Denn während er so dasaß und in seiner Tasse rührte, die Menschen beobachtete, bemerkte er nicht, wie ein grinsender blonder Junge sich ihm näherte.

Erst, als dieser Junge neben ihm stand und ‚Hi’ sagte, zuckte Spencer kaum merklich zusammen, erschrocken von der plötzlichen Ruhestörung.

Er ließ es sich Max gegenüber nicht anmerken, dass er gerade erschrocken war. Und auch nicht, dass er nicht wusste, ob er sich tatsächlich freuen sollte, den Blondschopf zu sehen.

Er wusste nicht warum, aber der Junge war ihm suspekt. Natürlich konnte es daran liegen, dass er ständig lächelte und alles immer ganz positiv sah, als gäbe es nichts Schlechtes auf dieser Welt. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er der Überzeugung war, Max wäre das schwächste Mitglied des Teams, so wie Spencer es bei den Blitzkriegboys war.

Seiner Meinung nach war der Amerikaner nur im Team, weil er und Tyson so gut befreundet waren. Er war sich sicher, er würde gewinnen, wenn er gegen Max bladen würde.

Max, der von seinen Gedanken, nicht viel wusste, ließ sich auf den freien Stuhl neben ihm nieder und fing an zu reden. Dabei sah er ihn unentwegt an und schenkte dem heißen Kakao in seinen Händen keine Beachtung mehr. Spencer hingegen brummte nur ab und an, machte aber keine Anstalten, Max zu Antworten. Stattdessen beobachtete er den Dampf, der von dessen Getränk aufstieg und in schönen Mustern an die Decke stieg. Nun, nicht an die Decke… aber nach oben, Richtung Decke.

Dies beobachtete er so lange, bis der Dampf verflogen, das Getränk erkaltet war. Dann war es Zeit, doch zu zuhören, was Max sagte.

Und so tat er es. Und als er begann, karg zu antworten, sah sich der Blondschopf ermutigt, immer mehr zu reden.

So lange, bis Spencer ganz schwummrig wurde.

Sicher wäre es irgendwie so Weiter gegangen, wenn nicht plötzlich eine Veränderung in Max von statten gegangen wäre. Doch plötzlich hatte Spencer das Gefühl, Max würde mit ihm flirten.

Ein absurder Gedanke, denn was sollte so ein kleiner, einigermaßen zierlicher Ami von einem breiten, kräftigen Russen wie ihm wollen. Er war das komplette Gegenteil von Max. Nicht nur äußerlich, sondern vor allem auch innerlich.

Max war das sprühende Leben, voller Freude und Optimismus, während er alles schwärzer redete, als es war.

Aber tatsächlich schien Max das anders zu sehen, denn er flirtete und redete und irgendwann tat Spencer, was er dachte, dass er tun musste, um ihn loszuwerden. Er nahm ihn mit nach Hause.

Das er zu diesem Zeitpunkt dachte, Max wäre ein Junge, der sich auf einen One-Night-Stand einlassen würde, war eigentlich schon eine Absurdheit an sich.

Und tatsächlich war die Einladung anders geendet, als er es gedacht hatte. Max hatte sich nicht flachlegen lassen, aber er hatte es geschickt geschafft, ihm seine Handynummer abzuluchsen und ihn seitdem permanent terrorisiert. Bis es Spencer vermisste, wenn der kleine aufgedrehte Kerl nicht bei ihm war und ihn nervte.

Und so zog es sich, bis zu einer Woche vor der WM. Dann gab Spencer Max Drängen nach. Es endete in einem Kuss, es endete in mehr, als nur einem Kuss.

Es war keine Beziehung, was sie von da an führten. Aber es war mehr, als nur unbedeutender Sex.
 

„An was denkst du gerade?“, fragte Max und Spencer sah auf und diesen an.

„An nichts,“ wehrte er ab. Er war noch immer nicht gut darin, seine Gedanken und Gefühle seinem Lover – Gott, wie sich das anhörte -, mitzuteilen.

Tala und Bryan beäugten ihn kritisch, weil er immer öfter mit Max zusammen trainierte. Sie hatten Angst, er würde sich am Ende noch mit ihm anfreunden und ihn gar Tipps geben, wie man sie schlagen könnte. Völliger Unsinn.

Er hätte ihnen natürlich die Wahrheit erzählen können. Aber wie käme das denn erst? Dann würden sie sich noch mehr Gedanken machen!

Also sagt er seinem Team nichts von dieser seltsamen Beziehung, die er zu dem Ami führte. In drei Wochen war die WM vorbei. Dann würde er zurück nach Moskau gehen und die Sache wäre er erledigt.

Solange konnte er sich mit Max austoben und mit ihm trainieren.

Und genau das tat er. Auch, wenn es frustrierend war, mit Max zu bladen. Denn seltsamer Weise gewann der Blondschopf immer öfters.

„Nimm es mir nicht übel, Max,“ sagte er und kam sich seltsam weich vor. Was war aus ihm geworden, dass er Angst hatte, Max könnte es ihm übel nehmen? „Aber du bist von all den Bladebreakers eindeutig der Schwächste.“

„BBA Revolution,“ verbesserte der Blondschopf ihn lässig und zuckte dann mit den Schultern. „Einzeln betrachtet vielleicht. Aber als ganzes Team gesehen bin ich genauso wichtig, wie alle anderen auch.“

Diese Worte sollte einer verstehen! Spencer jedenfalls verstand sie nicht.

„Was nützt dir das Team, wenn du bei Kämpfen alleine auf dem Tableau stehst?“, fragt er deshalb und konnte Max wirklich nicht folgen.

Im Gegensatz zur letzten WM kämpften sie alle wieder, nicht nur zwei Mitglieder. Aber so waren es auch wieder nur Einzelkämpfe… was nützte einem da das Team?

Max schien zu überlegen, was Spencer triumphierend lächeln ließ. Offensichtlich hatte er selbst keine Ahnung, was er da eigentlich sagte.

Dann aber meinte der Blondschopf voller Überzeugung: „Schau… Wenn ich ein Match bestreite, dann weiß ich, mein Team steht hinter mir. Sie feuern mich an und geben mir das Gefühl, dass sie an mich glauben. Dann denke ich, ich kann alles erreichen und mit diesem guten Gefühl kann ich das dann auch meist wirklich. Deswegen gewinne ich ja auch meine Kämpfe.“

War das ein Seitenschlag? Gegen ihn? Weil er noch keinen Kampf gewonnen hat – sehr zu Talas Missfallen, der ihn schon gar nicht mehr aufstellen will.

Andererseits war es lächerlich, was Max ihm da erzählte.

„Wenn du selbst nicht gut genug bist, dann nützt dir dein Team auch nichts,“ meinte er voller Überzeugung und merkte erst, dass er sich damit selbst beleidigte, als es schon zu spät war.

Max lächelte amüsiert und hob sein Blade.

„Dann zeig mir mal, wie du es auch ohne den Rückhalt deines Teams schaffst.“

Spencer nahm die Herausforderung an. Aber nicht, um Max etwas zu beweisen, sondern weil es sich einfach nicht gehörte, als Blader eine Herausforderung abzulehnen.

Und so begann ihr Kampf.
 

Die Blades krachten aneinander, es flogen Funken, bis sie sich wieder trennte. Spencer hatte seine Strategie über die Jahre hinweg verfeinert und kämpft nun bis aufs Blut. Max hatte ihn immer kritisiert, es gehöre mehr dazu, als nur hart und brutal anzugreifen. Aber Spencer sah ja an Tala und Bryan, dass es leichter war, den Gegner mit einem starken Angriff außer Gefecht zu setzen, als zu sehr auf irgendeine Taktik zu vertrauen. Schon in der Abtei hatte man ihm beigebracht, einfach nur so schnell und präzise, wie möglich, einen Angriff zu setzten, um zum Ziel zu kommen.

Zwar hatte er die Trainingsmethoden von Boris immer abgelehnt und als zu krass und zu unnötig angesehen, aber er hatte immer Erfolg damit gehabt.

Mit dem Training und der Art und Weise, einen Angriff zu starten. Früher war er damit richtig gefahren – er war sich sicher, auch heute noch damit richtig zu fahren.

Deswegen fand er Max Stil nahezu lächerlich.

Dieser hatte seine Defensive so stark aufgebaut, dass er kaum noch selbst angriff, sondern nur die Angriff des Gegners ins seine verwandelte.

Natürlich war Max schon immer ein Defensivkämpfer gewesen und natürlich war Draciel auch im Abwehren stärker, als im Angreifen.

Aber sich so darauf zu verlassen, die Kraft und Energie des Gegners zu absorbieren und in seine eigene zu verwandeln, dass war ihm irgendwie suspekt. Was würde Max denn zum Beispiel tun, wenn er seinen Angriff einfach zurück zog und auf eine Aktion des Amerikaners wartete?

Er überlegte kurz, dies wirklich zu tun, dann aber verwarf er den Gedanken und griff doch wieder an.

Erneut flogen Funken, dann landete einer der Blades neben der Arena. Spencer grinst triumphierend, bis er bemerkte, dass es sein eigner Blade war, der da zu seinen Füßen lag. Ungläubig starrte er darauf, ehe er es langsam aufhob.

„Das war nur Glück,“ rief er Max zu, der dies mit einem belustigten Schnauben zur Kenntnis nahm.

„Du solltest aufhören, nur für den Sieg zu bladen,“ meinte Max nach einer geraumen Zeit des Schweigens.

„Und wofür soll ich dann bladen?“

Spencer war nicht überzeugt. Im Sport ging es doch nur ums Gewinnen. Das hatte Boris ihnen schon eingeschärft. Gut, Boris war ein Spinner gewesen. Nichts, desto trotz musste man aber zugeben, dass sie zu der Zeit, in der sie unter dessen Fuchtel standen, sehr stark und fast unbesiegbar waren.

„Für dein Team,“ klärte Max ihn auf und Spencer verdrehte die Augen.

„Musst du immer so melodramatisch sein?“, fragte er diesen und Max nickte und lächelte ihn an.

„Und du?,“ entgegnete er dann, „musst du immer so pessimistisch sein?“

Schalk blitzte in Max Augen auf und Spencer schüttelte den Kopf. Er konnte mit dessen Art noch immer nicht umgehen, dabei hatte er doch schon einige Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen.

Aber so sehr er auch versuchte, mit Max zu streiten, zu diskutieren, oder ihn einfach nur wenig zu provozieren… Max schaffte es immer, den Spieß mit einem lässigen Spruch oder einer Gegenfrage umzudrehen.

„Warum hilfst du mir eigentlich? Ich bin der Feind!“, versuchte Spencer es dennoch erneut. Nicht nur, um Max zu ärgern, sondern weil es ihn wirklich interessierte.

Max grinste. „Ja, aber du bist auch mein Freund.“

Er zwinkerte ihm zu und Spencer grinste. Ob es wirklich nötig war, ihn als Freund zu bezeichnen, ließ er dahin gestellt. Andererseits… sie verstanden sich. Sie redeten. Sie hatten Sex. Sie waren in der Tat so etwas, wie Freunde. Für kurze Zeit sogar mehr.

Während er darüber nachdachte, wurde ihm plötzlich klar, klar, dass er sich niemals wirklich gegen Max Annäherungsversuche gewehrt hatte.

Und das nicht, weil er es nicht gekonnt hätte, sondern weil er es nicht wollte. Denn so nervig der Junge auch war, so rein waren sein Herz und seine Absichten, dass sich Spencer selbst wie ein besserer Mensch vorkam. Und um ihn irgendwie zu danken, beschloss er, ein wenig mehr auf Max zu hören.

Ihre gemeinsame Zeit war bald um, aber er würde aus dieser etwas mitnehmen.

Beim nächsten Kampf würde er es versuchen. Er würde nicht bladen, nur um zu siegen, sondern um sein Team stolz zu machen. Und wenn er dann gewann – und er war plötzlich sehr zuversichtlich, dass er gewann – dann würde sein Team wieder an ihn glauben und bedingungslos hinter ihm stehen. An das glaubte er fest.

XXI. Die Welt [Tala x Ian]

Manchmal wusste Ian nicht weiter. Stellte sich Tala so eine Beziehung vor? Stundenlanges Training mit den Blitzkriegboys, während Ian zu Hause wartete und sich mit Hausaufgaben ablenkte, die sie gar nicht aufhatten, sondern die er sich freiwillig auflastete, um etwas zu tun zu haben.

Wenn er Tala darauf ansprach, dann winkte dieser nur ab und schlug sogar vor, Ian könnte wieder als aktiver Teil im Team anfangen. Aber Ian wollte nicht. Nach all der Zeit in der Abtei hatte er eingesehen, dass es Zeit war, ein neues Leben zu beginnen. Er hatte mit dem Profibladen aufgehört und holte jetzt lieber sein Abitur nach. Danach könnte er studieren oder eine gute Ausbildung in Angriff nehmen.

Das waren seine Ziele.

Aber Talas Ziele waren immer noch die gleichen, wie vor Jahren. Er konnte es nicht ertragen, erneut von Tyson bei der Weltmeisterschaft geschlagen worden zu sein. Das zweite Mal jetzt schon. Für ihn reichte es. Was Boris ihm immer wieder eingetrichtert hatte, war in seinen Gedanken zu verwurzelt, um einfach so verdrängt werden zu können. Gewinnen! Gewinnen, gewinnen, gewinnen! Um jeden Preis.

Ganz lange hatte auch Ian dieses Ideal angestrebt. Bis ihm irgendwann klar geworden ist, dass es mehr gab, als nur Gewinnen. Oder auch andere Formen von Gewinne. Sein Ziel war es, sein Leben zu gestalten, wie er es mochte. In seinem Leben voran zu kommen. Erfolg zu haben. Beruflich, privat.

Und bisher war er damit gut gefahren, hatte es umsetzten könne. Er hatte gute Noten in der Schule, würde sicher eine gute Abschlussarbeit schreiben.

Er hatte eine Beziehung mit Tala. Etwas, was er sich nie hätte träumen lassen. In seiner Vorstellung waren Tala und Kai immer ein ideales gewesen. Sie hingen in der Abtei schon ständig zusammen, kannten sich gegenseitig besser, als jeder andere. Wahrscheinlich kannten sie sogar den anderen besser, als sich selbst.

Deshalb war es für Ian nur eine logische Schlussfolgerung, dass aus ihrer engen Freundschaft, ihrer tiefen Verbundenheit, irgendwann Liebe werden würde.

Aber dann lernte Kai ein Mädchen kennen und war hin und weg und Ian wurde klar, dass tatsächlich niemals eine Beziehung aus dieser Freundschaft entstehen würde.

Was ihm nur Recht kam. Denn er fand Tala schon immer toll. Als Kind hatte er seinen Teamleader angebetete. Wie er all die Schikanen Boris’ einfach einsteckte, ohne sich zu beschweren. Wie er stundenlang trainierte, ohne Pause zu machen, und dennoch nicht erschöpft war. Wie er mit stoischer Ruhe in den Kampf schritt und meist so schnell den Gegner besiegte, dass dieser gar nicht merkte, dass der Kampf schon begonnen hatte.

All das hatte Ian bewundert. Und als er größer und reifer wurde, da merkte er, dass auch Tala selbst, nicht nur sein Verhalten, ihn faszinierte. Wie er sprach, wie er ging. Seine harten Ansagen, hinter denen man doch etwas wie Zuneigung zu seinem Team entdecken konnte.

Und als sie dann letztlich freie Menschen waren, nicht mehr unter der Fuchtel der Abtei, da war Ian sich sicher: Er liebte Tala. Denn nichts war für ihn schlimmer, als die Vorstellung, dass mit dem Ende der Abtei auch das Ende ihrer Freundschaft angebrochen war.

Doch das Team blieb bestehen, sie zogen sogar in eine WG. Natürlich taten sie das. Sie hatten ihr halbes Leben miteinander verbracht. Alleine irgendwo in einer Wohnung zu hausen – unvorstellbar!

Und dann… ja dann hatte Ian es irgendwann einfach nicht mehr länger ausgehalten. Und an einem Abend, als er alleine mit Tala war und sie sich gerade eine dämliche Soap im Fernsehen rein zogen, da platzte es einfach aus ihm heraus: „Ich liebe dich.“

Die Worte hingen im Raum und Ian weiß noch genau, wie Tala ganz langsam den Kopf zu ihm drehte und ihn spöttisch anblickte.

„Du liebst mich also?“, hatte er gefragt und Ian hatte genickt.

Und dann hatte Tala ‚Okay’ gesagt und sich wieder dem Fernseher zugewendet. Ian hatte die Luft angehalten, bis er kaum noch Sauerstoff in den Lungen hatte.

„Mehr hast du dazu nicht zu sagen?“, fragte er dann bissig, weil er nicht fassen konnte, dass Tala keine anderen Sachen dazu einfielen

Der Rotschopf sah ihn nicht mal an, sondern blickte weiterhin auf die Mattscheibe. „Von mir aus können wir es probieren,“ sagt er dann jedenfalls, „Aber du musst dich anstrengend, mich zu überzeugen, nur dich zu lieben und niemand anderen.“

Und diese Aufforderung hatte Ian sofort in die Tat umgesetzt.

Und seiner Meinung nach lief es auch ganz gut. Er zeigte Tala ständig, wie sehr er ihn liebte. Und er hatte das Gefühl, Tala liebte ihn auch. Irgendwie zumindest.

Aber es gab etwas, was Tala mehr liebte, als ihn: Das Gewinnen!
 

Seufzend legte Ian seinen Bleistift beiseite. Er saß in der Küche der WG, an dem großen Esstisch, an dem sie immer alle saßen und ungenießbaren Fraß aßen, den Spencer voller Inbrunst gekocht hatte, und machte Hausaufgaben. Mathe. Er mochte Mathe. Es war leichter, als all die anderen Fächer. Ein Schema, mit dem man zum Erfolg kam. Wenn man es richtig anstellte, war die Lösung immer richtig.

Viel einfacher, als es das reale Leben war. Denn egal, wie Ian versuchte, zur Lösung seines Problems mit Tala zu kommen – er schaffte es nicht. Tala war wie die Variable in einer Gleichung. Abgesehen davon, was man einsetzte, kam auch etwas anderes heraus.

Ian blickte zur großen Küchenuhr. Ein hässliches Erbstück von Bryans Großmutter. Darauf abgebildet war die hässlichste Matroschka, die Ian je gesehen hatte. Ihr Lächeln wirkte wie eine grimmige Fratze und ihre Augen schienen wie leblos, wie die von Puppen. Ian mochte keine Puppen. Der tote Ausdruck in ihren Augen machte ihm Angst. Er glaubte, sich selbst zu verlieren, wenn er zu lange in die Augen blickte.

Das hässliche Bild ignorierend, beobachtete er, wie die Zeiger immer weiter vorrückten. Von Tala und den anderen fehlte noch immer jede Spur. Schien, als wenn ihr Teamleader mal wieder keine Ruhe fand und vom Erfolg getrieben war.

Ian seufzte, stand auf und packte seine Sachen zusammen. Dann kehrte er in das Zimmer zurück, dass er sich seit einiger Zeit mit Tala teilte.

Ungeachtete dessen, dass etwas kaputt gehen konnte, warf er sein Schulzeug einfach in eine Ecke und schmiss sich aufs Bett. Das Bett, in dem er so viele glückliche Stunden mit seinem Freund verbrachte und das so herrlich nach diesem roch.

Er vergrub die Nase darin und irgendwann schlief er ein.
 

Ian wachte auf, als zarte Finger über seinen Nacken strichen. Ein wenig nur drehte er den Kopf zur Seite und blickte in Talas eisblaue Augen, die er schon immer so unglaublich schön fand.

„Da bist du ja endlich,“ wisperte er und genoss die seltenen Streicheleinheiten seines Freundes. Der rothaarige Russe war nicht gerade ein Meister darin, seine Gefühle irgendwie deutlich zu machen oder gar zu sagen. Deshalb waren es diese seltenen Momente, die Ian sagten, dass er Tala nicht gänzlich egal war.

Und weil er das wusste, waren diese Momente dann auch umso schöner.

„Hat ein wenig länger gedauert,“ nickte sein Freund und untertrieb dabei maßlos, wie Ian feststellte. Es war ein Uhr nachts. Was war los mit ihm, dass er solch utopische Trainingszeiten anschlug?

Tala schien seine Gedanken zu erraten, denn er meinte: „Wenn wir jetzt hart trainieren, dann könnten wir die BBA Revolution endlich schlagen.“

Ian erwiderte darauf nichts. Er hatte schon zu oft gesagt, was er davon hielt. Und er war dessen müde.

Tala war einfach das genaue Gegenteil von ihm. So leicht es ihm fiel, mit etwas abzuschließen, so schwer war dies für Tala. Den Ehrgeiz, mit dem der Russe seine Ziele verfolgte, hatte Ian immer bewundert und an ihm lieben gelernt. Und er glaubte, dass sie deshalb auch gut zusammenpassten. Tala motivierte ihn, eine Sache nicht aufzugeben, wenn ihm die Lust verging – und er half diesem im Gegenzug, das ein oder andere endlich abzuschließen. Und eigentlich funktionierte dies aus immer sehr gut. Nur mit dieser Sache nicht. Denn diese Sache belastete Tala zu sehr – auch, wenn er das nicht zugeben wollte -, als wenn irgendwelche Überredungskünste daran etwas ändern könnten.

Aber Ian war damit nicht glücklich. Er wollte sein Leben genießen, mit Tala. Und das ging nur, wenn diese Scheiße endlich ein Ende hatte!

Und deshalb, so wurde es ihm klar, musste er die Sache selbst in die Hand nehmen. Diesen Entschluss fassend, beugte er sich über Tala, der neben ihm lag, und küsste in sanft. Er würde ihm helfen, damit er Frieden fand – und damit Ian selbst Frieden fand.
 

„Was soll das, Ian? Du weißt genau, dass Bryan und Spencer auf mich warten!“

Tala verschränkte genervt die Arme vor der Brust, ließ sich aber dennoch von Ian an seinem Pullover durch die Gänge der größten Trainingshalle Moskaus schleifen. Die Halle wurde meist als Stadion umfunktioniert, weil sie einige Bereiche hatte, in denen große Zuschauertribünen aufgebaut warten.

Deshalb nutze man diese als Stadion, während in den kleineren Nebenzimmern und Arenen Trainingsgeräte und Trainingsbowles zu finden waren.

Hier trainierten auch die Blitzkriegboys oft, hatten sogar einen eigenen Raum gemietet, damit niemand sie stören oder ausspionieren konnte.

„Ich hab doch gesagt, ich habe eine Überraschung für dich,“ erwiderte Ian und lächelte leicht. Und was für eine Überraschung.

„Die da wäre?“, fragte Tala, der Überraschungen eben gar nicht vertrug. Wieder so ein Gegensatz. Ian liebte es, überrascht zu werden, und er liebte es, andere zu überraschen. Tala hingegen hatte die Sachen lieber unter Kontrolle und diese verlor er nun mal, wenn er nicht wusste, was geschehen würde.

Aber da musste er jetzt durch!

„Was ist das für ein Lärm?“, fragte Tala, als sie der größten Arena immer näher kamen und Ian seufzte und wusste, er würde es nicht länger verbergen können.

„Fans,“ meint er deshalb knapp.

„Fans?“, wiederholte Tala.

Er blieb abrupt stehen und sah Ian tadelnd an: „Sag mir endlich, was hier los ist.“

Also sah sich Ian gezwungen, ihm alles zu erzählen. Das die BBA Revolution wegen eines PR-Termins in Moskau war und er Mr. Dickenson gebeten hatte, ein kleines Benefizturnier zu veranstalten.

Tala gegen Tyson.

„So hast du die Möglichkeit, ihn zu besiegen. Vor Publikum. Bei einer offiziellen Veranstaltung!“

Und dann kannst du endlich aufhören, so verbissen zu trainieren, fügte Ian in Gedanken hinzu.

Sein Freund war nicht begeistert, der felsenfesten Überzeugung, nicht gut genug zu sein, um Tyson zu besiegen.

„Du hast im letzten Jahr mehr trainiert, als damals in der Abtei. Wenn du jetzt nicht gewinnst,“ und Ian sagte das wirklich ungerne, „Dann wirst du nie gewinnen.“

Mit diesen Worten schubste er Tala hinaus und nahm ihm damit die Möglichkeit zur Flucht. Nun musste er antreten.

Und weil es für den Russen eh nicht in Frage kam, zu kneifen, tat er, was er tun musste.

Es war ein langer Kampf und die Kontrahenten schenkten sich nichts.

Ian stand am Rand und beobachtete alles mit Argusaugen. So zögerlich Tala am Anfang auch war, so verbissen und stark war er jetzt.

Er gab Tyson keine Möglichkeit, ihn wirklich zu schwächen; aber auch Tyson schenkte Tala nichts.

„Und du glaubst, dass es ihm helfen wird?“, fragte Bryan, der plötzlich neben Ian aufgetaucht war und interessiert den Kampf musterte.

„Ich hoffe es. Sonst würde mir nichts mehr einfallen.“

Bryan nickte und wechselte einen Blick mit Spencer, der ebenfalls zu ihnen gestoßen war.

„Du musst ihn ja echt lieben, dass du das für ihn tust,“ stellte dieser fest.

„Red keinen Unsinn. Er tut das nur für sich,“ wehrte Bryan ab, dem die Vorstellung, man könnte selbstlos etwas für einen anderen tun, gar nicht logisch erschien.

„Ihr liegt Beide falsch,“ erwiderte Ian, „Ich tue das für uns Beide.“

Und in dem Moment, in dem er es dies sagte, schaffte Tala es, einen wahrhaftig atemberaubenden, komplizierten Move hinzubekommen, an dem er nun schon seit Monaten feilte.

Und urplötzlich war der Kampf zu essen, er hatte sein Ziel erreicht: Tyson war besiegt.

Ian lächelte und trat zu Tala, kaum war der größte Wirbel vorbei: „Du hast es geschafft, du hast ihn besiegt. Kannst du es nun endlich auf sich beruhen lassen?“

Tala grinste und wog ab, dann nickte er: „Weniger Training.“

Ian strahlte. „Aber nicht viel… Die nächste WM kommt bald.“

Sein Freund zwinkerte ihm zu und der kleine Russe wusste, wie er es zu nehmen hatte. Er würde Tala nie ganz das Training austreiben. Aber solang ihre Beziehung nicht länger darunter litt, würden sie beide damit leben können.



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Von:  Jeschi
2012-04-30T14:33:05+00:00 30.04.2012 16:33
von abgemeldet am 13.12.2011 21:01

Also, die Karte finde ich wirklich sehr gut umgesetzt :3
Allerdings geht mir der Grundgedanke des Pairings irgendwie ein bisschen verloren, ich weiß nicht ... der ganze One Shot wirkte irgendwie, als könnte er eigentlich viel länger sein und du hast ihn nur schnell geschrieben, um ihn eben geschrieben zu haben ... das fand ich ein bisschen schade, denn so wirklich warm werden konnte ich damit nicht ._.

Von:  Jeschi
2012-04-30T14:32:41+00:00 30.04.2012 16:32
von caramel-bonbon am 22.12.2011 00:12

also mit diesem pairing werde ich bestimmt nicht warm... ~_~ aber naja, ian wirkt hier schon sehr sympathisch, mehr als yuriy...
tala die unbekannte variable, das gefällt mir! ^^
gegensätze ziehen sich an und die hoffnung stirbt zuletzt... go for it, ian!!
ziel erreicht, karte gut interpretiert. :D
*bonbon da lass*

Von:  Jeschi
2012-04-30T14:32:06+00:00 30.04.2012 16:32
von abgemeldet am 13.12.2011 13:06

So, dann will ich mit dem Kommentieren mal den Anfang machen =)

*lach* Jemanden nachhause mitnehmen, um ihn loszuwerden? Eine seltsame Taktik, aber nun gut xD

Soo, schon vorbei ... also, zuerst muss ich sagen, dass ich finde, dass du die Beduetung der Karte wirklich sehr sehr schön umgesetzt hast - auch, wenn ich persönlich mit dem Pairing nicht so wirklich warm werde, aber das ist halt Geschmackssache.
Allerdings denke ich auch, dass dieser OS fast sogar noch besser geworden wäre, wenn man die beiden eher nur freundschaftlich zusammengebracht hätte, irgendwie hat die Erwähnung, dass die beiden Sex haben, nicht so wirklich ins Bild gepasst.
Aber ansonsten wie gesagt, eine sehr gute Umsetzung ^^


Von:  Jeschi
2012-04-30T14:31:28+00:00 30.04.2012 16:31
von caramel-bonbon am 21.12.2011 23:43

spencer ist einfach eine sympathische figur.... und wie du ihn hier beschreibst ist das einfach nur natürlich, ich kann es mir so gut vorstellen, wie er in einem süßen kleinen cafe sitzt und genüsslich kaffee schlürft während draußen leise der schnee fällt ^^
na spencer, was will denn der kleine, zierliche max von einem großen, muskulösen mann wie dir??
ja genau das tu ich auch immer, wenn ich einen typen loswerden will... drsch!
genau spencer... mit dem kopf durch die mauer...

ach, ich mag diesen os, das thema der karte hast du schön eingefangen und die stimmung zwischen max und spencer ist was ganz besonderes...

Von:  Jeschi
2012-04-30T14:30:13+00:00 30.04.2012 16:30
von abgemeldet am 05.01.2012 12:46

yay, endlich ist sie on =D

Ich bin schon neugierig. Ja, Oliver und Kunst, das ist halt so eine Sache <3

>Seine Ausrede war, dass er einen Ausflug in die National Gallery genau das richtige.
Ich glaub nur, an dem Satz stimmt irgendwas nicht ...
Lol, herrlich, Olli lässt die ganze Natinal Gallery sperren, nur weil er sich ein Bild anschauen mag XD Tja, wenn man die Kohle hat~

Hm, also ich glaube nicht, dass es üblich ist, dass jemand vom Wachpersonal seinen Arbeitgeber mit dem Vornamen benennt ...

>„Ja. Ja! Ein Freund!“, jubbelte er und hoffte,
jubeln mit einem b

Haha, er hoffte, Oliver sah das auch so. Den find ich gut :D

Oho, da hat ihn wohl jemand in seiner Eitelkeit gekränkt xD Haha, wie süß <3<3

>„Aber es wäre schön, wenn du trotzdem bleiben könntest.“

Awee, das ist so zuckersüß <3<3<3
Mensch, du hast mich echt auf das Pairing gebracht, ich würd sofort lesen, wenn du mehr davon schreiben würdest <3

Die Bedeutung der Karte finde ich nahezu perfekt umgesetzt <3

Von:  Jeschi
2012-04-30T14:29:32+00:00 30.04.2012 16:29
von Last_Tear am 08.02.2012 00:16

>Wachamnn

Wachmann honey XYD

Nischt zu schnell tippen, sonst passieren dir böse Fehler o.o
*streck*
Haw ja, Sayu kann nicht pennen und hat morgen Schulaufgabe ^---^
*freus*
Nya, wie auch immer, erster Gedanke WTF X___X
Diese verwöhnte, kleine Mistgöre >__>
*drops*
*Oli poke*
Böse, böse, böse und sowas hab ich gecosplayt @…@
*drops*
Muahahahaa >_>
Aber das mit Max ist...interessant XD
Wirklich interessant °--°
Doch gefällt mir XD

Uh, wieso denk ich jez an Aktzeichnungen von Max?
Hrrr, böses Sayu >3



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