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Memori3s

von

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Die Geister, die mich nervten

Taro stoppte das laufende Tape und streckte sich auf seinem Stuhl. Seine Muskeln schmerzten vom langen Sitzen und müde rieb er sich den steifen Nacken und die brennenden Augen. Gähnend leuchtete er mit der Taschenlampe auf seine Armbanduhr und zog leicht verwundert die Brauen zusammen. Er steckte gerademal zwei Stunden hier unten fest; ihm war es wie ein halbes Leben vorgekommen…

Um seine Augen etwas zu entspannen, schloss er diese und lehnte sich zurück. Er würde hier unten versauern und dann gelangweilt und zugestaubt sterben, da war er sich inzwischen sehr sicher. Nicht, dass die Tapes nicht interessant wären – im Gegenteil, Taro war der festen Überzeugung, dass man diese ganzen Dramen in ein Drehbuch verpacken und dann daraus eine Daily Soap machen sollte. Die Einschaltquoten wären gigantisch, immerhin gab es ja genügend Hausfrauen auf der Welt, die auf so einen Herzschmerz standen. Aber ein wenig Abwechslung täte ihm dennoch gut, Rumsitzen war auf Dauer eben auch nichts. Der Schrecken vom Anfang, die Angst vor seinem unterirdischen Gefängnis, war beinahe schon zur Gänze verflogen. Es waren halt doch nur alte Betonwände und unzählige, leere Räume, die irgendwann mal bewohnt gewesen waren. Die Risse an der Decke, die er hier und da entdeckt hatte, waren weiterhin bedrohlich, aber die letzte Erschütterung lag soweit zurück, dass er für die nächste Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit sicher war.

Obwohl … besser von Schutt und Gestein zerquetscht werden, als sich zu Tode zu sitzen, oder? Vorher werde ich wohl verhungern, dachte Taro dann mit einer leichten Bitterkeit, als sich in diesem Moment sein Magen lautstark bemerkbar machte, der sich anfühlte, als würde er sich aus Verzweiflung schon selbst verdauen. Zudem war sein Mund staubtrocken und ein schaler Geschmack lag auf seiner Zunge.

Eine Hand auf seinen protestierenden Bauch gelegt, stand er kurzerhand auf und griff nach der Taschenlampe. Die Chance, hier unten etwas Essbares zu finden, schätzte er sehr gering ein, aber er glaubte sich zu erinnern, an einer Art Waschraum vorbeigekommen zu sein; mit ein wenig Glück – Taros Blick ging vielsagend hoch zur Decke und in Gedanken sandte er einen freundlichen Gruß an Fortuna – führten die Leitungen ja noch Trinkwasser. Neuen Mut fassend trat er auf den Flur, orientierte sich kurz und ging dann nach links in Richtung des eingestürzten Eingangs zurück.

Seine Erinnerungen hatten ihn nicht im Stich gelassen, stellte Taro ein paar Augenblicke später fest, als er nach zwei, drei Abzweigungen tatsächlich auf den gesuchten Waschraum stieß. Ein kleines erleichtertes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Der Geruch von abgestandenem Brackwasser lag in der Luft, sodass er sich an einen Abwasserkanal erinnert fühlte und die Nase rümpfte. Irgendwo hörte er Wasser in einem zähen, langsamen Rhythmus tropfen. Prüfend leuchtete Taro nach links und rechts. An der einen Seite des langgestreckten Raumes erkannte er Toilettenkabinen, dessen Türen zum Teil halb offen standen oder von herabgestürzten Betonstücken aus den Angeln gerissen worden waren. Die Erschütterung schien in diesen Räumen besonders viel Schaden angerichtet zu haben; überall lagen Schutt und Putz verteilt. Aus den Kabinen strömte der beißende Geruch von Urin, dass sich Taro leicht schütteln musste. Zu seiner Rechten lag der schleusenartige Zugang zu einem weiteren Raum, aus dem auch das Tropfen zu hören war. Dort musste es zu den Duschen gehen, wie Taro aus dem an der Wand befestigten Schild deutete.

Vor Kopf befand sich eine lange Zeile mit Waschbecken. Die Wand war komplett verspiegelt, sodass sich Taro, als er dort hin leuchtete, im ersten Moment selbst blendete und schnell die Hand vor die Augen hob. Kurz fühlte er sich an das merkwürdige Flackern der Neonröhren erinnert, doch als er die Taschenlampe wieder etwas tiefer hielt, umfing ihn wieder die gewohnte Dunkelheit. Er ging auf die Waschbecken zu und betrachtete sich im Spiegel. Er brauchte ein paar Sekunden, bis er sich sicher war, dass es wirklich er selbst war, der ihn da entgegen starrte. Seine Haare waren von Staub und Schweiß verklebt, ebenso wie seine Jacke und Jeans. Vorsichtig fasste er sich ins Gesicht. Dunkle Ringe lagen unter seinen geröteten Augen, die ihn mehr an einen Panda, als an ihn selbst erinnerten – oder an einen bereits Toten, wenn man seine vom Staub ergraute Haut mit ins Spiel nahm, und dieser Gedanke ließ ihn schaudern. Er sah vollkommen fertig und abgerissen aus! Tot, wiederholte er in Gedanken seine vorangegangene Überlegung, körperlich steh ich schon auf der Schwelle.

Von einer plötzlichen Angst gepackt, wischte er sich über die Wangen und versuchte den Staub so abzubekommen. Es klappte nicht in dem gewünschten Maße und mit nervösen Fingern drehte er hastig den Wasserhahn des Waschbeckens auf, vor das er sich gestellt hatte. Er hörte die alten Leitungen gurgeln und zischen, dass er schon das schlimmste befürchtete, doch dann spuckte der Hahn Wasser aus; erst braunes, das schlecht und abgestanden roch, doch mit der Zeit wurde es klarer. Erleichtert und nun wirklich lächelnd, legte er die Taschenlampe beiseite, schöpfte mit beiden Händen und beugte sich hinunter. Das kalte Wasser prickelte auf seiner Haut, als er sich dieses ins Gesicht spritzte, doch es tat unglaublich gut. Er spürte, wie der Dreck von ihm abfiel und ihn sauber – und vor allem lebendiger – fühlen ließ. Mehrmals rieb er sich über Wangen und Augen, ließ das Wasser über den Nacken laufen, und trank ein paar vorsichtige Schlucke, ehe er den Hahn wieder zudrehte und sich erleichtert wieder aufrichtete, um in den Spiegel zu sehen, was er im nächsten Moment auch schon wieder bereute.

Er war nicht mehr allein.

Für einen schmerzhaften Herzschlag starrte er aus geweiteten Augen in den Spiegel auf die Reflektion der Person, die hinter ihm aufgetaucht war. Er sah sie nicht richtig, dafür war der Augenblick zu kurz, sodass er nur schemenhaft blondes, langes Haar erkannte, bevor er sich erschrocken umdrehte und in die Dunkelheit sah. Taro spürte sein Herz wie einen Presslufthammer in seiner Kehle pochen – oh ja, und wie lebendig er sich nun wieder fühlte! – und drückte sich gegen den Rand des Waschbeckens. Hastig tastete er nach seiner Taschenlampe, umklammerte sie mit beiden Händen und leuchtete dorthin, wo er die Person gesehen hatte. Das Licht verdrängte die Schwärze und offenbarte weiß gestrichene Betonwände. Kein Mensch. Taro schluckte hart gegen das beklemmende Pochen in seinem Hals an und suchte mit der Taschenlampe die gegenüberliegende Seite des Raumes ab. Immer noch keine andere Seele. Langsam, einem inneren Drang nach Antworten folgend, tastete er sich an der Wand entlang bis hinaus auf den Gang und schaute sich vorsichtig um.

Er konnte immer noch nichts sehen. Aber dafür hörte er etwas. Schritte. Hastige, sich entfernende Schritte! Taro schwenkte die Taschenlampe nach rechts und sah einen Kleidersaum um die nächste Ecke verschwinden. Sein Herz erhielt einen neuen Schub Adrenalin.

„Warte!“, schrie er der Person hinterher und setzte ihr nach. Er lief so schnell, dass er bei dem Versuch, die Kurve ohne Abbremsen zu nehmen, beinahe ausgerutscht wäre. Wieder war der Fremde schneller, dass er nur für einen kurzen Lidschlag etwas an der nächsten Ecke erahnte und sofort rannte er in dieselbe Richtung.

„Warte! Bitte!“, wiederholte er atemlos und verfluchte seine erbärmliche Kondition. Nach der dritten Abzweigung gab er keuchend auf. Kurz leuchtete er noch verzweifelt umher, doch wieder einmal umringten ihn nur die kalten Wände. Entkräftet stützte er sich auf seinen Knien ab.

Das war doch keine Einbildung, sprach er sich selbst in Gedanken zu, da war jemand…

Er hatte eindeutig eine Frau gesehen. Jetzt, nachdem der erste Schock langsam abflaute, setzten sich seine Erinnerungen wie ein Puzzel zusammen und fügten zu den blonden Haaren auch noch ein blasses Gesicht hinzu, das ihn traurig angesehen hatte. Er hatte es deutlich vor Augen! Sowas konnte man sich doch nicht einbilden! Er war noch nie besonders fantasievoll gewesen; er war immer schlecht darin gewesen, sich Gutenachtgeschichten für seine Tochter auszudenken und wenn er sie mit ausgedachten Geistergeschichten belehren wollte, verzog sie stets nur ungläubig das Gesicht – warum sollte ihm dann ausgerechnet jetzt ein so echt wirkendes Hirngespinst einfallen?

Aber er konnte hier unten nur alleine sein, oder? Wer würde denn freiwillig hier hinabsteigen, vor allem, wenn eine Sprengung bevorstand? Vernunft und Wahnsinn fochten in seinem Kopf unerbittlich, dass es ihm Kopfschmerzen bereitete und er sich seufzend an den Kopf fasste.

Einen letzten Versuch startend, lauschte er noch einmal in die Dunkelheit und rief nach seiner vermeintlichen Leidensgenossin, doch auch diesmal blieb sein Ruf unerwidert.

„Einbildung…“, murmelte er leise und gab sich seiner Vernunft geschlagen, die ihm in einer maßlos überheblichen Art auf die Schulter klopfte. Du bist eben ein nervliches Wrack, verzieh sie ihm gespielt mitfühlend, woraufhin er sich sarkastisch bei ihr bedankte. Jetzt war es so weit, nun redete er schon mit sich selbst…

Seiner Umgebung wieder langsam gewahr werdend, sah er sich um. Wo war er denn nun schon wieder gelandet? Taro schüttelte mit dem Kopf. Wie groß war dieser Bunker überhaupt? Zu seiner Rechten lag ein Raum, den er kurzerhand betrat. Nun, wenn er schon mal hier war … vielleicht gab es hier noch was zu entdecken; immerhin hatte er ja um Abwechslung gebeten, obwohl er dabei nicht gerade an ein albernes Hirngespinst oder magere Verfolgungsversuche gedacht hatte.

Der Raum war der größte, den Taro bis jetzt hier unten gesehen hatte. Überall standen Tischgruppen und an den Wänden waren Regale und Pinnwände angebracht worden. Vergilbte Poster zierten die freien Flächen und haben den Saal wohl einst gemütlich und einladend wirken lassen, doch unter der dicken Staubschicht und in dem schmalen Lichtstrahl der Taschenlampe, die wirklich alles unheimlich und abweisend wirken lassen konnte, verlor sich sein Charme recht schnell. Taro ging weiter in den Raum hinein, bis er ein leises Rieseln hörte, das ihn sofort stehen bleiben ließ. Er leuchtete in die Mitte des Raumes und kleine Staubpartikel und Putz blitzten in dem Licht seiner Lampe auf. Auch über Boden und Wänden zogen sich teils tiefe Risse, wie Taro beim näheren Betrachten erkannte. Hier schien es nicht besonders sicher zu sein…

Er wollte schon wieder kehrt machen und den Saal verlassen, als auf einmal sein Handy in seiner Hosentasche zweimal kurz hintereinander vibrierte, sodass er erschrocken zusammenzuckte und sich an die Brust packte, in der sein Herz einen Infarkt nach dem anderen zu erleiden schien. Habe ich Horrorfilme wirklich mal gemocht?!

Fluchend und mit zitternden Fingern zog er das Handy hervor und schaute auf das Display. Dreizehn verpasste Anrufe in den letzten anderthalb Stunden, davon allein zehn von seiner Frau. Natürlich, jetzt war er ihr auf einmal wieder wichtig!

Und da sickerte die Erkenntnis zynisch langsam durch seinen Verstand. Verpasste Anrufe. Er hatte auf einmal wieder Empfang! Aus tellergroßen Augen starrte er auf den einen, mickrigen Balken auf dem Display seines Handys, der die Stärke des aktuellen Netzes angab. Kurz, nachdem er hinabgestiegen war, hatte er schon gemerkt, wie der Empfang immer schlechter geworden war, was keine besondere Überraschung für ihn gewesen war, bei den Tonnen Beton und Gestein, die zwischen ihm und der Außenwelt lagen. Ein Funkgerät hatte sein Chef nicht für nötig gehalten; er sollte ja schließlich „nur kurz einen Blick riskieren“, ehe der Geldhai wieder auf das große, rote Knöpfchen hätte drücken dürfen, um dann mit breitem Grinsen dabei zuzusehen, wie ein weiteres Gebäude in sich zusammenbrach, um vor ihm und seiner fantastischen, alles andere übertreffenden Einkaufskette zu weichen. Wahrscheinlich dürfte Taro sich später noch anhören, wie viel Zeit und Geld er wegen seinem ausgedehnten Ausflug verschleudert hätte. Und im nächsten Moment würde er sich die Zigarre mit 1000 Yen Scheinen anzünden. Der Gedanke ließ ihn bitter schnauben.

Es rieselte leicht über ihm und blinzelnd schaute er dem feinen Staub entgegen. Etwas Helles durchbrach die Decke seines Gefängnisses; ein tieferer Riss, der vereinzelt Lichtstrahlen durchließ und sich hier runter verirrten. Also ist die Decke hier besonders dünn und brüchig geworden, schlussfolgerte er und sein Herz begann schneller zu schlagen. Prüfend ging er zwei Schritte von der Stelle weg und hielt dabei die Netzanzeige seines Handys im Auge. Sofort war der Empfang wieder verschwunden. Taro schluckte mit einem beklemmenden Gefühl in der Kehle. Er hatte also wirklich nur hier, unter der am meisten Einsturzgefährdeten Stelle in diesem ganzen verdammten Raum, den Hauch einer Chance, mit der Welt über ihm Kontakt aufzunehmen.

Jemand musste ihn hassen.

Eindeutig.

Das, oder Gott hatte mit Buddha und Odin eine Wette am laufen.

Und der Unbekannte übernimmt die Rolle der Bank…

Auf seiner Unterlippe kauend, betrachtete er den kleinen Balken, der höhnisch in der Ecke seines Displays hockte. Frustriert fuhr er sich durch die Haare. Verdammt, zur Hölle! – Ach nein, da war er ja bereits…

Kurzerhand tippte er fluchend eine Nummer ein und lauschte ungeduldig dem Freizeichen, ein Auge stets auf die rissige Decke werfend.

Es erklang dreimal das wohl nervenaufreibendste Geräusch, das sich der Mensch ausgedacht hatte, ehe sein Anruf angenommen wurde.

„Taro?“ Die Stimme seiner Frau war leise, vorsichtig, dennoch konnte er ihre Anspannung und Nervosität fast körperlich spüren. Auch sein Herz schlug mit einem Mal schneller.

„Yuki!“, rief er in das Handy. „Yuki, hörst du mich?“

Er hörte sie schluchzend aufatmen. „Oh mein Gott, du bist es! Du bist es und du lebst!“ Sie weinte fast; Taro wusste, wie sie sich anhörte, wenn sie mit den Tränen kämpfte. „Ja … ja ich höre dich.“, beantwortete sie verspätet seine Frage und schniefte laut. „Zwar leise, aber ich verstehe jedes Wort.“

Taro spürte einen tonnenschweren Stein von seiner Seele fallen. Am liebsten hätte er ihr gesagt, wie leid ihm ihr jüngster Streit inzwischen täte, doch da unterbrach Yuki schon wieder seine Gedanken. „Taro, geht es dir gut?“

„Ja, bis auf den einen oder anderen Kratzer bin ich heile geblieben.“, antwortete er ihr schmunzelnd.

„Wo steckst du?“

Er seufzte und leuchtete mit der Taschenlampe einmal im Kreis. „Wenn ich das wüsste…“ Im Aufenthaltsraum. Drei Abzweigungen vom Folterzimmer mit dem elektrischen Stuhl entfernt. Sein Mundwinkel zuckte verführerisch und er musste den Zyniker in sich zügeln, der hier unten sein bester Freund geworden war, damit er seine Gedanken nicht laut aussprach. „Dieser Bunker ist verdammt weitläufig und alles sieht hier unten gleich aus.“

„Der Sprengstoffmeister meinte, dass die Anlage durch die abgebrochene Sprengung sehr instabil geworden sei.“, sagte Yuki mit einer leichten Unruhe in der Stimme, dennoch war Taro überrascht, wie gefasst sie nun wieder wirkte. Sie war schon immer die Tapfere von ihnen beiden gewesen. „Die haben das ganze Viertel abgesperrt, Taro, überall sind Polizisten und evakuieren Leute. Anscheinend hatten sie nicht einmal gewusst, wie weitläufig dieses unterirdische Netzwerk ist. Vor einer halben Stunde ist eine Straßenkreuzung weiter ein Stück der Straße abgesunken, als ein Laster darüberfuhr. Einfach so! Niemand traut sich mehr in die Nähe des Parkhauses.“

„Na toll.“, murmelte er missmutig. Die Worte seiner Frau munterten ihn nicht gerade auf.

„Sie haben nach einem Experten geschickt, der mit solchen Situationen anscheinend Erfahrungen hat. Wir warten alle, es kann nicht mehr lange dauern.“

Solche Situationen, wiederholte er in Gedanken. Natürlich, passiert ja schließlich jede Woche, dass sich Löcher in Innenstädten auftun…

„Dieser Guru soll sich beeilen.“, brummte Taro und sah wieder hinauf zur Decke.

„Hab noch ein wenig Geduld.“, bat Yuki und wieder verlor ihre Stimme an Substanz, dass sich der Knoten in seinen Hals weiter zuschnürte.

Er versuchte ihn mit einem freudlosen Lachen etwas zu lösen. „Hab ich denn eine andere Wahl?“

Sie antwortete mit Schweigen. Dann hörte er sie Luft holen. „Pass auf dich auf.“ Wieder eine kurze Pause. „Geh irgendwo hin, wo es sicher ist … oder sicherer.“, verbesserte sie sich ebenfalls bitter lachend, was ihm auch ein kleines, ungewolltes Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Das werde ich.“ Er stockte. Jetzt. Jetzt lag es ihm doch auf der Zunge. Gefasst holte er Luft. „Yuki, hör zu! Das, was ich heute Morgen gesagt habe, war unangebracht von mir gewesen.“

„Schon gut. Du hattest recht mit deinen Vorwürfen. Ich habe überreagiert, verzeih mir bitte.“

„Schon passiert.“, antwortete Taro ihr leise und heiser.

Wieder war es still um sie geworden. Aus dem Handy drang das rauschende Geräusch von starkem Wind, unter das sich die jaulende Sirene eines Krankenwagens mischte. Ein merkwürdiger Kontrast zu der Stille, die ihn hier unten umgab. Er hörte seine Frau tief, aber zittrig Luft holen.

„Pass bitte auf dich auf.“, sagte sie noch einmal. Sein Herz wurde immer schwerer.

„Versprochen. Ich bin bald wieder bei dir.“ Taro schloss die Augen und atmete selbst langsam ein. „Yuki, ich lie-“

Ein Klicken ließ ihn den angefangenen Satz abbrechen. Alle Hintergrundgeräusche waren in dem Bruchteil einer Sekunde verschwunden, sodass er nur noch sein eigenes, rauschendes Blut in seinen Ohren hörte. Verwirrt ließ er das Handy sinken und starrte auf den schwarz gewordenen Bildschirm. Der Akku war leer. Gerade jetzt.

Am liebsten hätte er laut aufgeschrien. Das war doch alles ein schlechter Scherz! Ungläubig legte er seinen Kopf in den Nacken und schickte wütende Blicke in Richtung Decke.

„Was ist eigentlich dein Problem?“, rief er in die Dunkelheit. „Gönnst du mir denn gar nichts? Nur weil du die Zähne nicht auseinander kriegst, um diese beschissenen drei Wörter zu sagen, musst du deswegen deinen Frust nicht an mir auslassen, okay?“

Knurrend raufte er sich die Haare, ging einmal im Kreis, sah dann wieder nach oben und breitete die Arme aus.

„Was habe ich euch verdammten Drecks-Göttern überhaupt jemals getan, hä?“

Die Antwort war ein bedrohliches Rieseln von der Decke, auf dass sich Taro schnaubend umdrehte und den Raum schleunigst verließ, begleitet von den Echos seiner eigenen Schritte und so derben Flüchen, dass er froh war, seine Tochter in einigen Kilometern Entfernung zu wissen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Thuja
2014-01-13T18:16:43+00:00 13.01.2014 19:16
Das Jahr fängt gut an. Sehr gut sogar und zwar dank diesem wunderbaren Kapitel
Ja…okay…es ging nicht bei Ares weiter. Das ist ein kleiner Kritikpunkt von einem großen Ares-Süchtigen. Aber ansonsten war es perfekt. Schlichtweg perfekt. Perfekter als Perfekt. Nahe zu oberperfekt ^________^
Dass Taro dort Herzinfarkte am laufenden Band erlebt, kann ich mir lebhaft vorstellen. Dort ist es aber auch extrem unheimlich und dann sieht er im Spiegel auch noch eine Person O_O
Scary
Auch wenn die Stelle wirklich mal wieder filmreif war
Bleibt nur eine Frage: Wer ist das wohl? Wer hält sich dort unten auf?



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