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Memori3s

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Krieger und Barde

Die Schwerter klirrten erneut aufeinander, zweimal, dreimal, wild und ungehalten, bis ein donnerndes „GENUG“ beide Männer bis ins Mark erstarren ließ.

Als seien die umstehenden Statuen, in die sich die Mitglieder von Olymp mit der Zeit verwandelt hatten, wieder zum Leben erwacht, stürmten sie im nächsten Moment auf Ares und Orpheus zu, hielten sie an Schultern und Armen zurück und entrissen ihnen ihre Waffen. Ares wehrte sich gegen ihre Griffe, zerrte an seinen eisernen Fesseln und fluchte, genauso gebärdete sich auch der sonst so gesammelte Springer ungehalten gegen seine Bewacher. Hermes zischte neben Ares Beruhigungen und halbherzige Warnungen in sein Ohr, bis Herks wütende Stimme ein weiteres Mal die Anwesenden zum Verstummen brachte.

„Schluss mit dem Theater!“, knurrte der Leutnant und stellte sich mit verschränkten Armen zwischen die beiden Parteien. „Da ist man mal zwei Minuten nicht da und schon benehmt ihr euch wie Dreijährige!“

Orpheus stellte seinen Widerstand sofort ein und senkte etwas den Blick, doch Ares dachte gar nicht daran, klein bei zu geben. Fluchend stellte er sich erneut gegen den Griff der Männer, die ihn festhielten.

„Misch dich hier nicht ein, Herk! Er hat es so gewollt und ich beende, was ich angefangen habe!“ Er wollte noch seine Bewacher anschreien, dass sie ihn endlich loslassen sollten, doch dazu kam er nicht mehr. Herakles hatte sich zu ihm umgedreht und ließ seine mächtige Pranke an Ares‘ Kehle vorschnellen. Augenblicklich war der Schmerz in seinem Bein vergessen - das Gefühl der ausbleibenden Luft war um einiges schlimmer. Herk sah nicht besonders wütend aus, er hob lediglich eine Augenbraue in Richtung kurzen Haaransatz, doch in dieser kleinen Bewegung lagen mehr angestaute Emotionen, als in dem kehligen Fauchen einer Raubkatze.

„Noch ein Wort und ich beende es, klar?“, zischte er leise und sah seinem Schüler tief in die Augen, sodass auch der letzte rebellische Gedanke restlos verpuffte. Ares versuchte zu nicken, soweit das mit einer zudrückenden Hand am Hals möglich war, und das schien Herk schon zu genügen. Er löste den Griff wieder, sodass Ares hustend nach Luft schnappte und sah die umstehenden Männer an.

„Lasst die beiden los.“

Wortlos befolgten die Anwesenden seinen Befehl, egal welchen Rang sie inne hatten. Mürrisch betrachtete Herk die beiden verfeindeten Männer, die mit gesenkten Schultern und gebeugten Rücken vor ihm wie zwei geprügelte Jungen standen. Orpheus hielt den Blick weiterhin gesenkt, während er sich die blutverschmierte Hand am Shirt abwischte; Ares starrte anfangs noch giftig zu dem Leutnant hoch, ehe auch er dem durchdringenden Blick des hochgewachsenen Mannes auswich. Herakles stieß ein hartes, genervtes Seufzen durch die aufeinander gepressten Zahnreihen und wandte sich von den Anwesenden ab.

„Zeus will euch sehen- jetzt.“, fügte er knurrend hinzu und warf seinem aktuellen Schüler einen warnenden Blick über die Schulter zu, dann ging er los. Zögernd folgten Ares und Orpheus ihm und kaum hatten sie die Halle hinter sich gelassen, hallte ein wildes Gemurmel von den Wänden. Grummelnd fuhr sich Ares über den Nacken.

„Toll, jetzt zerreißen sich diese Waschweiber da drinnen bestimmt die Mäuler über uns…“, brummte er missmutig. Er hatte Mühe mit Herks Tempo mitzuhalten, denn mit jedem Schritt pulsierte der Schmerz in seinem Bein stärker, was nicht gerade dazu beitrug, seine Laune anzuheben. Er wagte nicht zu Herk aufzuschließen und so humpelte er neben Orpheus her, der sich eine Hand wieder gegen die Nase gedrückt hatte, und zwang sich dazu, den breiten Rücken seines Lehrers zu taxieren; die ramponierte Visage des Springers hätte er keine Sekunde lang ertragen.

„Mal ehrlich, Herk, musste das sein?!“, rief er nach ein paar Sekunden ungehalten. „Wie stehe ich denn jetzt da?“

Herakles machte sich nicht einmal die Mühe zurückzublicken, lediglich seine Hände ballten sich zu hammergroßen Fäusten.

„Das sollte ich dich fragen!“, erwiderte er knurrend und ging im strammen Tempo weiter. „Ihr habt mich blamiert, so etwas habe ich euch nicht gelehrt.“ Nun sah er doch kurz über die Schulter zurück und seine kalten Augen ließen Ares zusammenzucken. „Ich hätte mehr Besonnenheit und vor allem mehr Verstand von euch erwartet!“

Trotz der warnenden Kälte in seinem Blick, konnte der Blonde sich ein spöttisches Lachen nicht verkneifen. „Ich dachte immer, ich sollte nicht denken, Herk.“, entgegnete Ares spitz und zog provokant eine Braue hoch, doch statt des Leutnants antwortete ihm der Springer.

„Nein, das tust du tatsächlich nicht, aber das entschuldigt dennoch nicht deinen fehlenden Respekt anderen gegenüber.“, näselte er leise und zog die Nase hoch. Augenblicklich fuhr Ares‘ Kopf in seine Richtung.

„Erzähl du mir nichts von Respekt, Lackaffe! Du hast mich genauso provoziert, wie-“

Schnauze! Alle beide!“ Die leeren Gänge spielten mit Herks Stimme Tennis und ließen sie mehrfach von den weißen Wänden abprallen und wie immer erzielte der Ausbilder damit den gewünschten Effekt. Bis zum Büro von Zeus umhüllte die drei Männer eine Wolke des Schweigens, die nur lediglich durch die wütenden Monologe von Herakles durchbrochen wurde, die allerdings niemand mehr wagte weiter zu kommentieren.

Zeus‘ Bürotür hob sich in keiner Weise von den anderen unzähligen Türen in diesem Gang ab, dennoch schien sie von einer Aura umgeben zu sein, die das Licht um sie herum dämpfte, als beginne eine andere Welt hinter ihr. Herk blieb vor dem Büro des Gottes stehen und lehnte sich, die Arme gewohnt vor der Brust verschränkt, gegen die gegenüberliegende Wand. Mürrisch betrachtete er die Jungen, die nun etwas zögernd vor der weiß gestrichenen Tür standen. Ungeduldig bedeutete er den beiden, sie zu öffnen. Orpheus befolgte die Geste, klopfte leise an und drückte dann tief durchatmend die Tür auf. Ares verweilte wo er stand und sah sich verwirrt zu seinem Lehrer um.

„Willst… du nicht mit reinkommen?“, fragte Ares ihn vorsichtig, woraufhin Herk nur verwundert die Brauen hob.

„Wofür? Soll ich Händchen halten?“ Sein Blick verfinsterte sich anklagend. „Du hast doch immer darauf bestanden, deine Angelegenheiten selbst zu regeln - also beweg deinen Hintern nun da rein und steh zu dem, was du verbockt hast!“
 

Das Schließen der Tür klang in Ares‘ Kopf wie das donnernde Aufschlagen eines Richthammers. Zeus saß hinter seinem Schreibtisch und räumte einen Stapel von Blättern zur Seite. Vor ihm stand Orpheus mit gestrafften Schultern, die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt, wie ein Soldat, der vor seinem Kommandanten stand. Niemand sagte ein Wort; Zeus schien die gerade Eingetretenen nicht einmal wahrzunehmen. Seelenruhig widmete er sich weiterhin seinen Dokumenten, und doch war die Situation zum Zerreißen angespannt. Erst, als sich Ares neben den Springer gestellt hatte, sah Zeus auf.

Er musterte die beiden Männer mit einer neutralen Miene, die keinerlei Rückschlüsse auf das gab, was darunter lag. Seine dunklen Augen blieben an Orpheus‘ blutverschmiertem Gesicht hängen. Ein leichtes Stirnrunzeln warf Schatten über sein Gesicht.

„Wie ist das passiert?“, fragte er in einem Tonfall, der perfekt zu seiner ruhigen Fassade passte. Orpheus wollte antworten, doch da kam ihm Ares zuvor.

„Ich war das.“, platze es dem Jüngeren heraus und der überhebliche Trotz in seiner Stimme brachte ihm einen giftigen Seitenblick von Orpheus ein, doch davon ließ sich Ares nicht beeindrucken. Unbeirrt fuhr er fort: „Wir haben gekämpft und ich-“

„Nun, das sehe ich.“, unterbrach ihn Zeus schon eine Spur energischer und zog merklich eine Braue in Richtung Haaransatz. „Ich hoffe doch sehr, dass es ein Übungskampf war. Streitereien habt ihr gefälligst auf anderen Wegen zu klären, für so etwas sind sie Waffen, die ich euch gebe, nicht gedacht.“ Zeus‘ Blick verlangte herrisch eine Antwort.

„Ja, Sir.“, murmelte Orpheus neben ihm sofort und sah wieder seinen Anführer an.

„Ja, Sir…“, presste auch Ares zähneknirschend hervor und schluckte seine restlichen Bemerkungen wieder hinunter. Er hasste es zu katzbuckeln, sei es nun vor Herk oder Zeus, doch war er nicht so lebensmüde und missachtete die eindeutigen Warnungen, die unumstößlich über dem Gott in der Luft hingen. Zeus schien ihre Zustimmungen zu genügen und brach den fesselnden Blick kurzerhand ab, um seine Aufmerksamkeit einem Blatt zu widmen, das vor ihm auf dem Tisch lag.

„Vor allem von euch beiden verlange ich in Zukunft eure Meinungsverschiedenheiten nicht mehr mit Gewalt zu diskutieren; am besten schafft ihr diese Diskrepanzen ganz aus der Welt, das wäre für alle eine Wohltat und Vereinfachung der Umstände.“

Auch wenn Ares sich vorgenommen hatte, seine Bemerkungen ab jetzt mit größerer Vorsicht zu wählen, veranlasste ihn Zeus‘ Aussage zum verwirrten Blinzeln. „Wie… was für Umstände?“, fragte er sofort, doch Zeus überging ihn und sah wieder Orpheus an.

„Wie lange arbeitest du schon als Springer für mich?“

„Seit drei Jahren.“, entgegnete der Angesprochene augenblicklich, als habe er auf diese Frage gewartet. Zeus nickte zustimmend.

„Drei Jahre“, wiederholte er leise und in sich gekehrt. „Eine kleine Ewigkeit hier. Du hast in dieser Zeit sehr viele Aufträge erfolgreich abgeschlossen.“ Ein Lächeln schlich sich auf seine blassen Lippen. „Es gab bis jetzt keinen Zeitpunkt, an dem ich je bereut hätte, dir diese Position anvertraut zu haben.“

Verwirrung legte sich in Orpheus‘ Blick. „Danke, Sir“, sagte er zögerlich. „Das… bedeutet mir viel.“ Er zwang sich zu einem stolzen Ausdruck, doch das misstrauische Stirnrunzeln wollte nicht ganz weichen. Ares sah stumm zwischen den beiden Anwesenden hin und her und biss sich auf die Zunge. Ihm kam das alles ziemlich suspekt vor, dennoch verkniff er sich jeglichen Kommentar. Mit zu viel Reden kam man bei Zeus nicht weit, das hatte er schon früh festgestellt; der Göttervater hatte bis jetzt immer den längeren Atem behalten.

Zeus ließ Orpheus‘ Dank für Sekunden unbeantwortet im Raum hängen, dann faltete er die Hände vor sich auf dem Tisch und setzte von neuem an.

„Ich kenne dein Team, Orpheus. Es hat schon seit langem in dieser Zusammensetzung Bestand und ihr seid überaus gut auf einander eingespielt; und sowohl Jason, als auch Theseus sind sehr gute Männer, auf die Olymp stolz sein kann.“ Er sah dem Springer forschend ins Gesicht, als erwarte er eine Zustimmung, doch dann fuhr er weiter fort: „Ich habe vor, einen von ihnen in den Stand eines Springers zu erheben. Wen würdest du auswählen, Orpheus?“

Ares bemerkte, wie sich der Angesprochene neben ihm anspannte. Die Hände in seinem Rücken umgriffen sich stärker, bis die Fingerknöchel hervortraten und Orpheus presste die Lippen merklich aufeinander, was Ares nicht ganz nachvollziehen konnte. Zeus‘ Worte schienen dieselbe Wirkung wie eine Ohrfeige oder Beleidigung gehabt zu haben…

Der Springer musste sich sichtlich um Ruhe beherrschen, als er dem Schwarzhaarigen antwortete.

„Ich halte beide für geeignet, allerdings würde Jason mit der Führungsposition und der Verantwortung besser zurecht kommen; Theseus folgt lieber, als dass er befehlt.“ Ein Teil seiner Anspannung fiel von Orpheus ab, allerdings hatte Ares nicht das Gefühl, als ob ihm diese Aussage Erleichterung verschafft hatte; vielmehr schien etwas in ihm einfach aufgegeben zu haben. Erwartend sah Ares zu Zeus. Dieser nickte wieder und sein Lächeln verblasste.

„Diesen Anschein hatte ich ebenfalls.“ Er nahm einen Stift zur Hand und setzte eine schwungvolle Unterschrift unter das Dokument, das vor ihm auf dem Tisch lag. Dann stand er auf und sah ernst zu den beiden jungen Männern.

„Orpheus, hiermit enthebe Ich dich aus dem Rang des Springers. Jason wird deine Nachfolge antreten.“ Bei dem Worten weiteten sich Ares‘ Augen und fassungslos starrte er Zeus an.

„Mit welcher Begründung?“, platzte es aus ihm ungehalten heraus. Hatte Orpheus so etwas geahnt? Hatte er deshalb so niedergeschlagen geschaut? Er konnte ihn zwar nicht ausstehen, aber so etwas hatte das Goldkehlchen nun auch nicht verdient. „Wenn es um den Vorfall von gerade eben geht, dann nehm ich das allein auf meine Kappe!“, fuhr Ares fort und deutete auf den ehemaligen Springer, der stumm dastand und mit kreidebleichem Gesicht zur Seite starrte. „Ich habe den Kampf gewollt, er hat sich nur provozieren lassen!“ Er holte Luft für weitere Verteidigungen, als ihm Zeus mit einer einhalt gebietenden Handbewegung das Wort abschnitt.

„Lass mich ausreden.“, warnte er den Blonden mit ernstem Blick, der Ares tatsächlich zum Verstummen brachte. „Ich habe beschlossen, dass Orpheus mit einem festen Partner weitaus besser einzusetzen ist. Seine Erfahrungen, mit und in größeren Gruppen zu agieren, werden euch beiden Vorteile schaffen, die ihr-“

„Uns?“, fuhr ihm Ares ungläubig dazwischen und auch Orpheus sah verwirrt auf. Nach Zeus‘ pikiert hochgezogener Augenbraue zu urteilen, trieben Ares‘ unzählige Unterbrechungen ihn langsam an seine Grenzen des Ertragbaren.

„Herakles hat ein Wort für dich eingelegt und mich gebeten, für dich einen Partner zu finden“, sagte er weiterhin gelassen, auch wenn seine Körpersprache eine andere war. „Und wir sind zu der Übereinstimmung gekommen, dass du von Orpheus in Zukunft mehr lernen kannst, als von Herk.“

Zuerst waren Zeus‘ Worte wie eine eiskalte Dusche, unter die er auf einmal gestellt wurde, doch dann ballte Ares wütend die Fäuste. „Und wir werden gar nicht gefragt?“, knurrte er und trat einen Schritt auf Zeus zu. „Ihr könnt euch euren Partner-Scheiß sonst wo hinstecken, ich werde niemals-“

Orpheus‘ Finger gruben sich deutlich spürbar in Ares‘ Schulter und ließen ihn verstummen; sein Zorn allerdings zog aus dieser Berührung nur neue Kraft, sodass er sich aufbrausend zu dem ehemaligen Springer umdrehte. Dutzende Drohungen und wüste Beschimpfungen kochten in ihm hoch, doch Orpheus‘ Blick bremste ihn beinahe im selben Augenblick wieder aus. Todernst schüttelte der Dunkelhaarige den Kopf und der Ausdruck in seinen Augen war autoritärer als jede Standpauke des Leutnants, dass es Ares eiskalt den Rücken runter lief. Für Sekunden starrte er ihn an, dann presste er widerwillig die Lippen aufeinander und beugte sich der deutlichen Warnung. Wer konnte hier, in Olymp, eigentlich nicht mit seinen verdammten Blicken töten?

„Gut, ich denke, dann ist alles geklärt.“, löste Zeus die angespannte Situation einen Moment später auf und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. „Du kannst gehen, Ares. Orpheus, ich möchte mit dir noch ein paar Worte unter vier Augen wechseln.“

Der junge Mann folgte der Aufforderung ohne weitere Widerworte, dennoch musste er sich stark zurückhalten, um nicht die Tür mit aller Wucht hinter sich zuzuknallen. Am liebsten hätte er in diesem Moment an jemandem seinen Zorn abgebaut, doch der einzige, der nun vor ihm stand, war Herakles, der ihn mit einem erwartungsvollen Blick von oben bis unten musterte. Zuletzt blieb er an Ares‘ wutverzerrten Gesicht hängen und hob erstaunt die Augenbrauen.

„Ich seh keinen Tropfen Blut an dir“, stellte er verwundert fest und ein kleines Lächeln stahl sich unter seine überraschte Miene. „Sag bloß du hast Zeus und Orpheus tatsächlich am Leben gelassen…“

Aus irgendeinem Grund schrumpfte sein Ärger in diesem Augenblick auf ein erträgliches Minimum zusammen, sodass er nur genervt schnaubte und sich gegen die Wand neben Zeus‘ Bürotür lehnte, direkt gegenüber von seinem Lehrer. Es hatte keinen Sinn mehr, sich groß gegen die gefallene Entscheidung aufzulehnen, das wurde ihm auf einmal schmerzlich bewusst.

„Du hast die ganze Zeit über gewusst, was Zeus vorhatte.“

Herk zuckte mit den breiten Schultern. „Er dürfte dir und Orpheus erzählt haben, dass es meine Idee war.“

„Hat er“, bestätigte Ares mürrisch und verengte merklich die Augen. „Warum?“

„Ich kann dir nichts mehr beibringen, Ares.“, gab der Leutnant mit einem leichten Seufzen zu, woraufhin Ares verwundert die Stirn runzelte.

„Nur weil ich dich einmal besiegt habe? Ich bin noch lange nicht soweit, das wissen wir beide.“

Auf einmal wurde Herks Blick eine bedeutende Spur ernster. „Wir könnten noch dutzende Male gegeneinander kämpfen und ich würde dich hundertprozentig auch noch das ein oder andere Mal windelweich prügeln, aber was würde dir das weiterhelfen?“ Sein Lehrer stieß sich von der Wand ab und kam ein paar Schritte auf ihn zu. Langsam schüttelte er den Kopf. „Du brauchst einen Partner, Junge. Jemand, von dem du noch Techniken lernen kannst; andere Techniken, kapiert? Ich bin nicht dafür da, um aus dir mein perfektes Abbild zu machen - ich bleibe lieber einzigartig.“, fügte er schmunzelnd hinzu und sah seinem ehemaligen Schüler verändert in die Augen. Ares hätte gerne etwas erwidert, doch da löste Herakles auf einmal die Gürtelschnalle seines Schwertes und hielt es Ares entgegen. Verwirrt starrte der Blonde auf die dargebotene Klinge.

„Wenn du von nun an auf Missionen gehst, solltest du auch `nen anständiges Schwert haben.“, brummte der Leutnant gewohnt mürrisch und drückte Ares die Klinge mit Nachdruck in die Hand. Perplex blinzelte der Jüngere den Gegenstand an und zog das Schwert ein Stück weit aus der Scheide. Seine Augen weiteten sich sprachlos, als sich das kalte Licht auf dem schwarzen Metall rötlich brach.

„Aber-“, schnappte er kleinlaut nach Luft und sah wieder zu Herk auf. „Das ist- das ist dein Schwert!“ Entsetzen brachte seine Stimme ins Schwanken.

Herks Braue wanderte in gewohnter Manier verärgert nach oben. „Blitzmerker. Und? Ist es deshalb nicht gut genug für den werten Herrn?“

Ares beeilte sich den Kopf zu schütteln und umklammerte das Schwert stärker. „Nein, ich- Herk, das kann ich nicht annehmen…“ Er wollte es dem Mann wieder zurückgeben, doch da hatte sich dieser schon zum Gehen abgewandt.

„Gott, verschon mich mit dieser sentimentalen Speichelleckerei.“, knurrte er und sah warnend zu Ares zurück. „Die Klinge hat keinen einzigen Kratzer und das soll auch so bleiben, hast du gehört?“ Er wartete Ares‘ Antwort gar nicht erst ab, drehte stattdessen dem Blonden wieder den Rücken zu und ging. „Blamier mich nicht, sonst zieh ich dir das Fell über die Ohren. Und wenn du auch nur daran denkst, dich jetzt bei mir für alles zu bedanken, kotz ich dir hier vor die Füße, also verkneif‘ s dir!“

Fassungslos sah Ares seinem Lehrer hinterher, bis er, vor sich hin grummelnd, hinter der nächsten Ecke verschwunden war. Dann senkte sich sein Blick wieder auf das Schwert in seinen Händen und ein ungewohntes Kribbeln jagte seine Arme hinauf, das sich in seinem ganzen Körper ausbreitete. Die schwarze Klinge wog mit einem Mal ungewöhnlich schwer, dass sich seine Hände stärker um das verzierte Holz der Schwertscheide klammerten. Er erinnerte sich, als er es das letzte Mal gehalten hatte, damals, als er damit gegen Orpheus antreten wollte und so vorgeführt worden war. Das kam ihm wie eine halbe Ewigkeit vor. Herks Schwert. „Mein Schwert…“, murmelte Ares leise und lächelte stolz.

„Du hast Herk ziemlich beeindruckt, das muss man dir lassen.“

Die Stimme erklang so unerwartet hinter ihm, dass Ares zusammenzuckte und erschrocken auf dem Absatz herumfuhr. Orpheus hatte zu seinem alten Jungenlächeln wieder zurückgefunden. Mürrisch rümpfte Ares die Nase.

„Ach ja? Und? Was juckt dich das?“ Er hatte wenig Lust, mit diesem eingebildeten Idioten viel mehr als unbedingt nötig zu reden und so ließ er den Dunkelhaarigen einfach an Ort und Stelle stehen; Orpheus schien dagegen noch einiges loswerden zu wollen.

„Es ist nicht üblich, dass Ausbilder ihre Schwerter an ihre Schüler weitergeben.“, begann er und holte eilig zu dem sichtlich verstimmten Ares auf. „Ein Schwert ist für Herk ein Heiligtum. Du kannst wirklich stolz auf dich sein.“

Ares stoppte so abrupt in seinem Gang, dass Orpheus erst nach zwei weiteren Schritten auffiel, dass der Jüngere nicht mehr neben ihm her stiefelte. Überrascht sah er zu ihm zurück.

„Was wird das, wenn’s fertig ist?“, zischte Ares giftig und sah Orpheus säuerlich ins Gesicht. „Willst du dich einschleimen? Sowas zieht bei mir nicht!“ Die beiden Männer starrten sich für Sekunden stumm an, dann brach Orpheus den Blickkontakt mit einem Schulterzucken ab und ging seines Weges.

„Nein, ganz sicher nicht; an deinem riesen Ego prallt wirklich jeder Versuch eines normalen Gesprächs ab.“, sagte er und schob seufzend die Hände in die Hosentaschen. Normalerweise hätte Ares nicht viel auf das Wort dieses nervenden Typen gegeben. Normalerweise hätte er sich in dieser Situation nicht einmal dazu herabgelassen, irgendetwas auf so einen Spruch zu erwidern und wäre einfach nur froh gewesen, ihn endlich losgeworden zu sein… normalerweise. Doch zu seiner eigenen Verwunderung ertappte er sich nun dabei, wie er nervös auf der Unterlippe herum kaute und nach den passenden Worten suchte. Orpheus‘ Aussage hatte ihn neugierig gemacht und innerlich ärgerte er sich schwarz über diesen Umstand. Der ehemalige Springer war schon einige Meter von ihm entfernt, da platzte es einfach aus ihm heraus.

„Hat… jemand vor mir schon mal ein Schwert von ihm erhalten?“, fragte er in dem beiläufigsten Ton, den er im Moment zustande brachte. Tatsächlich blieb der Angesprochene stehen und sah, die Augenbrauen in Richtung Haaransatz gezogen, zu ihm zurück, während Ares zwanghaft versuchte, etwas Interessantes an der rechten Betonwand zu entdecken. Orpheus zuckte noch einmal mit den Schultern und kam wieder auf den Jüngeren zu, ein kleines zufriedenes Schmunzeln auf den Lippen.

„Ich hab davon gehört, aber selbst miterlebt habe ich es noch nicht…“ Orpheus lachte etwas verlegen und fuhr sich mit einer Hand durch die dunkelbraunen Haare. „Ich persönlich habe nur einen Schlag in den Nacken von ihm bekommen, als ich einem Team zugeteilt worden bin; und die Warnung, dass ich doch ja nicht auf die Idee kommen sollte, dort draußen abzukratzen.“, fügte er etwas leiser werdend hinzu, woraufhin Ares verwundert aufsah und ihn ungläubig musterte.

„Du warst auch Herks Schüler?“

Nun war es Orpheus, der verblüfft starrte, doch dann stahl sich ein breites Grinsen auf seine Züge. „Ja… sag bloß, das hat dir keiner erzählt?“, stichelte er und konnte sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen, als Ares in diesem Augenblick kurz rot anlief. Schnell wandte der Blonde den Blick wieder ab und drängte sich verärgert an Orpheus vorbei. Das war genügend Smalltalk für eine ganze Woche gewesen, beschloss er schnaubend und verfluchte sich selbst dafür, überhaupt den Mund noch einmal aufgemacht zu haben.

„Hör zu, Sonnenschein, du scheinst Stalker gewohnt zu sein, aber ich gehör ganz sicher nicht zu deinem Fanklub!“, zischte er verstimmt und beeilte sich, so viele Meter wie möglich zwischen sich und dem Spinner zu bringen. „Und ich werde auch nie dein Partner, Sandkastenfreund oder was auch immer sein, verstanden?“, beendete er wütend und kochte vor Zorn, als ihm dieser Umstand wieder im Gedächtnis rumspukte. Hier war das letzte Wort noch nicht gesprochen, das schwor er sich!

„Ares, warte!“

Wütend blieb er stehen und drehte abrupt auf dem Absatz um. „Was willst du?!“

„Mit dir reden, was hältst du davon?“, fragte Orpheus und holte erneut zu ihm auf. „Ich weiß, wir hatten einen schlechten Start, aber vielleicht können wir ja die Vergangenheit einfach ruhen lassen und wieder bei null anfangen?“

Orpheus versuchte es mit einem versöhnlichen Lächeln, was Ares jedoch nur dazu bewegte, die Stirn skeptisch in Falten zu legen. Orpheus überging seine Reaktion und fügte gut gelaunt hinzu: „Ich kenne einen wirklich netten Laden hier in der Gegend, das ‚Red Duchess‘. Wie wär’s? Hast du Lust? Ich schmeiß auch `ne Runde.“, schloss er breit grinsend und sah seinen Gegenüber erwartungsvoll an. Den tiefen Furchen auf Ares‘ Stirn folgte eine misstrauisch hochgezogene Augenbraue.

„Bist du schwul?“, fragte er trocken.

Orpheus‘ Blick bekam etwas feixendes. „Angst, ich könnte dir an die Wäsche wollen?“, konterte er sofort schmunzelnd und Ares spürte, wie die Hitze in seinen Kopf zurückkehrte. Er musste einen ziemlich lächerlichen Anblick geben, da der Ältere erneut lachend den Kopf schüttelte „Ich kann dich beruhigen, für kein Geld der Welt würde ich sowas tun wollen.“ Sein helles Lachen verebbte im nächsten Moment und mit einem Mal wurde er wieder ernster. „Nein, hör mir einfach kurz zu.“, bat er. Ares hätte ihm am liebsten den Kopf abgeschlagen; stattdessen verschränkte er die Arme vor der Brust und sah Orpheus, immer noch leicht rot im Gesicht, abwartend an. Dieser wirkte nun etwas entspannter und holte tief Luft, ehe er wieder ansetzte.

„Das mit uns als Team ist beschlossene Sache und daran können wir auch nichts mehr ändern. Es ist kein Geheimnis, dass wir nicht viel voneinander halten, aber es ist Zeus und Hades scheißegal, ob wir uns nun verstehen oder gegenseitig die Pest an den Hals wünschen - solange wir da draußen nur unsere Arbeit zufriedenstellend erledigen. Und glaub mir, das wird wesentlich angenehmer und besser gehen, wenn wir uns zumindest etwas leiden können.“

Verwundert schüttelte Ares den Kopf und lachte trocken auf. „Würdest du auch vom Hochhaus springen, wenn Zeus dir das befehlt?“, fragte er nüchtern und ungläubig nach. So einen bedingungslosen Gehorsam hatte er dem Typen nun wirklich nicht zugetraut. Er würde sich nie so herumkommandieren lassen! Doch Orpheus lächelte nur.

„Ich vergaß, dass du noch nicht so lange bei Olymp bist… du wirst noch einiges lernen müssen.“ Dann streckte er Ares auf einmal seine Hand entgegen. „Und? Wirst du dem ‚Duchess‘ und mir `ne Chance geben?“

Für Sekunden starrte Ares auf die dargebotene Hand hinab, dann suchte er Orpheus‘ Blick. Er entdeckte weder den üblichen frechen Hochmut in dem tiefen Grasgrün, noch eine Spur von Feindseligkeit; er schien es tatsächlich ernst zu meinen. Orpheus war bereit, alles, was in der Vergangenheit zwischen ihnen vorgefallen war, ruhen zu lassen und von neuem zu beginnen - und das nur, weil Zeus es ihm befohlen hatte? Ares konnte mit jedem verstreichenden Augenblick weniger glauben, dass er diesem rückgratlosen Schoßhund so sehr nachgeeifert hatte, so ungern er sich das auch eingestehen wollte. In diesem Moment wurde er sich wieder dem Gewicht des Schwertes in seiner Hand bewusst. Herk hatte ihm sein Schwert geschenkt, weil er ihn beeindruckt hatte - weil er Orpheus schlagen wollte und deshalb wie ein Besessener trainiert hatte…

Du wirst noch einiges lernen müssen, hallten Orpheus‘ Worte durch seinen Verstand. Von dir…, ergänzte Ares in Gedanken - und unweigerlich musste er grinsen. Er würde lernen, ja, und das Gelernte würde er gegen Orpheus verwenden, um mit ihm den Boden zu wischen!

Ares schlug ein und ein böses Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ich schwöre dir, irgendwann werde ich dir dieses Sunnyboy-Lächeln noch aus dem Gesicht schlagen…“

Auch Orpheus begann wieder zu grinsen. Das Grün seiner Iris flackerte frech auf.

„Wenn du das Echo aushalten kannst…“
 

„Sag mal“, nahm Ares nach einer Weile des Schweigens das Gespräch wieder auf. „Ist dieses ‚Red Duchess‘ `ne Kneipe oder sowas?“

Sie waren auf dem Weg zurück zur Trainingshalle, um ihre restlichen Sachen zu holen, die sie liegen gelassen haben, als sie von Herakles zu Zeus zitiert worden waren. Innerlich machte sich Ares auf einen längeren Aufenthalt dort gefasst; sie werden sich erklären müssen, warum Zeus sie in ganzen Stücken gelassen hatte und warum Jason so unerwartet in Orpheus‘ Fußstapfen treten würde. Bei dem Gedanken an die anderen Mitglieder von Olymp konnte Ares sich ein genervtes Schnauben nicht verkneifen; die Sensationsgier und Neugierde seiner Kollegen übertrafen sogar die von Vorstadthausfrauen mittleren Alters, die Sonntagnachmittag Kaffekränzchen auf ihrer Veranda abhielten.

„Auch“, holte Orpheus ihn grinsend aus seinen frustrierenden Gedanken. „Primär geht man da allerdings wegen den Damen hin.“

Ares brauchte einen Moment, ehe er die Anspielung verstand und seine Augenbraue fassungslos in die Höhe schoss.

„Du willst dich allen Ernstes in einer Stripbar mit mir versöhnen?“

Ihm war klar, in was für einer Umgebung sich Olymp befand und dass es solche Etablissements hier wie Sand am Meer gab, aber er fand so einen Ort nun wirklich nicht passend für ihre… Zwecke. Ares hatte vorgehabt, in so kurzer Zeit wie möglich so viele Biere wie möglich herunter zu kriegen, um die Angelegenheit schnell hinter sich zu bringen und danach einfach wie ein Stein ins Bett zu fallen und seinen Rausch auszuschlafen, in der Hoffnung, dass der Alkohol die eine oder andere Erinnerung an diesen Tag aus seinem Gedächtnis strich. Aber so…? Bei dem Gedanken, dass er gleich in eine Stripbar geschleppt werden würde, wurde ihm anders - ungewöhnlich anders…

Als hätte Orpheus seine Gedanken gelesen, legte er Ares grinsend einen Arm um die Schulter.

„Sieh es als einen Gefallen. Du kannst mir nichts vormachen, Ares; du bist seit einem dreiviertel Jahr bei uns und Herks Zwangszölibat ist noch an niemandem spurlos vorbeigegangen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
... und "Game of Thrones" ist an mir nicht spurlos vorbeigegangen "o_ò (unbedingte Leseempfehlung!)

und damit melde ich mich endlich wieder zurück!
vielen lieben dank an die, die hier an dieser stelle auch nach einer so langen durststrecke weitergelesen haben ^^
leider kann ich auch weiterhin nicht mit schnellen uploads dienen, aber 2 monate funkstille werdens hoffentlich nicht nochmal.

so, und nu was für die ganz aufmerksamen: wer mir sagen kann, wie ich die "springer" urspünglich nennen wollte, bekommt nen keks ;)

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Thuja
2013-05-04T07:58:26+00:00 04.05.2013 09:58
Lass dich drücken!!
Warum?
Ganz einfach.
Weil dieses Kapitel mal wieder ein Goldstück war!!!
Ich liebe deinen Stil, bei dem man das Gefühl hat, ein Bestseller-Autor hat dieses Werk geschrieben
Und ich liebe deine Charaktere.
Jeder hat seinen Reiz. Jeder ist eigen und besonders
Und ich liebe jeden Satz
Formulierungen wie “ Die leeren Gänge spielten mit Herks Stimme Tennis und ließen sie mehrfach von den weißen Wänden abprallen“ sind einfach so der Wahnsinn

Herk hat am Anfang dieses Kapitel mal so richtig seine Autorität gezeigt. Das war cool. ^^
Einerseits ist er so eine starke Persönlichkeit, anderseits hat er auch diese warme Seite. Was für eine Ehre, dass Ares sein Schwert bekommen hat. Herk hält wirklich viel von dem Jungen (nicht soviel wie ich, das ist aber klar ^___^)

Orpheus und Ares zusammen in ein Team. Das war wirkliche eine Überraschrung, mit der ich nie gerechnet hätte.



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