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Die Geflügelte Schlange - Schatten

* * make love, not war * * - Teil 2
von

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5. Ernüchterung

Hamarem erwachte von dem Morgenruf, der direkt vor dem Mawatizelt durch das Heerlager ging. Erst als er sich fragte, warum denn nun gerade von diesem Punkt der Morgenruf zu beginnen hatte, erinnerte er sich daran, daß Amemna seit dem vorvergangenen Abend Birh-Melack der Söldner war. Und für Hamarem begann sein zweiter Tag als Zweiter der Mawati, auch wenn es keine Wannim zu befehligen gab sondern nur einen einzelnen Mann. Hamarem hatte sich mit Oremar darauf geeinigt, daß dieser sich um die Tiere und das Essen kümmerte, und die Verhandlungen mit den Zivilisten in Hamarems Händen lagen. Nicht das für den heutigen Tag noch so viele dieser Verhandlungen zu erwarten waren, denn die meisten Zivilisten hatten sich bereits am Vortag entschieden, ob sie zurückkommen oder mit ihren Besitztümern gehen wollten. Nun würde der bürokratische Teil deutlich überwiegen.
 

"Guten Morgen, Hamarem", begrüßte Oremar ihn mit einem frechen Grinsen, nachdem Hamarem sich endlich erhoben hatte. "Deine Amapriesterin hat dir einen Knutschfleck zur Erinnerung an eure wilde Nacht dagelassen."
 

"Sie ist die Schülerin der Amapriesterin", stellte Hamarem richtig. Seine Unterlippe fühlte sich tatsächlich noch etwas wund an, aber daß es sogar im frühmorgendlichen Dämmerlicht des Zeltes so deutlich zu sehen war, ließ noch einige Peinlichkeiten im Laufe des Tages erwarten. Plötzlich bemerkte Hamarem am Eingang einen kleiner Schatten. Hamarem sprang auf, um den Besucher willkommen zu heißen. Es war Nefut das Kind. "Guten Morgen, Nefut", begrüßte Hamarem ihn. Die Kräfte um Nefut waren in ungewöhnlicher Unordnung. "Hast du Kummer?" fragte Hamarem deshalb.
 

Aber der Junge schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe keinen Kummer. Darf ich heute eure Morgenübungen mitmachen? Oremar hatte es mir gestern versprochen."
 

"Weiß deine Mutter denn, daß du so früh zu uns gekommen bist?" Vielleicht war der Junge so aufgeregt, weil er seiner Mutter ausgerissen war.
 

Nefut lächelte. "Ja, natürlich weiß sie Bescheid. Sie wollte heute dem Birh-Melack für meine Rettung danken und holt mich auf dem Weg nach Tetraos hier ab." Also war es wohl nur die Aufregung, seinem Retter nun endlich selbst danken zu können, die für solchen Aufruhr in dem Kind sorgte.
 

Wie versprochen bekam der Junge einen der Übungsstäbe in die Hand und Hamarem und Oremar machten gemeinsam mit ihm die Morgenübungen, sehr zum Erstaunen des anderen Nefut, der aus der Stadt dazu kam, als sie gerade begonnen hatten. Auch der Mawati Nefut schloß sich den Morgenübungen an, aber entgegen seiner früheren Gewohnheit überließ er Hamarem die Führung, wie um zu verdeutlichen, daß Hamarem mit seinem Einverständnis der Ranghöhere war. Nach dem Waschen fragte der ehemalige Zweite der Wannim den Jungen mit einem seltsamen Grinsen: "Du gehörst jetzt also zur Wannim?"
 

Der Junge erwiderte das Grinsen mit einem nervösen Lächeln, senkte dann aber scheu den Kopf. "Eigentlich bin ich nur zu Besuch. Meine Mutter ist gestern wieder ins Lager gekommen und wird mich bald abholen."
 

"Deine Mutter ist die Amapriesterin?" vergewisserte Nefut sich.
 

Der Junge nickte. "Und ich glaube, sie will mich zu Verwandten in Tetraos bringen, damit ich nicht noch einen Kriegszug mitmache", erklärte er dann.
 

"Das ist sehr vernünftig von deiner Mutter", antwortete Nefut darauf erstaunlich ernst. "Ein Heerlager ist nicht der richtige Ort um aufzuwachsen." Nefut wurden von den Kräften wie von Schlangen umwunden, als er das sagte. Es schienen wenig erfreuliche Erinnerungen zu sein, die ihn heimsuchten. Bis jetzt hatte Hamarem immer geglaubt, Nefuts Kindheit sei, abgesehen vom Tod seiner Mutter, recht glücklich gewesen. Über seine Zeit in den Heerlagern, in denen sein Vater als Söldner beschäftigt gewesen war, hatte Nefut allerdings nur sehr summarisch gesprochen.
 

In dem Moment rief die Amapriesterin vor dem Zelt "Nefut mein Augenstern, wo bist du?" und beide Nefuts drehten sich zum Zelteingang.
 

"Du wirst also auch einmal zu den hundert Männern gehören, die sich umdrehen, wenn auf dem Markt nach einem 'Nefut' gerufen wird", lachte Nefut der Mawati, als er zu dem Schluß gekommen war, daß es wohl die Mutter des Jungen gewesen sein mußte, die gerufen hatte. Aber seine zur Schau getragene Fröhlichkeit stand in auffälligem Gegensatz zu dem Aufruhr der Kräfte um ihn.
 

Der Junge sah hoch zu dem anderen Nefut, der ihm um einiges überragte, und auch um ihn brodelten vor lauter Aufregung wieder die Kräfte. "Dann seid ihr wohl der große Krieger, von dem Hamarem sprach, als wir miteinander spielten."
 

Nefut zog eine Augenbraue hoch, maß Hamarem mit einem skeptischen Blick. "Der große Krieger, so hat er mich genannt? Nun, der Zweite der Wannim muß es ja wissen."
 

Aber der Junge hörte Nefut gar nicht mehr zu. Er lief zu Hamarem, schlang die Arme um seine Mitte und als Hamarem sich zu ihm hinunterbeugte, hauchte er Hamarem einen Kuß auf die Wange. "Ich danke dir für alles, Hamarem." Dann lief er schnell hinaus, vielleicht um seine Abschiedstränen zu verbergen, und zog seine Mutter fort von den Zelten, bevor sie noch ein Grußwort an einen der Mawati hatte richten können.
 

"Ein aufgewecktes Kerlchen", bemerkte Nefut. "Er hat dir den Dolch gestohlen. Den siehst du so bald nicht wieder."
 

Hamarem faßte an seinen Gürtel. Tatsächlich, sein Dolch mit dem Griff aus Knochen war fort. Aber bei Nefut dem Kind würde er gut aufgehoben sein, und Hamarem gefiel der Gedanke, daß der Junge immer, wenn er den Dolch sah oder benutzte, an ihn denken würde. "Wenn er ihn nicht selbst genommen hätte, hätte ich ihm den Dolch zum Abschied geschenkt", behauptete Hamarem.
 

"Hast du dich von allen bisher so übers Ohr hauen lassen als Zweiter der Wannim?" fragte Nefut nach, setzte sich an das Herdfeuer und bediente sich an dem von Oremar zubereiteten Frühstück.
 

Erst jetzt beim Essen fiel Hamarem plötzlich auf, daß Nefuts Unterlippe verletzt war. Das sah nicht nach einem Kutschfleck aus. Was mochte ihm in Tetraos geschehen sein? "Mußtest du unseren Birh-Melack schon gegen Angriffe verteidigen?" fragte Hamarem alarmiert.
 

Nefut sah ihn verdutzt an, aber dann faßte er an seinen linken Mundwinkel, grinste wieder. "Nein, das hatte nichts mit unserem Birh-Melack zu tun. Das war Derhan."
 

"Und du hast Derhan totgeschlagen?" mutmaßte Oremar daraufhin.
 

Nefut explodierte fast vor Lachen, aber es klang erschreckend schrill. Als er sich wieder etwas beruhigt hatte, schüttelte er den Kopf. "Nein, Derhan geht es gut, und unserem Birh-Melack geht es gut. Und dem gesamten Hof von Tetraos mit König und Regentin geht es gut. Ich wollte nur mal nachsehen, wie Hamarem als Zweiter der Wannim zurecht kommt. Und vielleicht ein paar Worte mit ihm wechseln." Das 'allein' mußte er nicht aussprechen, der intensive Blick, mit dem er seinen ehemaligen Untergebenen musterte, war anscheinend auch für Oremar überdeutlich. "Ich muß mich noch um die Tiere kümmern", fiel ihm prompt ein, stand auf und verließ das Zelt.
 

Nefut sah Hamarem aber nur eine ganze Weile schweigend an, bis Hamarem schließlich fragte: "Darf ich dir einen Tee anbieten?"
 

Nun huschte das erste echte Lächeln über Nefuts Lippen. "Du darfst mir einen Tee anbieten", antwortete er ebenso förmlich. Und er wartete wieder schweigend, bis Hamarem den Tee zubereitet und endlich zwei Schalen gefüllt hatte. Sie tranken ein paar Schluck. Nefut schien darauf zu warten, daß Hamarem als der Höherrangige das Gespräch begann.
 

"Nefut, was ist nicht in Ordnung im Palast?" fragte Hamarem schließlich, als beide ihre Schalen schon fast geleert hatten.
 

"Es ist alles in Ordnung im Palast", log Nefut. Die aufgewühlten Kräfte um ihn waren praktisch greifbar. "Und du kommst zurecht als Zweiter der Wannim?"
 

Hamarem nickte. "Danke der Nachfrage. Ja, ich komme gut zurecht."
 

"Und was ist mit den Zivilisten, um die du dich kümmern sollst? Da klappt auch alles?" fragte Nefut wieder.
 

Hamarem nickte erneut. "Ja, die Zivilisten sind sehr umgänglich. Alles läuft wunderbar."
 

"Kann ich dir irgendwie helfen?" Wieso wirkte Nefut so schuldbewußt?
 

"Ich habe mir schon fähige Helfer rekrutiert, die für mich übersetzen und die vorgebrachten Besitzansprüche überprüfen."
 

Nefut schien erleichtert, das zu hören, aber trotzdem waren die Kräfte um ihn noch immer in Aufruhr. "Was für einen Streit hattest du mit Derhan?" fragte Hamarem also.
 

Nefut wich seinem prüfenden Blick aus, trank einen Schluck Tee, schien sich zu sammeln. "Es gibt keinen Streit mehr. Wir haben ihn beigelegt."
 

"Indem ihr euch verprügelt habt?"
 

Nefut ballte seine Fäuste, bis der Schorf auf seinen Knöcheln zum Zerreißen gespannt war, und löste sie anscheinend nur mit großer Anstrengung wieder. "Und von wem stammt das?" fragte Nefut statt einer Antwort gepresst, und zeigte auf Hamarems Lippe.
 

"Das ist immerhin ein Zeichen ihrer Zuneigung", entgegnete Hamarem darauf und straffte seine Haltung. "Weswegen bist du hier, Nefut?"
 

Nefut schwieg, doch sein Schuldbewußtsein war deutlich geringer geworden. Hatte er also nur feststellen wollen, ob Hamarem mit seinen Aufgaben als Zweiter der Wannim zurecht kam? Aber gerade, als Hamarem sich entschloß, die Sache auf sich beruhen zu lassen, antwortete Nefut langsam: "Du hast dich so verändert, seit wir vor Tetraos liegen. Eine Bemerkung Derhans läßt mich vermuten, daß dein Verschwinden vor zwei Tagen etwas mit meinem Verhalten zu tun hatte. Stimmt das?"
 

Der untertänige Diener hatte sich von seinem Herrn emanzipiert, das war geschehen. Und Nefut selbst hatte mit der Übertragung des Amtes des Zweiten der Wannim diese Entwicklung besiegelt. Aber das wußte Nefut doch. Was wollte er also von Hamarem hören? Nefut fühlte sich offensichtlich unbehaglich durch Hamarems Schweigen. Und Hamarem verlängerte die Pause noch bewußt, indem er langsam seine Teeschale leerte und Nefut durch das Heben der Kanne eine zweite Schale voll Tee anbot.
 

"Hamarem, was ist los mit dir?" brach es da endlich aus Nefut hervor. "Wir waren so vertraut, fast wie Brüder. Ich wußte, was ich von dir zu erwarten, wie ich selbst dein Schweigen zu verstehen hatte. Doch nun ist alles anders."
 

Hamarem nickte. "Ja, Nefut, es ist ALLES anders. Mein Verschwinden hatte nichts mit dir zu tun, es hatte etwas mit mir zu tun. Ich habe mich wirklich verändert. Aber du hast dich ebenso verändert. Was ist mit dir passiert? Wo ist der von fürstlichen Idealen bestimmte Anführer geblieben, dessen Gedanken allein um das Wohlergehen seiner Leute kreisten?" Dieser Nefut hätte das Amt eines Zweiten des Wanack nie abgegeben, außer um selbst Wanack zu werden. Und wenn Nefut die Vertrautheit von früher vermißte, wieso konnte er dann nicht einfach mit der Wahrheit herausrücken? Früher hatte Nefut keine Probleme damit gehabt, die Dinge beim Namen zu nennen. Wollte Nefut etwa von ihm hören, daß er über die Liebschaft zwischen ihm und Amemna Bescheid wußte? Wieso lag Nefut daran so viel? Intimitäten waren nie ein Gesprächsthema gewesen. War Nefut so unwohl bei seiner Verhältnis zu Amemna, daß er Rat suchte? "Was ist dir begegnet? Was bewegt dein Herz, seit wir hier sind?" fragte Hamarem also klar und deutlich nach.
 

Nefut seufzte, sah in seine Teeschale. "Ich hadere mit den Launen Amas. Anscheinend hast du die Freuden von Amas Wunder inzwischen kennengelernt. Du wirst verstehen, daß ein Mann darunter leidet, wenn Ama plötzlich andere Pläne mit ihm hat."
 

Da sprach Nefut wohl gerade von sich und Amemna. "Und die Launen der Göttin wären welche?" fragte Hamarem nach und kam sich vor, als müsse er Nefut jedes einzelne Wort aus der Nase ziehen.
 

Nefut rieb sich seine verschorften Knöchel. "Mir gegen Sitte und Verstand Liebe ins Herz zu senken", antwortete er zögernd.
 

Hamarem konnte nicht mehr mit ansehen, wie Nefut sich quälte. "Du meinst begehrliche Liebe zu unserem Birh-Melack", sagte er leise.
 

Nefut sah erstaunlich überrascht aus und plötzlich wallten die Kräfte um ihn wieder hoch. "Also weißt du Bescheid!" fuhr er auf, und das Geständis versetzte Hamarem trotz seiner Gefühle für Ramilla unerwartet einen Stich. "Du mußt mich doch hassen dafür."
 

Ahnte Nefut etwas von Hamarems Zuneigung zu Amemna? "Wieso müßte ich dich hassen?" fragte er vorsichtig nach.
 

"Dafür, daß ich den Wahren Weg verlassen habe, und dafür, daß ich dir das Amt des Zweiten aufgedrängt habe, weil ich mit meinen eigenen Gefühlen nicht ins Reine kam. Dafür..."
 

Hamarem hob die Hände, um Nefut Einhalt zu gebieten. "Dich hassen dafür, daß du dem Zauber eines Unirdischen erlegen bist?"
 

"Das ist es nicht allein, glaub mir, Hamarem", sagte Nefut mit einem Kopfschütteln. "Es ist viel mehr als bloßes Begehren."
 

"Aber du wagst nicht, dich dem Willen der Göttin ganz zu ergeben, richtig?" fragte Hamarem angesichts der Bewegung der Kräfte um Nefut. "Erwidert der Birh-Melack deine Gefühle nicht?"
 

"Doch, das tut s.er. Aber bisher wagte ich nicht, mich Amemna zu offenbaren und meine Gefühle vor der Wannim zu bekennen, weil ich fürchtete, dich zu verletzen", gab Nefut flüsternd zu.
 

Nefut mußte über Hamarems Gefühle Bescheid wissen. Wahrscheinlich hatte Derhan ihn aufgeklärt und dann dafür Prügel von Nefut bezogen, weil der nicht glauben wollte, daß sein schrifttreuer ehemaliger Diener sich ebenfalls nach dem unirdischen Jüngling verzehrte. "Wieso meinst du, mich mit diesem Liebesgeständnis zu verletzen?" fragte Hamarem und versuchte, seine Stimme sachlich und ruhig zu halten.
 

"Ich hatte immer das Gefühl, du blickst zu mir auf, gerade weil ich mich bemühte, stets, auch unter widrigen Umständen, dem Wahren Weg zu folgen. Nun wirst du mich sicher verachten, und das schmerzt mich sehr."
 

Ahnte er wirklich nichts? "Es ist Amas Wille", stellte Hamarem also fest. "Wie könnte ich dich dafür verachten?"
 

"Du hast dich wirklich sehr verändert, Hamarem", bemerkte Nefut dazu mit einer Mischung aus Verwunderung und Anerkennung.
 

"Hamarem, hier sind Männer, die dich dringend sprechen wollen", erklang in dem Moment Oremars Stimme von draußen.
 

"Entschuldige mich bitte", sagte Hamarem zu Nefut und erhob sich.
 

Aber auch Nefut stand auf. "Du hast zu tun und ich will dich nicht länger belästigen." Er kaute auf dem geschwollenen Teil seiner Lippe herum. "Vielleicht betest du gelegentlich für mich zu Ama. Genieße die Zeit mit der Frau, der du das Liebesmal verdankst", dann verließ er mit Hamarem das Zelt, verabschiedete sich von Oremar und ging davon.
 

*
 

Während der Mittagsruhe las Hamarem die noch nicht abgearbeiteten Rückforderungen von Zelten und ihrem Inhalt und notierte sich, was nachzuprüfen war und wo eine Rückerstattung ungeprüft erfolgen konnte. Er war gerade dabei, Oremar mit einigen Notizen für seine Helfer zum Lagerplatz des Trosses zu schicken, als eine große, schlanke Gestalt gebückt durch den Zelteingang trat - Amemna.
 

Hamarem sprang erfreut auf. "Seid gegrüßt, Birh-Melack. Es ist schön, euch zu sehen."
 

"Seid gegrüßt", ließ sich auch Oremar vernehmen. "Nefut hat uns heute auch schon besucht."
 

"Es sieht aus, als sei alles in Orrdnung bei euch", antwortete Amemna auf die Begrüßung, sah sich im Mawatizelt um. "Hamarrem", sagte er dann zu seinem Zweiten, "ich habe etwas, das dirr gehörrt." Er zog einen Dolch aus dem Gürtel, der einen auffällig hellen Griff hatte, einen Griff aus Knochenstücken.
 

"Wie...", begann Hamarem, doch Amemna schüttelte seinen Kopf und steckte den Dolch wieder weg. "Wirr haben einiges zu besprrechen, koch einen Tee und komm dann in mein Zelt."
 

Hamarem beglückwünschte sich dazu, noch in der Nacht die Spuren von Ramillas Besuch im Birh-Melack-Zelt beseitigt zu haben. Doch als Amemna sich umdrehte und das Mawati-Zelt wieder verließ, stellte er fest, daß die Kräfte um den Birh-Melack irgendwie seltsam waren. Hamarem wußte nicht, wie er ihr langsames Fließen deuten sollte. Außerdem trug er einen alten, an den Rändern schon zerschlissenen Mantel und sein Untergewand war in einer Art verknautscht, die Hamarem an die Querfalten in seinem eigenen Untergewand erinnerte, und die es durch die stürmische Vereinigung mit Ramilla in der Nacht zuvor erhalten hatte. Was war im Palast nur los? Kümmerten sich weder Nefut noch Derhan darum, wie ihr Herr aussah?
 

Hamarem schickte Oremar zum Troß und kam dann dem Befehl seines Birh-Melack nach. Vor dem Eingang des Birh-Melack-Zeltes verharrte Hamarem einen Moment, versuchte, jede Erinnerung an Ramilla und ihr nächtliches Treiben in diesem Zelt zu verdrängen, erst dann trat er ein. Von Ramillas Duft lag nichts mehr in der Luft, oder es wurde von Amemnas unirdischem Zauber überdeckt. So intensiv hatte Hamarem den Duft nicht einmal aus dem Kopftuch seines Herrn wahrgenommen. Anscheinend hatte Amemna in diesem Untergewand tatsächlich etwas ähnliches gemacht, wie Hamarem in der vergangenen Nacht, und der Geruch seiner unirdischen Lust hing noch in dem Stoff. Hamarem wurde schwindelig und er blieb nahe des Eingangs stehen, versuchte, frische Luft zu erhaschen.
 

"Komm näherr", forderte Amemna seinen Zweiten auf. Er war völlig ruhig, die Kräfte um ihn bewegten sich geradezu träge und nichts deutete auf eine momentane Erregung des jungen Mannes hin.
 

Hamarem spürte jedoch, wie die Erregung begann, sich in ihm selbst breitzumachen. Allein der Duft Amemnas reichte und davon war nun betäubend viel vorhanden. "Ich sollte genau hier stehenbleiben, Herr", widersprach Hamarem seinem Birh-Melack mit Entschiedenheit. Jetzt, da er um Nefuts und Amemnas tieferen Gefühle zueinander wußte und seit ihrem letzten Gespräch zudem klar war, daß sein Birh-Melack Hamarems Gefühle eben nicht erwiderte, konnte er nicht wieder eine gegenseitige Erhitzung riskieren. Außerdem hätte es ihm trotz seiner Zuneigung zu Ramilla nur wieder das Herz zerrissen.
 

"Dann reiche mirr wenigstens den Tee", antwortete Amemna gleichmütig, füllte dann zwei der edlen, dünnwandigen Schälchen, die eigentlich höherrangigem Besuch des Wanack oder Birh-Melack vorbehalten waren, und reichte eine davon an Hamarem, der sie mit lang gestrecktem Arm entgegennahm. Amemna nippte an dem Tee, musterte forschend Hamarems Gesicht, der eingedenk Nefuts und Oremars Bemerkungen zwei Finger der freien Hand schuldbewußt zu seiner Lippe führte. "Das sieht nicht nach einerr Schlägerrei aus", bemerkte Amemna.
 

Hamarem sah zu Boden.
 

"Sieh mich an, Hamarrem", verlangte der Birh-Melack.
 

Zögernd gehorchte Hamarem, sah seinem Birh-Melack in das wunderschöne Gesicht.
 

"Hast du den Jungen, derr mirr diesen Dolch brrachte, zu mirr geschickt?" fragte Amemna und sein Blick hatte etwas Lauerndes.
 

"Ich hatte eigentlich seine Mutter zu euch geschickt, weil sie euch für die Rettung des Knaben danken wollte." Hamarem hatte das Gefühl, noch etwas zu dem Dolch sagen zu müssen, den Amemna locker in seiner freien Hand hielt. Als Hamarem kaum die kindliche Stirnlocke abgeschnitten worden war, hatte er mit einem Stein seinen Namen in den Knochengriff geritzt und später, als er in das Lager der Banditen kam, das 'Temhaly' mit einer glühenden Klinge getilgt. "Der Junge hat mir den Dolch heute morgen gestohlen."
 

Amemna legte den Dolch auf ein Kissen neben sich. "Vielleicht hast du doch nicht alles so gut im Grriff, wenn du dirr deinen Dolch von einem kleinen Jungen stehlen läßt", vermutete Amemna mit einem sehr abweisenden Gesichtsausdruck. Aber nicht einmal das schwächte Hamarems unerwünschten Erregungszustand. "Was verrbindet dich mit dem Jungen?" wollte Amemna nun wissen und nippte wieder an seiner Teeschale.
 

Hamarem hätte seine Gefühle für Amemna bekennen müssen, um seinen Herrn um Rücksichtnahme zu bitten. Aber Amemnas Scham über ihre gemeinsame Erhitzung war ihm noch deutlich in Erinnerung. Wenn Hamarem auf die Gefahren hinwies, konnte das vielleicht die Rettung sein. "Wenn ich es euch erzähle, Birh-Melack, könnte es sein, daß..."
 

"Keine Ausflüchte, Hamarrem. Errzähl mirr alles," befahl Amemna aber nur barsch.
 

"Dann erlaubt wenigstens, daß ich euch dabei nicht ansehe, Herr", bat Hamarem. Er war sicher, daß dann seine Sehnsucht nach diesem junge Mann wieder mit Macht erwachen würde. Amemna würde seine Gefühle erkennen, und wie konnte Hamarem es dann noch wagen, Amemna oder Nefut je wieder in die Augen zu sehen?
 

"Du wirrst mich ansehen, Hamarrem. Derr Junge hat mirr den Dolch nicht in die Hand gegeben, err wollte mich damit töten."
 

Hamarem nahm plötzlich den Blutgeruch, der Amemna noch quälte, wahr. Das ernüchterte ihn schlagartig. Deswegen war der junge Nefut so aufgeregt gewesen. "Aber warum sollte er euch töten wollen?" fragte Hamarem erschrocken nach.
 

"Laß mich errst hörren, was euch aneinanderr bindet. Dann erfährrst du, was err mirr sagte."
 

Hamarem setzte sich jetzt doch, allerdings neben den Eingang, nicht zu seinem Herrn. "Ich mag den Jungen, er ist fast wie ein Sohn oder kleiner Bruder. Ich habe ihn vor vier Tagen kennengelernt und mit ihm das Bohnenspiel gespielt, ebenso wie am Tag darauf. Mir erschien er freundlich und recht aufgeweckt für sein Alter. Und diesen Eindruck hat er auch gestern wieder bestätigt, als angenehmer und interessierter Begleiter meiner Pflichten, wenn er nicht gerade mit Oremar Schwertübungen gemacht hat. Vor zwei Tagen habe ich von der Amapriesterin selbst erfahren, daß er wirklich ihr Sohn ist, auch wenn ich es schon vorher vermutet hatte." Selbst mit diesen dürren Worten wurden die Geschehnisse der letzten Tage in Hamarems Vorstellung wieder lebendig.
 

"Du lagst also in den Arrmen derr Amaprriesterrin, als du verrschwunden warrst? Ich hatte mirr Sorrgen um dich gemacht." So vorwurfsvoll klang Amemnas Stimme, als habe er gerade erst festgestellt, daß die ausgestandenen Ängste völlig unbegründet gewesen waren.
 

Jetzt hatte Hamarem also die Gewißheit, daß Amemna nicht nur seine Gefühle, sondern auch seine Gedanken wahrnahm. "Ja, ich war zwei Mal im Zelt der Ama, einmal vor drei Tagen und einmal vor zwei Tagen. Dabei habe ich unter anderem die Amapriesterin und ihre Schülerin kennengelernt und mit ihnen das Lager geteilt. Und ich erfuhr, daß der Sohn des Feldherrn gerade im Zelt der Amapriesterin gesucht werden sollte, da ihr Sohn sein Gesellschafter war. Als die Männer dort einen prinzlich gekleideten Knaben im richtigen Alter fanden, sollte der als Sohn des Feldherrn dem Ungenannten geopfert werden. Ich versprach der Amapriesterin, ihren Sohn zu retten, und ihr selbst habt schließlich seine Opferung verhindert." Hamarem hatte versucht, alles möglichst knapp darzustellen, aber er konnte nicht verhindert, daß immer lebhaftere Erinnerungen an die Begegnungen mit der Amapriesterin, Ramilla und Karit in ihm aufstiegen. Erfolglos versuchte Hamarem, die wieder stärker werdende Erregung einzudämmen. Schließlich stellte er die kostbare Teeschale auf den Boden und faltete die Hände schamhaft über seiner auffälligen Erektion. Allein die Erinnerung an Ramillas Wildheit in der vergangenen Nacht jagte Hamarem eine Gänsehaut über den Rücken bis zu seinem Gesäß, und er glaubte, wieder Ramillas Hände zu spüren.
 

Amemnas Wangen wurden rot, als er Hamarems Empfindungen und Erinnerungen teilte. Er stellte seine Teeschale vorsichtig auf dem niedrigen Tisch neben sich ab, die andere Hand hatte er fest in sein ohnehin verknautschtes Untergewand verkrallt. Hamarem gelang es nicht, gegen den Befehl seines Herrn den Blick zu senken, wider Willen sah er zu, wie Amemnas Nasenflügel bei seinen tiefen, stoßweisen Atemzügen zitterten und die Anspannung seiner Gesichtsmuskeln zeigte, daß er die Zähne aufeinander presste. Aber Hamarem konnte an nichts anderes denken als an Ramilla mit ihrer entblößten Scham, wie sie vor ihm saß, an der Stelle, an der nun sein Birh-Melack saß, die Beine und Amas Wunder weit für ihn geöffnet. Er versuchte, diesen Anblick zu verdrängen, aber das erweckte nur das Traumbild des nackten, erregten Amemna in ihm. Das durfte nicht sein! "Bitte laßt mich gehen, Birh-Melack", bat Hamarem flüsternd. Auch sein Atem ging nun keuchend und sein Herz pochte so ungeheuerlich, als habe er gleich den Höhepunkt erreicht.
 

"Nein", stieß Amemna atemlos hervor.
 

Und Hamarem fühlte die begehrliche Umschlingung von fülligen, weichen Armen und Beinen, ein ebenso weiches Gesäß in seinen Händen, ein unbekannter, behaarter weiblicher Schoß, der ihn umfing. Das kam von Amemna. War das der Körper von Amemnas Frau, den er spürte? Und Hamarem merkte, wie die Kräfte an ihm zogen, ihn wegreißen wollten, aber Amemnas graue Augen starrten ihn an, erlaubten Hamarem nicht, zu gehen, bis sein Körper der Anspannung schlicht erlag und er sich ergoß - ebenso wie sein Birh-Melack.
 

Hamarem stellte fest, daß er seine Hände in seine Oberschenkel gekrallt hatte, seine Erektion war noch deutlich zu sehen, ebenso wie die seines Herrn. "Was warr das?" fragte Amemna, noch immer außer Atem. "Warrum passierrt das, wenn du in meinerr Nähe bist? Vorrgesterrn hielt ich es noch fürr einen Zufall, ich dachte, es ginge von mirr aus. Aber gesterrn bei den Verrhandlungen und eben gerrade ging es mit Sicherrheit von dirr aus, Hamarrem."
 

"Ich hatte versucht, euch zu warnen, Herr. Warum habt ihr mich nicht einfach gehen lassen?" fragte Hamarem resignierend. Noch immer raste sein Herz und seine Hände zitterten so sehr, daß er nicht wagte, nach der kostbaren Teeschale zu greifen.
 

"Weil ich es verrstehen will. Du bist ein Oshey, du liebst Frrauen, Männerr sind dirr durrch die Schrriften verrboten, und trotzdem...", Amemna verstummte und schüttelte langsam den Kopf. "Erklärr es mirr, Hamarrem."
 

"Ihr seid ein Unirdischer", begann Hamarem.
 

"Ja, das sagtest du schon", fiel Amemna ihm ungeduldig ins Wort. "Aber was bedeutet das? Das hierr", und er sah hinunter auf seinen Schoß, in dem sein Glied das Untergewand noch immer deutlich anhob, "liegt nicht an meinem Heilungsverrmögen."
 

"Es ist eure Natur zu begehren und Begehren nach euch zu wecken. Und ihr teilt die Gefühle anderer", versuchte Hamarem zu erklären. Kannte Amemna denn nicht die Geschichten der Oshey über den Besuch der Unirdischen im Traum, über ihren verführerischen Duft?
 

"Und du hast soeben auch meine Gefühle geteilt, Hamarrem", erinnerte Amemna íhn.
 

"Weil auch ich unirdisches Blut in den Adern habe. Weit weniger als ihr, Herr, aber gerade genug dafür", gab Hamarem zurück, und er wußte, daß Amemna sich an ihr Gespräch bei den Pferdepferchen erinnerte, als Hamarem seinem Herrn offenbart hatte, daß er den Tod anderer in seiner Nähe spüren konnte. Als Amemna ihn so liebevoll getröstet hatte, und Hamarem genau den Zeitpunkt, zu dem er selbst Amemna sein Begehren, seine Zuneigung hätte gestehen können, durch seine Angst vor dem schwarzen Abgrund ungenutzt hatte verstreichen lassen.
 

"Und was ist das fürr ein Unfug mit dem Begehrren wecken?" fragte Amemna fast zornig nach.
 

"Es ist euer Duft, Herr", versuchte Hamarem zu erklären. "Der Duft der Unirdischen, der die Menschen alles andere vergessen macht, und unwiderstehliches Begehren in ihnen weckt, so daß sie sich den Unirdischen hingeben. In vielen Geschichten der Oshey wird davon berichtet. Und glaubt mir, ihr verfügt über diesen Duft."
 

"Mein Siehvaterr hat mirr einmal eine dieserr Keschichten errzählt. Es sind Märrchen", antwortete Amemna aufgebracht. "Niemand, derr in einem sterrblichen Körrper auf derr Errde wandelt, kann einen anderren in dieserr Weise beherrrschen. Ich habe die Fünfhunderrt Künste studierrt, ich weiß, was möglich ist und was nicht, wenn man nicht su Drrogen oder einem... einem Werrkseug krreifen will."
 

"Wie sterblich seid ihr denn, Herr?" fragte Hamarem, bevor sein Verstand ihn daran hindern konnte. Doch als Amemna vor Verblüffung nicht antwortete, und  auch um das aufsteigende Gefühl der Sehnsucht nach Amemnas Duft zu unterdrücken, setzte Hamarem nach: "Und wer sagt euch, daß der Duft der Unirdischen für Sterbliche keine Droge ist? Vielleicht wirkt er wie der Willkommenstrunk im Zelt der Ama. Egal wie groß die Furcht ist, die Begierde wird geweckt und das Opfer an die Göttin wird vollzogen." Hamarem wagte nun doch den Griff nach seiner Teeschale, trank bewußt langsam ein paar Schluck, um sich weiter zu beruhigen.
 

Amemna saß nur da, starrte Hamarem an und schwieg. Schließlich griff er ebenfalls nach seiner Teeschale, hielt sie aber nur in den Händen, als hätte er sie schon wieder vergessen. "Geht es dirr auch so, Hamarrem?" fragte er schließlich nach einer ganzen Weile, offensichtlich bewußt um eine deutliche Aussprache bemüht. "Weckst auch du Begierrden mit deinem Duft?"
 

Was hätte Hamarem darum gegeben, wenn Amemna damit gemeint hätte, daß er sich ebenso zu Hamarem hingezogen fühlte, wie es umgekehrt der Fall war. Doch das war leider ausgeschlossen, denn Amemna hatte Nefut erwählt. Also schüttelte Hamarem den Kopf. "Nein, über diesen Duft verfügen nur die wahrhaften Unirdischen und anscheinend ihre Kinder."
 

"Und hast du schon unterr einerr durrch meinen Duft geweckten Begierrde gelitten?" fragte Amemna dann weiter.
 

Er hatte darunter gelitten und sich danach verzehrt. Hamarem sah, wie Amemna die Kräfte um sich zog, als versuche er, sich darin einzuschließen. Der junge Mann hatte Angst vor diesen Fähigkeiten, die sich ihm gerade erst offenbarten, das konnte Hamarem deutlich spüren. Und Amemna fühlte sich schuldig. Wie sollte er auch aus diesem Teufelskreis ausbrechen? Er weckte die Begierde eines anderen ohne es zu wissen, spürte sie dann bei diesem anderen und konnte nichts anderes denken, als daß der andere sich ihm freiwillig hingab. "Hamarrem, ich habe dich etwas gefrragt", erinnerte der Birh-Melack seinen Zweiten ungeduldig.
 

"Ja", hauchte Hamarem und sah in seine Teeschale. Amemna wußte, daß er den unirdischen Zauber meinte.
 

"Eben gerrade auch?" fragte Amemna leise nach. Seine Stimme klang so schuldbewußt, daß es Hamarem weh tat.
 

"Eben gerade besonders", gab Hamarem zur Antwort. Er hatte vorher gewußt, daß der Geruch, der dem Untergewand seines Birh-Melack entströmte, viel zu stark war, um dem mehr als eine Flucht entgegen setzen zu können, aber sein Herr hatte ihn allein durch den Blick seiner Augen gebannt, Hamarem hatte das Zelt nicht verlassen können. Und wäre er nicht auf diese Art gebannt gewesen, hätte er vielleicht eher seiner wieder mit Macht erweckten Sehnsucht nach Amemna nachgegeben, als sie zu fliehen, hätte versucht, den jungen Mann zu küssen und handgreiflich zu werden. Und allein dieser Gedanke weckte in Hamarem das Gefühl, sowohl Nefut als auch Amemna verraten zu haben.
 

Amemna war zutiefst verstört, litt offensichtlich unter Hamarems Antwort, vielleicht auch unter Hamarems Gedanken, da es diesem nicht gelang, sein ungebrochenes Begehren nach seinem Birh-Melack gänzlich zu unterdrücken. Plötzlich stieß er etwas in der Südländersprache aus, das wie ein Fluch klang und riß unwillig an seinem zerknautschten Untergewand.
 

"Ich werde alles daran setzen, daß uns diese Art der gegenseitigen Erhitzung niemals mehr widerfährt", versprach Hamarem, ohne auch nur eine vage Vorstellung zu haben, wie er ein solches Versprechen halten sollte. Aber Hamarem konnte einfach nicht mehr mit ansehen, wie sein Birh-Melack litt. Die Kräfte um Amemna zeigten so deutlich seine Bestürzung, und es war nur zu verständlich, daß Amemna über Hamarems mangelnden Respekt ihm gegenüber und die fehlende Loyalität Nefut gegenüber enttäuscht war.
 

Amemna atmete tief durch. "Hamarrem, nimm deinen Dolch wiederr an dich", sagte er und reichte seinem Zweiten die Waffe mit dem Heft voran. "Geh wiederr an deine Arrbeit. Wanack Perrdinim war voll des Lobes für die Errgebnisse deinerr Verrhandlungen mit den Zivilisten, ebenso wie Adí W'schad. Offenbarr ist diese Angelegenheit bei dirr in guten Händen." Die Lederscheide war feucht in den Nähten. Hamarem würde sie trocknen lassen müssen. Und plötzlich sah er blutige Hände und Ärmel vor sich, die aus der Erinnerung seines Birh-Melack stammen mußten. Hamarem erinnerte sich an die so ferne Nachricht, daß der Knabe Nefut versucht hatte, Amemna zu ermorden. "Ist der Junge tot?" fragte er, obwohl er schon aufgestanden war, um zu gehen.
 

"Aber nein, ich habe ihn mit seinerr Mutterr wiederr hierrherr geschickt. Geh nicht zu strreng mit ihm um. Err dachte, err opferre dem Ungenannten einen Dämon. Und jetzt geh bitte."
 

Und Hamarem ging, spürte aber zugleich, wie die Erinnerung an den Blutgeruch in seinem Herrn aufstieg. Kaum hatte er das Zelt verlassen, wurde Hamarem von dem erinnerten Blutgeruch sterbenselend zumute, so daß er zum Abort lief und sich übergab. Waren das Amemnas Empfindungen die er teilte oder seine eigenen? Oder war es der Verrat an Nefut und Amemna, der diese Übelkeit verursachte? Nefut hatte sich so ernsthaft Gedanken darüber gemacht, daß er möglicherweise Hamarems Gefühle verletzte, wenn er sich dazu bekannte, Amemna zu lieben. Und Amemna hatte Hamarem schon am Vortag klar gemacht, wie peinlich ihm sein Erregungszustand in Hamarems Gegenwart gewesen war. Hamarem hätte über den Duft der Unirdischen schweigen sollen - oder das ganze zumindest diplomatischer formulieren müssen, denn Amemna zu sagen, daß er allein durch seine Natur das Begehren anderer erzwang, hatte diesem wohl auch noch den letzten Rest seiner jugendlichen Unbeschwertheit genommen, ihn vielleicht sogar Nefut entfremdet. Als hätte Amemna die Rettung des Kindes Nefut nicht schon genug gekostet, das nun zu allem Überfluß auch noch versucht hatte, seinen Retter zu töten. Aber sein unirdischer Birh-Melack mußte in Hamarems Gedanken immerhin erkannt haben, daß Nefut seinem neuen Zweiten glaubhaft versichert hatte, es wäre weit mehr als dieses erzwungene Begehren, daß ihn bewegte, Amemna zugeneigt zu sein. Ebenso wie er sicherlich auch Hamarems ganz konkretes und völlig unangebrachtes Begehren ihm gegenüber erkannt hatte. Hamarem war bewußt, daß Nefut die älteren und besseren Rechte hatte und mußte sich zudem eingestehen, daß er wohl vorrangig auf den Duft reagiert hatte, denn sonst wäre es ihm ja nicht so leicht gefallen, mit Karit, Ramilla und der Amapriesterin Intimitäten zu pflegen. Die Amapriesterin, sie war die Mutter von Nefut dem Kind, den er fast wie einen Sohn geliebt hatte. Und bei diesem Gedanken wurde Hamarem erneut unwohl.
 

Der Knabe hatte mit listiger Tücke versucht, Hamarems geliebten Herrn zu erschlagen. Und nun mußte Hamarem befürchten, ihm hier im Lager bald wieder gegenüber zu stehen. Er überlegte, ob er den Zweiten der Birh-Mellim nicht bitten sollte, dafür zu sorgen, daß der Junge in Tetraos blieb, andererseits wagte er nicht, Amemnas Urteil in Frage zu stellen. Schließlich säuberte Hamarem sich und nutzte dankbar die Ablenkung, die die Lektüre der noch ungeklärten Besitzrückgabeforderungen darstellte, bis Oremar ihm sagte, daß Amemna gerade das Lager verlassen habe. Hamarem entschuldigte sich für einen Besuch im Badezelt und entschloß sich danach, Ramilla im Zelt der Ama aufzusuchen. Sie hatte ihn schon einmal sein Begehren nach Amemna vergessen lassen. Ihre Gegenwart würde ihm auch nun wieder Trost schenken.
 

Tatsächlich war es auch Ramilla, die ihn im Zelt der Ama willkommen hieß. "Du bist unersättlich, Hamarem", tadelte sie ihn mit einem Lächeln und nahm die Silbermünze entgegen. "Ich werde gleich eine der Frauen zu dir schicken."
 

Hamarem blieb stehen. "Ich will mit dir der Göttin dienen", sagte er entschieden.
 

Auch Ramilla blieb nun stehen. "Ich diene der Göttin zur Zeit nicht, ich vertrete nur die Priesterin, da sie noch immer in Tetraos ist. Wenn du dich mit mir vergnügen willst, Hamarem, warte, bis meine Priesterin zurückgekehrt ist. Ich komme dann zu dir in dein Zelt."
 

"Warum ist die Priesterin noch in Tetraos? Hat es etwas mit ihrem Sohn zu tun?" fragte Hamarem alarmiert.
 

"Nefut ist wieder im Lager, in seinem Schlafzelt", entgegnete Ramilla völlig ruhig. "Aber meine Priesterin hat mir eine Nachricht geschickt, daß ein Amaheiligtum im Palast entsühnt werden müsse und um einige Utensilien gebeten. Spätestens heute abend ist sie wieder hier. Und dann komme ich zu dir so schnell mich meine Füße tragen." Sie hauchte Hamarem einen Kuß auf die Lippen und eilte dann wieder in das Zeltlabyrinth.
 

Die Silbermünze hatte sie behalten und eine andere Frage, die Hamarem auf der Zunge brannte, hatte er gar nicht mehr stellen können. Warum diente Ramilla der Göttin momentan nicht, war aber bereit zu ihm zu kommen, obwohl ihr doch klar sein mußte, was Hamarem mit ihr vorhatte? Hamarem hätte lieber sofort als erst am Abend mit Ramilla das Lager geteilt, doch er mußte warten, so schwer es ihm auch fiel. Aber immerhin fand er nach seiner Rückkehr Oremar nicht im Mawatizelt vor, so daß er ungestört die unerträgliche Begierde nach Ramilla und zugegebenermaßen auch nach Amemna vorläufig dadurch reduzieren konnte, daß er sich selbst befriedigte.
 

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