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Die Geflügelte Schlange - Schatten

* * make love, not war * * - Teil 2
von

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3. Nächtliche Unruhe

Amemna war zur Regentin gerufen worden, als sie gerade erst einen flüchtigen Kuß auf Nefuts Lippen gehaucht hatte. Nefut vermutete, daß die Regentin ein erotisches Interesse an dem scheinbaren jungen Mann hatte, obwohl oder gerade weil Amemna etwa im Alter ihres Sohnes war. Die Mutter des Königs habe eine ganze Sammlung von bartlosen und unbehaarten Lustsklaven, die sie regelmäßig in der Nacht zu sich befehlen würde, hatte Nefut in den Stallungen des Palastes aufgeschnappt. Nefut hatte Amemna geraten, sich vor der Frau nicht völlig zu entkleiden, denn wer wußte schon, wie die Regentin reagierte, wenn sie entdeckte, daß sie mit einer anderen Frau im Bett lag. Es war sicherer, wenn Amemna das Geheimnis um ihre Zweigeschlechtlichkeit bewahrte. Und Amemna hatte nur gelächelt und gesagt, sie müsse jetzt gehen, da sie der Regentin durch den Vertrag zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet sei. So lange war Amemna schon fort. Ob die Regentin ihren neuen Söldnerführer die ganze Nacht bei sich behalten wollte? Immerhin hatte die Eifersucht sich nicht wieder Nefuts bemächtigt, denn eine Frau war kein Rivale für ihn, er vermißte Amemna nur so sehr.
 

Nefut konnte nicht zur Ruhe kommen. Zuerst schob er es auf das ungewohnte Bett, in dem er schlafen sollte, dann auf das helle Mondlicht, das durch das Fenster in das ihm zugedachte Zimmer schien. Als er durch den Gesang einer Grille plötzlich aufschreckte, merkte er, daß ihn auch die unheimliche Stille störte. Obwohl er einen Teil seiner Kindheit in Häusern verbracht hatte, ebenso bei Ashans auswärtigen Aufträgen, hatte er fast nie in seinem Leben allein in einem Raum geschlafen. Ihm fehlten die Atemzüge, das Schnarchen anderer neben sich, die Geräusche eines nächtlichen Zeltlagers. Vielleicht sollte er sich einfach in das Zimmer nebenan zu Derhan schleichen, um dort zu schlafen. Er wachte ohnehin immer früher als alle anderen Mawati auf, also würde er Derhans Zimmer wieder verlassen haben, bevor dieser erwachte. So würde er sich auch keine Blöße geben.
 

Wie es Hamarem wohl gehen mochte? Sein ehemaliger Zweiter war im Lager jetzt ganz auf sich allein gestellt, denn Oremar würde wohl keine große Hilfe sein. Es war keine Kleinigkeit, mit den Zivilisten über den Abzug oder den weiteren Verbleib im Lager zu verhandeln, da Hamarem ja entscheiden mußte, wer für das Lager unentbehrlich war, wo also folglich Zugeständnisse oder Versprechungen zu machen waren. Nefut erinnerte sich noch gut an Hamarems Ankunft bei den Stammeslosen. Vielleicht zwei Jahre war das jetzt her. Nefut hatte ihn in seine Obhut genommen, weil ihm sofort klar war, daß es sich bei ihm um einen sehr weltfremden Mann handelte, der sich allenfalls in den Schriften, aber in sonst nicht vielen Dingen auskannte. Und eigentlich hatte er sich bis heute kaum geändert.
 

Und Nefut bemerkte, daß er Hamarem gegenüber tatsächlich Gewissensbisse wegen seines Rückzuges aus dem Amt des Zweiten der Wannim hatte. Was hatte er Hamarem nur damit angetan, als er ihn dazu überredet hatte, an seiner Stelle der Zweite der Wannim zu werden. Hamarem mochte an dieser Aufgabe zerbrechen. Er war nicht der Mann, der notfalls mit Gewalt seine oder die Befehle seines Herrn durchsetzte. Er war überhaupt nicht der Mann, der Befehle gab. Hamarem diente und folgte mit einer an Selbstverleugnung grenzenden Hingabe. Und obwohl Hamarem von Amemnas und Nefuts Liebschaft wohl wußte, obwohl ihn das in seinen religiösen Gefühlen zutiefst verletzen mußte, hatte er nach seiner Rückkehr von woher auch immer Nefut weiterhin fraglos gehorcht, und diente nun ebenso fraglos Amemna als Zweiter. Nur gut, daß Hamarem zur Zeit nur einem Mann befehlen mußte. Wie würde es wohl werden, wenn sie alle erst wieder im Lager und auf dem Kriegszug waren? Aber in dieser Nacht wollte Nefut sich nicht auch noch darüber Gedanken machen. Also raffte er sich endlich auf, nahm seine Decken und schlich in Derhans Raum.
 

Von dem Mann waren nur die tiefen Atemzüge zu hören, anscheinend hatte er keine Probleme mit dem Bett oder dem Alleinschlafen. Leise bettete Nefut sich auf dem Fußboden in der Nähe der Tür zu seinem eigenen Raum und außerhalb des hellen Mondlichts, das auch hier durch die Fensteröffnung schien. Dann schloß er die Augen und versuchte, endlich in den Schlaf zu finden.
 

"Gefällt es dir hier besser, als in deinem eigenen Zimmer?" fragte Derhan plötzlich spöttisch.
 

Nefut richtete sich vor Schreck auf. Es hätte nicht schlimmer kommen können.
 

Auch Derhan saß und sein freches Grinsen war unverkennbar. Nefut war versucht, es ihm aus dem Gesicht zu schlagen. Anscheinend waren ihm die Gedanken auf die Stirn geschrieben, denn Derhan grinste nur noch breiter. "Willst du mich verprügeln, Nefut? Schänder fremder Ehefrauen? Ja, da staunst du, aber ich habe genug von Peitschen blutig geschlagene Rücken gesehen, um selbst bei deinen Narben genau sagen zu können, wieviel Hiebe dich getroffen haben." Es waren fünfzig gewesen, dazu bestimmt, ihn zu töten, doch er hatte es überlebt. Dank eines Arztes, wie Derhan selbst es wohl einmal gewesen war.
 

"Willst du mir nicht sagen, ob die Ehefrau jung und hübsch oder alt und hässlich gewesen ist? Bist du vielleicht deswegen nicht mehr zu Frauen gegangen sondern suchst dir jetzt Jünglinge? Wie die Städter, die auf den Wortlaut der Schriften verweisen, wonach nur der Verkehr mit Männern verboten sei, nicht jedoch der mit Knaben?"
 

Das war zuviel für Nefut. Er sprang auf, halb über das Bett, um Derhan zu erreichen und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Und natürlich brannten seine verletzten Knöchel daraufhin wie Feuer. Aber Derhan schlug zurück, umklammerte Nefut mit erheblicher Kraft und zwang den größeren unter sich, setzte sich auf seinen Leib und preßte einen seiner Unterarme auf Nefuts Kehle. "Ich habe schon für so manchen Herrn die Drecksarbeit gemacht, Nefut. Ohne dein Schwert bist du mir nicht gewachsen."
 

Anscheinend hatte Derhan nur darauf gewartet, daß Nefut sein Amt als Zweiter niederlegte, um sich an ihm zu rächen. Nefut schmeckte Blut in seinem Mund. Derhan hatte ihm die Lippe an den Zähnen aufgeschlagen, ein oder zwei Schneidezähne schienen auch locker zu sein. Und Nefuts Arme wurden von Derhans Beinen fest an den Brustkorb gedrückt. Als Ringer war Derhan Nefut tatsächlich deutlich überlegen. Das versetzte Nefuts Stolz einen gehörigen Schlag. Er versuchte, Derhan zu treten, aber da preßte Derhan schon seine Füße gegen Nefuts Oberschenkel, so daß Nefuts Beine unbeweglich wurden. Und Derhan lachte über den vergeblichen Versuch Nefuts, sich aus der Umklammerung zu befreien. "Gib es auf, Nefut."
 

Nefut seufzte und gab auf. Er war besiegt. Er ließ seine Glieder erschlaffen, aber das sorgte nicht dafür, daß Derhan ihn gehen ließ.
 

"Warum bist du hergekommen?" fragte Derhan. "Wolltest du wissen, wie es ist, mit einem erwachsenen Mann... nein, du fühltest dich einfach nur allein, nicht wahr? Amemna wurde weggerufen, ich habe die Trippelschrittchen von einem dieser Zwerge gehört. Und du schläfst allein in dem Zimmer, ganz allein zwischen Mauern, nach dreißig Jahren oder etwas mehr, die du fast ausschließlich in Zelten geschlafen hast."
 

Nefut versuchte, den Kopf zur Seite zu drehen. Da Derhan ihm jedoch nicht genügend Bewegungsspielraum ließ, schloß er die Augen. Wieso konnte dieser Mann ihn so leicht durchschauen? Immerhin klang er nicht mitleidig.
 

Derhan ließ den Druck auf Nefuts Kehle etwas nach, strich sich mit der freien Hand den Bart. "Ich biete dir einen Handel an, Nefut. Ich sage dir, wen ich auf dem Gewissen habe, du sagst mir, wen du auf dem Gewissen hast und dann sprechen wir niemals wieder darüber."
 

Nefut sah Derhan wieder an. "Du meinst, weswegen wir verstoßen wurden?" fragte er heiser und räusperte sich.
 

"Gibt es bei dir so viel Auswahl?" wollte Derhan wissen.
 

Seit dem Aufstand gegen Ashan schon, mußte Nefut sich eingestehen. Nur gut, daß Hamarem die Schlacht gegen die Tetraosi überlebt hatte, denn dessen Tod hätte er sich wohl ebensowenig verzeihen können, wie den Tod Amemnas. "Und wie willst du sicher sein, daß ich tatsächlich niemals wieder davon spreche?" wollte Nefut herausfordernd wissen.
 

"Du wirst beim Ungenannten und allen Unirdischen schwören", entgegnete Derhan kalt.
 

"Und was bindet dich an deinen Eid? Soll ich dir glauben, daß du plötzlich ein frommer Mann geworden bist?"
 

"Ich werde ebenso beim Ungenannten und allen Unirdischen schwören, denn einem von ihnen verdanke ich mein Leben", antwortete Derhan mit einem Ernst, daß Nefut ihm Glauben schenkte. Sein eigenes, von Amemna gerettetes Leben, war Derhan anscheinend heilig, wenn auch nichts anderes. "Und dann können wir wie zivilisierte Menschen miteinander umgehen?" vergewisserte Nefut sich. "Wirst du deine Provokationen dann endlich einstellen?"
 

"Bist du gerade in einer Position, solche Forderungen an mich zu stellen?" fragte Derhan höhnisch nach.
 

Natürlich war er das nicht. Nefut lag hier in Derhans Klammergriff und fühlte sich, als ob drei Männer ihn festhielten. "Und wozu soll unser Handel dann gut sein?"
 

"Damit wir beide wissen, woran wir mit dem anderen sind. Farhan wußte über mich Bescheid, und ich über ihn. So kamen wir jahrelang gut aus. Allerdings hätte ich nicht gedacht, daß er etwas ausplaudern würde." Derhans Gesicht verfinsterte sich in Erinnerung an seinen in der Schlacht vor Tetraos erschlagenen Unterführer.
 

"Ich weiß schon, woran ich mit dir bin, Derhan", stieß Nefut hervor. "Du bist ein Mann, dem außer seinem eigenen Leben nichts heilig ist, ein Unruhestifter, der anderen nachspioniert und sich auch sonst ständig ungefragt in anderer Leute Angelegenheiten mischt."
 

"Und ich habe es mit einem arroganten, über Leichen gehenden geilen Bock zu tun, der aber den frommen Schein aufrecht erhält, koste es, was es wolle", gab Derhan nicht minder heftig zurück.
 

Sie starrten sich eine Weile wütend an, dann milderte Derhan den Druck auf Nefuts Körper etwas, und aus seinen Gesichtszügen verschwand ein Teil des Zorns. "Dann nenn' den Handel gegenseitige Erpressung, um die Ruhe in der Wannim zu halten."
 

"Und du läßt mich dann in Ruhe?" wollte Nefut noch einmal wissen.
 

"Wenn du mich in Ruhe läßt. Allerdings werden wir wohl nicht umhin kommen, gelegentlich Worte miteinander zu wechseln", gab Derhan mit einem schiefen Grinsen zurück.
 

"Das fürchte ich ebenfalls", pflichtete Nefut ihm bei.
 

Derhan richtete sich endlich auf, hatte das Gewicht ganz von Nefuts Körper genommen und kniete nun über ihm. "Also was ist? Bist du mit dem Handel einverstanden?"
 

Der Handel gefiel Nefut nicht. Vielleicht würde Derhan sogar seinen Eid halten, aber es widerstrebte Nefut zutiefst, seine damalige Tat in Worte zu fassen. "Können wir dann in einem Raum schlafen?" fragte er, um das Unvermeidliche noch ein paar Atemzüge länger hinauszuschieben.
 

"Ich hatte also recht." Derhan grinste triumphierend. "Ja, meinetwegen. Aber du wirst es mit unserem Birh-Melack nicht in meiner Gegenwart wie die Ostler treiben." Nefut ballte die Fäuste. Wenn er jetzt nur hart genug mit dem Knie zuschlug, könnte er Derhan vielleicht zum Schweigen bringen. Doch Derhan schien seinen Gedanken erraten zu haben und schwang sich behende vom Bett. "Versuch' nichts, mit dem du mich nicht sofort tötest, Nefut."
 

"Was wollen wir dem Ungenannten opfern?" fragte Nefut, um abzulenken.
 

"Ein paar Blutstropfen reichen für einen Eid, oder?" fragte Derhan zurück und zog seinen Dolch unter dem Kopfkissen hervor. Wenn er Nefut hätte umbringen wollen, wäre es also ein leichtes für ihn gewesen, mit seiner freien Hand nach dem Dolch zu greifen. Vielleicht sollte Nefut einfach versuchen, Derhans bösartige Bemerkungen zu seiner Liebschaft mit Amemna zu ignorieren, so schwer es auch fiel. In Amemnas Gegenwart würde Derhan sich sicher zusammenreißen. "Also gut. Wer fängt an?" fragte Nefut schließlich und setzte sich auf.
 

"Ich fange an", erklärte Derhan bereitwillig. Er setzte sich auf den Rand seines Bettes, nahm eine Schüssel mit Obst von dem kleinen Tisch neben dem Bett, leerte sie und stellte sie auf seinen Schoß. Dann schnitt er sich in den Unterarm, pumpte mit seiner Hand und ließ etwas von seinem Blut in die Tonschüssel laufen. "Im Namen des Ungenannten und seiner Kinder, denen ich dieses Blut opfere, werde ich nichts von dem weitergeben, was ich von Nefut heute Nacht erfahren werde. Und jetzt du." Er reichte den Dolch und die Schüssel an Nefut.
 

Nefut sah, daß die Knöchel der Hand, mit der er Derhan geschlagen hatte, wieder blutig waren, aber es war kaum angemessen das Blut einer alten Wunde für das Opfer zu verwenden. Also schnitt er sich ebenfalls in den Arm, ließ sein Blut zu dem Derhans laufen und sagte: "Im Namen des Ungenannten und seiner Kinder, denen ich dieses Blut opfere, werde ich nichts von dem weitergeben, was ich von Derhan heute Nacht erfahren werde."
 

Derhan nahm die Schüssel zurück, schubste mit der Dolchspitze ein paar glimmende Kohlestückchen aus der Feuerschale nahe der Tür dazu und stellte die stark rauchende Schüssel ins Fenster. Er reinigte den Dolch an seinem Untergewand und steckte ihn zurück in die Scheide. Sein Gesicht war ungewöhnlich ernst, als er dann sagte: "Ich habe den Mann vergiftet, der meinen Sohn geschändet hat."
 

"Bin ich diesem Mann so ähnlich, Derhan?" fragte Nefut, als ihm klar wurde, weswegen Derhan so empfindlich auf Amemnas und seine Liebschaft reagierte.
 

Derhan schüttelte den Kopf. "Nein, nicht sehr, und unser Birh-Melack ist kein Junge von neun Jahren."
 

Und nicht ich habe Amemna verführt, sondern sie hat mich verführt, genau wie jene andere Frau damals im Bad, dachte Nefut. "Ich habe die Frau eines Prinzen verführt", sagte er jedoch, denn dessen war er damals angeklagt worden.
 

"War sie schön?" fragte Derhan nach.
 

Nefut nickte. "Sie war sehr schön. Und nach der Auspeitschung war sie sehr tot." Und er hatte seinen Platz in der fürstlichen Familie damit verloren.
 

"Und warum hast du sie verführt?" wollte Derhan nun wissen.
 

Nefut sah zum Fenster, betrachtete den Qualm, der sich aus der Schale in das Mondlicht kringelte. Hatten ihn die Kräuter, die seine Stiefmutter im Bad verbrannt hatte, ebenso wie sie lüstern gemacht? Oder war es einfach der Anblick des Verbotenen gewesen, vielleicht auch die Faszination, das erste Mal eine noch dazu wunderschöne nackte Frau zu sehen? Bis zu diesem Moment hatte er sich niemals ernsthaft Gedanken dazu gemacht, warum er ihrer Verlockung erlegen war und nicht das Bad sofort wieder verlassen hatte, als er sah, wer dort war. "Und warum hast du den Mann vergiftet und nicht erschlagen?" fragte Nefut zurück.
 

"Damit er leidet", entgegnete Derhan finster. "Aber du hast meine Frage nicht beantwortet."
 

Nefut nickte. "Ich kann dir keine Antwort geben. Ich sah sie nackt und so passierte es. Es war die Sache eines Augenblicks."
 

"Es war stärker als du", schloß Derhan daraus.
 

Nefut nickte.
 

Und Derhan lächelte.
 

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