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Die Archivarin

von

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Am Zenith

Wer vor dem Erreichen des 15. Lebensjahrs, also bis zu seinem 14. Geburtstag, von keinem Jedi-Ritter zu seinem Padawan ernannt worden war, wurde ebenfalls Padawan, jedoch keiner auf dem Weg zum Ritterschlag. Solche Jünglinge wurden vom Orden anderwertig eingesetzt. Zum Beispiel in der Gartenpflege. In Botschaften, sogenannten Ordenshäusern, im Haushalt. Oder in der Entwicklungshilfe, in einer der zahlreichen Agrikultur-Corps, die der Orden überall im bekannten Raum unterhielt.
 

Anju hatte ihr Glück nicht fassen können, als sie erfahren hatte, dass sie nicht in einen dieser landwirtschaftlichen Betriebe abgeschoben wurde. Anju konnte mit Pflanzenpflege nichts anfangen. Mit Pflanzen schon, mit denen verstand sie sich gut. Besonders mit dicken, hohen Bäumen. Die musste man auch nicht pflegen. Hilfsbedürftige Pflanzen jedoch konnte Anju nicht ausstehen. In ihrem Kopf musste sich jeder um sich selber kümmern können.
 

Mit dem Tempelarchiv war Anju eigentlich am idealen Ort gelandet. Sicher, sie hatte Ritterin werden wollen. Welcher Jüngling wollte das nicht. Ein abenteuerliches Leben inmitten des Geschehens führen, kämpfen bis zum Letzten, fieberhaft Auswege aus scheinbar hoffnungslosen Situationen suchen. Sie hatte alles daran gelegt, trainiert, sich fortgebildet, war bei vielen Schülerturnieren angetreten. Beinahe wäre sie daran zerbrochen. Nach dem letzten Turnier vor ihrem 14. Geburtstag war sie auf der Brüstung des Nordostturms gestanden, hatte hinausgeblickt, auf die unruhige Großstadt vor ihr. Die Luft hatte nach Atmosphärengeneratoren und Elektrosmog gestunken. Um sie herum hatten Schweber hektisch ihren Weg durch den nächtlichen Verkehr gesucht, hatten sich angehupt und gepöbelt. Unten, in den engen, dunklen Straßenschluchten waren Lebewesen aller Herren Planeten unterwegs gewesen. Ein unstetes Gewusel ohne Ordnung. Anju konnte Corouscant nicht leiden. Sie war auf Yavin-gara aufgewachsen, dem vierten Mond von Yavin, ein Waldplanet. Selbst seine Pole waren mit Wald bedeckt. Wald war Anjus natürlicher Lebensraum. Sie vermisste den Wald. Wie alt er sich angefühlt hatte...
 

In jener Nacht hatte Anju springen wollen. Die Enttäuschung über ihr Versagen und eine tobende Abneigung gegen jede mögliche Zukunft hatte ihr Denken beherrscht. Sie hatte nichts anderes mehr empfinden können. Sie hatte wirklich springen wollen. Doch Kriss war dazwischengekommen. Die hatte am Nordwestturm gestanden und rübergebrüllt. "Hast du mitgekriegt, wer gewonnen hat?!" Anju hätte sie um ein Haar nicht gehört, der Stadtlärm war ohrenbetäubend gewesen. Doch das war Kriss' Stimme auch.
 

Kriss Nell'eri war um ein Jahr jünger als Anju. Sie war ein Zabrak, noch dazu einer von den besonders stolzen. Von Iridonia, dem Ursprungsplaneten der Gehörnten. Selbst bezeichnete sie sich als Iridonianerin, denn jene Zabraks galten - neben anderen Vorurteilen wie die stursten, dümmsten und schwierigsten Lebewesen der Galaxis - als die besten und zähesten Kämpfer ihrer Art. Das merkte man auch an Kriss' Gehabe. Sie war sich ihrer überlegenen Stärke und Technik bewusst. Wenn Kriss kämpfte, ging sie davon aus, dass sie gewinnen würde. Vermutlich hatte das Meisterin Bela Den-Irim am meisten imponiert. Jedenfalls hatte sie Kriss gleich nach ihrer ersten Begegnung und den Gerüchten nach ohne Zögern zu ihrem Padawan genommen. Kriss hatte das Ziel erreicht. Und nun war sie losgezogen, die Geschichte zu prägen.
 

Natürlich war Anju stolz auf sie. Auch wenn sie mit Freundschaft weit weniger gut auskam als - vermutlich - jeder andere Humanoide, fühlte sie für Kriss. Anju hatte sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Inzwischen war sie überzeugt davon, niemals zur Ritterin geeignet gewesen zu sein. Es hat nicht sollen sein, wie ihre Großmutter gesagt hätte. Und auch Kriss hatte gemeint, Hadern mit dem Schicksal vergiftet den Geist. Der Weise akzeptiert, was er nicht ändern kann. Jener Weise stammte aus einer uralten Zabrak-Tradition von personifizierten Idealen, an denen sich jedes tugendhafte Lebenwesen orientieren sollte. Kriss als traditionsbewusste Iridonianerin sprach permanent von ihnen.
 

Anju lag wach in ihrem Quartier und starrte an die Decke. Die manchmal näherzukommen schien, aber das war nur Phantasieprodukt ihrer immer häufiger werdenden Angstanfälle. Wann immer das passierte, atmete Anju ruhig weiter und dachte sich die kühle, feuchte, beruhigend schwere Luft ihres Waldes herbei. Sie dachte an Kriss und war sich sicher, Kriss wusste das. Die Verbindung zwischen ihnen war nach wie vor aufrecht. Kriss würde Anjus Bedauern spüren und ihr verzeihen. Die Schicksale der beiden Padawane konnten nicht unterschiedlicher sein, und trotzdem hatten sie einen Verknüpfungspunkt gefunden. Anju spürte, dass es Kriss derzeit gut ging. Vermutlich schlief sie bereits.
 

Warum nicht ein wenig spazieren gehen? Anju würde sowieso nicht wegdämmern, egal, wie lang sie noch liegen blieb. Genauso gut könnte sie mal wieder in Übungshalle 3 vorbeischauen. Übungshalle 3 war zugewuchert und von allen Anjus liebster Trainingsort. Dorthin hatte sich Anju bereits als Jüngling zurückgezogen, um dem Zwitschern fremder Vögel und dem Plätschern kleiner Bäche zu lauschen. Es war ein Ort des Friedens. Solang man keines der vielen Übungsprogramme aktivierte.
 

Anju setzte sich in ihre bevorzugte Astgabelung und betrachtete den Miniaturwasserfall, der durch das dichte Blätterwerk funkelte. Ein Gelbphilister, ein furchtbar fedriges Tierchen mit grausamen Stimmbändern, flatterte etwas zu dicht vorbei. Die Tiere hatten sich schon zu sehr an Anjus Anwesenheit gewöhnt, sie verloren den Respekt. Auf Yavin-gara hatten Menschen Tiere getötet. Anju war es gewohnt, dass Tiere auf Abstand blieben. Wie wilde Tiere eben. Die hier waren eher Haustiere.
 

„Wer beim Schweberrennen gewonnen hat!“, hatte Kriss ihr zugebrüllt. Anju hatte bloß mit den Schultern zucken können. Welches Rennen? Da war kein Rennen gewesen. Nur unerträglicher, sich stetig steigernder Lärm und Gewusel. Überall Gewusel. Ein Strudel aus Leben.
 

„Warte!“, brüllte Kriss: „Ich komm zu dir!“ Und nur eine Minute später stand sie neben Anju. Ein Zabrak. Großgewachsen, beinahe so groß wie Anju selbst, stämmiger, mit Muskeln, die sich deutlich auf ihren nackten Armen abzeichneten. Anju betrachtete sie unverschämt lange. Warum sie nicht viele Freunde hatte? Vermutlich deswegen, Anju hatte einfach keine Ahnung, was sich gehörte. Doch Kriss störte das Starren nicht. Wer weiß, bemerkte sie es überhaupt. Sie zeigte auf eine der Straßenschluchten, eine schmale, die vom Tempel wegführte, und fragte: „Da, hast dus nicht gesehen? Da sind zwei ein Rennen gefahren. Von dir aus hast du doch gesehen, wer gewonnen hat. Ja?“ Sie blickte Anju mit funkelnden Augen an. Anju lächelte freundlich. Sie ahnte, dass dieses Mädchen jünger als sie war. Und meinte: „Für mich ist das alles nur sinnloses Treiben. Ich hab kein Rennen gesehen.“ Kriss' Augen wurden groß. „Unmöglich!“ Um gleich darauf einzuschlafen. „...Naja, ist wohl auch nicht so wichtig. Du wolltest springen, nicht wahr?“
 

Die Frage überforderte Anju. Sie lachte nervös auf. „Was?“



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