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Kaltherzig

von

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the traitor

Ich wachte in einer Holzkiste auf. Zuerst nahm ihr nur schwach war, dass ich irgendwo eingesperrt war, dann kamen die Erinnerungen wie eine Flutwelle angeschwemmt und ließen mich den ganzen Albtraum noch einmal Revue passieren.

Sie hatten mich vergiftet. Sie hatten mich eingesperrt. Warum hatten sie mich nicht gleich getötet?

Man glaubte, dass ich sie verraten hatte, daher war es kein Wunder, dass sie derart reagierten, doch ich wusste aus erster Hand, dass ich absolut nichts damit zu tun hatte! Wer war es also, der die Intrigen meiner Schwester ausgeführt hatte?! Evelyn. Sie schien mir die naheliegendste Antwort zu sein.

Ich konnte weder sagen, wo genau ich gerade war, noch, wie viel Zeit vergangen war, seitdem die Jäger zurückgekehrt waren. Ich wusste nur, dass ich momentan kaum stärker als ein Menschenkind war, und, dass es hier unangenehm nach Asche stank.

Es gab drei Ritzen zwischen den Dielen in der Holzkiste – vermutlich ein Sarg – durch die ich hindurch sehen konnte, was mir allerdings nichts brachte, weil ich einen herrlichen Ausblick auf eine Steindecke hatte, die mir allerhöchstens verriet, dass ich mich noch immer in der Höhle befand.

Lauter werdende Gespräche ließen mich zusammen zucken, als ich hörte, wie zwei Männer in den Raum kamen.

„Es wird Zeit für ihre Dosis“, sagte der eine. „Willst du, oder soll ich?“

„Ich will, du warst letztes Mal schon dran.“

Meine Atmung wurde schneller, als ich hörte, wie sie näher kamen und zwei große Schatten das Innere des Sargs verdunkelten. Ich wollte nicht wieder vergiftet werden und vor allem diese Schmerzen nicht noch einmal durchstehen müssen, aber wie sollte ich mich wehren? Ich konnte keinen Finger rühren, geschweige denn ein Schwert halten.

Der Sargdeckel wurde mit einem Knacken angehoben und in mir brach Panik aus. Ich wollte hier raus!

„Scheiße, sie ist wach!“, rief der Werwolf plötzlich und riss die Augen auf, sobald er meine erschrockene Miene sah, die er perfekt wiederspiegelte.

„Schnell, nimm das Schwert!“, brüllte der andere und warf es ihm zu.

In mir braute sich ein Schrei auf, der von den Schmerzen in meinen Lungen erstickt wurde, als sich seine große Silhouette vor mir erhob, das Schwer hoch erhoben und bereit, es mir wieder ins Herz zu jagen.

In dem Moment hörte ich krachende Laute, abgewürgte Rufe und schon in der nächsten Sekunde wurde der Werwolf über mir weggerissen und verschwand aus meinem Blickfeld. Stattdessen beugte sich ein mir nur allzu bekanntes Gesicht mit blondem Haarschopf über die Holzkiste und wirkte unglaublich erleichtert.

„Mylady! Ihr seid bei Besinnung!“ Sie half meinem geschundenen Körper aus dem Sarg und stützte mich, als ich jeden einzelnen Muskel dazu zwingen musste, mir zu gehorchen, damit ich nicht zusammen brach. Mir war schlecht und meine Kehle war staubtrocken. Es war bereits viel zu lange her, seit ich das letzte Mal Blut zu mir genommen hatte. Ich war so gut wie am Ende meiner Kräfte.

Ich sah mich nach den beiden Werwölfen um, die mit gebrochenem Genick auf dem Boden lagen. Beinahe schon instinktiv stürzte ich mich auf die Beute, bevor das Blut in den toten Körpern aufhörte zu gerinnen. In meinem geschwächten Zustand brachte ich die lauwarme Flüssigkeit kaum durch meinen Hals, doch je mehr davon in mich hinein gelangte, desto kräftiger wurde ich. Meine Lebensgeister kehrten mit jedem Schluck zurück und bis ich den zweiten Körper leer getrunken hatte, war ich wieder vollends in der Lage meine Arme und Beine zu bewegen, auch wenn mir noch immer der Schädel dröhnte.

„Wie lange?“, krächzte ich und legte schwer Atmend den Kopf in den Nacken.

„Seit man Euch gefangen genommen hatte? Drei Tage. Verzeiht, dass es so lange gedauert hatte, bis wir Euch gefunden hatten, Mylady, aber ihr wurdet anfangs sehr gut bewacht und wir mussten uns bedeckt halten, um nicht entdeckt zu werden.“

Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Wen meinst du mit ‚wir‘?“

„Na wen wohl?“, hörte ich Evelyn antworten und entdeckte sie mit verschränkten Armen am Ausgang, direkt neben dem anteilslosen Wayne. Ihr rotes Haar war vor Schmutz ganz braun und in ihren kindlichen Augen lag nichts außer Spott und Hohn, als konnte sie einfach nicht fassen, wie einfach die Werwölfe mich gefangen nehmen konnten.

Du!“, knurrte ich und war bei ihr, bevor sie eine weitere Beleidigung loslassen konnte. „Du hast die Jäger verraten! Du warst es!“ Mit meinen Händen umschlang ich ihren dünnen Hals und drückte fest zu, in freudiger Erwartung das bestimmte Knacken ihres brechenden Genicks zu hören. Die kleine Teufelin zappelte unter meinem Griff und kratzte mit ihren Nägeln meine Arme entlang, bis ich von Wayne und Oleen zurückgezerrt wurde.

„Mylady! Hört auf, sie war es nicht!“, versuchte mich meine Dienerin zu beruhigen, doch ich sah nur noch rot. Ich wollte dieses Biest ein für alle Mal erledigen!

„Ist das die Art eine Person zu behandeln, die weiß, wer sich hinter dem Verrat versteckt?“, fragte Evelyn, als sie sich von mir losriss und hinter dem Kopfgeldjäger in Deckung ging.

„Lügen! Aus deinem Mund kommen nichts Lügen!“, schrie ich sie an und wollte mich wieder auf sie stürzten, doch Oleen hielt mich am Arm zurück. Die Hand, die Wayne auf den Griff seines Schwertes gelegt hatte, ließ er wieder ab.

„So sehr es Euch auch missfällt, Mylady, Evelyn spricht die Wahrheit! Sie wusste von Anfang an, wer hinter der Falle steckte und ja, es stimmt, dass sie es hat einfach geschehen lassen, doch sie selbst hatte ihre Finger nicht im Spiel! Ich schwöre bei der Ehre von König Constantin und Königin Delilah!“

Ich zuckte zusammen bei der Erwähnung meiner Eltern, wurde aber zahmer bei Oleens Worten. Sie verehrte meine Eltern, daher wäre sie nicht so einfältig, einen derartigen Schwur auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich konnte ihr glauben, was ich von dem Rest nicht gerade behaupten konnte.

„Also gut“, gab ich mich geschlagen. „Ich bin bereit, dein Leben zu verschonen, Evelyn, also sprich! Wem habe ich meinen Schuldspruch zu verdanken?!“

Das Mädchen sah aus, als würde sie doch glatt ablehnen, nur um mich zu provozieren, doch sie riss sich zusammen und trat hinter Wayne hervor. „Es ist Hazel.“

Für einige Sekunden war es still, dann brach ich in Gelächter aus. „Hazel! Hazel, sagt sie! Was für ein lächerlicher Gedanke! Diese Frau könnte niemals … sie könnte nie …“

Die Anwesenden nahmen es stillschweigend hin, als mir das Lachen langsam verging und ich mich an einen ganz bestimmten Satz zu erinnern glaubte, den mir Hazel bei unserer ersten Begegnung gesagt hatte.

„Das waren Eure Kinder?“, fragte ich perplex.

„Ja, ich hätte mir nicht verzeihen können wenn ihnen irgendetwas passiert wäre. Ich würde alles für meine Kinder tun, selbst wenn es bedeutet mich mit einem Vampir zu verbünden.“

Mir wurde schlecht. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand den Magen mit Steinen gefüllt. Hazel hatte zu diesem Zeitpunkt nicht mich gemeint – sondern Leonore.

„Es stimmt“, meldete sich nun auch Wayne. „Rosemary hatte dieselbe Befürchtung, war sich aber nicht sicher. Und nun …“ Er verstummte.

„Sie ist nicht mit den Jägern zurückgekehrt?“

Er schüttelte den Kopf. „Viele wurden von der Königin gefangen genommen. Sie könnte unter ihnen sein.“ Keiner von uns erwähnte, dass die andere – wahrscheinlichere – Möglichkeit, eine weitaus schlimmere war.

„Mylady?“, fragte Oleen nervös, als ich das Gesicht verzog und die Nase rümpfte. „Stimmt etwas nicht?“

„Was ist das für ein Gestank?“, fragte ich angewidert. Der beißende Geruch schmerzte mir in der Nase und verschlimmerte die Kopfschmerzen nur. Ich brauchte dringend frische Luft.

„Diese räudigen Köter verbrennen die Leichen und verpesten damit die ganze Höhle“, schnaubte Evelyn und verschränkte die Arme. „Statt die Körper einfach in irgendein Loch zu werfen, haben sie angefangen jede Leiche einzeln zu verbrennen.“

Ich nickte verstehend, obwohl es mir immer noch schwer fiel, einen anständigen Gedanken zu formen, der das Verhalten der Werwölfe rechtfertigte. Und Logan. Meine Brust schnürte sich mir zusammen, als ich an ihn und den zerschmetterten Blick, mit dem er mich bedachte hatte, dachte.

„Ich brauche das Schwert“, sagte ich schließlich und fuhr zu den drei Vampiren herum. „Holt es mir und dann trefft mich im Keller, falls ihr diese Höhle je wieder verlassen wollt!“

„Das ist purer Wahnsinn!“, zischte Evelyn. „Es ist Selbstmord, jetzt noch das Schwert holen zu wollen!“

„Wenn es dir nicht passt“, erwiderte ich kalt, „dann verschwinde und sieh selbst zu, wie du hier rauskommst.“

„Sollen sich die Köter doch an eure Fersen heften! Es wird mir ein Vergnügen sein, zu verschwinden, während sie eure Leiber zerfleischen!“ Und mit diesen gehässigen Worten floh sie. Es hatte mich ohnehin überrascht, dass sie uns so lange gefolgt war, wo ihr doch nichts lieber war, als mich leiden zu sehen.

Daraufhin wandte ich mich an die anderen beiden. „Sonst noch irgendwelche Einwände?“

Schweigen.

Ich nickte zufrieden und schickte sie los, um mir das Schwert zu holen, während ich einen ganz anderen Plan verfolgte. Jetzt würde mich niemand mehr um die Genugtuung bringen, Hazel eigenhändig auszulöschen.

Ich atmete tief aus und folgte schließlich dem Geruch von Asche.

Ich war zuversichtlich kaum jemandem über den Weg zu laufen, da ich die meisten Werwölfe bei der Verbrennung der Leichen vermutete. Und tatsächlich schaffte ich es unbehelligt durch die verschlungenen Gänge zu huschen, ehe ich an meinem Ziel angelangt war.

Vorsichtig näherte ich mich der Öffnung, die in den Saal führte, in dem ich zuvor mein kleines Sonnenbad hatte, und auch jetzt wieder von den grellen Strahlen erleuchtet wurde. Ich drückte mich gegen die kalte Steinwand und beobachtete die Höhlenbewohner, die sich alle um einen gewaltigen Scheiterhaufen gestellt hatten, auf dem die Leichen ihrer Kameraden nebeneinander lagen und nur noch verkrustete Formen waren, die schon bald mit dem schwarzem Rauch in die Luft stiegen und durch die Sonnenlöcher in die Freiheit gelangten.

Vielen standen Tränen in den Augen; man sah ihren abgezehrten und blassen Gesichtern an, dass sie mit ihren Kräften am Ende waren.

Ich ballte die Hand zur Faust, als ich Logan entdeckte. Er stand mit dem Profil zu mir, seine türkisen Augen, die das lodernde Feuer widerspiegelten, waren stur auf den Scheiterhaufen gerichtet. Ein Großteil seiner Verletzungen war verheilt; es waren kaum noch Spuren vom Kampf mit Leonore zu erkennen und ich atmete erleichtert auf, obwohl ich zur gleichen Zeit zornig war, weil er sich erholen konnte und ich die letzten drei Tage Scheintot in einem Sarg verbringen durfte.

Ich presste die Lippen fest zusammen, damit mir kein einziger, verräterischer Laut entweichen konnte, als ich plötzlich etwas aus meinen Augenwinkeln erhaschte. Genau die Person, die ich gesucht hatte.

Mein Herz klopfte mir wild in der Brust, als ich sie beobachtete, wie Hazel neben ihrem Gefährten stand und sich die Tränen von den Wangen wischte. Sie flüsterte ihm etwas zu, woraufhin er nickte und sie sich langsam von ihm löste. Mit einem letzten, klagenden Blick auf den Scheiterhaufen, wandte sie sich ab und verließ den Saal.

Das war meine Gelegenheit.

Wie ein Schatten tauchte ich wieder in den Gang ein, die Augen bis zur letzten Sekunde auf Logan gerichtet. Er blickte erst dann in meine Richtung, als ich schon längst fort war, um Vergeltung an der Person zu üben, die uns alle ins Unglück gestürzt hatte.



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