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Der Himmel muss warten

von

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Wie ein geprügelter Hund

XCVII) Wie ein geprügelter Hund
 

Ein leises Hämmern riss ihn aus dem Tiefschlaf.

Alarmiert lauschte er und nahm immer mehr Ungereimtheiten wahr.

Er lag in einem Bett. Das leise Hämmern hörte er nur mit einem Ohr. Es war rhythmisch und kam nur von seinem Kissen! Sein Kissen hob und senkte sich ruhig und gleichmäßig. Warm umhüllte ihn die Decke? Aber da war noch mehr Wärme und ein Gefühl der Geborgenheit, die nicht von einer weichen Matratze und der wärmenden Decke kamen.

Er brauchte noch etwas um zu begreifen, dass es Sams Herz war, das er hörte und er konnte nur hoffen, dass sein kleiner Bruder noch schlief und ihm die Zeit blieb sich langsam auf seine Seite des Bettes zurückzuziehen. Er wollte sich gerade bewegen, als ihm einfiel, dass das hier ja nur eine Art Traum war, mit dem Michael ihm zeigen wollte was sein könnte. Und dann fühlte er eine Hand, die wohl schon eine Weile über seine Schulter und den Rücken abwärts und kaum an seiner Hüfte angekommen, wieder aufwärts strich.

Sam war wach und er schien das Ganze zu genießen!

Warum auch nicht. Es war ein Traum und Sam so, wie er ihn sich wohl schon damals gewünscht hatte.

Trotzdem verfluchte Dean seinen Körper, der ihn im Schlaf so hinterhältig verraten hatte. Er hatte Sams Nähe gesucht. Er hatte sich um ihn geschlungen wie eine Anakonda kurz bevor sie ihre Beute erwürgte.

Aber warum fühlte es sich dann so gut an, wenn er es doch nicht wollte? Warum fühlte er sich geborgen?

Er hatte Sam nicht angelogen, als er ihm gesagt hatte, dass er keine Kraft mehr zum Kämpfen hatte, er fühlte sich wirklich vollkommen ausgelaugt und leer. Seine Erfahrungen sagten ihm, dass er sich umdrehen und so weit wie möglich von Sam wegrutschen sollte, wenn er nicht schon wieder enttäuscht werden wollte. Doch es war ja nur ein Traum und dessen Herzschlag, sein Geruch und die von ihm ausgehende Wärme hüllten ihn ein und erzeugten ein Wohlgefühl, von dem er geglaubt hatte, es nie wieder empfinden zu können. Er wollte sich nicht bewegen.

Die Müdigkeit zerrte an ihm und Dean ließ sich fallen.
 

Sams Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen. Er hatte bemerkt, wie sein Bruder langsam wach wurde und wie er die Luft angehalten hatte, weil etwas nicht in sein derzeitiges Weltbild passte, aber er hatte damit gerechnet, dass er sich weiter schlafend stellen und sich auf seine Seite des Bettes drehen würde. Mit dem ersten Teil seines Gedankens hatte er Recht gehabt. Dass Dean allerdings weiter auf seiner Brust liegen geblieben war, hatte ihn schon verwundert. Nahm er das jetzt einfach so als gegeben hin und strafte seine kleine Ansprache von vor ein paar Tagen Lügen oder hatte er wirklich keine Kraft mehr zum Kämpfen? Dann stand es allerdings noch viel schlimmer um seinen Bruder als er befürchtet hatte. Ich habe nichts mehr zu geben. Immer wieder hallte dieser Satz in seinem Kopf wider. Immer wieder wiederholte er ihn, drehte und wendete ihn, doch die Aussage blieb. Sein Bruder war leer, körperlich und seelisch aufgebraucht. Sein Bruder Dean, der einzige Mensch, der noch kämpfte, wenn andere schon lange aufgegeben, und er selbst weggerannt wäre, war ausgebrannt. Leer, unfähig auch nur den kleinsten Kampf zu führen.

Dean hatte für so Viele gekämpft, hatte so Vieles verhindert, jetzt galt es zu verhindern, dass er sich vollkommen aufgab.

Er hätte nie gedacht, seinen Bruder je so zu sehen. Dean war immer das Bollwerk gewesen, das jedem Sturm, jedem Beschuss und jedem Verrat standgehalten hatte.

Jetzt wollte er seine Krücke sein. Jetzt wollte er seinen großen Bruder stützen. Dem Menschen, der nie nach Hilfe gefragt hatte, einfach weil er nie welche bekommen hätte, würde er helfen.

Das würde schwerer werden, als Gott zu finden und ihn mit Michael, Gabriel, Raphael und Luzifer an einen Tisch zum Kaffeekränzchen zu setzen.

Aber er musste es schaffen. Um Deans Willen musste er sich zurücknehmen und voll und ganz für ihn da sein. Er galt, nicht nur seine körperlichen Reserven wieder aufzufüllen. Vor Allem seine seelischen Wunden musste er behandeln, um ihm seinen letzten Wunsch zu erfüllen. So gebrochen hätte Belial ein leichtes Spiel mit ihm und würde lachend und ohne einen Kratzer vom Platz gehen.

„Ich glaube, ich werde dich zu mehr als nur essen überreden müssen“, flüsterte er und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.

Immer weiter strich seine Hand über Deans Rücken, während seine Gedanken weiterhin um die eine Erkenntnis kreisten. Dean war seelisch ausgebrannt, leer.

Aber etwas das leer war konnte man wieder auffüllen. Jetzt lag es also an ihm, Deans Gefühlswelt mit Schönem zu bereichern.

„Dann fangen wir eben wieder ganz vorn an. Mal sehen, wie du darauf reagierst“, flüsterte er leise.
 

Sam döste noch eine ganze Weile mit seinem Engel im Arm, bevor die Natur ihr Recht forderte und er sich aus der Umarmung und den Decken wand und aufstand. Doch es hielt ihn nicht lange außerhalb ihres Schlafzimmers. Er hatte Dean und damit auch sich, denn er wollte ihn nicht allein lassen, mindestens ein paar Tage Matratzenhorchdienst verordnet und so packte er Joghurt, Toast und kaltes Hühnchen sowie kleingeschnittenes Obst und Trauben in Frischhaltedosen, füllte zwei Thermoskannen mit Kaffee und trug alles inklusive einiger Bücher hinauf in ihr Schlafzimmer.

Er stellte alles in Reichweite neben seine Bettseite und kletterte zurück ins Bett. Mit ein wenig vorsichtigem Ziehen und Zerren brachte er den Blonden dazu es sich auf deinem Schoß gemütlich zu machen.

Er nahm sich ein Buch und während er las kraulte er mit seiner Linken Deans Nacken.
 

Der Schlaf verschwand träge aus seinem Körper und ließ ihm die Zeit, seine Umgebung aufzunehmen.

Er hörte leise Geräusche, die wohl von einem Fernseher kamen, und ihm erklärten wie eine Welt sich ohne Menschen entwickeln könnte. Sam und seine Dokumentationen. Dean schnaufte. Seit wann war hier oben auch ein Fernseher?

Und er fühlte Finger, die sanft seinen Nacken kraulten. Wieder machte sich ein wohliges Gefühl in ihm breit.

„Hast du Hunger?“, wollte der Jüngere wissen, ohne aufzuhören den Blonden mit Streicheleinheiten zu verwöhnen.

Es dauerte noch eine ganze Weile bis Dean sich überwinden konnte sich überhaupt zu bewegen. Langsam setzte er sich auf und blickte Sam fragend an. Der beugte sich über den Rand des Bettes und holte das Tablett herauf. Er stellte es auf das Bett.

„Bedien dich. Aber du solltest nicht zu viel essen, wenn du die Schüssel nicht wieder umarmen willst“, sagte er ruhig und nahm sich selbst ein bisschen Hühnchen und schob es sich in den Mund.

Auch der Blonde aß etwas und lehnte sich dann mit einer Tasse Kaffee an das Kopfteil des Bettes und versuchte der Dokumentation zu folgen.

Seine Gedanken konnte er allerdings nicht darauf konzentrieren.

Die Tasse Kaffee in seinen Händen verströmte ein Aroma, das er so sehr liebte und sich so lange nicht mehr erlaubt hatte. Es überrannte ihn fast und er fragte sich, ob er es sich gestatten durfte, solchen Gelüsten nachzugehen.

Er kam zu keinem Ergebnis, oder besser er gab es auf, darüber nachzudenken. Egal was er sich erlauben oder verbieten würde, Michael würde wohl nicht mehr zurück kommen und Sam nicht verschwinden und irgendwie wollte er den Traum nicht so beenden. Außerdem roch der Kaffee viel zu verführerisch, als das er die Tasse ungeleert zurückstellen wollte. Und sein Körper schrie regelrecht nach Nahrung und Flüssigkeit.

Und er war müde, so unendlich müde.

Schon bald stellte er die Tasse weg und rollte sich wieder zusammen. Fast sofort vermisste er Sams Wärme, obwohl der Jüngere keine Armlänge entfernt auf dem Bett saß und so tat, als ob ihn die Sendung interessierte. Kurz schielte er zu ihm.

Die Hand seines Bruders in seinem Nacken hatte sich gut angefühlt, doch er konnte sich nicht dazu durchringen ein Wort an ihn zu richten oder ihn zu fragen, ob er vielleicht...

„Du kannst gerne wieder näher rutschen“, sagte der Jüngere und stellte das Tablett zurück auf den Boden. Dean schnaufte nur, schloss seine Augen und driftete wieder in den Schlaf.
 

Erst als er sich sicher war, dass sein Bruder wirklich schlief, gestattete sich auch Sam zu seufzen. Er schob einen Arm unter den Blonden, umfasste mit der anderen Hand seine Schulter und zog ihn wieder an sich heran. Sanft bettete er seinen Kopf wieder auf seinem Schoß.

Dean musste wirklich mehr als am Ende sein, wenn er das nicht mitbekam, stellte der jüngere Winchester traurig fest. Wie sehr hatte er seinen Bruder zerstört.

Und wieder begann er Deans Nacken zu kraulen.
 

Stunden hatten sich zu Tagen summiert und waren zu Wochen geworden.

Sam begann Essen und Kaffee auf ein Tablett zu packen, um es nach oben zu bringen, während Dean unten duschte. Sie hatten gerade einen Spaziergang durch den Wald gemacht. Der Herbst hatte die Blätter verfärbt und der Wind strich kalt um die Bäume.

Schweigend waren sie zu einem kleinen See gegangen, von dem Dean scheinbar genau wusste, dass er hier war.

Immer wieder hatte der jüngere Bruder seinen Großen von der Seite gemustert. Dean war fast wie vor langer Zeit, damals, als sie noch nicht wirklich ein Paar waren, in einer Zeit, die irgendwie unbeschwert war, obwohl sie alles andere als das war. Trotzdem. Sie trugen zwar die Last der Welt auf ihren Schultern, aber sie waren auch freier, ungezwungener. Wann hatte das aufgehört? Wann hatte es angefangen kompliziert zu werden? Wann hatte es angefangen richtig weh zu tun?
 

Dean kam gerade die Treppe hoch als auch Sam aus dem kleinen Bad im oberen Geschoss kam. Auch er hatte geduscht. Der Regen hatte sie im wahrsten Sinne des Wortes erwischt und das als sie sich gerade auf den Rückweg gemacht hatten. Früher wären sie einfach losgerannt, doch soweit war der Ältere noch nicht, schließlich war es das erste Mal seit sie hier waren, dass der Blonde vor die Tür gegangen war.

Er blickte zu dem Älteren, der, sich die Haare trocken rubbelnd, die letzten Stufen der Treppe nahm. Wieder traf ihn nur ein Blick aus dunkelgrünen Augen. Doch daran hatte er sich inzwischen gewöhnt. Bis jetzt hatte der Blonde mit ihm kaum ein Wort gewechselt. Aber damit konnte er leben.

Sie machten es sich auf dem Bett bequem, aßen etwas und tranken Kaffee. Im Fernsehen lief ein alter Horrorfilm.

Verhalten gähnte der Blonde. Er war zu müde, um dem Film folgen zu können und er war sauer auf sich, weil sein Körper noch immer zu kaum etwas mehr als zum schlafen und essen zu gebrauchen war!

Wieder gähnte er, trank seine Tasse leer und rutschte im Bett etwas weiter runter. Er wollte nur noch schlafen.

Sein Blick wanderte fragend zu seinem Kleinen. Sam würde ihn eh wieder dazu bringen, an ihn gekuschelt zu schlafen, also konnte er es auch gleich selbst tun. Er wusste nicht, ob er es wollte, oder ob es sein Körper wollte, aber es fühlte sich besser an, als allein zu schlafen, also ja. Warum nicht sofort an Sam gekuschelt einschlafen und sich von ihm streicheln lassen?

Sam lächelte. Er stellte das Tablett auf den Boden und setzte sich etwas bequemer hin, dann blickte er wieder zu seinem Bruder und nickte. Dean holte tief Luft und legte sich hin. Seinen Kopf bettete er auf Sams Schoß.

Wieder huschte ein Lächeln über Sams Gesicht. Sanft ließ er seine Finger durch Deans Haare gleiten, strich zärtlich von der Schläfe über die Wange zum Hals und verweilte dort, den Nacken seines Großen kraulend.

Ja, er liebte Dean und war sich inzwischen sicher, dass diese kleinen Schritte zum Erfolg führen würden, auch wenn er ihn doch irgendwie dazu zwang. Jedes Mal, wenn er etwas Neues probierte, war sein Großer erst zusammengezuckt und dann erstarrt und hatte es geschehen lassen.

Die erste sanfte Berührung: Dean kam aus dem Bad und er wollte ihnen frischen Kaffee kochen. Sie waren fast ineinander gelaufen. Er hatte die Gunst der Stunde genutzt und seine Hand einfach auf Deans Wange gelegt. Der Blonde war zusammengezuckt als hätte er Prügel bekommen, doch als er angefangen hatte, seinen Daumen über sein Jochbein streichen zu lassen war er erstarrt und hatte ihn mit großen Augen verwundert angeschaut.

Konnte es sein, dass Dean wirklich von jeder Berührung Schmerzen erwartete? Hatte er in letzter Zeit so viele davon erdulden müssen, dass er nichts anderes mehr kannte?

Wenn er daran dachte, wie Dean erstarrt war, als er ihm hier zum ersten Mal einen federleichten Kuss auf die Lippen gedrückt hatte. Er hatte sich wie üblich nicht gewehrt, hatte es geschehen lassen, diese wundervollen grünen Augen weit aufgerissen vor Entsetzen und er war sich seiner selbst nicht mehr sicher gewesen, bei dem Anblick dieser fast panisch scheinenden Augen. Er hatte gezweifelt, ob es richtig gewesen war, seinen Bruder schon dazu zu drängen. Doch dann hatte er gesehen, wie Dean seine Hand gehoben und seine Finger vorsichtig auf seine Lippen gelegt hatte, so als hätte er Angst etwas zu zerstören.

Genau in dem Moment war sich Sam sicher, dass er richtig handelte, und das er weiter machen würde.

Inzwischen zuckte sein Engel nicht mehr bei Berührungen zurück und wenn er sanft über seine Wange strich, erstarrte sein Bruder auch nicht mehr. Er ließ es geschehen, schaute ihn aber immer noch mit großen Augen verwundert an. Nie erwiderte er eine Zärtlichkeit, nie ging sie von ihm aus. Aber er hatte die Hoffnung, dass, wenn er ihm nur Zeit ließ, sein großen Bruder auch dazu fähig sein würde.
 

Auch Sam gähnte. Deans permanente Müdigkeit war ansteckend.

Er löste sich von seinem Bruder, stand auf und lief um das Bett herum, um sich hinter Dean legen und ihn in den Arm nehmen zu können. Zufrieden stellte er fest, dass der nicht aufgewacht war.

Zärtlich kuschelte er sich an seinen Rücken und strich mit seiner Nase über Dean Haaransatz und ließ seine Hand über dessen Bauch streichen.

Dean schnurrte leise.

Von diesem wundervollen Geräusch begleitet, schlief der Jüngere ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Vanilein
2014-04-03T16:24:49+00:00 03.04.2014 18:24
Ich bin die ganze zeit nicht zum lesen gekommen, das war so schrecklich :'(
Außerdem könnte ich dir dadurch kein Kommentar hinterlassen ich entschuldige mich >_<
Hoffentlich kann sich Dean wieder irgendwann öffnen und ein wenig Glück noch erleben und hoffentlich versaut es Sam nicht wieder ^^


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