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Der Himmel muss warten

von

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Hoover Dam

XXXV) Hoover Dam
 

„Da vorne“, sagte Sam und zeigte auf einen freien Parkplatz.

„Hab’s gesehen“, antwortete der Blonde und lenkte seine schwarze Schönheit auf die freie Stelle.

Sie nahmen ihre Taschen aus dem Kofferraum und gingen den Anleger entlang bis zu ihrem Boot.
 

Gleich neben dem Eingang ging es links ein paar Stufen zum Steuerstand empor und rechts zum Wohnbereich hinunter.

Links war eine voll ausgestattete Kombüse, in der Sam schon die Schränke inspizierte. Dahinter befand sich ein Wohnraum. Die hintere Front bestand auf Glas und führte auf die Heckterrasse. Von dort führte eine Wendeltreppe auf das Sonnendeck.

Der Treppe gegenüber befand sich das Bad mit Dusche und im Bug des Bootes erwartete sie ein Schlafzimmer mit einem riesigen Bett. Im Wohnraum und im Schlafzimmer hingen Flachbildschirme an den Wänden. Es gab je einen DVD-Player und im Wohnbereich eine Musikanlage.

„Wie lange wohnen wir hier?“, fragte Dean Richtung Küche.

„Eine Woche, warum?“

„Könnte knapp werden“, nuschelte der Blonde. Hier lagen einige DVD herum, die er sich gerne ansehen würde.

„Komm, wir sollten uns gleich noch das Kraftwerk anschauen und dann einkaufen. Wie sieht´s mit deiner Anglerei aus?“

„Ich schau nach“, antwortete der Ältere und verschwand auf die Heckterrasse.

An der Wand stand eine Kiste in der, neben Sitzauflagen, auch zwei Angeln und ein paar Blinker lagen.

Dean ließ seinen Blick noch kurz über den See wandern und verließ dann das Boot.

Sam schloss die Tür ab und sie liefen zum Impala.
 

„Fünf Dollar? Die wollen glatt fünf Dollar, nur damit wir oben noch mal Geld ausgeben um uns ein paar Turbinen angucken können?“, wütete der Ältere. Er hatte sich auf das Innere des Dammes, auf das Kraftwerk gefreut, aber das verdarb ihm jetzt doch den Spaß. ‚Fünf Dollar fürs Parken!‘

„Ist ja nicht unser Geld“, versuchte Sam seinen Bruder zu beruhigen.

Der Blonde sah ihn nur an und sein Blick sagte eindeutig, dass das ja wohl noch schlimmer wäre!
 

Aus der Tiefgarage zurück in den gleißenden Sonnenschein, schaute Sam sich als erstes um und entdeckte die beiden riesigen Statuen mit Flügeln.

„Die haben mehr Spannweite als Du, oder?“, neckte er seinen Bruder, doch der wandte sich nur kopfschüttelnd ab und ging zum Geländer. Er beugte sich darüber und starrte in die Tiefe auf die Staumauer.

„Würdest du mich retten, wenn ich falle?“, wollte Sam wissen und starrte jetzt ebenfalls hinunter.

„Nein!“

„Aber …?“

„Nachher probierst du es noch aus!“

„Also würdest du mich retten!?!“

„Nein! Ich würde hinterher springen und es beenden!“

„Dean, du…“

„Hör auf, Sam! Bitte!“

Er schwieg lieber, bevor Dean seine Drohung insofern wahr machte und sich zwar nicht hinterher, aber doch hinunter stürzte. Zutrauen würde er es ihm fast. Zu negativ war das Bild, das sein kleiner Großer von sich hatte, auch wenn er hin und wieder doch Spaß am Leben entwickelte, und er nahm sich vor auch weiter dafür zu sorgen, dass Dean noch mehr Freude an seinem Sein fand.
 

Die Ausstellung war gut, aber nicht umwerfend. Zumindest Dean hätte sich darunter etwas anderes vorgestellt. Vielleicht aber auch nur, weil er so selten in Ausstellungen war und so brannte er darauf, dass endlich die Führung zu begann, wenn auch aus einem anderen Grund, als das bloße Betrachten von Turbinen.

Kurz holte er das EMF aus der Jackentasche, schaltete es ein und gesellte sich dann zu Sam, der schon bei einer Gruppe stand, die gleich von einer jungen Frau einen sehr lebendigen Bericht über den Bau des Dammes erhalten sollte.

Dann folgten unausweichlich die Zahlen, was täglich an Wassermassen durch die Rohre schoss und die Turbinen antrieb, wie viel Strom erzeugt wurde und, und, und.

Der Blonde schaltete ab. Ihm genügte es seinen kleinen Bruder zu beobachten, der, wie schon als kleiner Junge, völlig fasziniert und mit leuchtenden Augen alles in sich aufsog und es wahrscheinlich noch in zehn Jahren fehlerfrei würde herunterbeten können. Außerdem warf Dean immer wieder einen Blick auf das EMF, doch hier oben gab es nur einen geringen Ausschlag, und der konnte durchaus von den Turbinen herrühren.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl schloss Dean zu seinem kleinen Bruder auf.

„Und?“, fragte der sofort.

„Der Ausschlag ist nicht eindeutig.“

Sam nickte. „Ich hab so ein komisches Gefühl. Es könnten auch Dämonen sein. Aber wenn, dann eher die Art wie in dem Motel. Jung, dumm und unerfahren!“

Der Blonde nickte ebenfalls und hoffte, dass sie in der Tiefe der Staumauer genauere Angaben bekommen konnten.

„Sie sollen es mal mit Kortisonsalbe versuchen!“, drängte sich jetzt einn älterer, übergewichtiger Mann neben Dean.

Der bekam große Augen, schluckte einmal trocken und schaute dann zu Sam.

Der Jüngere musste sich wegdrehen, um nicht laut loszulachen. Deans Blick sprach Bände!

„Na ja, Sie sagen doch, Sie haben Ausschlag. Mich hat Kortisonsalbe sehr gut geholfen. Ich hab voriges Jahr so ganz schlimm Ausschlag auf mein Allerwerteste. Der wurde immer weiter bis der fast mein …“, erzählte der Mann ungeniert und rückte dabei immer dichter an den älteren Winchester heran. Die Kamera, die der Mann auf seinem Bauch trug, drückte sich schon unangenehm in Deans Seite.

„Er ist gegen aufdringliche Zeitgenossen allergisch und das kann bis zum Tobsuchtsanfall führen!“, klärte Sam den Mann jetzt auf und zog seinen Bruder aus dem Gefahrenbereich. Nicht dass der vor lauter Ekel einfach verschwand.

Der Mann stank nach altem Schweiß, so als hätte er sich schon seit Tagen nicht mehr gewaschen, und nach kaltem Zigarettenrauch, was noch wesentlich ekliger war. Außerdem hatte er eine sehr feuchte Aussprache.

Deans mehr als verdatterten, fragenden Gesichtsausdruck ignorierte Sam geflissentlich und baute sich in seiner vollen Größe vor dem Dicken auf.

„Außerdem bin ich der einzige Mensch, der sich ihm auf weniger als eine Armlänge nähern darf!“, erklärte er entschieden, drehte sich zu seinem Bruder um und lächelte ihn warm an.

Ein rosa Schimmer zierte dessen Wangen.

Mit einem langen Schritt schloss er den Abstand zu seinem Bruder, nahm dessen Gesicht in beide Hände und erstickte jeglichen Protest mit einem intensiven Kuss.

„Nicht nur unverschämt, auch noch schwul!“, sagte der Dicke sichtlich angewidert.

Atemlos keuchend stand der Blonde da und schaute mit leicht verklärten Augen zu Sam auf.

„Ich hätte mich auch alleine wehren können“, erklärte er heiser.

„Ich weiß, aber ich will nicht, dass du dich wegen so einem unwohl fühlst, und so bin ich der Böse.“

Dean schüttelte den Kopf.

„Und sie kommen uns jetzt auch nicht zu nahe“, sagte er und deutete auf den Abstand, den die anderen Besucher zu ihnen hielten. „Da können wir viel besser nach neuen Spielkameraden suchen.“

Wieder schüttelte der Blonde den Kopf, zog dann aber das EMF hervor und schaltete es wieder ein. Die Anzeige ließ noch immer keine eindeutige Aussage zu.

„Ich tippe eher auf Dämonen“, sagte Sam leise.

Der Blonde zuckte mit den Schultern. Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich so stark, dass er die Stirn in Falten legte. Dann schaute er zu Sam auf und nickte.

„Schwach“, erklärte er einsilbig.

„Sind ja auch eher meine Kumpels.“

„Sam!“, funkelte Dean seinem Bruder böse an.

„Ist aber wahr. Die Geflügelten würdest du wahrscheinlich eher fühlen als ich.“
 

Ein kurzer, eher trauriger Blick war alles, was Sam an Antwort erhielt.
 

Sie stiegen als letzte in den Fahrstuhl und ließen sich tiefer in den Bauch des Dammes befördern.

Die schiere Größe der Anlage beeindruckte auch den Blonden sichtlich.

Und hier, einige hundert Meter tiefer, war das EMF auch aussagekräftiger.

Dean zeigte Sam das blinkende Gerät, und der nickte.

„Die Dämonen sind hier auch stärker spürbar.“
 

Mit einigem Abstand folgten sie der Gruppe, doch die Tür, an der das EMF so verrückt spielte, dass Dean es ausschalten musste, wurde leider nicht geöffnet.

Stattdessen erklärte ihr „Leithammel“, dass es noch eine Spezialführung geben würde, die einen noch weitreichenderen Einblick in die Funktionsweise des Hoover Dams erlauben würde.

Auch hier genügte ein kurzer Blick der Brüder und sie waren sich einig, dass sie diese ebenfalls mitmachen würden.

Bis jetzt hatten sie keine Chance gehabt ihre - wie sie es nannten - Spielkameraden näher zu lokalisieren.
 

Die zweite Tour hatte 25 Dollar pro Nase gekostet. Aber außer Sam mit weiteren Informationen zu versorgen und Dean noch ein paar mehr Einblicke in die Technik zu gewähren, hatte auch sie ihnen nicht viel gebracht.

„Immerhin wissen wir jetzt, wo sie nicht sind“, sagte Sam.

Der Blonde verdrehte nur die Augen.

„Noch einen Satz, bevor ich sie entlasse“, erklärte die Führerin fröhlich lächelnd. „Sie haben ja alle von den Gerüchten gehört, dass hier angeblich einige Arbeiter mit einbetoniert wurden. Dem ist zwar nicht so, aber für die, die sich lieber selbst davon überzeugen wollen, dass es hier nicht spukt, bieten wir seit Neuestem einmal im Monat eine Mitternachtstour an. Sie beginnt eine halbe Stunde vor Mitternacht und dauert etwa zwei Stunden. Die nächste Tour ist am Freitag. Sollten sie hier in der Nähe Urlaub machen und Interesse daran haben, meine Kolleginnen an den Schaltern nehmen ihre Reservierungen gerne entgegen.“

„Langer Satz“, erklärte Dean trocken und erntete ein breites Lächeln nicht nur bei der jungen Führerin.

Auf einen fragenden Blick von Sam hin nickte er nur und ging hinaus in die wärmende Sonne, während der Jüngere weitere 50 Dollar pro Nase berappen ging.
 

Es war schon stockdunkel, als sie den Damm verließen, und einkaufen mussten sie auch noch.

Diese Nacht würden sie wohl oder übel noch am Ausleger verbringen müssen. Dean wollte im Dunkeln nicht mit einem unbekannten Boot irgendwo anecken oder auflaufen.
 

Frisch geduscht kam der ältere Winchester aus dem kleinen Bad. Sam saß auf dem Bett, den Laptop auf seinen Knien. Jetzt schaute er auf.

„Du bist ja angezogen“, stellte er leicht bedauernd fest.

„Du ja auch.“

„Ich dachte, ich könnte dich heute verwöhnen.“

„Nur weil ich gestern …“

„Nein, Dean, nicht nur weil du gestern, sondern weil ich es will. Ich will kein Aufrechnen, heute ich, morgen du. Ich will dir heute was Gutes tun und ich erwarte dafür nicht, dass du mich Morgen verwöhnst, oder nachher oder wann auch immer. Warum musst du immer nach dem fragen, was es dich kosten könnte? Warum kannst du nicht einfach mal akzeptieren, dass dir jemand einfach nur so was geben möchte?“, redete Sam sich in Rage.

‚Weil es für einen Winchester nichts umsonst gibt? Zumindest nichts Gutes?’, dachte Dean und versuchte sich zu erinnern, wann er zuletzt etwas bekommen hatte, ohne dafür zahlen zu müssen. Zuviel zahlen zu müssen.

Blicklos starrte er aus dem Fenster auf die Schwärze des Sees, auf dem hin und wieder einige Positionslichter anderer Boote aufblinkten.

„Dean?“ Sams Stimme hatte einen besorgten Unterton.

Der Blonde riss seinen Blick von der Dunkelheit vor dem Fenster los und schaute fragend zu seinem kleinen Bruder.

„Kommst du zu mir?“, wollte Sam leise wissen.

Dean nickte und machte endlich die letzten Meter zum Bett. Während er unter die Decke kroch, räumte Sam seinen Rechner weg.

Zärtlich zog er seinen Bruder an sich und ließ seine Hand über den verspannten Rücken wandern.

Wieder einmal verfluchte er alle die, die seinem Bruder zu dem gemacht hatte, was er jetzt war, ein riesiges schwarzes Loch in einer menschlichen Hülle, fast unfähig andere Gefühle als Hass, Wut und Schmerz zu empfinden. Es würde ein langer und steiniger Weg mit jeder Menge Rückschlägen werden, da war Sam sich sicher, aber er hoffte um Deans willen, dass er die Kraft haben würde, diesen Weg auch zu Ende zu gehen. Und er hoffte darauf, genügend Zeit zu haben. Obwohl das wohl eher ein Wunschtraum bleiben würde.



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