Zum Inhalt der Seite

Der Himmel muss warten

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Unerwarteter Besuch

XVIII) Unerwarteter Besuch
 

Er spürte wie die Kraft aus Deans Körper floss.

Sein Lächeln zerbröckelte.

Der hochkonzentrierte Ausdruck, den er auf Deans Gesicht so sehr liebte, wurde unterwandert. Frust? Enttäuschung?

Wütend zog der Blonde seine Augenbrauen zusammen, bis endlich reine Erschöpfung seine Züge wieder glättete. Das Leuchten erstarb, und als Sam seinen Arm losließ, fiel der schlaff auf seinen Rücken.

Dean war nicht mehr in der Lage auch nur einen Finger zu rühren. Der Kampf um die Vorherrschaft in seinem Körper, den er mit dem Engel hatte austragen müssen, hatte ihm auch noch das letzte bisschen Kraft gekostet. Im Prinzip war er ja froh, dass der Engel eingriff, wenn es um sein Leben ging, aber sein „Mitbewohner“ konnte, oder wollte, leider nicht unterscheiden, wann das der Fall war und wann nicht.

Und Dean musste sich eingestehen, dass er es ohne die Unterstützung seines geflügelten „Untermieters“ nicht geschafft hätte sich soweit zu heilen. Sein Rücken war großflächiger aufgerissen, als er es vermutet hatte und die drei angebrochenen Rippen hatten es auch nicht leichter gemacht.

Jetzt wollte er nur noch schlafen.

„Dean?“, fragte der Jüngere besorgt und bekam keine Antwort.

„DEAN?“, versuchte er es noch etwas lauter.

Wieder kam keine Antwort und er fasste seinen Bruder an der Schulter und drehte ihn auf den Rücken. Erschrocken biss er sich auf die Lippe. Dean Körper erinnerte ihn an eine leblose Schlenkerpuppe. Einzig die Wärme, die er unter seinen Händen fühlte, überzeugte ihn, dass es Dean war und kein lebloses Stoffbündel.

Er blinzelte die Tränen weg. Zumindest versuchte er es und holte ein T-Shirt für seinen Bruder.

Sanft fasste er den Älteren und richtete ihn auf. Umständlich streifte er ihm das Shirt über und ließ ihn dann wieder in die Kissen sinken.

„Das wollte ich nicht, Dean. Bitte!“, bettelte er und hoffte auf eine Antwort.

Doch Dean rührte sich nicht, außer dem schwachen, aber gleichmäßigen Heben und Senken seines Brustkorbes gab er kein Lebenszeichen von sich.

Sam wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

Warum nur musste er immer alles falsch machen?

Zärtlich strich er seinem Bruder über die Wange.

„Ich … ich hol was zu Essen“, sagte er dann und wandte sich abrupt ab. Dieses eigentlich friedliche Bild zerriss ihm das Herz. Viel zu genau wusste er, was kommen würde, hatte er doch gespürt, dass Dean sich verausgabt hatte. Warum konnte er ihm diese Krämpfe nicht abnehmen. Schließlich war er schuld daran, dass sein Engel diese wieder haben würde!

Wütend über sich selbst wischte er sich erneut die Tränen aus dem Gesicht, griff nach seiner Jacke und stürzte aus dem Zimmer.
 

Vollbeladen kam er wieder.

Schnell schaute er nach Dean, der sich noch immer nicht gerührt hatte und tief und fest schlief, und verschwand in der kleinen Küche. Er packte seine Schätze aus.

Den Hackbraten manschte er so klein, wie es nur ging und vermischte ihn dann mit Kartoffelpüree und jeder Menge Soße. Er löffelte einen Teil des Eises in eine kleine Schale und löste zwei Stück Traubenzucker in einem Glas Cola. Dann transportierte er das vollgeladene Tablett zu Deans Bett und stellte es vorsichtig darauf ab.

„Komm großer Bruder, lass uns zusehen, dass du wieder zu Kräften kommst“, versuchte Sam zu scherzen und stapelte einige Kissen am Kopfteil. Dann schob er sich mal wieder unter seinen Bruder.

Als er endlich saß und Dean wie ein Kleinkind so auf seinem Schoß, oder eher seitlich zwischen seinen Beinen, platziert hatte, dass er ihn bequem füttern konnte, ließen dessen wesentlich flacheren Atemzüge darauf schließen, dass er wach war. Seine Augen blieben geschlossen.

Sam hielt ihm die Cola an die Lippen und kippte sie ganz vorsichtig in Deans Mund. Er wollte schließlich nicht, dass er sich auch noch verschluckte.

Der Blonde trank.

Dann schob der Jüngere ihm abwechselnd Kartoffelbrei und Eis in den Mund.

Es dauerte ewig und Sam hatte nicht nur einmal den Eindruck, Dean wäre wieder eingeschlafen, doch Dean schluckte alles, was er in den Mund geschoben bekam.

Endlich legte Sam den Löffel weg, strich seinem Bruder über den Rücken und fragte ihn grinsend: „Musst du jetzt auch noch ein Bäuerchen machen?“

Dean blinzelte ihn an und verzog sein Gesicht. Er versuchte zwischen den braunen Zotteln hindurch in Sams Augen zu schauen.

Der Jüngere pustete sich die Strähnen aus dem Gesicht, nur damit sie gleich wieder vor den Augen hingen.

„Schlafm“, nuschelte der Blonde undeutlich.

„Ich will nur noch schnell aufräumen, dann leg ich mich zu dir“, antwortete Sam und sein Bruder schnaufte zustimmend.

Schnell war Sam wieder im Bett und zog den Älteren in seine Arme. Er drückte ihm einen Kuss auf die Nase.

Dean schnaufte. Sams lange Zotteln kitzelten ihn und der schob sie sich mal wieder aus der Stirn.

„Gibt’s da drunter noch mehr Pu-Bär?“, wollte der Blonde schleppend wissen.

„Hm“, überlegte Sam und dann begann er zu erzählen:

„Mitten in der Nacht wachte Winnie Puh plötzlich auf und lauschte.

Er stieg aus dem Bett und zündete eine Kerze an. So schnell er konnte, stapfte er zu seinem Honigschrank um zu schaun, ob sich jemand daran zu schaffen gemacht hatte. Aber da war alles in Ordnung. Also blies er die Kerze wieder aus und ging ins Bett.

Und dann hörte er den Lärm wieder.

Wwwuuoorraawuorawuorawwoouurraaa.

„Bist du das Ferkel?“, fragte er in die Dunkelheit.

Aber Ferkel war es nicht.

„Komm schon rein Christopher Robin.“

Christopher Robin kam nicht.

„Sag’s mir morgen, I-Ah!“

Puh drehte sich auf die Seite und wollte schlafen.

Wwwwwuuuuuoooooorrrrraaaaaa.

Und Puh fand, dass er gar nicht schlief. Er stand wieder auf und ging zur Tür.

„Hallo!“, antwortete das Was-auch-immer.

„Oh! Hallo!“, sagte Puh.

„Hallo!“, sagte das Was-auch-immer wieder und fragte sich, wie lange sie das wohl noch machen würden.

Puh wollte gerade ein drittes Mal ‚Hallo‘ sagen und kam sich dabei doch etwas dumm vor. Also fragte er: „Wer ist da?“

„Ich!“

„Oh! Dann komm doch mal her!“

Ein seltsames Tier kam aus der Dunkelheit.

„Ich bin Puh“, sagte er.

„Ich bin Tigger“, sagte das seltsame Tier.“
 

Dean war eingeschlafen und nachdem Sam noch einmal herzhaft gegähnt hatte, legte er seinen Arm um die Schulter seines Engels und wünschte ihm eine erholsame Nacht.
 

Sam drehte sich und landete unsanft auf einem Stück Holz. ‚Was macht das denn in meinem Bett?’, überlegte er schlaftrunken und blinzelte. Dann weiteten sich seine Augen schon fast panisch.

Neben ihm lag Dean, der leise nach Luft japste.

Der Traubenzucker und das Essen hatten seinem Körper genügend Energie geliefert, damit der die Regeneration seiner Kräfte einleiten konnte.

Sam brauchte noch einige Sekunden bis alle diese Informationen in seinem Gehirn zusammenliefen, doch dann schoss er wie von der Tarantel gestochen hoch.

Dean war vollkommen verkrampft.

„Dean?“, fragte er leise. Doch er bekam keine Antwort. Warum auch. Dessen Kiefer waren so fest zusammengepresst, dass er bestimmt kein Wort hervorbringen konnte. Seine Augen waren schmale, stumpfe Schlitze.

Er rollte den Blonden auf den Rücken und der Körper entspannte sich kaum merklich. Dafür lief jetzt das so ängstlich erwartete Zittern wie ein Schauer durch dessen Muskeln.

Was hatte er seinem Bruder nur angetan?

„Bitte Dean, schau mich an“, bettelte er verzweifelt, doch er erhielt keine Reaktion. Also versuchte er es mental.

Der Blonde war jedoch zu keinem klaren Gedanken fähig. Schmerzen rasten wie glühende Schürhaken durch seinen Körper und ließen ihn innerlich aufschreien.

Sam keuchte erschrocken auf.

„Anna! Castiel!“, rief er verzweifelt die ersten Namen, die ihn einfielen und von denen er hoffte, dass sie würden helfen können. Wo waren diese Flatterviecher, wenn man sie mal wirklich brauchte? Irgendwer musste Dean doch helfen können!

Sam kroch hinter ihn und versuchte seine Muskeln zu massieren, hielt dabei aber weiterhin mentalen Kontakt. Er wollte wissen, ob er Dean wirklich half.

Deans lautlose Schreie jagten wie Messer durch sein Gehirn und trieben ihm die Tränen in die Augen.
 

Ein zweifaches Flügelschlagen war zu hören und plötzlich standen die Engel vor ihm.

„Ihr müsst ihm helfen, bitte!“, flehte der Jüngere.

Anna trat wortlos an das Bett und legte ihre Hand auf Deans Herz.

Fast sofort erschien ein grellgelbes Leuchten. Sie fühlte, wie ihre Kraft in Dean floss. Doch der Blonde brauchte mehr als sie ihm geben konnte.

„Castiel!“, forderte sie mit zusammengebissenen Zähnen und griff nach dessen Handgelenk, kaum dass er in ihrer Reichweite war. Sie konnte seine Kraft durch sie hindurchfließen fühlen und sie fühlte ebenfalls, wie dadurch auch noch mehr von ihrer Kraft aus ihrem Körper gerissen wurde.

Die beiden erstarrten mit zusammengekniffenen Augen.

Die Prozedur schien schmerzhaft zu sein, vermutete Sam nach einem Blick in ihre Gesichter.

Castiel riss sich los.

Anna keuchte ebenfalls und nahm ihre Hand von Deans Brust.

„Kümmere dich um ihn!“, knurrte der Engel Sam wütend an und verschwand wieder.

„Ich hab … es tut mir …“, stammelte Sam.

„Es ist mir egal, Sam. Ich will es nicht wissen“, schnitt die Rothaarige ihm das Wort ab.

„Wie habt ihr uns gefunden?“

„Einer von uns folgt euch immer, und da Dean sich nicht von seinem Wagen trennt ist es relativ einfach. Sonst wäre das hier wahrscheinlich schlimmer ausgegangen“, antwortete sie, ohne Sam dabei anzusehen.

Sie beobachtete, wie sich Dean langsam etwas entspannte.

„Er braucht Ruhe, sehr viel Ruhe, denn er kann nur einen Teil der Energie nutzen, die wir ihm gegeben haben. Sein Körper ist nicht für diese Art Seele ausgelegt. Du solltest ihm helfen wenn er wieder wach wird. Er wird mehr als nur einen leichten Muskelkater haben.“

Sie stellte sich neben ihren Schützling und legte ihm zwei Finger auf die Stirn: „Schlaf Dean!“

Sofort entspannte sich der Blonde noch etwas mehr.

„Am besten bleibt er zwei Tage im Bett“, erklärte sie weiter und strich dem Blonden zärtlich über die Wange.

In Sam machte sich Eifersucht breit. Dabei war das doch eigentlich lächerlich, oder? Dean hatte einmal mit ihr geschlafen, bevor sie wieder ein Engel wurde und außerdem konnten Engel doch nichts empfinden, oder? Aber dann dürfte Dean ja auch nichts empfinden! War er also kein Engel? Doch was hatte sie dann mit „dieser Art Seele“ gemeint?

„Pass gut auf ihn auf! Er ist vielleicht der Einzige, der auf deiner Seite steht, wenn es drauf ankommt!“, riss sie ihn aus seinen Gedanken.

„Was heißt das?“

„Dean ist mächtiger als du ahnst. Ich weiß nicht, wie der Himmel in deinem Fall entscheidet, wenn ihm etwas passieren sollte. Pass auf ihn auf, hörst du!“

Sam nickte erschrocken.

„Ich denke, du kommst jetzt alleine zurecht“, sagte sie ruhig und streichelte noch einmal über Deans stoppelige Wange.

„Er braucht dich jetzt.“

„Aber du hast gesagt, dass er schläft“, sagte Sam überrascht.

„Er spürt zwar, dass du in der Nähe bist, aber er will dich fühlen. Körperkontakt beruhigt ihn und er braucht DICH“, erklärte sie und war gleich darauf mit einem Flügelrauschen verschwunden.

Der Winchester überlegte, ob er diesen traurigen Ausdruck in Annas Augen wirklich gesehen hatte. Er schüttelte den Kopf. Dean war jetzt wichtiger.

„Bin gleich wieder da“, informierte er seinen Bruder und verschwand im Bad.

Mit einer Schüssel Wasser und Handtüchern kam er zurück und wusch Dean den Schweiß vom Körper.

Seinen Bruder fest umschlungen schlief auch Sam schnell wieder ein, nachdem er alles wieder aufgeräumt hatte.
 

Die Nacht war verhältnismäßig ruhig verlaufen. Deans Krampfanfälle hielten sich in Grenzen und auch sein Fieber war nicht so besorgniserregend wie vor drei Tagen.

Und so wachte Sam erholt auf, als die Sonne zum Fenster hereinschaute.

Der nächtliche Sturm schien den Himmel blankgeputzt zu haben. Ein paar Blätter tanzten noch im Wind.

Er stand auf, stellte Kaffee an und verschwand dann im Bad.

Als er vollständig bekleidet wiederkam, war der Kaffee fertig und er setzte sich mit einer Tasse dieses bis zur Unkenntlichkeit verdünnten Muntermachers auf den Stuhl am Fenster.

Er musste grinsen. Hatte er nicht schon vor drei Tagen am Fenster eines Motelzimmers gesessen und auf seinen Bruder gestarrt? So langsam wurde das zur Gewohnheit. Zu einer schönen Gewohnheit, das musste er zugeben. Aber ein grummeliger Dean, der sich aus dem Bett quälte, ins Bad schlurfte und erst nach dem zweiten Kaffee wirklich ansprechbar war, war ihm trotzdem lieber.

Er holte tief Luft. Dann trank er seinen Kaffee aus und brachte die Tasse in die Küche.

„Ich besorg uns was zum Frühstück“, erklärte er und verließ das Zimmer.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück