Zum Inhalt der Seite

Lily of the Valley

Finera-Sequel
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Primrose

„Du siehst umwerfend aus“, kommentierte Evan lächelnd und betrachtete das riesige Plakat, das vor dem Einkaufszentrum in Honey Island aufgestellt war. Trixis braune Locken umrahmten ihr Gesicht wie glänzende, flüssige Seide, ihr Blick war verlockend und die Haut porentief rein und samtweich. Darunter prangte der Schriftzug von L’Oréal Niburg und der Name der neusten Kosmetiklinie für gestresste Haut.

Trixi schwieg neben ihm, hatte die Arme vor dem Körper verschränkt und starrte eher selbstkritisch auf ihr riesiges Konterfei. „Es ist ganz okay geworden.“

„Ganz okay?“ Evan lachte laut los, schüttelte ungläubig den Kopf und grinste dann in sich hinein. „Ich bitte dich, du siehst wirklich umwerfend aus. Kein Wunder, dass sie dich für die neue Kampagne als Fotomodel ausgesucht haben. Wer könnte als Werbeträger für eine Firma, die sich um Schönheit kümmert, besser geeignet sein als eine Gewinnerin des Großen Festivals?“

Die Braunhaarige legte den Kopf leicht schief, doch an dem Schmunzeln in ihren Mundwinkeln konnte man erkennen, dass sie sich geschmeichelt fühlte. Nach ihrem Sieg beim Großen Festival hatte sie bereits einige kleinere Modeljobs gemacht, sehr zur Freude ihrer Mutter. Ihr großer Durchbruch war aber diese Kampagne von L’Oréal, die sich letztes Jahr in Niburg niedergelassen hatten und nun eine in ausgewählten Kaufhäusern erhältliche Hautpflegeserie herausbrachten. „Ich werde die nächsten Monate viel unterwegs sein“, meinte sie schlicht, hielt ihren Kopf wieder gerade und setzte sich in Bewegung, wobei Evan sofort mit ihr Schritt hielt. „Es wird ein paar Interviews geben und den Werbespot drehen wir in Flori, danach muss ich nach Dukatia City und Prismania City, wo es in den großen Kaufhäusern erste Präsentationen der Produkte gibt. Es ist auch ein Parfum geplant, für das ich ebenfalls als Fotomodel herhalten werde.“

Er war eine Weile in Gedanken versunken neben ihr gelaufen, dann lächelte er mit einem eher gezwungenen Lächeln und fuhr sich durch die Haare. „Das klingt wirklich toll, Trixi. Du wirst ganz groß rauskommen, hm?“

„Kann schon sein.“ Sie blieb stehen, betrachtete ihr Spiegelbild im Schaufenster und ging wieder weiter. „Ja, ich denke schon. Schön wäre es.“

Während Trixi sich über ihren ausgebauten Ruhm freute, verfiel Evan immer weiter in Schweigen und dachte darüber nach, was er von der ganzen Sache halten sollte. Er gönnte Trixi ihren Erfolg, gerade weil sie mit ihrem umwerfenden Aussehen ein tolles Model abgab, aber dennoch störte es ihn, auch wenn er nicht wusste wieso.
 

Der Neunzehnjährige gratulierte der frischgebackenen Zwanzigjährigen überschwänglich und umarmte sie. „Alles Gute nachträglich. Es tut mir leid, dass ich dir letzte Woche nicht persönlich gratulieren konnte.“

Trixi strahlte ihn an, als sie das Geschenk in seinen Händen sah. Dankend nahm sie den geflochtenen Weidenkorb entgegen, der über und über mit bunten Primeln bedeckt war, ihren Lieblingsblumen. „Das macht doch nichts, ich war in Dukatia City, du konntest ja schlecht den ganzen Weg auf dich nehmen. Jetzt bin ich ja erstmal wieder hier.“ Ihr Geburtstag war letzte Woche gewesen, aber sie hatte den ganzen Tag arbeiten müssen und feierte nun mit Familie und Freunden im Anwesen der Familie Light nach.

„Bilde dir bloß nichts darauf ein, dass du älter bist. Der eine Monat macht den Braten auch nicht fett.“ Grinsend wich er ihrem empörten Schlag aus.

„So etwas sagt man einer Dame nicht“, zischte Trixi, doch die Blumen stimmten sie milde und daher ließ sie Evan eintreten. Den Korb stellte sie zu anderen Geschenken auf einen Tisch, dann deutete sie auf einen Stehtisch mit Champagnergläsern, von denen Evan sich eins nehmen sollte. Als die nächsten Gäste kamen, ging sie wieder zur Tür und ließ sich brav bebusseln.

Evan schaute ihr und ihrem bodenlangen, weinroten Kleid hinterher, dann zwang er sich zu anderen Gedanken, nahm ein Glas Champagner und trat in den großen Salon, der extra für die Stehparty hergerichtet worden war. Eine ganze Wand des riesigen Raums war mit Büffettischen zugestellt, es gab allerlei warme und kalte Speisen wie Kaviarhäppchen, Lachsröllchen und dergleichen. Er hegte keinerlei Zweifel daran, dass Trixi alles bis zum kleinsten Detail selbst geplant hatte, denn so war sie, immer die perfekte Gastgeberin.

„Hallo, Evan. Es ist schön dich zu sehen, du warst lange nicht mehr hier.“

Er stopfte sich das Häppchen, das er gerade in die Hand genommen hatte, in den Mund und schluckte es noch fast im Ganzen runter, damit er Faith, die ein cremefarbenes Kostüm trug, auf die Wange küssen konnte. „Du siehst gut aus, die Farbe steht dir.“

„Vielen Dank. Eigentlich mag ich so strenge Kostüme ja nicht, aber wenn ich wichtige Termine für meine Pilotenausbildung habe, muss ich ja etwas anzuziehen haben, jedenfalls sagt Joel das immer.“

Anerkennend nickte Evan ihr zu und dachte darüber nach, wie er Faith und Mira damals kennen gelernt hatte. Er wäre zu dieser Zeit niemals auf die Idee gekommen, dass ausgerechnet die windige Faith einen solch verantwortungsvollen Beruf wählte, aber heute sah er ein, dass es zu ihr passte. Sie war überaus glücklich, auch wenn sie erst ihr erstes Ausbildungsjahr hatte, es schien genau das Richtige für sie zu sein. „Wo ist Joel eigentlich?“

Augenblicklich wurde Faiths hübsches Gesicht etwas wehmütiger. „Er ist noch bei einer Besprechung für seine Hausarbeit über Regulationsmechanismen in der Bankwirtschaft. Er wird später kommen.“

Wieder nickte Evan. Joel studierte seit letztem Herbst an einer kleinen Privatuniversität auf der Insel Bankmanagement, die Gründe dafür kannte er jedoch nicht genau. Der alte und der junge Light mussten sich nach Joels Teilnahme an der Finera-Liga wohl ausgesprochen haben und Joel, dem Karriere nicht völlig unwichtig war, hatte wohl dem Willen seines Vaters nachgegeben. Evan selbst studierte Maschinenbau auf dem Festland und sah seine Freunde hier auf Honey Island nur noch selten.

„Was steht ihr beiden denn so betrübt in der Gegend herum?“ Mit einem tadelnden Blick wirbelte Trixi zu ihnen und musterte sie skeptisch. „Faith, könntest du dich erkundigen, wann mein werter Herr Bruder gedenkt seinen Hintern herzubewegen?“

„Oh, sicher doch. Ich werde ihn anrufen.“ Mit einem Lächeln verabschiedete sie sich von Evan und verschwand aus dem Salon, sodass Evan und Trixi alleine in einer Ecke standen.

„Du amüsierst dich nicht“, stellte sie sachlich fest und verengte die Augen ein wenig. „Hast du das Büffet schon probiert?“

„Ja, die Lachshäppchen sind wirklich köstlich. Kompliment an den Koch.“

„Was bedrückt dich dann?“

„Wie kommst du darauf, dass mich etwas bedrückt, Trixi?“

„Ich kenne dich doch.“ Sie starrte ihm unnachgiebig in die Augen, nahm seine Hand und zog ihn hinter sich her auf den ruhigen Flur, wo sie unbeobachtet waren. „Du verhältst dich schon so seltsam, seit ich dir gesagt habe, dass ich als Model groß rauskommen werde.“

„Das ist nicht wahr, ich verhalte mich nicht komisch“, stritt er sofort vehement ab, doch Trixi konnte er nichts vormachen, sie durchschaute die Menschen um sich herum viel zu leicht. „Es ist nur… Ich mache mir Sorgen um dich. Du solltest keines von diesen aufgetakelten, zickigen Models werden. Ich mag dich, wie du bist.“

Trixi schwieg lange, endlose Sekunden lang, bis sich ihr Gesichtsausdruck entspannte. „Du machst dir Sorgen? Um mich?“

„Du bedeutest mir eben etwas.“

„Fang nicht schon wieder damit an.“ Sofort drehte sie sich weg und machte Anstalten zu gehen, doch er nahm ihr Handgelenk und hielt sie auf diese Weise zurück. „Evan, zwischen uns ist nichts und wird auch nichts sein, in Ordnung? Du studierst in Nautica City und ich reise durch die halbe Welt, aber wenn ich in Finera bin, dann hier Zuhause bei meiner Familie. Wie sollte das funktionieren?“

Sein grimmiger Blick zeigte nur zu deutlich, wie ernst ihm die Angelegenheit war. „Du hast Angst vor einer festen Beziehung, das ist es doch, nicht wahr? Du willst immer die unnahbare Trixi sein, die unabhängige, starke Trixi. Aber ich kenne dich, du bist genauso sensibel und verletzlich wie jeder andere Mensch auch, vielleicht sogar noch mehr.“

In ihren Augen blitzte Zorn auf, als sie sich von ihm los riss, doch ihr fehlten die Worte, um etwas darauf zu erwidern. Immer wieder schaffte er es, dass sie nichts mehr erwidern konnte. „Und wenn schon, dann ist es eben so. Trotzdem wird zwischen uns nichts Festes sein.“

Evan atmete tief durch. „Irgendwann, Trixi… Irgendwann wirst du es bereuen, weil du Fehler machen wirst.“

„Aber du bist kein Fehler oder was?“ Sie stapfte aufgebracht davon, versuchte zwanghaft ihre Contenance zu wahren und eilte, sobald die Türklingel ertönte, mit dem geschäftsmäßigen Lächeln zur Tür, das sie so perfekt aufsetzen konnte.

Er sah ihr hinterher, ließ sie wieder einmal ziehen und wusste, dass er sie zu nichts zwingen konnte. Sie würde von sich aus zu ihm kommen müssen und er würde sie mit offenen Armen empfangen, weil er auf sie wartete. Er wartete auf den Tag, an dem sie beide die Kraft hatten die drei Worte auszusprechen, die schon eine ganze Weile zwischen ihnen hingen.

Ich liebe dich.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  karlach
2016-06-04T15:59:18+00:00 04.06.2016 17:59
Ich finde es sehr schön und erfrischend, endet die Sache bittersüss. Ich bewundere Evans Ausdauer!
Man hofft irgendwie beim Lesen auf ein Happy End, aber es macht nicht unzufrieden, dass keines kommt und das finde ich gut gelungen. Persönlich bin ich ja der Ansicht, dass eine Fernbeziehung klappen kann (ich hab's nämlich schon öfter gesehen), aber Trixis Angst, sich auf eine einzulassen ist sehr verständlich!
Antwort von:  Kalliope
04.06.2016 19:41
Trixi hat generell Angst vor Beziehungen, glaube ich. Aber ja, ich wollte für die beiden kein Happy End, damit man immer noch hoffen kann, dass es vielleicht irgendwann doch was wird :)
Von:  Dragonie
2014-04-27T14:32:01+00:00 27.04.2014 16:32
Hmmm, mir tut der arme Evan leid... aber ich denke, über kurz oder lang wird die schöne Modeldame doch zu ihm kommen... >.<
Fernbeziehungen sind leider nie auf Dauer gut...

Es verwundert mich nur, dass hier nicht auf die Verlobung von Faith und Joel eingegangen wird, sondern dass Du in ein anderes Kapitelchen mit neuen Personen gesprungen bist... aber auch hier kann man sich die glamoröse Feierlichkeit schön vorstellen! ^^
Antwort von:  Kalliope
27.04.2014 17:45
Vielen Dank :)
Von:  Yurippe
2011-09-10T13:43:13+00:00 10.09.2011 15:43
Na, wenigstens ist sie nicht eingebildet. xD
(Ich finde, du hättest dir vielleicht einen eigenen Markennamen ausdenken können.)

Dukatia City, da muss ich Lily mal im Kaufhaus vorbeischauen lassen. xD

Das Ende ist schön, weil gar nicht kitschig, und auch etwas traurig. Ich mag Trixi, und Evan sowieso. :)

Sehr schönes Special! <3
Antwort von:  Kalliope
19.03.2014 20:37
Danke <3


Zurück