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Familienbande

von

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Ted und Emmet

VII. Ted und Emmet
 

„Taylor“, meldete sich Jennifer am Telefon. Sie saß gemütlich unter einer kuscheligen Mohair-Decke zusammengerollt auf dem Sofa im Wohnzimmer. Ein heißer Tee zog vor ihr auf dem Stövchen und duftete angenehm. Hinter ihr lag ein arbeitsamer Tag, jetzt genoss sie ihren Feierabend. Molly war bei einer Freundin, andernfalls hätte das Telefon auch nicht klingeln können. Seit ihre Tochter fleißig vor sich hin pubertierte, hing sie gerne stundenlang an der Strippe, um mit ihren Freundinnen jedes noch so kleine Detail des Tages auszudiskutieren. In der Zeit hätten sie sich gut und gerne drei Mal in persona treffen können. Aber darum ging es wohl nicht. Sie hatte Molly die Erlaubnis gegeben, heute bei ihrer Freundin Sally zu übernachten. Tucker war beruflich in New York. Sie hatte sturmfreie Bude und endlich mal Zeit, die Seele baumeln zu lassen und ein wenig faul zu sein.
 

„Hallo Jennifer“, ertönte Craigs Stimme aus dem Hörer. Jennifer seufzte. Soviel zum Thema Ruhe.
 

„Hallo Craig“, antwortete sie, „was gibt’s? Molly ist nicht zu Hause.“
 

„Mmm, ich wollte auch eigentlich mit dir sprechen“, Craig klang irgendwie nervös. Sie kannte ihn zu gut, um das nicht zu bemerken.
 

„Worüber denn?“ fragte Jennifer misstrauisch.
 

„Ähm, ich würde das ungern am Telefon machen. Wäre es okay, wenn ich vorbei kommen würde?“
 

Jennifer zog die Augenbrauen zusammen. Was um Himmels willen wollte ihr Ex-Mann? Eigentlich hatte sie wenig Lust, sich mit ihm auseinander zu setzten. Andererseits war Craig nun wirklich nicht der Mensch, der einen häufig von sich aus um eine Unterredung bat. Irgendetwas brannte ihm auf der Seele.
 

„Okay“, sagte sie wenig begeistert, „ich bin zuhause. Komm vorbei, wenn du willst.“ Damit hatte sich der faule Abend wohl erledigt. Aber vielleicht verschwand er auch flott wieder, und sie hätte noch Zeit, sich ihrem Entspannungsprogramm zu widmen.
 

„Bis gleich!“ sagte er und legte auf.
 

Sie rappelte sich auf und ging hinauf ins Schlafzimmer. Eigentlich könnte sie auch ihre Wohlfühl-Klamotten anbehalten, es war ja nicht so, dass er sie in dergleichen nicht kannte. Aber sie waren schon lange kein Paar mehr. Er kam zu Besuch, da wollte sie anständig aussehen.
 

Sie war kaum fertig damit sich umzukleiden, da klingelte es schon an der Tür. Himmel, war er geflogen?
 

Rasch lief sie die Treppe herab und öffnete. Craig trug einen eleganten Anzug, er musste von der Arbeit aus angerufen haben, was sein schnelles Kommen erklärte. Er stand ihm gut, ließ ihn dynamisch aussehen und verlieh ihm einen Hauch der alten Jungenhaftigkeit, die sie früher so anziehend an ihm gefunden hatte.
 

„Danke, dass du so rasch für mich Zeit hattest“, sagte er, als sie ihn einließ, „hier, das ist für dich. Ich dachte, die passen gut in dein Wohnzimmer.“ Er überreichte ihr einen kleinen Blumentopf mit ein paar violett blühenden Pflanzen darin. Verblüfft nahm sie ihn entgegen. Er hatte recht, die Blüten passten perfekt und gefielen ihr ausnehmend gut. Es war ewig her, dass er sie mit einer kleinen Aufmerksamkeit wie dieser bedacht hatte. Als sie jung und verliebt gewesen waren, hatte er dergleichen getan. Später hatte er gemeint, sie könne sich ja selber besorgen, was sie wolle, das wisse sie selbst doch auch besser. Einer der kleinen Nägel im Sarg ihrer Ehe.
 

„Danke“, murmelte sie, immer noch ein wenig perplex, und stellte die Blumen auf dem Wohnzimmertisch ab. Sie bot ihm den Sessel an.
 

„Möchtest du was trinken?“
 

„Gerne, was hast du denn?“
 

„Ich war gerade dabei, mir einen Rotwein zu öffnen, aber ich habe auch Bier.“ Für Tucker, ergänzte sie in Gedanken. Aber sie konnte ja welches nachkaufen.
 

„Bier wäre toll. Ich muss auch heute nicht mehr fahren, das Auto ist in der Werkstatt. Ich rufe mir später ein Taxi.“
 

„Wieso ist dein Auto denn schon wieder in der Werkstatt?“
 

„Weil diese Kurpfuscher Mist gebaut haben. Ist zusammen gebrochen, als ich letzte Woche Molly hergebracht habe. Dieser Honeycutt hat mich dann mit in die Stadt gekommen.“
 

„Emmet?“ fragte Jennifer. Ihr Ex-Mann und Emmet in einem Auto – was für ein Bild.
 

„Mmm, ja, genau“, murmelte Craig nur.
 

Jennifer holte die Getränke und setzte sich aufs Sofa.
 

Craig prostete ihr zu. Sie sah, dass er angespannt war.
 

„Du wolltest mit mir reden?“ half sie ihm.
 

Er sah sie an und biss sich in die Lippe: „Ja, über… Justin.“
 

„Was ist mit ihm?“ fragte Jennifer fast abweisend.
 

Craig atmete tief durch und rutschte im Sessel hin und her: „Ich würde gerne… wieder Kontakt mit ihm haben.“
 

Jennifer starrte ihn an. Sie bemerkte, wie die Wut in ihr begann zu flackern. „Ach ja?“ fragte sie kalt.
 

„Und ich wollte… Ich wollte dich fragen, ob du mir… helfen kannst“, würgte er heiser hervor und goss dann hektisch einen großen Schluck Biers in sich hinein.
 

Jennifer krallte sich an ihr Weinglas. Sie biss die Zähne zusammen: „Warum, Craig? Warum kommst du jetzt damit an, nach all der Zeit? Und warum glaubst du, sollte ich dir helfen?“
 

Er schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. Dann sagte er: „Ich weiß, dass du keine Veranlassung dazu hast. Aber ich bitte dich… bitte dich wirklich darum. Ich habe es versucht. Einen Schlussstrich zu ziehen. Neu zu beginnen. Aber es geht nicht, nicht wirklich. Justin ist immer… noch mein Sohn. Wir haben damals alle Fehler gemacht…“
 

„Ja!“ fuhr ihm Jennifer erbost ins Wort, „sicher haben wir das. Aber unsere Fehler wiegen deine wohl kaum auf! Du hast deinen Sohn behandelt wie ein Stück Dreck, hast ihn jahrelang gemieden, ihm jegliche Unterstützung und – schlimmer noch – Zuwendung verweigert. Jeden Fatzen, den er jetzt hat, musste er sich selbst erkämpfen! Und er hat gekämpft! Und jetzt willst du das alles wieder wett machen? Was glaubst du eigentlich, was du Justin angetan hast! Wie er sich gefühlt hat, als sein eigener Vater, den er geliebt hat und auf dessen Liebe er gebaut hat, ihn verstoßen hat! Warum zur Hölle sollte er dir das verzeihen wollen? Oder können?“
 

Craig war zusammengezuckt. Seine Knöchel traten weiß hervor, während er die Sofalehne umklammerte. Er starrte auf den Boden. „Ich muss es versuchen, Jen“, sagte er müde.
 

Jennifer hatte das Gefühl zu zittern. Der über Jahre angestaute Zorn auf Craig kochte in ihr und wollte hinaus. Aber was würde das bringen?
 

„Ich begreife nicht warum. Aber wenn du meinst, du müsstest das tun, dann werde ich dich nicht hindern. Justin wird dir aber nicht um den Hals fallen, das kann ich dir jetzt schon versprechen. Ich werde aber garantiert nicht zu ihm gehen und ein gutes Wort für dich einlegen. Dazu sehe ich keine Veranlassung und dazu bin ich – bitte verzeih meine Ausdrucksweise – immer noch zu scheißwütend auf dich“, sagte sie schließlich und nippte an ihrem Wein.
 

Craig nickte.
 

„Aber was willst du dann von mir?“ fügte Jennifer mit scharfem Blick hinzu.
 

„Ich bitte dich… Wenn ich zu ihm will, wenn ich ihn sehen, mit ihm reden will… wo kann ich ihn treffen? Ich weiß nicht einmal, wo er wohnt. Und was… erwartet mich?“
 

Jennifer musterte ihn. Dann sagte sie: „Er ist umgezogen. Ich kann dir die Telefonnummer und Adresse geben, die sind ja kein Staatsgeheimnis. Er und Brian sind nach Green Tree gezogen, sie haben da ein Haus.“
 

„Green Tree? Ist Kinney so reich?“
 

“Brian besitzt eine der größten und erfolgreichsten Werbeagenturen des Staates. Und Justin beginnt damit, mit seinen Bildern zu verdienen.“
 

„Aber aktuell bezahlt Kinney?“
 

„Unser Sohn wird nicht ausgehalten, falls das deine Befürchtung sein sollte. Was sie besitzen, ist auch sein Werk. Aber bevor du da unangemeldet auftauchst, sollte ich dir vielleicht noch etwas sagen.“
 

„Was?“ fragte Craig, während ihm das Herz in die Hosen rutschte. Bitte, lass es nichts Schlimmes sein. Lass ihn nicht… krank sein, wie man es doch immer wieder hörte…
 

„Sie leben nicht allein. Sie haben ein Kind.“
 

„Was?“ diesmal konnte Craig ein leichtes Stottern nicht unterdrücken.
 

Jennifer stand auf, schenkte sich nach und gab Craig ein frisches Bier.
 

„Sie haben ein Kind adoptiert…?“ fragte Craig atemlos. Oh Gott, war er jetzt sowas wie ein Großvater???
 

„Ganz so verhält es sich nicht“, sagte Jennifer ruhig, während Craig versuchte, sich zu fassen, „als Justin damals von zu Hause fort gegangen ist, gab es Leute, die sich um ihn gekümmert haben. Freunde von Brian. Darunter war auch ein Frauenpaar, Lindsay Peterson, eine Kunstlehrerin, und Melanie Marcus, eine Anwältin. Lindsay hat Justin auch entscheidend bei seiner Karriere geholfen, aber das war später. In der Nacht, in der Justin Brian kennen gelernt hat, brachte sie einen Sohn zur Welt. Gus. Justin hat mir bestimmt schon tausend Mal erzählt, dass er dem Baby diesen Namen gegeben hat. Brian war – und ist – der biologische Vater des Jungen. Aber er wuchs bei seinen Müttern auf, sie waren seine Eltern. Justin hat ihn regelmäßig gehütet. Nach dem Bombenanschlag im Babylon sind Lindsay und Melanie mit Gus und ihrer zweiten Tochter Jenny, die aber einen anderen Vater hat, nach Toronto gezogen, weil es ihnen dort sicherer erschien für ihre Familie. Sie haben von dort aus zusammen mit Gus Justin in New York besucht, als seine Ausstelllung bei Katlin‘s eröffnet wurde. Sie hatten geplant, alle gemeinsam nach Kanada zu fliegen. Justin wollte dort eine kleine Auszeit nehmen. Der Flieger ist abgestürzt, es war in den Nachrichten. Justin und Gus haben ihn nur durch einen Zufall verpasst…“
 

„Oh Gott!“ entfuhr es Craig, den es eisig überrollte.
 

„Es war nicht das erste Mal, dass Justin dem Tod knapp entronnen ist. Was Chris Hobbs ihm angetan hat, weißt du ja, auch wenn du nicht da warst, um das Elend zu sehen. Er war im Babylon, als diese Fanatiker die Bombe dort gezündet haben. Die Leute, die dort gestorben sind, die dort verletzt worden waren – Justin kannte sie, und sie kannten Justin. Schläger, Bombenleger – das sind die Leute, mit denen du dich gemein machst.“
 

„Ich habe nie meine Hand…“, protestierte Craig.
 

„Erzähl das Mal Brian!“
 

„Das war etwas anderes, das war etwas… Persönliches.“
 

„Das war der Baseballschläger von Chris Hobbs auch. Und hast du nicht diese Leute unterstützt, die meinten, die Menschenrechte würden für Schwule nicht gelten?“
 

„Ich bitte dich, sie mögen treiben, was sie wollen, aber heiraten…“
 

„Ja, das würde sie auf eine Stufe mit uns „Normalen“ heben. Und das wollen wir ja nun wirklich nicht“, erwiderte Jennifer bitter.
 

Craig schluckte und wechselte das Thema: „Brians Kind… Gus… das lebt jetzt bei ihnen?“
 

„Nicht nur das, Lindsay hat das Sorgerecht ausdrücklich an Brian und Justin weitergegeben. Vor dem Gesetzt sind sie jetzt seine Eltern. Und damit sind sie momentan von morgens bis abends beschäftigt.“
 

Craig war in seinem Sessel zurück gesunken. Ihm schwirrte der Kopf. Es war ihm klar gewesen, dass Justin ihm fremd geworden war. Dass er ihn vielleicht auch nicht wieder sehen wollte. Aber er hatte keine Vorstellung von Justin jetzt, von Justins Leben gehabt.
 

„Er ist doch noch so jung… und jetzt, verheiratet, ein Kind…“, kam es aus ihm heraus.
 

„Justin musste früh erwachsen werden. Er ist nicht wie die meisten seines Alters. Und daran bist du auch nicht unschuldig. Er war immer stark, immer zielstrebig, manchmal auch in einem fatalen Maße. Er lebt sein Leben und nicht eines, das ihm aufgenötigt wurde – oder das er aus Angst oder Trägheit dem vorzieht, das er eigentlich will.“ Wie ich. Wie wir.
 

Craig schloss die Augen. Er hatte das Gefühl, ein tonnenschweres Gewicht läge auf seinen Schultern.
 

„Was willst du ihm sagen?“ fragte Jennifer ihn.
 

„Ich weiß es nicht“, flüsterte Craig, „ich weiß es nicht.“
 

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Zweifelnd stand Brian vor dem liebevoll aus Plexiglas, Holz, Röhren und Draht gebauten Gebilde, das Justin für ihre neuen Mitbewohner gebastelt hatte. Gus hockte neben seinem Heimwerker-Gatten auf dem Boden und schaute mit offenem Mund fasziniert auf die kleine Plastik-Transportbox, in der es verdächtig raschelte. Vorsichtig öffnete Justin sie und hob die im Moment noch schreckensstarren Tiere in den Käfig. Sie verharrten kurz, dann flitzten sie schneller als der Blitz in Deckung, eine Ladung Streu hinter sich lassend. Rosettenmeerschweinchen, dachte Brian. Mutter Natur konnte echt abartig sein. Warum hatte Gus sich ausgerechnet Modelle mit einer derart üblen Rassenbeschreibung aussuchen müssen? Auf pelzige Rosetten im Haus konnte er im Moment nun wirklich verzichten… Aber er vermutete, es würde Einspruch hageln, wenn er versuchen würde, sie zu rasieren.
 

„Wie willst du sie nennen?“ fragte Justin Gus.
 

Gus legte grübelnd den Kopf in den Nacken.
 

„Also mich erinnern sie irgendwie an Ted und Emmet“, bemerkte Brian.
 

Gus strahlte.
 

„Oh nein…“ entfuhr es Justin gequält, „du bist so ein übler…“
 

Brian kniete sich neben die anderen beiden: „Siehst du, Gus, das Lange mit dem wüsten Look, das sieht doch echt aus wie Onkel Emmet. Und das kleine Dicke da wie Onkel Ted, wenn er seine Diät mal wieder schleifen lässt…“
 

Gus begann zu kichern: „Das stimmt, Papa!“
 

Justin seufzte schicksalsergeben: „Ist diese Art von Humor eigentlich erblich? Oder lernt Gus lediglich schnell?“
 

„Gus ist ein kluger Junge mit guten Genen“, antwortete Brian und drückte von hinten seinen Sohn an sich, der begonnen hatte, laut zu lachen.
 

„Dem wage ich nicht zu widersprechen“, sagte Justin augenrollend.
 

Ted und Emmet musterten sie misstrauisch.
 

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Es kostete sie einiges an Überzeugungsarbeit, Gus von seinen neuen Lieblingen fort zu locken, um den Tieren Zeit zu geben, sich in der geschützten Ecke Gus‘ Zimmer, in der ihr neues Domizil stand, in Ruhe zu Recht zu finden. Brian mochte sie für die albernsten Geschöpfe unter der Sonne halten, dennoch waren es Lebewesen, auf deren Bedürfnisse es Rücksicht zu nehmen galt – und eben das sollte Gus mit ihnen ja auch lernen. Der kleine Junge trennte sich nur unwillig, nachdem sie ihn hatten die Futtertraufe mit Heu füllen lassen. Seine Aufgabe, solange die beiden seine Gefährten sein würden, darauf galt es ein Auge zu haben. Dass Meerschweinchen gut und gern acht Jahre alt werden konnten, hatte Justin Brian besser nicht unter die Nase gerieben.
 

Justin stand dick eingemummelt auf dem Platz neben der Eingangstür und wärmte sich die Finger an einem Becher Kaffee. Auf der provisorisch gemähten Rasenfläche schossen Brian und Gus den Fußball hin und her. Gus flitzte wie eine Rakete über das Grün, hoch konzentriert auf den Lederball fokussiert. Brian hatte Recht gehabt – der Kleine liebte dieses Spiel und zeigte eine für sein Alter beträchtliche Wendigkeit und Ausdauer. Seine Mütter waren nie auf die Idee gekommen, ihn bei einer derartigen Macho-Sportart anzumelden. Gus war zum Kinderturnen gegangen, auch ein wenig Baseball im Garten in einer Schaumstoffausrüstung war ihm vergönnt gewesen. Aber das hatte wohl nicht verhindern können, dass Gus Herz für andere Dinge schlug. Auch Brian war versunken, achtete darauf, den Jungen zu fordern, aber ihn nicht zu frustrieren. Justin sah fasziniert, dass Brian hierbei eine Geschmeidigkeit an den Tag legte, die bei anderer körperlicher Bewegung nur durchschimmerte wie ein Versprechen. Nur im Bett kam sie voll zum Tragen. Und offensichtlich beim Fußball. Allmählich dämmerte Justin, welches Talent Brian für diese Sportart gehabt haben musste, dass sie ihm die Tür zum College geöffnet hatte. Anscheinend hatte Gus diese Begabung geerbt. Der Kleine atmete schwer, dennoch ließ er nicht locker, und erwischte einen weiteren Ball, den Justin schon verlustig gegeben hatte. Brian zeigte Gnade, indem er den Ball stoppte und sagte: „Schau mal, Gus!“ Er stupste die Lederkugel kurz an, sie sprang hoch, er erwischte sich mit dem Spann, katapultierte sie wieder nach oben, fing sie wieder ab, folgte dem Lauf, erwischte sie wieder… Gus Augen klebten fasziniert an den Bewegungen des Balls und seines Vaters.
 

„Ich will das auch!“ schrie er und rannte hinüber zu Brian.
 

Brian lachte und ließ den Ball wieder landen. Er trat ihn zu Gus hinüber. Gus legte die Zunge schief in den Mund, dann versuchte er sein Glück. Es gelang ihm, den Ball hochspringen zu lassen und ihn mit dem Spann abzufangen, dann pralle er unkoordiniert ab und verabschiedete sich in Richtung der Büsche. Gus zog ein enttäuschtes Gesicht.
 

„Macht nichts, Gus, das muss man erst lernen.“
 

„Ich will das lernen!“
 

„Dazu musst du üben, regelmäßig“, sagte Brian.
 

„Übst du mit mir?“
 

„Sicher, Sonnyboy, ich üb‘ mit dir. Aber du kannst auch alleine üben. Oder mit anderen Kindern?“ sein Blick suchte Justins.
 

Justin zog die Schultern hoch: „Du willst ihn beim Sportverein anmelden?“
 

„Warum nicht?“
 

„Spricht nichts dagegen. Aber dir ist schon klar, dass du uns damit vielleicht in alle Ewigkeiten dazu verdammst, jedes Wochenende zwischen den anderen Spielermuttis und-papis am Spielfeldrand zu hocken?“
 

„Du darfst auch das Fähnchen schwenken und die Laola-Welle starten.“
 

„Ich will lieber ne Tröte und ein Bier.“
 

„Geht klar.“
 

„Na dann.“
 

Justin wandte sich ab, als er von drinnen das Telefon schrillen hörte. Er eilte voran, während er aus dem Augenwinkel beobachtete, wie Brian sich Gus schnappte und den immer noch erhitzten Jungen an den Knöcheln haltend auf den Kopf stellte, dass dieser gleichzeitig Laute des Glücks und der Abwehr von sich gab. Kindsköppe, alle beide, dachte er. Aber wenn dieser dusselige Ball die beiden so begeisterte, wollte er den Spaß nicht trüben. Es tat gut, sie so gelöst zu sehen.
 

Er nahm den Hörer ab. „Taylor-Kinney“, meldete er sich. Normalerweise stellte er sich nach wie vor mit seinem ursprünglichen Namen vor, am Telefon konnte der Doppelname jedoch Verwirrungen vermeiden, jetzt da sie ständig irgendwelche Baufirmen, Innenausstatter und Handwerker an der Strippe hatten, deren Verträge sie mit ihrem neuen Namen hatten unterzeichnen müssen, um sie gültig zu machen.
 

„Justin?“ kam Michaels ziemlich verwirrte Stimme durch den Äther.
 

Oh Mist.
 

„Hallo Michael“, grüßte er möglichst gelassen zurück.
 

„Was war das denn eben? Taylor-Kinney? Hast du Brians Namen angenommen?“
 

„Äh ja“ antwortete Justin. Sollte er Michael in der Annahme belassen, dass nur er seinen Namen geändert hatte? Er würde es sowieso früher oder später heraus bekommen. Und je später, desto gekränkter würde er sein. Das würde Justin zwar nicht postwendend das Herz brechen, aber für Brian könnte das schwierig werden. Er runzelte etwas ärgerlich die Stirn, dass Brian ihm nicht zuvor gekommen war.
 

Er räusperte sich und bekräftigte noch einmal: „Ja. Wir haben einen gemeinsamen Familiennamen angenommen, vor allen Dingen aus rechtlichen Gründen. Brian, Gus und ich heißen jetzt offiziell Taylor-Kinney.“
 

„Was… echt? Dein Name zuerst?“
 

Justin konnte Michaels Entgeisterung förmlich riechen. Dachte er, der Name sei Ausdruck einer Hackordnung oder was?
 

Etwas reserviert sagte er: „Wir fanden beide, so herum klänge es besser.“
 

Michael schwieg kurz. Dann sagte er: „Okay… Ich rufe eigentlich an wegen der Haushaltsauflösung in Toronto. Die Miete ist zwar noch gedeckt, aber nicht mehr lange. Und wir können die Sachen nicht ewig dort belassen.“
 

Justin seufzte. Ach ja, das mussten sie ja auch noch erledigen. Michael hatte Recht. „Lass mich nachdenken… Schaffen wir das am nächsten Wochenende? Gus könnte solange zu seinen Großeltern, die schlagen Purzelbäume, wenn sie ihn das ganze Wochenende bekommen.“ Und Ted und Emmet…
 

Michael hörte sich erleichtert an: „Das dürfte klappen. Ben bleibt daheim, kümmert sich um die Kinder. Er hat auch von der Uni aus grad ziemlich viel am Halse. Aber meine Mutter kann mitkommen.“
 

Debbies praktischer Verstand würde bei ihrer schweren Aufgabe von Nutzen sein. „Gut“, meinte Justin, „ich spreche mit Brian. Wir sagen dann Bescheid, dann können wir ein Hotel buchen.“
 

„Okay, melde dich. Und grüß Brian und Gus von mir!“
 

„Mach ich. Grüß du auch alle. Bis dann.“
 

„Bis dann“, verabschiedete sich Michael.
 

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Michael starrte die Wand an.
 

Taylor-Kinney, dachte er.
 

Taylor-Kinney.
 

Er schluckte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  brandzess
2011-08-21T16:40:47+00:00 21.08.2011 18:40
oh Nathalie wird gucekn wenn Gus mit zwei übergroßen ratten vor der tür steht xD (hier kann ich sehr gut mir Biran mitfühlen, ich hasse Meerschweinchen auch^^)


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