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Sonate

Fortsetzung von Serenade
von

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Vergessene Gefühle

Ein großer Schmerz so alt wie die Zeit

ein Gefühl, welches Sehnsucht heißt

und sich wie ein Tier in deinen Körper beißt

die empfindsame Seele mit jedem Tag mehr zerreißt
 

Deine Augen sind matt und in Blut getränkt

weil dein trauerndes Herz die Liebe nicht mehr kennt

Aber manchmal müssen Wunder geschehen,

wirst du rechtzeitig verstehen?

Oder muss der geliebte Mensch erst sein Leben geben?

Erwachendes Leben

Mit einem hörbaren Seufzen warf Akaku ihr langes, schwarzes Haar in den Nacken und zwang sich weiterzugehen. Aber ihr Herz klopfte wie verrückt; wie würde Kamijo auf die, an sich freudige, Nachricht reagieren? Das junge Mädchen legte die Hände auf ihren Bauch, noch fühlte man nichts von dem kleinen Wunder, doch das würde sich bald ändern. Ein winziges Lächeln huschte über ihre weichen Gesichtszüge und eine unterschwellige Freude berührte ihr Herz.

Dennoch blieb eine gewisse Angst zurück; würde ein Baby in Kamijos Pläne passen? Konnte man es mit der Band und den ganzen Pflichten vereinbaren? Und, was würde das für ein Kind werden? Auch wenn Akaku ihr Schicksal, dank Kamijos Liebe und der Unterstützung ihrer Freunde, zu akzeptieren gelernt hatte, blieb sie doch ein schwarzer Engel. Die Schwarzhaarige hatte keine Ahnung, ob und inwiefern sich dies auf die Entwicklung des Kindes auswirken würde. Ihrem Wissen nach existierten keine Aufzeichnungen darüber, dass solche Wesen jemals Nachwuchs gezeugt hatten.

Mit unsicherem Blick klopfte Akaku an die Tür des Proberaums. Dort machte die Band gerade eine Pause und Hizaki ließ sich mit einer Flasche Wasser in der Hand auf die mit Samt bezogene Couch fallen. Sein langes, aufwendiges Barockkleid, welches große Ähnlichkeit mit einer Blumenwiese hatte, bedeckte dabei fast die ganze Sitzfläche. Yuki trank beruhigt seinen Kaffee, während er halbherzig versuchte, Jasmine und Teru auseinander zu bringen. Der Bassist und der Gitarrist neckten sich gegenseitig mit kleinen Streichen, bei denen man zwischen Lachen und Kopfschütteln schwankte. Obwohl Jasmine erst vor knapp einem Jahr in die Welt der Lebenden zurückgekehrt war, verhielt er sich genauso wie früher. Seine Erinnerungen an das Paradies hatte der Bassist weitestgehend hinter sich gelassen, auch wenn er es als sehr schön empfunden hatte.

Kamijo betrachtete die Balgerei seiner Kollegen mit einem wohlwollenden Schmunzeln, während seine Gedanken sich in der Musik verloren; Hizakis Gitarrenpart bei „Destiny the Lovers“ gefiel ihm noch nicht so recht. Dieser wandte den Kopf, als es leise an die Tür klopfte. Er begrüßte Akaku mit einer sanften Umarmung, welche diese zögernd erwiderte. Auch Kamijo hatte seine Frau bemerkt und küsste sie zärtlich. „Was ist los? Du wirkst abgelenkt“, fragte er sofort, denn Akakus Unsicherheit war mehr als offensichtlich. Die anderen Bandmitglieder musterten die Schwarzhaarige besorgt und Jasmine kaute unruhig auf der Lippe, was war passiert?

Akaku atmete noch einmal tief durch und senkte den Blick: „Kamijo...Ich muss dir etwas sagen!“ Ihr zittriger Tonfall beruhigte den Leader keineswegs. Abwartend schaute er sie an, setzte sich neben ihr auf die Couch und hielt ihre eiskalte Hand. Dass es um etwas Ernstes ging, wusste er sofort. Doch was konnte es sein? Der Blondhaarige schauerte ein wenig und ging im Geiste alle ihm bekannten Möglichkeiten durch: Hing es mit Akakus Fähigkeiten zusammen? Oder mit ihrer Vergangenheit? War sie wieder einem Toten begegnet? Brauchte jemand ihre Hilfe?

Das junge Mädchen bemerkte den gedanklichen Aufruhr ihres Liebsten und schüttelte leicht den Kopf. Sie blickte ihm fest in die Augen, „Kamijo“, sprach sie und legte seine Hand auf ihren flachen Bauch, „Du wirst Vater!“ Als Akaku diese Worte ausgesprochen hatte, fiel ihr eine regelrechte Lawine von der Seele. Der Leader hingegen glaubte im ersten Moment, sich verhört zu haben. Vater? Er, Kamijo, würde eine Familie haben? Diese Erkenntnis musste erstmal auf ihn wirken, obwohl er es sich insgeheim immer gewünscht hatte. Trotzdem hatte es bisher nie ins Konzept gepasst. Nachdem der Blondhaarige seine Depressionen wegen Lareine überwunden hatte, waren das Label und später Versailles seine Berufung, sein Lebensinhalt gewesen. Aber es gab auch viele andere schöne Dinge, was Kamijo durch die Heirat mit Akaku gelernt hatte.

Der perplexe Gesichtsausdruck wich einem Strahlen, welches der Sonne hätte Konkurrenz machen können. „Das ist ja wunderbar! Ich kann es gar nicht glauben“, jubelte der Blondhaarige und wirbelte seine Frau durch die Luft. Akakus schwarze Haare flogen dabei wie die Schwingen eines Raben und auch sie lachte befreit; Kamijos positive Reaktion erhellte ihr Gesicht wie der Sonnenschein.

Jasmine fand als Erster der anderen seine Sprache wieder: „Habe ich es nicht gesagt?“ Sein Glocken helles Lachen hallte durch die Wände. Er ging auf Akaku zu und hob sie, trotz ihres Protestes, auf seine Arme. „Weißt du, was es wird?“ Auch Kamijo stellte sich diese Frage und fügte noch hinzu: „Egal, ob Mädchen oder Junge; ich werde ihm ein guter Vater sein!“ Auch die übrigen Bandmitglieder lösten sich allmählich aus ihrer Erstarrung und freuten sich mit den beiden. „Das ist ja eine tolle Nachricht! Glückwunsch an euch beide“, jubelte Hizaki und küsste Kamijo und Akaku auf die Wangen. „Eine kleine Prinzessin würde zu euch passen“, warf Yuki schmunzelnd ein, woraufhin Akaku ihn musterte. „Das wünsche ich mir auch“, lächelte sie verträumt, „Ich bin so glücklich; wir werden eine Familie. Aber wird es keine Probleme mit der Band geben?“

Kamijo schüttelte den Kopf und küsste sie. „Wieso sollte es“, lächelte er. Mittlerweile war der Leader sich hundertprozentig sicher, dass es ihm gelingen würde, Familie und Versailles miteinander zu verbinden. Und wenn es doch mal zu Engpässen kommen sollte; Unterstützung gab es genug. „Los!“, trieb der Bassist zur Eile an, „Wir sollten es den anderen sagen. Das muss gefeiert werden!“ Seine Augen funkelten dabei wie frisch polierte Edelsteine. Die Mitglieder von Versailles nickten zustimmend und Kamijo griff lachend zum Handy. „Moshi…moshi…Yoshiki desu“, meldete sich die tiefe Stimme des Pianisten

„Kamijo hier! Ich habe dir etwas Wichtiges zu erzählen, das so unglaublich ist, das ich es selbst kaum fassen kann: Es wird bald Familienzuwachs geben!“ Die Stimme des Leaders überschlug sich regelrecht vor Freude.

„Was..echt?“, Yoshiki brauchte einige Minuten, um die Information zu verarbeiten, doch dann strahlte auch er übers ganze Gesicht. Denn auch wenn man es ihm in seinem Ruf als Arbeitstier nicht zutraute; Yoshiki liebte Kinder. „Herzlichen Glückwunsch ihr beiden! Das sollten wir feiern! Habt ihr Lust, unser Konzert zu besuchen? Wir spielen heute Abend im Tokyo Dome!“

„Wir werden deiner Einladung gerne folgen. Vielen Dank.“, stimmte der Leader zu und sprach damit für alle Anwesenden, welche begeistert nickten, „Bis heute Abend also!“

„Ist doch kein Problem, schließlich ist Akaku doch wie eine Tochter für mich und du praktisch so etwas wie mein Schwiegersohn.“, erwiderte Yoshiki grinsend, „Ich sage meinen Leuten Bescheid. Ihr kommt selbstverständlich hinter die Bühne. Ich möchte nicht, das Akaku sich in ihrem Zustand in der Menge aufhält!“ Yoshiki legte auf und informierte die Security sowie seine Bandkollegen und den Staff über die Ereignisse.

Akakus Gesichtszüge entgleisten förmlich, als sie die Neuigkeit vernahm. Sie klatschte aufgeregt in die Hände und Freudentränen sammelten sich in ihren Augen.. „Ich werde X Japan sehen?“ Es fehlte nicht mehr viel und die Schwarzhaarige wäre durchs Zimmer getanzt. Kamijo freute sich, seine Frau so glücklich zu sehen, „Ja das wirst du. Und laut Yoshiki werden wir Backstage kommen. Du wirst dich also in Ruhe mit ihm unterhalten können“, grinste er. „Ich habe einen Vater und einen Liebsten…womit habe ich dieses Glück verdient?“ Akaku küsste Kamijo und vergaß alles um sich herum. Nach ihrer Hochzeit mit dem Versailles-Leader war auch der Kontakt zu Yoshiki immer enger geworden. Aus ihrer Freundschaft war eine tiefe Zuneigung gewachsen. Nach und nach hatte dieser seine strenge Maske abgelegt und den sensiblen – verletzlichen Kern offenbart. Diese Freundschaft fand ihren Höhepunkt mit Yoshikis Frage, ob er Akaku als Tochter adoptieren dürfe. Es fehlten nur noch die Unterschriften.

„Dieselbe Frage müsste ich stellen“, lächelte Kamijo sanft und erwiderte den Kuss. Sein Leben konnte vollkommener nicht sein. Die Heirat mit Akaku hatte es in einen blühenden Rosengarten verwandelt. Zwar waren die Erklärungen bezüglich Jasmines Rückkehr etwas schwer zu finden gewesen, aber die Welt hatte sie akzeptiert. Denn was viele nicht wussten; Kamijo war ein Mensch, welcher die Gegenwart von geliebten Personen brauchte wie die Luft zum Atmen.

Aufgeregt machten sich alle für das Konzert zurecht; Versailles schlüpften in ihre Bühnenoutfits, wobei Kamijo gefühlte hundert Stunden das Badezimmer blockierte und man von Glück reden konnte, das Terus Plateauschuhe nicht fest genug waren, um die Tür einzutreten. Akaku wählte ihr neuestes Kleid aus dem Spiel „Vocaloid“, wobei Jasmine ihr beim Anziehen helfen musste. Nach 2,5 Stunden waren endlich alle fertig und sie fuhren zum Tokyo Dome. Dem jungen Mädchen blieb der Mund offen stehen, auch wenn sie das Gebäude schon kante, war es jedes Mal aufs Neue beeindruckend. „Imposant, nicht wahr?“, fragte der Blondhaarige und vergrub den Kopf in ihren Haaren. Die Schwarzhaarige nickte atemlos, ehe sie an den wartenden Fans vorbei ins Backstage gingen. Akaku spürte die neidischen Blicke im Rücken. Aus nicht wenigen Augen sprach der pure Hass. Sie seufzte und rang die namenlose Furcht nieder, bevor diese sichtbare Ausmaße annehmen konnte. Natürlich hatten ihre Heirat mit Kamijo und der enge Kontakt zu Yoshiki den Hass einiger Fans geschürt, das war der Schwarzhaarigen von Anfang an klar gewesen. Doch das diese Wut nach beträchtlicher Zeit noch immer nicht verraucht war, damit hatte Akaku nicht gerechnet. Der Leader bemerkte die Unruhe seiner Frau und legte tröstend den Arm um ihre Schultern. Nicht ohne den Fans einen zornigen Blick zu schenken, was diese allerdings nicht verstanden. Auch Jasmines Augen funkelten, jedoch enthielt er sich jeglichen Kommentars.
 

Endlich erreichten sie den abgeschirmten Bereich und Akaku beruhigte sich wieder. Es dauerte nicht lange, bis Yoshiki auf der Bildfläche erschien. Er ließ sofort seine kühle – distanzierte Fassade fallen und umarmte seine „Tochter“ stürmisch. „Ich freu mich so für dich“, flüsterte der Drummer und Freudentränen glitzerten in seinen Augen. Die Schwarzhaarige lächelte nur sanft und intensivierte die Umarmung. Yoshikis Frage nach der Adoption hatte sie, nach ihrer Hochzeit, am Glücklichsten gemacht. Und diese Freude mit ihm teilen zu können, erfüllte sie mit Euphorie. Jasmine betrachtete die Szene schmunzelnd und kicherte: „Ja ja…jetzt wird Yoshiki auch noch Opa!“ „Opa?“, abprubt löste der Pianist sich aus der Umarmung, kratzte sich am Kopf und setzte einen gespielt entrüsteten Gesichtsausdruck auf, „So alt bin ich nun auch wieder nicht!“

Akaku ging mit einem hinterlistigen Grinsen auf den Bassisten zu und verpasste ihm einen leichten Tritt gegen das Schienenbein, was dieser sich natürlich nicht gefallen ließ. Im Nu war eine wilde Verfolgungsjagd im Gange, bei der Haare und Kleider nur so flogen. Auch Hizaki, Yuki und Teru mischten dabei kräftig mit, was bei Ersterem besonders ulkig aussah. Kamijo stand nur lachend neben Yoshiki und beobachtete das Geschehen. „Sie ist ein wahres Goldstück“, meinte er liebevoll über seine Frau. „Das ist sie definitiv“, der X – Leader nickte lächelnd und nahm die Hand seines „Schwiegersohns“, „Sie ist noch nicht offiziell meine Tochter, doch liebe ich sie nicht weniger. Akaku! Nicht so wild!“ Nach fünfzehn Minuten blieb das junge Mädchen keuchend stehen. Auch, weil es für X Japan Zeit wurde, auf die Bühne zu gehen. Schon jetzt hörte man den Jubel der Fans deutlich.

Schwester der Dunkelheit

Akaku und die Mitglieder von Versailles standen direkt vor der Bühne und verfolgten atemlos jede Bewegung von dort. Besonders die Schwarzhaarige zitterte wie Espenlaub. Dann war es endlich soweit; durch die Schwaden eines künstlich erzeugten Nebels betraten X Japan die Bretter, welche für sie die Welt bedeuteten. Sugizo warf Akaku grinsend eine Kusshand zu, was diese erwiderte.

Yoshiki bildete das Schlusslicht, würdevoll setzte er sich hinter seinen Kristallflügel. Die Töne, welche er dem Instrument entlockte, ließen alle Stimmen in der großen Halle wie auf Kommando verstummen. Alle lauschten dem unvergleichlichen Spiel. Auch Akaku verlor sich rettungslos in den Klängen; wie lange hatte diese Musik ihre Seele beschützt? Tränen der Rührung flossen über ihre Wangen. „Ich kenne keinen, dessen Spiel mich mehr in den Bann ziehen und begeistern würde…“, meinte Kamijo zu seiner Frau und legte dem Arm um ihre Schultern. „Ja…in der Tat, es ist pure Magie“, flüsterte sie ergriffen. Niemand ahnte in diesem Moment, das eine solche Wirkung auch Gefahren bergen konnte.

Denn nicht weit von der Bühne entfernt stand eine junge Frau namens Kuroi, welche dieselbe Begeisterung teilte und deren graue – grüne Augen unablässig auf Yoshiki gerichtet waren. Faszination und Leidenschaft, aber auch eine gewisse Unruhe und Sorge spiegelten sich in ihnen. Als der neue Song „Jade“ gespielt wurde, verlor sie die Beherrschung und weinte, da dieses Lied sehr viele Emotionen in ihr auslöste. Der Pianist schaute kurz in die Menge, wobei ihm der weiße transparente Mantel von den Schultern glitt und den Blick auf seinen wunderschönen Körper freigab. Er legte seine ganzen Empfindungen in das Klavierspiel und schrie seinen Liebeskummer hinaus. Denn kaum einer wusste, dass dieser Song seiner Ex-Freundin galt.

Aber dabei hatte Yoshiki die Rechnung ohne Kuroi gemacht, denn sie spürte diesen wohlbekannten Schmerz nur zu deutlich. Die Tränen vermischten sich mit dem Make-up, färbten diese nachtschwarz und die Gefühle nahmen Überhand. Ohne es zu wollen, rollten ihre dunklen Kräfte wie eine tödliche Woge heran und schlugen über ihr zusammen. Innerhalb von Sekunden wurde Kurois Aura rot wie Blut und strahle eine gefährliche Energie aus. Im nächsten Moment spross ein einzelner Engelsflügel empor und die Federn flogen kreuz und quer um sie herum. Die Fans wichen erschrocken zurück, eiskalte Panik stand in ihren Augen. Unkontrolliert flogen Materialien und kleinere Gegenstände durch die Halle, alle flüchteten zu den Ausgängen und es grenzte an ein Wunder, das dabei niemand verletzt wurde. Das letzte, was Kuroi wahrnahm, war der fassungslose Blick Yoshikis, den sie verwirrt und schuldbewusst erwiderte. „Verzeih mir“, formten ihre Lippen noch, ehe die junge Frau völlig erschöpft zusammenbrach. Die finsteren Kräfte hatten ihren Tribut gefordert.
 

Akaku beobachtete das groteske Schauspiel ebenfalls mit weit aufgerissenen Augen, konnte das möglich sein? Es gab noch andere schwarze Engel außer ihr selbst? Offensichtlich schon, nur hatte diese Frau ihre Kräfte wohl überhaupt nicht im Griff. „Verflucht“, schimpfte Akaku und verwandelte sich ebenfalls. Mithilfe ihrer Flügel, welche ihr einen gewissen räumlichen Spielraum ließen, gelang es ihr, die ohnmächtige Kuroi aus der Menge zu ziehen. Versailles waren gerade dabei, den Schock zu verdauen, als die Schwarzhaarige mit dem Mädchen auf dem Arm in Richtung Backstage marschierte.

Kamijo reagierte sofort und nahm ihr die Last ab, da er nicht wollte, dass seine Frau sich in ihrem Zustand überanstrengte. Vorsichtig legte er den Engel auf eines der Sofas dort und musterte ihr leichenblasses Gesicht. Das schulterlange, blaue – schwarze Haar fiel weich über die Lehne und das wallende Kleid in der Farbe des Schnees klebte schweißnass an ihrem Leib. Man konnte nur ansatzweise erahnen, wie zierlich Kuroi eigentlich war.

Alle anderen versammelten sich um die drei. „Ist sie auch ein schwarzer Engel?“, wollte Yuki wissen und schaute Akaku an. Diese nickte: „Es sieht ganz danach aus und das Lied hat sie emotional so aus dem Gleichgewicht gebracht, das ihre Kräfte ungehindert ausschlugen. Jedoch sind diese wohl gefährlicher als meine!“ „Wie meinst du das“, fragte Jasmine weiter und ihm wurde klar, dass sie es mit einem neuen Problem zu tun hatten. „Die fliegenden Gegenstände...das sieht mir nach Telekinese aus.“, erklärte die Schwarzhaarige geduldig, „Die Fähigkeit, etwas durch bloße Gedankenkraft bewegen zu können. Nun stellt euch mal das Chaos vor, wenn jemand das nicht im Griff hat.“ „Und genau das ist bei ihr der Fall“, meinte Hizaki.

Sie hatten es mit eigenen Augen gesehen und alles sprach dafür. „Definitiv, mir sind am Anfang auch Unfälle passiert, weil ich meine Fähigkeiten noch nicht zu kontrollieren wusste. Allerdings war das Ausmaß niemals derart gravierend!“ Sie blickte die bewusstlose Kuroi an und bemerkte, dass sie sich allmählich regte.

Langsam erwachte die Blau-schwarzhaarige aus der Dunkelheit und öffnete die Augen. Im ersten Moment starrte sie die kleine Gruppe erschrocken an, wer waren diese Menschen? Doch als Kuroi sich aufsetzen wollte, versagte ihr noch geschwächter Körper den Dienst. Zum Glück war Teru zur Stelle und hielt sie fest. „Danke“, lächelte sie ihn schüchtern an und musterte die kleine Gruppe fragend, „wo bin ich? Was ist passiert?“ Akaku lächelte freundlich und gab ihr die Hand. „Hallo, ich bin Akaku und das hier ist die Band Versailles. Du befindest dich im Backstage Bereich des Tokyo Domes.“, ihr Blick wurde ernster, „Weißt du, was passiert ist?“ Die Blau-schwarzhaarige erwiderte das Lächeln und den Händedruck: „Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Kuroi! Tokyo Dome?“, die letzten Worte verließen fragend ihren Mund, ehe die schönen Augen sich vor Angst und Schuldgefühlen trübten. „Sind alle o.k.? Es tut mir so leid.“, rief sie schon fast panisch, bevor ihr Körper, von Schluchzen und Verzweiflung geschüttelt, erneut zusammenbrach. „Was habe ich nur getan? Diese verfluchten Kräfte.“, ihre Stimme war nur noch ein Murmeln.

Doch Akaku reagierte blitzschnell und nahm das völlig aufgelöste Mädchen in die Arme: „Hey...Hey…es ist alles gut, niemand ist verletzt. Sie haben sich nur ein wenig erschrocken!“ Beruhigend strich die Schwarzhaarige über Kurois zitternden Rücken. „Nichts ist gut“, entgegnete diese und schaute Akaku traurig an. Wie sollte sie das wiedergutmachen? Sie hatte das Konzert ruiniert, ausgerechnet eines der Dinge, welche Yoshiki soviel bedeuteten. Die Tränen wollten kein Ende nehmen.

Genau in diesem Augenblick ging die Tür auf und der Drummer betrat den Raum. Er trug nach wie vor die enge schwarze Lackhose und den durchsichtigen Mantel. Einzelne Schweißtropfen perlten aus seinen gebleichten Haaren: „Ist alles wieder in Ordnung? Was war überhaupt los?“ Blitzschnell löste Kuroi sich aus Akakus Umarmung und verlor sich regelrecht in Yoshikis Augen. Dort stand er; jene Person, die für sie wertvoller war als alles auf der Welt. Ihr Herz schlug wie verrückt. Dennoch senkte sie betroffen den Blick. „Es tut mir so wahnsinnig leid…ich habe das nicht gewollt.“, noch immer zerriss ein Schluchzen ihre Worte. Der Pianist lächelte sanft und ging auf das verzweifelte Mädchen zu. „Nicht weinen.“, sagte er und wischte mit dem Daumen Kurois Tränen weg. Die Berührung ließ sie zusammen zucken und gleichzeitig verwirrte es sie: Wieso war Yoshiki nicht sauer? Sie hatte schließlich sein Konzert ruiniert! Und überhaupt; warum fürchtete sich niemand vor ihr und nahm ihre dunkle Seite als selbstverständlich hin? Fragen über Fragen tanzten durch ihren Kopf wie ein Wirbelsturm.

Akaku bemerkte ihre Reaktion und lachte: „Du wunderst dich sicher, warum wir uns nicht fürchten. Obwohl du anders bist als die übrigen Menschen, nicht wahr?“ „Ja, aber woher…“, entgegnete Kuroi überrascht. Wie konnte Akaku das wissen? Oder hatte sie es einfach nur geahnt? Wer war dieses Mädchen? „Ganz einfach.“, lautete die Antwort und sie grinste noch mehr, „Tretet mal alle zur Seite!“ Die schwarzen Schwingen wuchsen aus ihrem Rücken und innerhalb von Sekunden stand der Engel in seiner ganzen Pracht im Raum. Erstaunen und Ungläubigkeit mischten sich in Kurois Blick, „Du bist auch ein schwarzer Engel!“, rief sie erleichtert. Endlich gab es jemanden, der ihre Situation verstand und es nicht nur heuchelte. „Ich hätte eine Bitte an dich.“, wandte sie sich schüchtern an ihre „Schwester“, „Kannst du mir helfen, meine Fähigkeiten beherrschen zu lernen?“ Eine Hoffnung, welche schon längst vergessen war, keimte von Neuen

„Ja, das bin ich und ich kann deine Situation mehr als gut verstehen.“, erwiderte die Schwarzhaarige und verwandelte sich zurück, „Mir ging es früher nicht anders. Doch durch eine Verkettung von Wundern und Zufällen habe ich jetzt Freunde, einen Ehemann und bald sogar ein Kind.“ Liebevoll nahm sie Kamijos Hand und streichelte diese. „Zufälle?“, Jasmine verzog das Gesicht und knuffte die Schwarzhaarige in die Seite, „Du lässt aber einiges aus, Akaku!“ Der Bassist begann von dem damaligen Ereignissen zu erzählen und wurde manchmal von dem Leader ergänzt. Yoshikis Hand schloss die Kette, welche Hide ihm von Jasmine hatte überbringen lassen. „Wie du siehst, läuft es ganz gut für sie“, schloss Kamijo den Bericht und tröstete Kuroi damit ebenso wie Akakus Worte es taten. Durch diese beiden erfuhr sie nun, dass ihre Fähigkeiten nicht zwingend schlecht waren und dass man mit ihnen auch normal leben konnte. Und genau das würde ihr Ziel werden!

Kuroi fühlte sich schon viel besser, „Und du meinst, ich kann es auch schaffen?“, fragte sie hoffnungsvoll und es gelang ihr sogar, Yoshiki etwas schüchtern anzulächeln. „Das definitiv.“, erwiderte Akaku zuversichtlich und schloss die neue Freundin in ihre Arme, „Du kannst bei uns wohnen, oder Kamijo? Gleich morgen werden wir üben!“ „Klar, das dürfte kein Problem sein. Genügend Räume stehen zur Verfügung.“, entgegnete der Angesprochene lachend, was zur Folge hatte, das Kuroi freudig aufsprang und ihn ebenfalls in eine sanfte Umarmung zog. „Du schaffst es.“, warf Yoshiki ein und drückte ermutigend ihre Hand, ehe er sie kurz in die Arme zog, „So…jetzt muss ich los und das Chaos beseitigen!“ „Aber wir sollten auch nach Hause gehen, es ist schon spät. Auf Wiedersehen, Papa…bis bald.“, sagte Akaku und fiel ihm leicht gähnend um den Hals. „Papa.“, kaum hörbar wiederholte der Drummer die Worte und lächelte. Wie er dieses Mädchen liebte, sie war die Tochter, welche ihm versagt geblieben war.
 

„Hört…hört…ganz neue Worte von Akaku.“, Jasmine grinste und wich geschickt aus, um einer möglichen Rache zu entgehen. Tatsächlich schwankte der Gesichtsausdruck des Engels zwischen Wut und Belustigung. Als Yoshiki Kuroi umarmte, schlug ihr Herz sofort wieder schneller und sie hoffte, dass er es nicht bemerken würde. „Es tut mir so leid.“, entschuldigte sich die Blauschwarzhaarige noch einmal und verbeugte sich tief. Etwas verwundert schaute Kuroi die beiden, Yoshiki und Akaku, an. „Papa?“, meinte sie und mit einem fragenden Unterton und innerlich schnürte ihr Herz sich schmerzlich zusammen. War Yoshiki doch vergeben und hatte sogar eine Tochter? Schließlich wusste das junge Mädchen zu ihrem Leidwesen nicht viel über sein Privatleben. Akaku musste unwillkürlich lachen, als sie Kurois Gesichtsausdruck bemerkte: „Nein, ich bin nicht Yoshikis leibliche Tochter. Ich nenne ihn nur so, weil seine Musik mir in der dunklen Zeit sehr geholfen hat. Er ist die Vaterfigur, welche ich sie hatte.“ Kurois Reaktion ließ in ihr einen Verdacht erwachen, der sie schmunzeln ließ.

„Oh…ach so.“, die Blau-schwarzhaarige fiel in das Lachen ein. „Und ich dachte schon.“, leicht schüttelte sie den Kopf, um ihre wilden Gedanken zu ordnen. „Aber Recht hat er.“, grinste Teru und stützte sich ein wenig auf der Schulter des Bassisten ab. „Womit?“, wollte Akaku wissen und blickte zwischen dem Gitarristen und Jasmine fragend hin und her. „Damit, das es spät ist. Außerdem bin ich sicher nicht der Einzige, welcher etwas Schlaf vertragen könnte, oder? Gerade du solltest in nächster Zeit vermehrt darauf achten.“, meinte der Kleinere, woraufhin das junge Mädchen eine Schnute zog. Die Erschöpfung gehörte wohl zu den Dingen, an die sie sich erst gewöhnen musste. Dennoch fügte sie sich und alle fuhren zusammen nach Hause. Lächelnd blickte Yoshiki ihnen nach, „Ein schönes Mädchen.“, dachte er und meinte damit nicht Akaku.

Als sie Kamijos Anwesen erreicht hatten, spürte auch Kuroi, wie die Müdigkeit langsam von ihr Besitz ergriff. Nichts wünschte sie sich in diesem Augenblick sehnlicher als ein weiches, warmes Bett. Jasmine nickte dem Leader zu, zeigte dem jungen Mädchen noch schnell ihr Zimmer und wünschte eine Gute Nacht. Alles weitere konnten sie morgen noch klären.

Offenbarung und Training

Ausgeruht und munter stand Kuroi am nächsten Morgen in ihrem Zimmer, welches eine riesige Faszination auf sie ausübte. Es ähnelte vielmehr einem königlichen Gemach als einem Gästezimmer. Schon der Teppich hatte eine sonderbare rot-goldene Farbe und war so flauschig –weich, dass man beim Gehen keine Schuhe benötigte. Auch das Bett war eine Klasse für sich; der Bezug war aus weiß – blauem Satinstoff gefertigt und es hatte tatsächlich einen Himmel, der mit schweren Goldfransen geschmückt war. Im Kontrast zu diesem Farbenspiel bestanden die bodenlangen Vorhänge aus dunkelgrünem Damast. Die Wände waren mit mahagonibraunem, fast schwarzem Holz verkleidet. An ihnen prangten stolz nachgemachte Portraits bedeutender Herrscher und adeliger Damen. Das alles reichte aus, um sich wie eine Prinzessin zu fühlen und überhaupt schien in diesem Haus die Zeit stehen geblieben zu sein.

Verträumt ging die blau-schwarzhaarige zum Fenster und schaute hinaus. Die Sonne küsste wärmend ihr Gesicht. So gut wie an diesem Morgen hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Ein Klopfen an der Tür riss Kuroi aus ihren Gedanken. Akaku steckte ihren Kopf in das Zimmer und fragte ihre neue Freundin, ob sie mit ihnen frühstücken wolle. „Guten Morgen.“, erwiderte Kuroi den Gruß und nickte dann, „Gerne!“ Die beiden Mädchen gingen hinunter in den Speisesaal, wo Kamijo sie bereits erwartete. Er begrüßte Akaku mit einem Kuss und einer sanften Umarmung.

Die blau-schwarzhaarige schloss er kurz in die Arme: „Ich hoffe, du hast gut geschlafen!“ Der Leader bekam ein Lachen als Antwort, bevor alle sich an den gedeckten Tisch setzten: „Wie könnte ich in diesem Zimmer nicht gut schlafen? Es ist ein Traum!“

Vom traditionellen japanischen Frühstück bis hin zur westlichen Variante mit Brötchen und Marmelade war alles vorhanden. Akaku aß viel mehr als sonst und stürzte anschließend auf die Toilette. Bei ihrer Rückkehr murmelte sie nur „Wieso kann ich nicht vor der morgendlichen Übelkeit geschützt sein?“ Das lang Haare hing ihr schweissnass in der Stirn und die dunklen Augen waren gerötet. Mitleidig betrachtete Kamijo seine geliebte Frau und strich ihr tröstend übers Haar. „Geht es einigermaßen?“, erkundigte er sich sorgenvoll und verfluchte sich dafür, dass er nicht helfen konnte. Aber da musste Akaku wohl alleine durch.

„Sei unbesorgt, mein Engel. Ich werde es schon schaffen“, versuchte diese ihn zu beruhigen und küsste Kamijo leidenschaftlich. Auch Kuroi musterte die Freundin besorgt, „Ich kann dich gerne unterstützen, sofern es in meiner Macht steht.“, bot sie ihre Hilfe an und fügte langsam hinzu, „Ich habe schon oft Geburten und Schwangerschaften miterlebt!“ Ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich; die Erinnerung an jene Zeit stach wie ein Dorn in ihrer Seele.

Abrupt lösten Akaku und Kamijo sich voneinander, die Überraschung stand in ihren Blicken: „Wie?“ Kuroi zögerte erst, entschied sich aber dann, ihnen etwas aus ihrer Vergangenheit zu erzählen. Sie fühlte sich verpflichtet und zudem vertraute sie den beiden. „Ich habe in einem Krankenhaus als Krankenschwester gearbeitet…vor einer ganzen Weile“, klärte die blau-schwarzhaarige ihre Freunde auf. Doch die Trauer konnte sie nicht ganz aus ihren Zügen verbannen. Sofort griff Akaku nach ihrer Hand, um ihr beizustehen. Auch der Leader war beeindruckt; eine Krankenschwester im Haus zu haben, war unter den Umständen gar nicht mal falsch. Doch auch ihm blieb nicht verborgen, dass hinter dieser Sache mehr steckte. Zumal Kuroi es offensichtlich schwer fiel, darüber zu sprechen.

„Erzähl bitte.“, flüsterte Akaku mitfühlend und verstärkte ihren Griff, um der Freundin Mut zu machen. Kuroi atmete tief ein und wieder aus, ehe sie sich durchringen konnte und mit ruhigem Ton zu erzählen begann; von der Arbeit, wie sie dort hingekommen war und wie viel Spaß es ihr immer gemacht hatte, den Menschen zu helfen. Natürlich hatte es zeitweise geschmerzt zu sehen, wie die Menschen dahinsiechten und sie nicht helfen konnte. Doch Kuroi hatte nicht aufgegeben und sich immer wieder neues Wissen angeeignet. Bis zu diesem Tag…dieser eine Tag, welcher ihr Leben veränderte. Als sie zum ersten Mal ihre dunklen Kräfte gespürt hatte, der Auslöser war ein Streit mit ihren Eltern gewesen.

„Sie waren von Anfang an gegen alles, was ich tat; sie wollten mir meinen Beruf ausreden mit dem Argument, das man damit im Leben nicht sehr weit kommen würde. Überhaupt war ich für sie nur Abschaum und ihrer nicht würdig. Erst viel später erfuhr ich, dass ich bereits seit meiner Geburt diese dunklen Mächte aufwies und mein Vater mich am liebsten ertränkt hätte. Für ihn war ich ein Kind des Teufels, da meine Eltern schon immer sehr gläubig gewesen waren“, im Laufe der Erzählung wurde Kurois Stimme immer leiser und brach schließlich ganz; zu tief saß der Schmerz über die Vergangenheit und sie pausierte einige Minuten.
 

„Nur meine Mutter hielt zu diesem Zeitpunkt noch zu mir, bis auch sie sich, aus Angst vor der eigenen Tochter abwandte. Streitereien, Demütigungen und mitunter auch Schläge waren an der Tagesordnung. Ich distanzierte mich emotional und ertrug es. Meine Kräfte traute ich mich nicht einzusetzen, bis zu jener Nacht: Damals war ich zum ersten Mal mit einer Person unterwegs, die ich als meine Freundin bezeichnen konnte. Davon hatte ich bei Weitem nicht viele, die Menschen schnitten mich aufgrund meines Andersseins, wie sie es nannten. Niemand in meinem Umfeld kannte die Wahrheit. Schließlich kam ich weit nach Mitternacht zu Hause an und fand meine Mutter am Boden liegend vor. Über ihr stand mein Vater und beschimpfte sie auf gröbste Art und Weise. Was er gesagt hat, wage ich nicht zu wiederholen. Er war, wie schon in den letzten Wochen zuvor, sturzbetrunken und aggressiv. Es war wohl seine Art, Probleme zu bewältigen, obwohl es nichts nutzte und den Ärger nur noch vergrößerte. Natürlich kam ich ihm gerade recht und er ging wie ein Besessener auf mich los. Das Glas von Flaschen zersplitterte um mich herum, bevor er mich am Kragen packte und nur noch davon sprach, mich töten zu wollen. Viel hätte nicht gefehlt, um mich tatsächlich zu erwürgen. Bis heute weiß ich nicht, was ihn plötzlich aufgehalten hat. Jedenfalls ließ er abrupt von mir ab und dann lief ich…ich lief raus auf die Straße, nur weg von meinem Zuhause. Hinter mir erklang der angstvolle Schrei meiner Mutter, doch ich schaute nicht zurück. Ich habe nie erfahren, was danach mit meinen Eltern geschehen ist“, beendete das junge Mädchen ihre tragische Erzählung.

Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln, bis heute hatte sie niemandem davon erzählt. Kamijo hielt die blau-schwarzhaarige ganz fest in seinem Arm, in seinen braunen Augen stand die Fassungslosigkeit. Auch Akaku versuchte, sie zu trösten: „Das muss schlimm gewesen sein; meinen Respekt, das du es durchgehalten hast. Mir scheint, dass wir alle ein ähnliches Schicksal zu tragen haben. Mir ging es nicht viel besser, auch meine Seele wurde infolge der menschlichen Engstirnigkeit gemartert und der Tod erschien mir willkommener als das Leben. Ohne meinen „Vater“ hätte ich es nicht geschafft.“ „Ja, er ist wirklich immer eine große Hilfe gewesen, wenn es mir schlecht ging“, stimmte Kuroi ihrer Freundin sanft lächelnd zu. Nur für IHN hatte sie die ganzen Qualen ertragen, bis zum gestrigen Tag, an dem einer ihrer sehnlichsten Wünsche in Erfüllung gegangen war. Unweigerlich schweiften ihre Gedanken ab und ihr Blick wurde träumerisch.

Akaku grinste; man brauchte nicht viel Vorstellungskraft, um zu erkennen, woran ihre Freundin dachte. Ihr Verdacht erhärtete sich immer mehr. „Wollen wir mit dem Training anfangen?“, erkundigte die Schwarzhaarige sich vorsichtig. Die Frage holte Kuroi abrupt auf den Boden der Tatsachen zurück und sie lächelte etwas verlegen ob der Träumerei. „Ja gern! Je eher desto besser.“, stimmte sie zu. Zusammen mit Kamijo gingen die beiden Frauen in den Garten. Die Sonne schien heiß auf ihre Wangen und der verführerische Duft unzähliger Blüten umgab sie. Besonders die Rosen waren Kamijos Stolz und von irgendwo hörte man das leise Plätschern des künstlich angelegten Teiches. Diesen Ort konnte man ohne weiteres als Paradies bezeichnen.

„Konzentriere dich und blende alles um dich herum aus. Dann stelle dir vor, dass dein Arm und deine Hand sich verlängern. Entspanne dich und greife nach dem Gegenstand; lass das Wirken deiner Kräfte zu!“ Kamijo beobachtete das Geschehen, wurde es klappen? „In Ordnung.“, nickte Kuroi und versuchte es. Doch, wie sie es erwartet hatte, funktionierte es nicht. Immer und immer wieder probierte die blau-schwarzhaarige es, doch ohne Erfolg. Schon nach einer halben Stunde benötigte das junge Mädchen eine Pause und setzte sich ins Gras. Ihr Kopf schmerzte höllisch und der Schweiß rann über ihren Leib. „Was mache ich nur falsch?“, seufzte sie.

Tröstend legte Akaku ihre Hand auf Kuroi Schulter: „Gib dir mehr Energie!“ „Und wie mache ich das?“, fragte sie zurück und schaute Akaku an. Der Frust lag deutlich in ihrer Stimme. „Denk an etwas Geliebtes, vielleicht an einen geliebten Menschen! Wir sind, trotz unserer schwarzen Flügel, immer noch Engel; die Liebe ist unsere stärkste Quelle.“ „Mhm…gut…ich werde es noch einmal versuchen“, nickte Kuroi ernst und schloss die Augen, um sich erneut zu konzentrieren. Immer und immer wieder dachte sie an den Namen jenes einen Mannes, welcher ihr Herz gestohlen hatte und endlich spürte das junge Mädchen, wie die Energie durch ihre Venen floss. Als sie die Augen wieder öffnete, erkannte sie die Wirkung bereits; eine Reihe aus kleinen und mittelgroßen Steinen flog um sie herum. Überglücklich darüber vernachlässigte Kuroi im nächsten Moment schon wieder ihre Konzentration und die Steine flogen in alle Himmelsrichtungen davon.

Kamijo konnte sich gerade noch davor retten, einen Größeren ab zu bekommen, in dem er schnell zur Seite sprang. Nur wenige Millimeter flog das Geschoss an ihm vorbei. Betroffen schaute Kuroi abwechselnd zu ihm und zu Akaku, die alles andere als erfreut zu sein schien. „Tut mir leid.“, meinte sie leise und blickte schuldbewusst zu Boden. „Musste das sein? Alles in Ordnung, Kamijo?“, Akakus Stimme klang scharf wie ein Messer, besorgt kniete sie neben ihrem Liebsten. Dieser lächelte nach dem ersten Schock. „Ja, alles in Ordnung und bei dir?“, erkundigte er sich besorgt, „Keine Sorge…es ist alles noch einmal gut gegangen. Sei nächste Mal nur etwas vorsichtiger, ja?“, meinte er sanft zu Kuroi gewandt. „Ja, das werde ich…versprochen.“, nickte diese eifrig. „Aber für heute ist es genug.“ Akakus Zorn war noch immer nicht ganz verraucht. Gemeinsam gingen sie ins Haus zurück, die Schwarzhaarige würdigte ihre Schwester kaum eines Blickes. Diese war über die Situation verzweifelt.

Nachtgespräch

Dass Akaku sie auch im Laufe des Tages fast völlig ignoriert hatte, ließ Kuroi auch am Abend noch völlig verzweifeln. Ungehemmt flossen die Tränen ihre heißen Wangen hinab. Warum nur musste sie alle in ihrer Umgebung verletzen oder in Gefahr bringen? Konnte sie denn nicht einfach so werden wie Akaku, die, trotz ihrer Herkunft, ein normales Leben führte? In ihrem jetzigen Zustand wäre sie sicherlich alles andere als eine Hilfe für Yoshiki, der ihr soviel bedeutete und dem sie trotzdem nichts geben konnte. Ihr Herz zog sich qualvoll zusammen, nur für ihn nahm sie diese Strapazen auf sich. Sie wollte ihm in seiner Pein zur Seite stehen und eventuell ein wenig Linderung verschaffen. Die blau – grauen Augen sollten wieder strahlen, der sinnliche Mund wieder ernsthaft lächeln. Doch, würde er das überhaupt wollen? Nachdem, was durch ihr Verschulden passiert war in den letzten zwei Tagen? Eher nicht und alles nur, weil sie ihre Fähigkeiten nicht beherrschen konnte…Gerade in diesem Moment fühlte Kuroi sich so einsam wie schon lange nicht mehr.

Seit dem Streit am frühen Morgen hatte der Leader ein komisches Gefühl, wenn er an das junge Mädchen dachte. Ihr Fehler und auch das konsequente Ignorieren seitens Akaku schienen sie stark zu belasten. Auch wurde Kamijo den Verdacht nicht los, das es in Kurois Seele etwas gab, wovon seine Frau und er noch nichts wussten. Etwas Großes von immenser Kraft, was die Blauschwarz- haarige daran hinderte, ihr mentales Chaos in Ordnung zu bringen. Deswegen war er entschlossen, das Gespräch zu suchen, schon allein wegen Akakus Sicherheit. Der Leader klopfte an Kurois Zimmertür und öffnete diese: „Darf ich reinkommen? Geht es dir gut?“

Das junge Mädchen erschrak zunächst über Kamijos Anwesenheit. Sie war so tief in ihre Gedanken versunken gewesen, das sie ihn nicht bemerkt hatte. Verlegen wischte das junge Mädchen ihre Tränen fort. „Ich…es geht schon…tut mir leid…das ich euch so zur Last falle. Ich werde mich von nun an zusammenreißen“, meinte sie leise und wagte es nicht, ihr Gegenüber anzuschauen. „Genau darüber wollte ich mit dir reden“, Kamijo setzte sich auf das Bett und streichelte sanft Kurois bleiche Wange. Die Tränen benetzten seine Hand, „ich habe das Gefühl, das dich etwas emotional sehr stark belastet. Und dieses Etwas hindert dich daran, deine Fähigkeiten unter Kontrolle zu bringen. Kuroi..“, tröstend nahm er sie in die Arme, „bitte sag mir, was es ist!“

Überrascht über seiner Fürsorge, welche sie bisher weder kannte noch selbst erfahren durfte, erwiderte sie die Umarmung und beruhigte sich allmählich. „Danke“, flüsterte sie kaum hörbar und löste sich wieder von ihm. „Ich bin mir selbst nicht ganz sicher. Reicht denn der Umstand, dass man zum Beispiel Gefühle für eine andere Person hat, aus, um einen daran zu hindern“, fragte Kuroi vorsichtig nach, in der Hoffnung, nicht zu viel preiszugeben.

Kamijo nickte, ohne dabei zu lügen. Seit er mit Akaku verheiratet war, hatte der Leader sich eingehend mit dem angeblichen Mythos der schwarzen Engel beschäftigt. Um ihre Kräfte beherrschen zu können, mussten diese Wesen auf der Gefühlsebene absolut rein sein. . Aber mit einer starken Belastung im Rücken funktionierte es nicht. „Ja, das ist leider möglich, weil ein seelisches Problem sehr belastend ist und somit die Konzentration des Geistes hemmt“, er legte die Hände auf Kurois Schulter. Ihr Zittern war deutlich spürbar, „ich kann dich nicht zwingen, mit mir zu reden. Doch ich kann dich bitten!“

Das junge Mädchen zögerte, unsicher ob sie dem Leader ihre Gefühle anvertrauen konnte. Schließlich seufzte sie kaum hörbar und nickte, vielleicht half es ja wirklich, Kamijo davon zu erzählen. Wenn es die Ausbildung mit den Kräften fördern konnte, sollte es ihr Recht sein.

„Es…es geht um Yoshiki“, begann Kuroi beinahe flüsternd und schaute zu Boden, „er bedeutet mir sehr viel und nichts würde ich mir mehr wünschen, als ihn von seinen Selbstzweifeln zu befreien und ihn wieder glücklich zu sehen. Ich habe ihm mein Leben zu verdanken“, nachdenklich blickte sie zum Fenster und ein kühler Windhauch streifte ihr Gesicht, „aber ich bitte dich; erzähl ihm nichts von unserem Gespräch“, flehte die Blauschwarz – haarige regelrecht. Kamijo nickte fest und streichelte Kuroi. „Ich habe es geahnt“, meinte er, „du bist unsterblich in Yoshiki verliebt, nicht wahr? Du willst sein Herz und seinen Körper…da hast du dir einen schwierigen Charakter gewählt“, der Leader umarmte sie erneut. Ihm war klar, dass sie alle nun unwiderruflich vor neuen Problemen standen. „Ich kann dich dabei unterstützen, Yoshiki zu sehen. Aber sein Herz kann nur er vergeben. Würde es dir helfen?“

Die Wahrheit so offen aus Kamijos Mund zu hören, ließ das junge Mädchen erröten. „Ja“, gab sie zu, „dessen bin ich mir bewusst…aber ihn zu sehen wäre wirklich eine Hilfe und vielleicht kann ich ihn ja doch irgendwie unterstützen“, meinte Kuroi sehnsuchtsvoll, denn im Gegensatz zu den vielen anderen Fans, war es nicht ihre oberste Priorität Yoshikis Liebe zu gewinnen. Sie wollte ihn in erster Linie glücklich machen. Auch wenn sein Herz trotzdem nicht ihr gehören sollte, so schmerzhaft es wäre.

„Ich habe es schon gemerkt, als du auf Akakus Anrede so erschrocken reagiert hast“, fuhr der Blond-haarige mit einem leicht schelmischen Grinsen fort, „du hast geglaubt, Yoshiki sei vergeben, nicht wahr? Ich kann dich beruhigen, meinem Wissen nach hat er keine Freundin. Im Gegenteil; die letzte Trennung liegt erst ein paar Wochen zurück. Wenn es dir hilft, werde ich regelmäßige Treffen einrichten. Akaku wird bald offiziell seine Tochter werden, daher ist es kein Problem. Aber dein Vorhaben wird nicht leicht; mit Hides Tod hat Yoshikis Herz sich verschlossen. Dabei ist es jetzt elf Jahre her!“

Kuroi nickte leicht, ihr Verhalten war wohl etwas zu auffällig gewesen, obwohl sie bezweifelte, dass der Pianist etwas bemerkt hatte. „Daher kommen also die Gefühle in dem neuen Song…er verarbeitet seine Trennung damit, hab ich Recht?“, fragte das junge Mädchen leise. Sie spürte einen dumpfen Hass auf diese Frau; wie konnte dieses egoistische Weib es wagen, Yoshiki noch mehr zu verletzen? War es denn nicht ihre Aufgabe, ihm Halt zu geben? „Ich verstehe und dennoch…ich kann nicht einfach tatenlos zusehen! Ich möchte das er wieder unbeschwert lachen kann und sich nicht nur Trauer in seinen Augen widerspiegelt“, entgegnete Kuroi traurig, ihre Sorge um Yoshiki war schließlich nicht unbegründet.

Auch Kamijo lächelte melancholisch: „Er bräuchte definitiv eine Partnerin wie dich; jemand, der ihm Liebe und Halt gibt, seine Kunst sowie Exzesse akzeptiert und trotzdem fest an seiner Seite ist. Ganz egal, was auch passiert. Obwohl…die Wunde über Hide wirst du wohl nicht heilen können!“ „Ja, da magst du sicher Recht haben“, erwiderte das junge Mädchen, „aber ich werde trotzdem versuchen, mein Bestes zu geben. Das bin ich ihm einfach schuldig.“

Der Blond-haarige stand auf: „So…jetzt muss ich aber wieder gehen, sonst wundert meine Frau sich noch, wo ich bin. Doch wir sollten Akaku erzählen, was mit dir ist. Nicht, das sie dich wieder ignoriert“, er legte die Hände auf ihre Schultern, „ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, damit ihr beide glücklich werdet. So, wie ich es bin!“ „Ja, das sollten wir. Ihre Verachtung schmerzte mich sehr“, nickte Kuroi zustimmend, obwohl sie ihrer „Schwester“ nicht böse war. Freudentränen liefen über ihre Wangen: „Ich kann dir dafür nicht genug danken!“

Kamijo drehte sich noch einmal um: „Das musst du nicht…ich kenne dein Gefühl sehr gut“, sanft strich er über Kurois Gesicht, „was glaubst du, in welchem Zustand ich Akaku kennen lernte? Ihr ging es nicht viel anders als dir und wir mussten viele Hürden überwinden.“ Der Leader ging in das gemeinsame Schlafzimmer zurück und ließ Kuroi allein. Aber seine Worte ließen die Blauschwarz – haarige Hoffnung schöpfen und so glitt sie kurz darauf in einen wesentlich ruhigeren Schlaf.

Say anything

Am nächsten Morgen erwachte sie bereits sehr früh und streckte sich. Dank dem Gespräch mit Kamijo war der Schlaf mehr als erholsam gewesen. Stück für Stück wiederholte Kuroi noch einmal die Einzelheiten. „Für Yoshiki werde ich es schaffen“, dachte sie entschlossen. Voller Elan und Optimismus stand das junge Mädchen auf, zog sich leise an und ging hinaus. Die anderen schliefen noch, so dass sie in aller Ruhe und mit kleinen Schritten ihre Übungen fortsetzen konnte. Immer öfter gelang es ihr, Blätter schweben und nach ihren Wünschen wieder fallen zu lassen. Kuroi begann, darüber so etwas wie Stolz zu empfinden; Kamijo hatte also Recht behalten. Voller Freude sprang sie im Garten umher und ließ dabei immer mehr Blätter aufwehen. Diese bildeten einen regelrechten Strudel, in dessen Mitte sie sich leise lachend drehte. Niemals hätte die Blauschwarz – haarige erwartet, einmal gute Dinge mit ihren Fähigkeiten tun zu können. Alles um sie herum drehte sich schneller und schneller. Die Zeit und auch die Welt verloren an Bedeutung.

Verwirrt schlug Akaku die Augen auf, ein seltsames Geräusch hatte sie geweckt. Sie ging zum Fenster und sah ihre „Schwester“ im Garten tanzen. „Wow“, war alles, was das junge Mädchen dazu sagen konnte. Aufgeregt weckte sie Kamijo: „Sieh dir das an!“ Dieser blinzelte zunächst verschlafen, bevor er interessiert aus dem Fenster schaute. Als der Leader die fröhlich tanzende Kuroi erkannte, musste er lächeln: „Sie hat meinen Rat als also befolgt…und wie man sieht mit positiver Wirkung. Neugierig musterte Akaku ihn: „Rat? Welchen Rat hast du ihr denn gegeben?“ In aller Ruhe berichtete der Leader seiner Frau von dem Gespräch, welches er mit Kuroi geführt hatte und auch von ihren Gefühlen für Yoshiki. „Jetzt ist mir einiges klar“, Akaku schlug sich mit der Hand gegen den Kopf, sie hatte sich also doch nicht geirrt, „verflucht, ich muss mich sofort entschuldigen…das habe ich nicht gewollt!“ Akaku ging, gefolgt von Kamijo, hinaus und trat neben Kuroi: „Ich war sehr gemein zu dir…bitte verzeih mir!“

Vollkommen in ihr Blätterspiel vertieft bemerkte das junge Mädchen Akakus Anwesenheit nicht sofort und hielt erst inne, als sie ihre Stimme vernahm. Die Blätter fielen raschelnd zu Boden. „Schon in Ordnung…hast du das gesehen? Ich kann sie kontrollieren und das, ohne jemandem Schaden zuzufügen“, meinte sie glücklich und schien in dem Augenblick regelrecht zu strahlen. Akaku umarmte ihre „Schwester“ anerkennend: „Mach so weiter und deine Probleme haben sich bald gelöst!“ „Das hoffe ich wirklich sehr“, nickte Kuroi und erwiderte die kurze Umarmung, „Kamijo hat es dir sicher erzählt, oder? Von dem Gespräch?“ Sie lächelte verlegen, was die Schwarzhaarige kichern ließ: „Ja…ich hätte es mir denken können, dass du Yoshiki willst. Entschuldige; aber dein Gesicht war eindeutig! Doch es wird schwierig werden; Hides Tod und seine Vergangenheit hängen über ihm wie ein schwarzes Tuch!“ Akaku senkte den Blick. „Ja, das sagte Kamijo mir bereits…aber ich werde nicht aufgeben! Ich will ihm irgendwie helfen, so gut es mir eben möglich ist“, meinte sie leise, „ich will, dass er wieder glücklich wird und lachen kann…ohne diese Traurigkeit.“ „Verzeih, aber ich glaube, dafür müsste Hide zurückkehren und das steht nicht in unserer Macht. Selbst Liebe wird die Wunde nur vernarben!“

Das junge Mädchen ahnte nicht, das mit diesen Worten ein Plan in Kurois Gedanken zu formen begann. Dieser nahm mehr und mehr Gestalt an, doch sie schwieg beharrlich, denn Akaku würde ihr bestimmt abraten. „Ich werde es trotzdem versuchen und ihn bestmöglich unterstützen. Ich werde alles tun, was ich kann“, lächelte sie zuversichtlich. In diesem Augenblick mischte Kamijo sich in das Gespräch ein: „Wir können heute Abend gerne nach Los Angeles fliegen und Yoshiki besuchen. Soviel ich weiß, haben X Japan morgen Abend ihre Konzertpremiere dort. Ich bin mir sicher, dass er sich freuen wird, uns wieder zu sehen. Besonders seine „Tochter“ und das zukünftige Enkelkind!“ Er legte den Arm um seine Frau. „Wirklich? Das wäre wunderbar“, rief Kuroi euphorisch. Ihre Freude über das eventuelle Wiedersehen war nicht zu leugnen. Akaku musste unwillkürlich lachen: „Kein Problem, ich rufe ihn sofort an!“ Sie informierte Yoshiki über ihr Kommen. Der Pianist war ungewohnt erfreut, obwohl die Vorbereitungen für das Konzert ihm den letzten Nerv raubten. Von den Schmerzen in den Handgelenken mal ganz zu schweigen. Trotzdem war er gerne bereit, sich mit ihnen zu treffen.

Als Akaku die freudige Nachricht überbrachte, fiel Kuroi Kamijo und ihr um den Hals. Sie konnte es kaum erwarten, Yoshiki wieder zu sehen. Und nun, da ihre Freunde von ihren Gefühlen wussten, fiel es ihr auch leichter, mit ihnen umzugehen. Nach dem die anderen Versailles – Mitglieder sich eingefunden hatten, ging es los. Der Flug zog sich scheinbar endlos in die Länge, obwohl Akaku und Kamijo alles versuchten, um das junge Mädchen abzulenken. Auch Jasmine war immer wieder zu Scherzen aufgelegt. Trotzdem konnte Kuroi weder schlafen noch essen und wurde gegen Ende des Fluges immer nervöser.

Am Flughafen stand Yoshiki, abgeschirmt von zwei Bodyguards, um sie abzuholen. „Akaku“, sagte er und schloss seine zukünftige Tochter in die Arme. Auch Kamijo bekam eine Umarmung, während Jasmin, Teru, Hizaki und Yuki mit freundlichem Händedruck begrüßt wurde, welche diese lächelnd erwiderten. Bei Kuroi stockte der Drummer zunächst, zog sie dann aber doch in kurze Umarmung. Diese hatte sein kurzes Zögern sehr wohl bemerkt und fragte sich, was der Grund dafür sein konnte. Sehnsucht lag in ihren Augen, als sie die Umarmung lächelnd erwiderte. „Schön, dich wieder zu sehen“, flüsterte Yoshiki und strich ihr flüchtig durchs Haar. Dabei schlug sein Herz ungewöhnlich schnell.

Auch Kuroi zuckte bei diesen Worten zusammen, hatte sie doch eher Ablehnung als Ursache für sein Zögern gedeutet. Sein Verhalten und die Worte kamen überraschend und belehrten sie eines Besseren. „Danke, ich freue mich ebenso“, antwortete sie ihm glücklich. Auch ihr Herz machte Luftsprünge. „Können wir nicht etwas essen gehen?“, verlangte der Bassist und machte eine theatralische Geste, welche sehr stark an einen sterbenden Schwan erinnerte, „ich sterbe vor Hunger!“ Der Pianist lachte: „Klar, was haltet ihr von typisch amerikanischer Fastfood?“ Hizaki und Teru fielen in das Lachen ein, „eine gute Idee! Ich könnte auch etwas vertragen“, meinte Hizaki grinsend und auch sein Kollege stimmte begeistert zu.

Geschlossen marschierten sie zu McDonalds, wobei ihnen neugierige Blicke folgten. Begeistert schaute Kuroi sich die ihr unbekannten Geschäfte an. Zum ersten Mal war sie außerhalb Japans. Von der Größe her konnte Los Angeles mit Tokyo konkurrieren und trotzdem war alles anderes; die harmonische – verrückte Note fehlte. „Beeindruckend“, flüsterte sie.

Als sie das Restaurant betraten, wehte Kuroi der fremdartige Duft von Pommes und Hamburgern entgegen in die Nase. Geduldig setzte sie sich mit Akaku an einen Tisch, während die anderen bestellten. „Ihr seit Naschkatzen“, lachte die Schwarzhaarige, als sie die mehr als vollen Tabletts sah, wobei ihr Appetit am größten war. Auch Kuroi begann zu essen, es schmeckte gut und sie fühlte deutlich, wie ihr Magen sich entspannte. Zwei ausgelassene Mahlzeiten waren wohl etwas zu viel gewesen, aber die Aufregung hatte sie jeden Hunger vergessen lassen. „Na…das kommt ja von der richtigen Person“, lachte Teru und deutete schelmisch auf Akakus Tablett, obwohl jeder den Grund dafür kannte. „Du bist gemein, Teru-chan“, empörte diese sich gespielt und machte sich bereit, den kleinen Gitarristen mit ihren Pommes zu bewerfen. Dieser versteckte sich erschrocken unter dem Tisch.

Yoshiki grinste über beide Wangen, „oh warte…du hast Soße im Gesicht“, meinte er zu Kuroi und beugte sich zu ihr, um es zärtlich weg zu wischen. Verlegen ließ diese es geschehen und errötete: „Danke“, sie lachte leise und begann, sich in der Gegenwart des Pianisten immer wohler zu fühlen.

Kamijo saß neben seiner Frau und lachte, während Hizaki versuchte, Teru wieder unter dem Tisch hervor zu locken. Der Leader genoss es einfach mit den Menschen, die ihm soviel bedeuteten, zusammen sein zu können. Akaku schmiegte sich an ihren Liebsten und legte dessen Hand auf ihren Bauch. Das Baby, welches nicht ganz menschlich war, bewegte sich zaghaft.

„Du bist sehr…schön“, meinte Yoshiki währenddessen zu Kuroi und blickte verlegen zur Seite, als ihm die Bedeutung dieser Worte klar wurde. Auch die Blauschwarz – haarige schaute verlegen zur Seite; sie war es nicht gewohnt, Komplimente zu bekommen. Und in seinem Fall bedeuteten sie ihr noch viel mehr!

Kamijo legte sanft seine Hand auf Akakus und spürte ebenfalls die leichten Stöße. „Es bewegt sich“, meinte er lächelnd und verschloss ihre Lippen mit einem Kuss. „Ja, unser Kind“, entgegnete diese selig. Manchmal blickte das junge Mädchen imaginär auf ihr altes Leben zurück und die starken Kontraste ließen mitunter an eine wirre Phantasie glauben. Aber das war es nicht, sondern lediglich ein Wunder des Lebens. „Ihr scheint euch ja gut mit euren Rollen anzufreunden“, lachte Jasmine und wuschelte Akaku durch die Haare, „ich hoffe nur, das ich das Kleine auch mal halten darf!“ „Selbstverständlich“, erwiderte Akaku grinsend, „aber pass auf, dass es dich nicht Onkel nennt!“ Hizaki lachte, als auf den Wangen des Bassisten sich ein leichter Rotschimmer abzeichnete: „Das sollte doch eher eine Ehre sein, nicht wahr?“ Auch er freute sich riesig für die werdenden Eltern.

Yoshiki schwieg währenddessen nur, seine Gedanken drehten sich im Kreis; noch immer raste sein Herz wie unter Strom…was war das? Auch Kuroi bekam kaum mehr etwas von den Gesprächen mit. Viel zu sehr beschäftigten sie ihre Gefühle und das stark klopfende Herz. Immer wieder warf sie verstohlene Blicke auf den Pianisten und auch dieser schien den Unterhaltungen nicht zu folgen. Auf dem Weg zur Konzerthalle sprach er kaum noch würdigte er Kuroi eines Blickes. Yoshiki ahnte, welcher Natur diese Gefühle waren und alles in ihm sträubte sich. „Nein“, schrie er sich selbst an, „das darf nicht sein!“ In der Blauschwarz – haarigen breitete sich Verwirrung aus, als der Drummer plötzlich so abweisend war. Sein Verhalten war das komplette Gegenteil von dem am frühen Morgen…was konnte wohl der Grund dafür sein? Kamijo hatte Recht; Yoshiki war ein komplizierter Charakter und das erfuhr sie gerade am eigenen Leib. Die Traurigkeit brach wieder hervor, es würde wohl doch schwieriger werden als sie erwartet hatte. Auch dem Leader blieb die Veränderung von Yoshikis Verhalten nicht verborgen und irgendwie hatte er kein gutes Gefühl bei der Sache.
 

Am späten Abend fand das Konzert statt und alle sahen zu. Aber der Drummer spielte sehr viel aggressiver als sonst und das Klavier schien vor Schmerzen zu schreien. Akaku legte besorgt den Arm um Kuroi, um sie zu trösten und einen erneuten Ausbruch der Kräfte zu verhindern. Auch sie spürte die Qualen des Pianisten, wusste jedoch keine Antwort. Bei „Say anything“ schaute Yoshiki Kuroi mit durchdringenden – betrübten Augen an, während er seinen Flügel quälte.

Passion of Longing

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Bitter Tears

„Ich habe es geahnt,“ der Drummer senkte den Blick, „tut mir leid, aber ich kann es nicht erwidern!“ Kuroi starrte ihn an und glaubte, nicht richtig zu hören. „Aber…aber, was gerade eben passiert ist…bedeutet es dir denn nichts“, stammelte sie unsicher, woher kam der plötzliche Sinneswandel? „Doch…aber“, zärtlich küsste er ihre Wangen, „aber du solltest dir etwas Besseres suchen als mich!“

Das junge Mädchen schaute ihn wie vom Blitz getroffen an; das war doch nicht wirklich seine Begründung? „Wieso glaubst du das? Warum machst du dich schlechter als du bist? Ich will mir aber nichts Besseres suchen! Schließlich liebe ich dich! Und das meine ich so wie ich es sage!“ Kuroi redete sich fast schon in Rage, selbst ihre sonst zarte Stimme wurde dabei laut und schrill, was nicht ihrer sonst ruhigen, zurückhaltenden Art entsprach. Yoshiki nahm ihre Lippen in Besitz und der Kuss schmeckte nach Verzweiflung: „Weil ich seit elf Jahren kein Herz mehr habe; es ist zu Eis gefroren, seitdem..“ „Wenn du keins hättest, wie könntest du mich dann so liebevoll behandeln?“ Kuroi nahm sein Gesicht in beide Hände und schaute ihn ernst an, obwohl die Tränen schmerzhaft in ihren Augen brannten. Der Drummer schüttelte den Kopf: „Ich kann es einfach nicht, verzeih mir…bitte!“ Yoshiki küsste sie ein letztes Mal, ehe er aufstand und den Raum verließ.

Das junge Mädchen schaute ihm nur traurig nach; wieso nur machte er ihnen beiden so schwer? „Warum…Yoshiki“, fragte sie in die Stille des Raumes hinein, ohne eine Antwort zu erhalten. In diesem Moment spürte Kuroi nicht nur die äußere Kälte, welche durch die offene Tür drang und sie erzittern ließ. Langsam zog die Blauschwarz- haarige sich wieder an, während ihr stumme Tränen über die Wangen liefen.

Sie sprach kein Wort, selbst als die anderen sie nach ihrer Rückkehr fragend – besorgt anschauten. Sollte dies das Ende sein, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte? Immer wieder spielte sich die Szene zwischen ihnen vor ihrem geistigen Auge ab, während der Schmerz darüber sie fast erstickte. Doch Akaku ließ sich nicht so einfach zurückweisen, irgendetwas war passiert, das spürte sie. „Kuroi, was ist los?“, fragte sie sanft und schloss ihre Schwester in die Arme. Bildete sie sich das ein oder zitterte Kuroi wie Espenlaub? Diese wusste erst gar nicht, wie sie anfangen sollte: „Ich…er hat mich abgewiesen. Dabei ist der Grund…so unnötig“, Kurois Stimme überschlug sich vor Trauer und ihre Fingernägel krallten sich regelrecht in die Haut ihrer neu gewonnenen Freundin. Unter Tränen erzählte sie ihr, was sich in der Garderobe abgespielt hatte. „Ich befürchte, es könnte daran liegen, dass Yoshiki einfach Angst vor einer Beziehung hat. Angst vor den Gefühlen zu mir und Angst davor, verletzt zu werden. Das sollte mich eigentlich nicht wundern, nach allem, was er erlebt hat. Zudem scheint Yoshiki über sich selbst zu kritisch zu urteilen, sieht sich selbst als schlechten Menschen und vielleicht sogar als Versager, da er ihm wichtige Personen nicht beschützen konnte. Wie soll ich mir denn etwas Besseres suchen, wenn mein Herz bereits ihm gehört?“, meinte Kuroi schluchzend und mit den Nerven am Ende.

Die Schwarzhaarige hörte geduldig zu und presste vor Zorn die Lippen aufeinander. So sehr Akaku ihren „Vater“ auch liebte, dieses, bis zum gewissen Grade, närrisches Verhalten ärgerte sie. Ihre „Schwester“ hatte schon genug Probleme; wenn Kurois Fähigkeiten erneut außer Kontrolle gerieten, könnte es ein grausames Inferno geben. Und dann hatte Yoshiki nichts Besseres zu tun als mit ihr zu schlafen und sie dann fallen zu lassen. Es war nicht so, als ob Akaku seine Sichtweise nicht verstand. Im Gegenteil, sie kannte diesen Zustand mehr als gut. Aber dieses Verhalten ging eindeutig zu weit. „Komm“, sagte Akaku und nahm die Hand ihrer Schwester, „wir müssen es Kamijo erzählen!“

Als der Leader die völlig aufgelöste Kuroi erblickte, ahnte er bereits, dass etwas passiert sein musste. Doch bevor Kamijo nachfragen konnte, berichtete seine Frau von der Situation. Seine braunen Augen weiteten sich vor Empörung und im nächsten Moment hörte man, wie seine Faust auf den Tisch schlug: Was dachte Yoshiki sich nur dabei? „Ich werde der Sache mal nachgehen, vielleicht redet er mit mir“, versprach der Leader, „willst du mitkommen oder lieber bei Kuroi bleiben?“ Die letzte Frage stellte er an Akaku, denn er würde sich sofort auf die Suche nach Yoshiki machen und diesen zur Rede stellen. Ein solches Verhalten war unentschuldbar.

Diese nickte: „Ich bleibe bei ihr. Entschuldige, aber Kuroi ist momentan emotional sehr aufgewühlt. Nicht, das sie wieder die Kontrolle über ihre Kräfte verliert!“ Auch die anderen Versailles- Mitglieder hatten das Gespräch verfolgt, in ihren Gesichtern zeichnete sich die Wut ab. „So eine Unverschämtheit“, fauchte Jasmine und seinem, eigentlich gütigen Wesen zum Trotz ballte er die Faust, ehe seine wärmenden Arme Kuroi umfingen. Das junge Mädchen nickte dankbar: „Danke euch allen“, schluchzte sie.

Kamijo hatte sich während dessen aufgemacht, den Pianisten zu finden, was, zu seinem Glück, auch nicht lange dauerte. „Kann ich kurz mit dir sprechen“, meinte er ernst und es kostete ihm einiges an Beherrschung, den Drummer nicht gleich zu ohrfeigen. Auch wenn Kamijo ein höfliches, fast schon aristokratisches Image pflegte und auch meist nach diesem lebte, so wenig vertrug er es, wenn seine Freunde gequält wurden. „Was willst du?“, fragte Yoshiki merklich genervt, stockte dann aber, als er in Kamijos zorniges Gesicht blickte.

„Ist es wegen Kuroi“, die Stimme des Pianisten klang müde und brüchig, so als würde er eine schwere Last tragen. Kamijo nickte; auch wenn der Anblick ihn berührte, so durfte er nicht nachgeben. „Ganz genau…du weißt also, was ich von dir wissen will, nehme ich an“, erwiderte der Blonde.

„Kamijo…gerade du müsstest die Wahrheit doch kennen“, der Pianist stand auf und senkte den Blick. Es war offensichtlich, dass er gegen die Tränen ankämpfte, „zu viele meiner Beziehungen sind in den letzten Jahren auseinander gegangen und meist waren die Schmerzen auf beiden Seiten gleich schlimm. Ich will lieben…glaube mir das. Aber meine Vergangenheit hindert mich dran; seit dem Tode meines Vaters weiß ich, dass jeder geliebte Mensch eines Tages gehen muss. Und als Hide starb…damals habe ich den größten Fehler meines Lebens begangen“, der Drummer schluchzte erstickt auf und krallte sich in Kamijos Schultern, „ich habe ihn geliebt, Kamijo…und nicht nur als Freund. Trotzdem ist er einfach gestorben, ohne einen Ton oder Grund…wäre er doch nur wieder da!“

„Das weiß ich…und ich kann dich gut verstehen. Doch niemand kann rückgängig machen, was vor so vielen Jahren geschehen ist…, “tröstend strich der Leader über Yoshikis bebenden Rücken. Schließlich kannte er das Gefühl, einen lieben Freund zu verlieren, nur zu gut, „doch ich verstehe auch das Mädchen. Kuroi liebt dich wirklich über alles. Sie ist zutiefst verletzt, da sie das Gefühl hat, versagt zu haben. Sie wollte und will eigentlich nichts mehr als dir helfen. Eben, weil sie dich liebt und dich glücklich sehen will. Das hat sie uns anvertraut…und selbst du müsstest erkennen, dass sie es ernst meint“, erklärte der Blonde in einem ruhigen Ton.

„Gerade deswegen…sie ist ein liebes Geschöpf. Ich will sie nicht verletzen. Ihr Leben ist schon schwer genug; ich bin nur eine Belastung, mehr nicht. Die Wunden auf meiner Seele werden nie heilen“, Yoshiki musterte Kamijo eindringlich, „ich hätte damals an Hides Stelle sterben sollen! Es ist wohl besser, wenn ich Kuroi nicht wieder sehe…ich will ihr Herz nicht brechen!“ Unmerklich begann der Leader zu zittern, hatte dieser Idiot überhaupt nichts verstanden?“

„Bist du sicher? Sie wird viel mehr verletzt sein, wenn du einfach so aus ihrem Leben verschwindest. Denn dazu ist es bereits zu spät, fürchte ich. Und glaubst du wirklich, Hide hätte gewollt, das du so denkst?“ Sein letzter Satz ließ Yoshiki aufhorchen und stimmte ihn nachdenklich: „Wahrscheinlich nicht…aber was soll ich tun? Nach dem Sex kann ich ihr kaum noch unter die Augen treten, ohne den Schmerz darin zu erkennen!“

„Willst du denn, dass ihr beide in Zukunft weiter darunter leidet? Schließlich scheint sie dir doch wichtig zu sein…Der Schmerz wird nicht vergehen, in dem du sie ignorierst. Bei ihr nicht und bei dir ebenso wenig“, schrie Kamijo, seine höfliche Fassade war endgültig zerbrochen; Yoshiki wollte es einfach nicht sehen. „Verdammt, was soll ich denn machen“, brüllte nun auch der Pianist und schlug zornig mit der Faust gegen die Wand. Die Fingerknöchel fingen sofort an zu bluten.

Kurois Plan

Auch bei Kuroi und Akaku war die Stimmung gedrückt. Zwar hatte Erstere ihre Tränen getrocknet, doch wenn man in ihre Augen blickte, erkannte man den unendlichen Schmerz. „Wenn es doch nur eine Möglichkeit gäbe“, seufzte die Blau – schwarzhaarige, mittlerweile hatten ihre Gefühle sich etwas beruhigt und nun überlegte sie, was zu tun sei. Diese Sache konnte man unmöglich auf sich beruhen lassen. Kuroi war sich fast ganz sicher, das Hide bei dieser Angelegenheit eine große Rolle spielte und ein Plan begann sich zu formen; wenn Jasmine zurückkehren konnte, warum sollte dasselbe nicht auch mit Hide klappen? Nur, wie genau funktionierte so etwas?

Akaku währenddessen ahnte nichts von den Überlegungen ihrer Freundin und nahm diese tröstend in die Arme: „Mach dir keinen zu großen Kopf!“ Das junge Mädchen nickte, doch ihre Gedanken waren bereits weit voraus. Ihr Entschluss, eine Möglichkeit zu finden, Hide wieder zurück zu holen und Yoshiki damit glücklich zu machen, wuchs mit jeder Sekunde. „Du kannst auf jeden Fall bei uns bleiben und ich werde dir helfen, so gut es geht…versprochen“, sagte Akaku und merkte nicht, das Kuroi nur halbherzig zuhörte. „Ja…danke“, lächelte diese, „ich geh mal kurz raus…bin gleich wieder da.“

Schnurstracks lief Kuroi zu den Toiletten, um ihre Gedanken zu ordnen. Denn diese rasten wie ein unkontrollierter Tornado durch ihren Kopf. Als sie wieder herauskam, stand wie aus dem Nichts Jasmine vor ihr und blickte sie mit durchdringenden Augen an. Fast schien es, als wolle er ihre Seele durchleuchten. Kuroi wurde das Gefühl nicht los, das er ahnen konnte, was sie vorhatte. „Was wirst du wegen Yoshiki unternehmen?“, fragte der Bassist skeptisch. Kuroi seufzte; sie wusste, dass sie es ihm nicht würde vorenthalten können. „Dasselbe, was bei dir auch funktioniert hat. Da gibt es doch sicher eine Möglichkeit, dies auch bei Hide zu tun, nicht wahr?“, meinte Kuroi leise. Aber der Bassist verstand sie und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen: „Du willst WAS tun... Ich bin nicht durch ein Ritual zurückgekommen…ich wurde zurückgeschickt!“ Jasmines Fassungslosigkeit ignorierte die Blau – schwarzhaarige, „aber diese Möglichkeit besteht, habe ich recht? Es wäre der einzige Weg, Yoshiki wieder glücklich zu sehen“, fragte sie hoffnungsvoll.

Ihr Gegenüber seufzte, er merkte, das Lügen zwecklos war: „Ja, es gibt diese Möglichkeit, aber, um Gottes Willen, mach es nicht. Du bringst dich in große Gefahr und der Preis ist immens!“ Mit jedem Wort wurde Jasmine blasser. „Das ist mir egal…und wenn ich mein Leben für ihn riskiere“, lächelte sie unter Tränen und dennoch mit fester Stimme, „ich will nur, dass er wieder glücklich wird.“ Wortlos schloss Jasmine das junge Mädchen in seine Arme; wie konnte Yoshiki ein solches Wesen nur abweisen? Er verstand es nicht.

„Bitte, erzähl es nicht den anderen, ich möchte sie nicht unnötig beunruhigen. Außerdem wären sie dagegen“, flehte Kuroi und drückte ihr Gesicht noch fester an Jasmines Brust. Dieser schüttelte den Kopf, obwohl auch in seinen Augen Tränen brannten: „Ich werde nichts sagen, aber sei dir bewusst, das der Preis wirklich dein Leben sein könnte. Außerdem kann ich dir nicht sagen, ob solche Rituale tatsächlich funktionieren.“ „Ich bin mir dessen bewusst und auch, das ich nicht weiß, ob wir Erfolg haben werden...ich muss es einfach wagen!“ In ihrer Stimme lag eine eiskalte Entschlossenheit, welche selbst Jasmine erschreckte: „Ich werde dich unterstützen…auf das Risiko hin, mich gewaltig zu verbrennen. Aber wir müssen, unter allen Umständen, dafür sorgen, das die anderen nichts merken. Kamijo macht uns einen Kopf kürzer und Akaku darf sich nicht aufregen“, der Bassist überlegte kurz, „ich glaube, ich weiß, woher wir die notwendigen Informationen besorgen können: Ich kenne eine alte Bibliothek, welche ausschließlich antike Werke führt. In einer Modernen würden wir, vermute ich, nichts finden!“ „Ich danke dir, Jasmine. Wo befindet sich diese Bibliothek?“ Kuroi war Feuer und Flamme, trotz der Gefährlichkeit ihres Vorhabens.
 

Der Bassist lächelte nachsichtig: „Wir können morgen früh dorthin gehen…jetzt ruhe dich erstmal aus!“ Das junge Mädchen nickte, froh, mit dieser Sache nicht allein zu sein und sogar Unterstützung zu bekommen: „Ja, es war ein anstrengender Tag. Komm…gehen wir zurück! Jasmine legte den Arm um Kuroi, so als könnte er sie auf diese Weise vor allem beschützen. Als die beiden zurückkehrten, seufzte Akaku erleichtert: „Wo seid ihr denn gewesen?“ „Nur etwas frische Luft schnappen. Mir geht es schon viel besser…nur ziemlich erledigt“, meinte Kuroi lächelnd und in gespielter Neutralität, während ihre Gedanken um Yoshiki kreisten. Ihre Schwester nahm sie bei der Hand: „Das ist verständlich… komm gehen wir nach Hause und verlassen diesen Ort!“ „Ja“, nickte Kuroi zustimmend; hier würde sie heute eh nichts mehr tun können. Das Warten auf den folgenden Tag ließ das junge Mädchen erzittern.
 

Am nächsten Morgen schlich der Bassist sich schon in aller Frühe zu Kurois Zimmer und klopfte an die Tür. Durch seine Kontakte hatte er eine Sondergenehmigung erhalten, um diese Zeit in der Bibliothek forschen zu dürfen. Zum Glück hatten die Verantwortlichen nicht weiter nach den Gründen gefragt; eine Erklärung hätte alles nur noch verkompliziert. Aber auch Kuroi saß bereits wie auf heißen Kohlen, zum Aufbruch bereit, auf ihrem Bett. Nach dem Klopfen sprang sie sogleich auf und öffnete. Im nächsten Moment verschlug es dem jungen Mädchen erstmal die Sprache, da der Anblick von Jasmine mit kurzen Haaren in Kombination mit Jeans und Pullover sehr ungewohnt war. Wenn auch nicht unattraktiv… Dieser grinste, aber seine Augen flackerten vor Nervosität. „Bist du fertig? Wir müssen los, bevor es jemandem auffällt. „Ja, es kann losgehen“, nickte sie und folgte ihm nicht weniger aufgeregt. Unbemerkt Kamijos Anwesen zu verlassen, erwies sich als regelrechte Herausforderung, weil durch die hohe Decke jeder Schritt widerhallte. Zumal es an ein Wunder grenzte, dass das Personal noch nicht wach war. Schließlich blieb den zweien keine andere Möglichkeit, als auf allen Vieren zur Tür zu kriechen, wo sie bereits ein Taxi erwartete. Zum Glück war der Fahrer klug und verzichtete auf das Hupen.

Als Kuroi und Jasmine die Bibliothek erreichten, wurden sie dort sehr verhalten begrüßt. Offensichtlich war ihr Anliegen mehr als ungewöhnlich und Kuroi hatte das Gefühl, als würden sich unter dem Deckmantel der Höflichkeit eine Menge Fragen versteckten. Nach einigen Anweisungen wurden sie in die obere Etage gelassen, in der sich Hunderte von Büchern erstreckten, von denen die meisten noch in Leder gebunden waren. Staunend blickte das junge Mädchen sich um; so viele Bücher! Man konnte nur hoffen, das sich das eine oder andere, für ihren Zweck passende, auch darunter befand. „ Komm, lass uns suchen; wir haben nur knapp vier Stunden Zeit“, trieb Jasmine zur Eile an. Gemeinsam durchstöberten sie die alten Bücher, wobei ihnen nicht selten der Staub ins Gesicht wehte. Doch das meiste, was sie fanden, entpuppte sich als mystischer Unsinn.

„Das darf doch nicht wahr sein“, fluchte der Bassist ungehalten und warf frustriert ein Buch in die Ecke. Auch Kuroi suchte und suchte. Gerade, als sie ans Aufgeben dachte und alles abbrechen wollte, fiel ihr beim Zurückstellen eines Buches ein weiteres in die Hände, welches zunächst von geringem Interesse zu sein schien, jedoch irgendwie ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Hatte die verzweifelte Suche nun ein Ende? Neugierig blätterte Kuroi in den Seiten des schweren, alten Buches. „Jasmine! Ich habe es..“, rief sie aufgeregt, jedoch nicht zu laut. Denn schließlich hatten auch die Wände Ohren. „Echt“, auch der Bassist war schon der Verzweiflung nahe gewesen, „zeig her!“ Er studierte das Werk flüchtig und nickte: „Das ist es, was wir brauchen! Los…wir müssen hier raus und nach Hause!“ Innerlich hätte Kuroi, ob der Bestätigung, jubeln können. Endlich war der Weg frei, auch wenn es ein schwerer war.

Auf dem schnellsten Weg kehrten sie nach Hause zurück, wobei diesmal Kurois Flügel als Transportmittel herhalten mussten und das gerade noch rechtzeitig, ehe die anderen Verdacht schöpfen konnten.

Dieses Mal war Kamijo derjenige, welcher Kuroi weckte. Ihr war es zum Glück gelungen, nach ihrer Rückkehr und einem Kleidungswechsel, noch einmal einzuschlafen. „Guten Morgen“, meinte sie dann verschlafen. „Guten Morgen“, erwiderte der Leader, „ich hoffe, du hast gut geschlafen… nach dem gestrigen Erlebnis. Komm frühstücken!“ Die Frage stimmte Kuroi wieder etwas traurig und sie hoffe inständig, dass ihr Vorhaben erfolgreich sein würde. „Ja, es geht schon…“ nickte das junge Mädchen kurz und folgte ihm schließlich in den Speisesaal. Von Akaku kamen misstrauische Blicke, denn sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ihre Schwester die Sache mit Yoshiki so einfach verkraftete. Zu ihrem Ärger gab es bisher keinen Hinweis darauf, was Kuroi vorhatte. Diese war während des Frühstücks mit den Gedanken bereits in dem Buch verschwunden. Leider hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt, es genauer zu lesen. Jasmine spürte ihre Unruhe und fing sie nach der Mahlzeit heimlich ab. „Lass uns später in die Gartenlaube gehen und dort alles studieren. Ich schätze, das Ritual wird ziemlich kompliziert sein!“ Kuroi nickte.

Gartenlaube

Kurze Zeit später trafen sie sich an dem besagten Ort. Es war ein guter Platz für Heimlichkeiten; die Laube lag verborgen zwischen zwei großen und wohl schon sehr alten Bäumen, deren mächtige Kronen sie vor neugierigen Blicken. Zusätzlich bildete der morgendliche Nebel verhüllende Wand. Kuroi lächelte, sie mochte diesen Ort schon jetzt. „Es war eine gute Idee, hierher zu kommen. Danke für deine Hilfe!“ „Ich habe sie dir versprochen, auch wenn es ein hohes Risiko ist und nicht einfach werden wird“, entgegnete Jasmine, beide setzten sich und begannen, in dem Buch zu lesen. Die zum Teil vergilbten Seiten und die stark verschnörkelte Schrift erwiesen sich dabei als Hindernis. „Das habe ich mir gedacht; für das Ritual wird eine Vollmondnacht benötigt!“ „Die ist in wenigen Tagen, wenn ich mich nicht irre“, meinte Kuroi nachdenklich, „ich werde mich beeilen müssen!“ „Und das könnte trotzdem verdammt knapp werden. Sieh mal: Wir brauchen Blut, Kerzen, Milch und einige seltene Kräuter.“ Der Bassist schaffte es, die Namen zu entziffern, machte sich allerdings nicht die Mühe, sie auszusprechen. „Typisch, diese Arten sind, gerade hier in unserer Klimazone, schwer zu finden!“ „Kerzen und Milch sind dafür leicht zu besorgen, bei den Kräutern müssen wir eben schauen…“, überlegte die Blau – schwarzhaarige laut, „und Blut? Wessen Blut denn?“ Fragend schaute sie Jasmine an. „Nun…“, dieser zögerte, „laut Beschreibung Yoshikis. Oh Mann, das könnte zum Problem werden!“ „Da hast du Recht, das könnte ein Problem werden.“, pflichtete ihm das junge Mädchen bei, „wie sollen wir unbemerkt an sein Blut kommen?“ „Gute Frage. Leider habe ich wieder einen Körper und kann somit nicht mehr durch Wände gehen. Das ist diesmal ein ziemlicher Nachteil. Auf jeden Fall müssen wir dafür in seine Nähe…kannst du das ertragen?“

Besorgt musterte Jasmine sein Gegenüber, Kuroi seufzte. „Ja…ich schaffe das schon.“ Es würde sicherlich nicht leicht werden, wie sollte sie ihm überhaupt noch in die Augen sehen? „Ganz sicher?“ Jasmine hatte ihre Zweifel bemerkt und umarmte sie, ehe er sich wieder dem eigentlichen Thema zuwandte „Meine Hoffnung ist, dass wir ein blutverschmiertes Taschentuch oder ähnliches ergattern.“ Zuerst starrte Kuroi ihren Gesprächspartner entgeistert an, ausgerechnet aus diese Art sollten sie das Blut besorgen? Aber nach kurzem Überlegen musste sie zugeben, das es wohl kaum eine andere Möglichkeit gab. Sie konnten ja wohl schwer darum bitten. „Die Frage ist nur, wie wir das anstellen…“ „Nun, in diesem Fall hat es etwas Gutes, das Yoshiki sich so oft verletzt. Vor allem, wenn er mal wieder in sein Schlagzeug springt!“ Widerwillig musste Kuroi zugeben, das Jasmine recht hatte, auch wenn sie allein die Vorstellung schmerzte. „Ja…auch wenn ich hoffe, dass das nicht mehr passieren wird, sobald hide wieder bei ihm ist.“ „Es gibt Eigenschaften, die ein Mensch einfach hat und die niemals verschwinden werden. Dazu gehört auch das.“ Der Bassist lächelte leicht, diesen Hang zur Selbstüberschätzung kannte er von seinen Bandkollegen nur zu gut. „So lange er dabei wenigstens ein bisschen auf sich achtet.“ Auch Kuroi musste daraufhin lächeln „Fangen wir also erstmal mit den Kräutern an…Sobald wir diese und Yoshikis Blut haben, dürfte es recht schnell vorangehen!“ Jasmine nickte und stand auf. „In Ordnung, ich werde einige Händler kontaktieren. Halte mir bitte den Rücken frei, die anderen dürfen nichts erfahren, besonders Kamijo und Akaku nicht!“ „Ich werde mein Bestes geben. Ich hoffe, sie sind nicht zu misstrauisch…viel Glück“, wünschte ihm die junge Frau beim Abschied. „Akaku ist es leider“, entgegnete er leise für sich, „wir müssen echt aufpassen, das sie uns nicht auf die Schliche kommt!“

Mit diesen Worten verließ der Bassist die Laube und verschwand zwischen den Büschen zog sein Handy aus der Tasche und hoffte inständig, dort Empfand zu haben. Keine Minute zu früh, denn kaum das Jasmine verschwunden war, betrat Akaku unvermittelt die Laube. „Oh, endlich finde ich dich! Wie geht es dir, Kuroi?“ Die Angesprochene konnte sich glücklicherweise beherrschen, nicht allzu sehr über das plötzliche Erscheinen ihrer schwangeren Freundin zu erschrecken. „Wie man es nimmt…aber schon besser als gestern“, lächelte sie ihre Engels-Schwester überzeugend an. „Kann ich dir irgendwie helfen? Kannst du Yoshiki überhaupt noch begegnen und ansehen?“ Kuroi lächelte tapfer. „Ja…auch wenn es meinen Schmerz kaum lindern wird. Aber ihn nicht zu sehen hilft mir genauso wenig…“ „Du liebst ihn wirklich, oder?“, kam die direkte Frage von Akaku. Wieder ein Nicken seitens ihres Gegenübers. „Nachdem, was zwischen uns geschehen ist, ist es mir noch bewusster geworden. Ich kann und will nicht ohne ihn sein…“, entgegnete sie traurig. „Ich kann deine Gefühle verstehen, mir ging es bei Kamijo nicht anders“, erwiderte Akaku und legte eine Hand auf ihren wachsenden Bauch. „Und bei euch hat alles geklappt, wie man sieht.“, lächelte Kuroi die werdende Mutter an. „Ich freue mich wirklich sehr für euch!“ „Ich weiß nicht, aber irgendwie bin ich mir sicher, dass du und Yoshiki füreinander bestimmt seid“, meinte die Schwarzhaarige nachdenklich und mehr zu sich selbst. Kuroi riss überrascht die Augen auf. „Glaubst du wirklich? Ich meine, er hat mir ja klar und deutlich gesagt, was er dazu meint. Eine Beziehung steht auf seiner Wunschliste momentan nicht besonders weit oben “

Das junge Mädchen nickte traurig. „Ich liebe Yoshiki wie einen Vater und nicht umsonst habe ich zugestimmt, seine Tochter zu werden. Aber in manchen Dingen ist er einfach dumm und blind. Liebe gehört ebenfalls dazu. Ich glaube, wenn hide noch da wäre, würde sich die Sache weniger kompliziert gestalten!“ Kuroi nickte geistesabwesend und fühlte sich im selben Moment ertappt. Ahnte Akaku vielleicht etwas? Doch woher sollte sie von ihrem Vorhaben, hide zu neuem Leben zu erwecken, wissen? „Ja, sein Tod hat ihn einfach zu sehr mitgerissen.“, stieg sie vertrauensselig in das Thema ein. „Leider haben wir, von Natur aus, nicht die Macht um Tote wieder lebendig zu machen. Zumindest weiß ich von keinem Engel, der diese Fähigkeit hat und es wäre auch ein ziemliches Chaos…“, erzählte Akaku weiter. „Ja, da hast du leider recht“ „Ach übrigens, Yoshiki kommt uns in einigen Tagen besuchen. Ein Bandmeeting für S.K.I.N. mit Gackt, Miyavi und Sugizo steht auf dem Terminplan und Kamijo hat ihn für danach zu uns eingeladen. Ist das in Ordnung für dich?“ Als Kuroi die Neuigkeit erfuhr, hellten sich ihre Augen sofort auf. „In einigen Tagen schon? Ja, das ist in Ordnung, mach dir keine Sorgen!“ Das junge Mädchen versuchte ruhig zu wirken, aber innerlich klopfte ihr Herz wie verrückt. Das Schicksal schien es gut mit ihnen zu meinen, vielleicht bekamen sie an diesem Abend schon die Chance, welche sie für den Blutraub brauchten. Und sobald der Vollmond in derselben Nacht in voller Pracht am Himmel stand, würde Kuroi das Ritual vollziehen. Akaku seufzte erleichtert. „Gut, einen Streit sollten wir nämlich unter allen Umständen vermeiden. Zumal das zu nichts führt. Ich muss jetzt wieder zurück zu Kamijo, er will mir neue,“, sie verzog leicht das Gesicht, „entsprechende, meinem Zustand angemessene Kleidung kaufen.“ Unwillkürlich musste Kuroi lachen. „Viel Spaß dabei!“, wünschte sie und klopfte der Schwangeren aufmunternd auf den Rücken. Akaku lief eilig ins Haus zurück und das keine Sekunde zu früh, denn kaum, das sie verschwunden war, kehrte Jasmine in die Gartenlaube zurück. „Was muss ich hören? Yoshiki besucht uns? Das kommt ja wie gerufen!“ „Hast du gelauscht?“, erkundigte Kuroi sich in gespieltem Zorn und musste trotzdem lachen. Der Bassist schüttelte den Kopf: „Nein, aber ich habe, obwohl ich Musiker bin, sehr scharfe Ohren. Er lächelte, Kuroi nickte erleichtert und zugleich erfreut, nun waren sie wieder ungestört und konnten ihre Pläne schmieden. „Die Kräuter werden uns geliefert. Jetzt weiß ich, warum ich damals - wenn auch aus unerfindlichen Gründen - ein Postfach eröffnet habe.“, berichtete Jasmine nicht ohne Stolz. „Und ich habe auch schon eine Idee, wie wir an das Blut kommen. Aber,“, er stockte kurz, „dafür musst du deine Kräfte einsetzen.“ „Sehr schön…dann hätten wir die Kräuter schon mal. Huh? Meine Kräfte? Erzähl mir Genaueres, was hast du geplant?“ „Nun, zum Glück benötigen wir für unser Vorhaben keine große Menge Blut, ein paar Tropfen genügen völlig.“, erwiderte Jasmine sah Kuroi ernst an, „daher ist mir eine bessere Idee gekommen als meine Erste, nämlich das Yoshiki sich an den Scherben eines zerbrochenen Glases schneiden könnte. Aber dafür musst du es zerbrechen, ohne großen Schaden anzurichten. Nicht, das wir in einer Splitterflut ertrinken...schaffst du das?“ „Ja, das dürfte nach dem Training kein Problem mehr darstellen. Es sollte nur nicht zu auffällig sein“, entgegnete Kuroi. Diese Aussage klang gelassen, aber innerlich klopfte ihr Herz wie verrückt. Die Kräfte warem dem jungen Mädchen schon immer ein Gräuel gewesen und obwohl sie in Akaku eine gute Lehrerin gefunden hatte, verabscheute sie diese Macht noch immer. Doch Kuroi erkannte auch, das es keine andere Möglichkeit gab.

„Es wäre nicht das erste Mal, das Yoshiki sich an ein paar Glasscherben schneidet, mach dir deswegen also keine Sorgen.“ Sie nickte nur, damit wäre an diesem Abend auch der schwierigste Teil bezüglich der Zutaten für das Ritual erledigt. Zunächst würde sie sich auf den übrigen Ablauf konzentrieren, denn der gefährlichste Part lag noch vor ihr.

„Bist du wirklich sicher, das du es durchziehen willst?“, fragte Jasmine zweifelnd, „Dein eigenes Leben ist in Gefahr. Ein solches Ritual erfordert eine immense Energie, außerdem greifst du in ein sehr empfindliches Gleichgewicht ein und ob es wirklich funktioniert, wissen wir auch nicht!“ „Ich war mir meiner Sache noch nie so sicher“, erwiderte die entschlossene Engelsfrau. Der Bassist nahm sie daraufhin in die Arme, ein paar Tränen liefen über seine Wangen. „Yoshiki ist so ein Idiot!“ Dann lächelte er wieder. „Wie wäre es, wenn Hizaki und ich dich zu diesem Fest einkleiden? Dann wird Yoshiki sich ärgern, weil er eine solche Schönheit von sich gestoßen hat!“„Danke, das Angebot nehme ich gerne an“, sagte Kuroi lächelnd, nachdem sie ebenfalls einige Tränen weggewischt hatte. Hoffentlich war es das Risiko wert.

Scherben des Herzens

Die nächsten Tage waren für Kuroi und Jasmine sehr anstrengend. Nicht nur, weil Letzterer gemeinsam mit Hizaki das extra entworfene Ballkleid für sie fertig nähen musste. Auch die Vorbereitungen für das Ritual verlangten den Beiden einiges ab. Zwar gelang es Jasmine, die zwischenzeitlich eingetroffenen Kräuter unbemerkt in Kamijos Villa zu schmuggeln, jedoch konnten diese nur unter bestimmten Bedingungen aufgewahrt werden, da sie sonst ihre Wirkung verlieren würden. Für zwölf Stunden mutierte Jasmine regelrecht zum Erfinder und es gelang ihm, ein Gefäß zu konstruieren, das wirklich allen Faktoren gerecht wurde. Jenes versteckten sie schließlich, zusammen mit den Kerzen und der Milch in Kurois Zimmer. Das junge Mädchen versuchte währenddessen, die Formeln für das Ritual aus dem Buch auswendig zu lernen, was sich als sehr kompliziert erwies, da alles in Latein verfasst war. Hinzu kam, das die Schrift teilweise unleserlich war, was zweifelsohne im Alter des Buches begründet lag. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, nach dem exakten Alter dieses mystischen Werkes zu forschen

Es dauerte ganze zwei Nächte, ehe der Bassist eine halbwegs brauchbare Abschrift anfertigen konnte. Außerdem musste alles unter dem Deckmantel der Unauffälligkeit geschehen, dennoch Kuroi spürte zuweilen Akakus skeptische Blicke im Nacken, welche sie erschauern ließen. Konnte sie ihrer Schwester und Freundin wirklich etwas vormachen? Ihr einziger Lichtblick war, dass das Fest bald stattfinden sollte und damit auch die Vollmondnacht.

Jasmine klopfte an besagtem Abend an Kurois Zimmertür. „Dann wollen wir das Gesicht des Herrn Hayashi mal blass vor Schreck werden lassen“ kicherte er spitzbübisch und führte die Dunkelhaarige in sein Zimmer. An dem riesigen, begehbaren Kleiderschrank hing ein aufwendiges, in blassem Blau gehaltenes Rokokogewand aus kostbarer Seide mit kunstvollem Blumenmuster überdimensionalen Ärmeln aus antiker, weißer Spitze und einem reifrockähnlichem Unterbau. Im ersten Moment verschlug es Kuroi die Sprache. „Ist…ist das für mich…?“, stotterte sie und schaute Jasmine aus tellergroßen Augen an. „Ja, ist es“, mischte sich Hizaki ein, welcher jetzt ebenfalls im Zimmer stand, „und wehe, du trägst es nicht! Dieses Muster aufzusticken war eine richtige Folter!“ Unsicher nahm Kuroi das Gewand und fuhr mit der Hand über den schweren Stoff nach dem Preis für die Stoffe wollte sie nicht fragen. Nach dem Aufwand und den Mühen, welche die beiden Musiker investiert hatten, erst recht nicht. Wie hätte sie dieses Geschenk ablehnen können, also nickte die Beschenkte schließlich und nach zwanzig Minuten war es soweit; sie drehte sich vor dem Spiegel, verzaubert vom eigenen Anblick. „Das ist wunderschön“, rief sie aus und umarmte beide Meisterschneider gleichzeitig. „Vielen Dank!“ „Keine Ursache.“, erwiderte der Gitarrist, bevor er im Nebenzimmer verschwand, um den passenden Haarschmuck zu suchen.

Eine geschlagene Viertelstunde frisierten die beiden Männer an Kurois blauschwarzen Haaren herum, ehe das “Kunstwerk“ vollkommen war und eine romantische Hochsteckfrisur, aus der einige sinnlich gelockte Strähnen um ihren Hals fielen, ihr Haupt krönte.. Kaum hatten sie ihre Arbeit beendet, betrat Kamijo das Zimmer. Auch der Leader war im barocken Stil gekleidet. Als er jedoch Kuroi erblickte, weiteten sich seine Augen. „Das Kleid steht dir ausgezeichnet!“, stellte er lächelnd fest. „Seid ihr soweit?“ Die Frage richtete sich an alle drei und ein motiviertes Nicken war die Antwort. „Ja, lasst uns gehen.“, sagte Jasmine. Unten im Ballsaal waren die Gäste bereits versammelt; die übrigen Mitglieder von Yoshikis Nebenprojekt S.K.I.N., einige, wenige Geschäftspartner von Kamijo und nicht zuletzt der X Japan-Leader selbst. Als dieser Kuroi in dem prachtvollen Kleid - welches einer Königin zweifelsohne würdig war - erblickte, wie sie stolz erhobenen Hauptes den Saal betrat, stockte ihm der Atem und er musste zu Boden schauen, um seine erröteten Wangen zu verbergen. Sein Herz schlug Purzelbäume, jeder einzelne Schlag brannte wie Feuer. Das japanische Buffet, die dezente, klassische Musik, die anregenden Gespräche…all das rückte in den Hintergrund angesichts dieser, für ihn in diesem Moment noch viel unerreichbareren, Schönheit.

Auch Kuroi selbst entdeckte ihren Angebeteten, sofort und in diesem Moment wurde ihr Herz schwerer als ein Stein. Es gelang ihr jedoch unter größter Anstrengung, die Fassung zu bewahren. Der Pianist räusperte sich und kämpfte ebenfalls um Haltung. Yoshiki konnte sich schließlich dazu durchringen, das junge Mädchen zu grüßen und ihr einen Handkuss zu geben. „Du bist bildschön.“ Seine Worte brachen fast mitten im Satz und die Pein, welche in seinen Augen lag, war sogar durch die dunkle Sonnenbrille , die er wie üblich trug, erkennbar. „Danke“, entgegnete Kuroi leise. Ihr ging es nicht viel besser. Herz und Seele zogen sich so schmerzhaft in ihrem Körper zusammen, als würde eine eiskalte Hand um ihre Kehle legen. Doch sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sich alles bald ändern könnte,. „Warte nur noch ein bisschen“, flehte Kuroi innerlich.

Der Abend verlief, nach gesellschaftlichen Maßstäben, normal und weitestgehend auf höflicher Basis, auch wenn der Drummer sich gerade damit am meisten quälte. Seinen Kummer versuchte er in Rotwein zu ertränken. Als Jasmine sah beobachtete, wie Yoshiki ein Glas in der Hand hielt, gab er Kuroi ein unauffälliges Zeichen. Diese nickte kaum merklich und bündelte ihre ganze Konzentration. Sie fühlte ganz deutlich, wie das weiche Material unter ihrem imaginären Griff zu vibrieren begann. Zum Glück waren die anderen Gäste zu sehr beschäftigt, um ihre Anspannung zu bemerken. Ehe die Blaubekleidete sich versah, zersprang das Glas in Yoshikis Hand mit einem dumpfen, Klirren. Allerdings hielt das Schadensausmaß sich in Grenzen, es war für Außenstehende durchaus denkbar, das er selbst einfach nur zu fest zugedrückt hatte Ohne sich etwas anmerken zu lassen, eilte Kuroi sofort mit gespieltem Schrecken zu ihm hin. „Was ist passiert? Du blutest ja!“ Sofort nahm sie ein vorbereitetes Tuch zur Hand, um die Blutung eines einzigen, feinen Schnittes an seinem Zeigefinger] zu stoppen. Trotz anfänglichen Widerstandes seitens Yoshiki, lotste sie ihn in die angrenzende Küche, um die Wunde zu reinigen und anständiges Verbandszeug zu suchen. Nachdem sie schnell das Passende gefunden hatte, wickelte sie es fachkundig um Yoshikis Finger „So müsste es gehen“, sagte sie sanft lächelnd und ließ das Tuch [mit den benötigten Blutstropfen unbemerkt in ihrem Dekollete verschwinden.

Als sie beide zur Feierlichkeit zurückkehrten, signalisierte Kuroi Jasmine durch Blicke, das planmäßig verlaufen war. Yoshiki zog während dessen ein Gesicht wie auf einem Trauerzug. Ihn hatte es tief geschmerzt, wieder mit Kuroi alleine zu sein. Seine gewünschte Distanz war durch ihre Fürsorge und Hilfsbereitschaft schwer aufrecht zu erhalten, von den Gefühlen ganz zu schweigen. Denn auch wenn Yoshiki es nicht zugeben wollte; sein Herz machte jedes Mal Luftsprünge.

Der Bassist musste sich zusammenreißen, um keinen Freudentanz aufzuführen, das lief ja alles wie am Schnürchen! Trotz der ruhigen Atmosphäre des Abends wurde Yoshiki mit jeder Sekunde nervöser, die er in der Gegenwart dieser Frau verbrachte. Seine von sich selbst verbotenen und definitiv nicht gewollten Empfindungen, drückten gegen seine ohnehin schon gemarterte Seele. Schließlich hielt der Drummer es nicht mehr aus und verließ den Raum, er brauchte Ablenkung und zwar dringend. Sehnsüchtig blickte Kuroi ihm nach, sie konnte sehr gut verstehen, was in ihm vorging. Doch ihm zu folgen, schien mehr als unklug. Schließlich wollte sie ihn nicht noch mehr leiden lassen.

Yoshiki betrat unterdessen einen Raum, welcher in Vergessenheit geraten zu sein schien. Die spärlichen Möbel waren mit weißen Tüchern abgedeckt. Spinnenweben und große Staubflusen überzogen den Teppich. Die Fotos an den Wänden waren teilweise verblasst. Dennoch schillerten an einigen Stellen noch die bunten Farben durch, welche diesen Raum als einen Teil von Kamijos Vergangenheit offenbarten; die Fotos zeigten seine ehemalige Band Lareine. Auch der Flügel stammte noch aus dieser Zeit, an ihm wurde das Balladen-Album aufgenommen. Trotzdem wusste Yoshiki, das dieser regelmäßig gestimmt wurde. Er setzte sich an das Instrument und spielte mit voller Hingabe seinen Song „Longing“. Die Liebe floss regelrecht aus ihm heraus und die Klavierseiten schrieen voller Qual. Auch den anderen Gästen entging der Klang des Flügels aus dem Nebenzimmer nicht. Irritiertes Gemurmel breitete sich aus, denn nur wenige kannten den Grund für das Klavierspiel. Kuroi zerriss es fast das Herz, denn der Schmerz, welchen Yoshikis Spiel widerspiegelte, war stärker denn je. Sie ertrug es nur schwer und wusste, heute Nacht würde sie alles riskieren müssen. Jasmine warf ihr einen eindringlichen Blick zu. „Geh ihm nach.“, sagte er auffordernd. Es klang fast wie ein Befehl. Kuroi erwiderte den ernsten Blick, nickte und entgegen ihres ursprünglichen Vorhabens stand sie langsam auf und verließ ebenfalls den Raum.

Empty Room

Der Pianist war währenddessen völlig in der Musik versunken. Tränen liefen über seine Wangen und diese trugen nur einen Namen: Kuroi! Er bemerkte ihre Anwesenheit zunächst nicht. Bei diesem Anblick stiegen ihr ebenfalls Tränen in die Augen. Zögernd ging das junge Mädchen und setzte sich neben ihn auf den Klavierhocker. Yoshiki erschrak leicht und unterbrach abprubt sein Spiel. Er schaute Kuroi mit traurigen Augen an. Diese erwiderte nur stumm den Blick; sie wusste nichts zu sagen.

Das junge Mädchen legte ihre Hände auf die Tasten und ließ ihre Finger sanft darüber gleiten. Sie setzte das Spiel nahtlos an der Stelle fort, wo Yoshiki aufgehört hatte. Ein winziges Lächeln schlich über Kurois Gesicht bei der Erinnerung. Wie oft hatte sie diese Musik studiert, wie oft dieses Stück geübt, bis sie es perfekt beherrschte. Der Pianist riss währenddessen die Augen auf und starrte das junge Mädchen völlig perplex an. Dieses Spiel, was er da hörte, war unvergleichlich und an Gefühl sowie technischer Präzision kaum zu übertreffen. Es hatte nicht mit dem amateurhaften Versuchen verschiedenster Künstler gemein, bei denen man sich oft die Ohren zuhalten oder ganz taub sein wollte.

Nein, Yoshiki hatte eher den Eindruck als würde er selbst spielen. Kuroi bemerkte seine Verwunderung und lächelte, „ich habe es geliebt zu spielen“, erklärte sie ihm leise, „diese Leidenschaft entbrannte, aber nur durch dich. Kein anderer Komponist oder Musiker konnte diesen Zustand hervorrufen. Deine Klänge…du hast mir gezeigt, wie schön das Klavierspielen sein kann.“ „Wirklich?“, der Leader musterte sie überrascht; dass seine Musik gut war und sicherlich auch ein gewisses Niveau besaß, wusste er. Doch das sie solche Emotionen hervorrufen konnte… „Aber…aber wo hast du meine Songs gelernt?“, sehr zu Yoshikis Verdruss klang seine Stimme unsicher und sogar ein bisschen schwärmerisch.
 

„Ich habe sie mir tagtäglich angehört, mir Notenbücher aus Japan besorgt und gelernt bis zur Erschöpfung“, lachte das junge Mädchen leise und ohne ihr Spiel zu unterbrechen, „ich war oft der Verzweiflung nahe, doch habe ich niemals aufgegeben und mir stets gesagt: Yoshiki würde auch nicht aufgeben und weitermachen, selbst wenn es nicht auf Anhieb klappt. Also werde ich es auch nicht…und so war es dann auch. Allerdings wäre ich beinahe deine Leidensgenossin geworden; mein Handgelenk hätte fast eine Sehnenscheidenentzündung bekommen!“

Trotz der eigentlich ernsten Situation musste Yoshiki unwillkürlich lachen und legte, ohne das er es selbst merkte, den Arm um Kurois Schultern: „Du bist eine Kämpferin!“ Das junge Mädchen fiel in sein Lachen ein und für einen Augenblick schien es fast so, als ob es nie Probleme gegeben hätte. Aber beide wussten sehr gut, dass die Realität anders aussah. Trotzdem schlug Kurois Herz bei Yoshikis Berührung wieder schneller und ein Schauer jagte über ihren Rücken. „Musik ist das schönste Mittel, um seine Gefühle auszudrücken“, zärtlich schaute er das junge Mädchen an. „Ja…da will ich dir nicht widersprechen“, entgegnete sie leicht zittrig und erwiderte den Blick. Yoshiki versank regelrecht in ihren ungewöhnlichen Augen, welche keine klar erkennbare Farbe hatten. Es war eine sonderbare Mischung aus allen möglichen Augenfarben, auch lila und gold waren darunter.

Er wusste, dass sein folgendes Handeln falsch war und konnte sich trotzdem nicht beherrschen; ohne weiter nachzudenken legte der Drummer seine Lippen auf Kurois. Diese erwiderte den Kuss sofort, die Versuchung war einfach zu groß. Yoshiki intensivierte den Kuss und seine Hände strichen über ihren schlanken Hals. Ohne an die möglichen Folgen zu denken, ließ Kuroi sich drauf ein und zuckte zusammen, als der Drummer zärtlich ihren Namen flüsterte. Gleichzeitig spürte sie, wie seine geschickten Finger spielerisch ihre Wirbelsäule hinab glitten.

„Yoshiki…“, flüsterte das junge Mädchen eben und legte vorsichtig ihre Arme um ihn. So als würde sie eine gläserne Statue umfassen, welche bei der kleinsten Berührung in tausend Scherben zerbrechen könnte. Ihre Unsicherheit kehrte zurück und sie dachte an das bevorstehende Ritual; es könnte das letzte Mal sein, das sie ihren Geliebten sehen und berühren konnte. „Ja“, fragte dieser zögernd und diesmal war es Kuroi, welche sich in den stechenden Augen verlor. Ihr Blick ging viel zu tief, angestrengt prägte sie sich jedes Detail an ihm ein: „Ich liebe dich!“

Ein letztes Mal küsste sie ihn, während die aufkommenden Tränen in ihren Augen brannten. „Ich…“, Yoshiki wollte seine Liebste trösten, wollte endlich offenbaren, wie es um seine Gefühle stand. Doch das klirrend kalte Eis in seinem Herzen hinderte ihn, stattdessen legte er sein ganzes Empfinden in diesen Kuss. Das junge Mädchen spürte sofort, das dieser Kuss anders war als sonst, „ich wünschte, es wäre leichter für uns“, wimmerte sie kaum hörbar, ehe Yoshiki das Wort ergriff: „Kuroi…bitte…“, flehend schaute er sie an, „zieh dich nicht vor mir zurück…ich möchte dich wieder sehen!“ Es hätte nicht viel gefehlt und der Musiker wäre auf die Knie gegangen.

In diesem Moment brach der Damm in ihrem Innern und das junge Mädchen krallte sich regelrecht an ihn. Einzig- allein das schwarze Satinhemd des Drummers verhinderte Kratzspuren; nichts würde sie lieber tun, wenn es das Gefühl namens Angst nicht gäbe. Yoshiki hielt sie fest und schützend in seinen Armen; warum konnte es nicht immer so sein? Wieso mussten diese Zweifel an ihm nagen und sein Herz vergiften? Und warum hatte ihm das Schicksal so übel mitgespielt? Kuroi war hin – und her gerissen; sollte sie das Ritual dennoch wagen? Oder würde sie damit nur alles zerstören, falls es ihr nicht gelänge?

„Ich wünschte, ich könnte dich lieben…aber ich habe zuviel Angst. Meine Depressionen und Stimmungsschwankungen würden dich zerstören. Seit hides Tod bin ich so schwach, das mich nur noch die Arbeit am Leben hält; such dir jemand anderen“ flüsterte Yoshiki, nicht ahnend, welche tragischen Ereignisse er damit in Gang setzte.

Abprubt versteifte das junge Mädchen sich in der Umarmung; sie hatte bereits geahnt, dass so etwas passieren würde. Wie sollte es auch anders sein? Selbst wenn es für kurze Zeit schien, als würde alles gut werden und das, ohne jenes empfindliche Gleichgewicht zwischen Leben und Tod zu stören. Ohne ein weiteres Wort riss sie sich los und eilte aus dem Raum, geradewegs hoch in ihr Zimmer: „Ich muss es tun! Es gibt keine andere Wahl!“

Between Life and Death

Nach Atem ringend schloss das junge Mädchen ihre Zimmertür ab. Ihr Entschluss stand fest und sie wollte nicht mittendrin unterbrochen werden. Denn dann wäre das Risiko höchstwahrscheinlich umsonst gewesen.

Mit trügerischer Gelassenheit entzündete sie elf Kerzen, eine für jedes Todesjahr. In die Mitte des Kreises legte sie ein Foto des pinkhaarigen Gitarristen. Die Milch gab Kuroi in ein Glas und tränkte die Kräuter sowie das Taschentuch mit Yoshikis Blut darin, ehe sie beides neben das Foto legte. Ein ächzender Geruch nach Tod und etwas Unbestimmbaren erfüllte den Raum. Aufmerksam prüfte das junge Mädchen noch einmal, ob alle Utensilien vorhanden waren. Wie gut, das sie schon vorher alles in ihrem Zimmer hatte verstauen können. Kuroi holte noch einmal tief Luft und richtete ihre ganze Konzentration auf das Buch, welches vor ihr lag. Sie zitterte am ganzen Leib, verbot sich aber, auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Mit fester Stimme sprach das junge Mädchen jene Verse, die, wie sie hoffte, hide zurückholen würden:

„Opfergaben auf diesem Altar

Mächte der Gezeiten, kommt zu mir und macht das Unmögliche wahr

Diese Seele ist bei euch gewesen elf Jahr

Nun rufe ich, der schwarze Engel, um die höchste Gnade

Lasset diesen Körper entsteigen aus dem Grabe

Sein Lebenslicht soll wieder erstrahlen in dieser Nacht

Bitte schenkt mir dafür eure Kraft

Denn diese Seele hat ihre Mission auf Erden noch lange nicht erfüllt,

er ist der Schlüssel zu einem Lebenden Glück.

Jener, dessen Blut auf diesen Altar ist getropft

Hideto Matsumoto, wegen dir flehe ich, komm zurück!“

Während der Zeremonie nahm das junge Mädchen gar nichts mehr wahr, ihr gedanklicher Fokus lag vollkommen auf dem Ritual. Sie spürte wie die schwarzen Schwingen aus ihrem Körper sprossen und trotzdem wurde die Schwäche mit der Minute größer. „Bitte Hide…es muss einfach klappen! Nur du kannst diesen Schmerz noch lindern…selbst meine Liebe zu ihm vermag es nicht“, bettelte Kuroi und schloss die Augen; nur noch ein wenig länger musste sie durchhalten, auch wenn das Leben bereits aus ihrem Körper schwand.

Als Yoshiki mit versteinertem Gesicht und vor allem ohne Kuroi zurückkehrte, beschlich Jasmine sofort ein ungutes Gefühl. Ungeachtet seiner, dafür definitiv, unpraktischen Kleidung, stürzte er sofort zu Kurois Zimmer. Beim Anblick der verschlossenen Tür geriet er in Panik; dieses Mädchen versuchte doch nicht wirklich alleine…Doch Jasmine wusste es besser und Tränen stiegen in seine Augen. „So ein Mist!“ Sein Fluch hallte in den Mauern wieder.

„Jasmine! Was ist los?“ Der Bassist hatte gar nicht bemerkt, das Kamijo und Akaku ihm gefolgt waren. Als der Leader realisiert hatte, das die Tür verschlossen war, fragte er: „Warum hat sich dort drin eingesperrt?“ Sein leicht schneidender Tonfall gestattete weder Lügen noch Ausflüchte. „Ähh…“ gegen seinen Willen wurde Jasmine rot. Trotzdem sah er keinen anderen Ausweg und erzählte seinen Freunden die Wahrheit. Auch über Kurois Gründe und seine eigene Rolle dabei schwieg er nicht.

Mit jeder Silbe wurde Akaku blasser, „Seid ihr wahnsinnig geworden?“, schrie sie und ihre sonst so melodiöse Stimme überschlug sich beinahe, „ihr spielt mit Mächsten, von denen ihr keine Ahnung habt!“ Kamijo zitterte, mit aller Kraft unterdrückte er seinen Zorn: „Wie konntest du das zulassen? Sie wird sich damit umbringen. Verdammt! Kannst du uns irgendwie Zugang zu diesem Zimmer verschaffen? Oder gefährden wir sie damit?“, wandte er sich besorgt an seine Frau.

„Genau das weiß ich nicht…Kamijo“, seufzte sie stockend. Akaku griff sich an die Schläfe. Ihre Gedanken rasten wie ein Strudel im Kreis. Noch nie war sie mit jemandem konfrontiert worden, der freiwillig und in Vollbesitz seiner geistigen Gesundheit ein solches Ritual praktiziert hatte. Jenes taten meist arme Seelen, die, infolge ihrer Macht, den Verstand verloren hatten oder naive Anfänger, welche zu schnell zuviel wollten. Plötzlich knickten die Beine unter ihr weg. Der Leader fing sie gerade noch rechtzeitig auf. „Können wir denn gar nichts tun als zusehen?“, meinte er verzweifelt.

Auch Hizaki und die anderen kamen hinzu und waren nicht minder geschockt über die Situation. „Yoshiki! Vielleicht kam er helfen“, merkte Hizaki an und machte bereits Anstalten, hinunter in den Saal zu laufen. „Warum gerade er? Er ist bis zum gewissen Grade Schuld an dem ganzen Drama“, warf Akaku ein und presste die Hand auf ihren Bauch; das Baby trat erbarmungslos. „Gerade deshalb ist es seine Pflicht, es wieder gut zu machen; Hizaki hat recht. Vielleicht ist er sogar der Einzige, welcher jetzt an sie heran kommt,“ meinte Kamijo, „aber was ist mit dir? Ist es das Baby?“, fragte er sofort, als seine Frau sich erneut vor Schmerzen krümmte. „Ist schon gut…“, Akaku verzog schmerzhaft das Gesicht, als sie sich erhob, „ich werde mich verwandeln. Hizaki, du holst Yoshiki und zwar schnell!“ Der Leader war alles andere als begeistert von ihrem Vorschlag, stimmte dann aber widerwillig zu. „Aber überanstreng dich bitte nicht“, flehte er nachdrücklich. Die Flügel wuchsen aus dem schlanken Rücken: „Ich passe schon auf. Jasmine, was genau ist das für ein Ritual?“ Der Bassist erzählte ihr alles, was er wusste, auch über das Buch. Akakus Unruhe steigerte sich: „Verflixt! Das ist das gefährlichste Ritual dieser Gattung! Ich habe darüber gelesen…aber zugleich das Effektivste!“ Kamijo traute seinen Ohren kaum; wie konnte Kuroi nur so leichtsinnig sein? Aber für Vorwürfe hatten sie jetzt keine Zeit!

Wo war der Drummer, wenn man ihn mal suchte? Nach einer halben Ewigkeit, wie es schien, fand der Gitarrist Yoshiki und erklärte hektisch, was vorgefallen war, „Sie braucht dich jetzt oder sie stirbt“, drängelte Hizaki. Der Pianist schüttelte den Kopf: „Das ist alles meine Schuld. Ich hätte sie nicht so schlecht behandeln dürfen. Dabei…liebe ich sie doch!“ Tränen liefen über seine Wangen. „Dafür ist es jetzt etwas zu spät…wir müssen sie aufhalten!“ Beide liefen so schnell es ging wieder die Treppen hinauf zu den Freunden.

Nachdem Kuroi völlig am Ende das letzte Wort gesprochen hatte, wurde sie von einem weißen Lichtstrahl geblendet. Jener erfüllte den ganzen Raum; hatte sie es geschafft? War ihr Bemühen erfolgreich gewesen? Nachdem das Licht wieder erloschen war, erkannte das junge Mädchen nur einen Schatten mit einem roten Schimmer, welchen sie als Hide zu identifizieren glaubte. Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen, ehe alles um sie herum schwarz wurde und ihr Körper leblos zusammenbrach. Kurois letzter Gedanke galt Yoshiki.

Auch den anderen blieb der Lärm nicht verborgen und sie starrten erschrocken auf die Tür: „Was war das?“ Schließlich wurde es dem schwarzen Engel zuviel, „Geht mal alle zur Seite“, verlangte sie barsch und hob die Flügel. Mit deren unbändiger Kraft gelang Akaku es, die Tür in kleine Stücke zu zerbrechen. Ohne Zögern stürmten alle in den Raum, welcher völlig abgedunkelt war. Jasmine zuckte zusammen, als er was fast über etwas stolperte. Dieses entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Kuroi. „Nein“, kreischte der Bassist, kniete nieder und nahm das bewusstlose Mädchen in seine Arme. Ihre Haut war eiskalt und auch im Gesicht erkannte er bereits die Anzeichen des Todes.

Akaku schaute dem Geschehen entsetzt zu und eine zügellose Wut erfüllte sie: „Das ist alles deine Schuld!“ Das junge Mädchen versetzte Yoshiki eine schallende Ohrfeige. Dieser senkte den Blick, unfähig zu sprechen. „Bitte, lass dem nicht so sein“, hauchte Kamijo fassungslos und kniete neben Jasmine, „sind wir zu spät?“

Erlösung

Hizaki nahm die völlig aufgelöste Akaku tröstend in den Arm, auch wenn er selbst den Tränen nahe war; wieso nur musste das passieren? Langsam näherte Teru sich dem aufgeschlagenen Buch und klappte es zu. „Nichts als Unheil hast du uns gebracht…“, meinte er traurig und würdigte es keines weiteren Blickes. Jasmine war der Erste, welcher sich aus der Starre befreite: „Der Tod hat seine gierigen Finger bereits aus ihr ausgestreckt. Es ist sehr kritisch, aber ich werde es versuchen! Akaku, stellst du hinter mich? Ich brauche jetzt deine Energie!“

Der Engel folgte der verwirrenden Aufforderung. Ihr war nicht ganz klar, was Jasmine vorhatte. Der Bassist war doch vollkommen menschlich, oder? Niemand bemerkte, das Yoshiki währenddessen unkontrolliert zitterte und offensichtlich kurz vor dem Nervenzusammenbruch stand. Wie hatte er nur so dumm sein können? Jetzt kostete seine Blindheit ihm sogar die geliebte Person, „nur, weil ich ein Mensch bin, heißt das noch lange nicht, dass ich mit deinen Kräften nichts mehr anfangen kann, Akaku. In dieser Beziehung werde ich wohl immer anders sein.“ Der Engel nickte und ihre Lippen auf seine; mit diesem Kuss floss ein Teil ihrer Energie durch Jasmines Adern. Es fühlte sich an wie ein glühender Lavastrom.

Er beugte sich über Kuroi und verharrte plötzlich mitten in der Bewegung; sein Gefühl offenbarte ihm die Gegenwart eines wohlbekannten Toten. Kamijo bemerkte den starren Blick seines Freundes, „ist etwas nicht in Ordnung?“, wandte er sich fragend an diesen. Jasmines Hautfarbe ähnelte einer weißen Wand: „Leute, ich…ich glaube, das Ritual hat funktioniert!“ „Was?“, Kamijo brauchte einige Minuten, ehe er den Sinn dieser Worte verstand. Auch in seinem Blick lag Fassungslosigkeit, „woher..?“ Noch ehe der Leader ausgesprochen hatte, entdeckte er die besagte Person und seine Kinnlade fiel auf den Boden. „Hallo Leute!“ Der X Japan Gittarist grinste und klopfte sich den Sternenstaub von der schwarzen Kleidung. „hide!“ Also hatte Kuroi wirklich Erfolg“, rief Hizaki aus und staunte darüber nicht weniger als die anderen Anwesenden, „aber zu welchem Preis“, fügte er leise hinzu und schaute auf das regungslose Mädchen. Yoshiki erstarrte beim Anblick seines Freundes wie zur Salzsäule und konnte es nicht glauben; hide war wieder da! Er wollte auf ihn zugehen und ihn umarmen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als würde der Pianist jeden Moment in Ohnmacht fallen.
 

Es dauerte eine ganze Weile, ehe Yoshiki sprechen konnte: „hide!“ „Yoshiki“, der Gitarrist ergriff die Initiative und schloss seinen alten Freund in die Arme, bevor er wieder ernst wurde, „aber wie ich sehe, ist hier nicht alles in Ordnung!“ Der Drummer senkte den Blick, wie sollte er das erklären?

„Steht hier nicht rum“ herrschte Akaku sie an, „wir müssen meine Freundin retten!“ „Aber wie? Wie können wir sie zurückholen?“ „Auf die klassische Art“, schlug hide vor „nur sollte ich es besser nicht tun. Meine Lunge hat ihre Arbeit gerade erst wieder aufgenommen…es wäre zuviel.“ Akaku nickte und schaute zu Jasmine: „Du musst sie beatmen!“ „In Ordnung“, erwiderte dieser ernst und drückte seine Lippen auf die des Mädchens.

Nach einigen Minuten scheint es Wirkung zu zeigen, denn sie regte sich langsam und der Bassist stoppte: „Kuroi?“ Diese kam allmählich wieder zu sich und sprang erschrocken auf. Nur leider hatte das junge Mädchen die Rechnung ohne ihren Körper gemacht, denn dieser sank, infolge der Schwäche, sofort wieder in sich zusammen. Als Kuroi alle um sich herum stehen sah, war sie zunächst verwirrt. Doch beim Anblick von hide, welcher neben Yoshiki stand, konnte sie es nicht glauben: „Ich…ich habe es tatsächlich geschafft.“ Ihre Stimme klang schwächer als ein Kind und brüchig von der Anstrengung. Trotzdem lächelte sie hide strahlend an: „Willkommen zurück!“ Tränen der Freunde liefen über ihre Wangen.

Hide lächelte ebenfalls herzlich: „Ja Kuroi…das Wunder ist dir gelungen und ich hoffe, das es dem Herren eine Lehre ist!“ Der Besagte schaute seinen Freund fragend an. „Ist dir denn nicht klar, Yoshiki, das Kuroi alles aus Liebe zu dir getan hat? Ohne Zögern hat sie ihr Leben riskiert, um dich glücklich zu machen. Und du warst sehr besorgt und da willst du mir erzählen, du empfindest nichts für sie? Hör auf, vor deinen Gefühlen zu fliehen!“

Der Pianist nickte stumm; hide hatte ja Recht. Durch seine Sturheit und verzweifelte Flucht hatte er Kuroi beinahe unwiederbringlich verloren. „Kannst du mir verzeihen?“ Seine Augen flehten regelrecht. Dankbar für diese Zurechtweisung grinste das junge Mädchen und nickte: „Unter einer Bedingung; steh endlich zu deinen Gefühlen! Wie hide schon sagte; ich bin schließlich nicht blind! Und ich werde dich unterstützen, wann immer du Hilfe brauchen solltest…Ich werde immer da sein…Ich liebe dich, Yoshiki, mehr als alles andere! Und gemeinsam schaffen wir alles“, bei den letzten Worten war Kurois Stimme tränenerstickt. Auch Yoshiki hatte Tränen in den Augen und schloss das junge Mädchen überglücklich in seine Arme: „Ja, das werde ich…versprochen. Trotzdem hoffe ich, dass du diesen Entschluss nicht bereust. Ich…ich liebe dich, Kuroi!“

Sie erwiderte die Umarmung ebenso glücklich und zitterte am ganzen Leib; zum ersten Mal hatte er diese drei Worte gesagt. „Niemals werde ich ihn bereuen“, dieser Satz klang aus ihrem Mund wie ein Schwur.

River and Wildflowers

Der Pianist hielt seine Liebste ganz fest in den Armen und es vergingen Minuten, ehe sie sich wieder voneinander lösten. „Aber es gibt etwas, das ich im Leben versäumt habe und das ich jetzt gerne nachholen möchte. Ist das in Ordnung für dich?“, fragte Yoshiki und musterte hide liebevoll, der sofort verstand. „Du…du wusstest das?“, der sonst so selbstbewusste Gitarrist wurde ganz verlegen und seine Gesichtsfarbe machte den Haaren Konkurrenz. „Ich bin nicht doof“, erwiderte das junge Mädchen und konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Sie hatte genau verstanden, was Yoshiki meinte.

Dieser ging auf hide zu und setzte ein verführerisches Lächeln auf. Sanft streichelte er die Wangen seines Freundes, ehe er hides Lippen mit den seinen verschloss. Dieser erwiderte den Kuss genießerisch; wie lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet! Kuroi nickte zufrieden und ohne eine Spur von Eifersucht; endlich ging auch hides Wunsch in Erfüllung. Froh und vor allem erleichtert darüber, dass ihr Plan aufgegangen war, lächelte das junge Mädchen Jasmine an: „Ohne dich wäre das alles gar nicht möglich gewesen. Ich danke dir!“ Sie umarmte ihn glücklich „Nichts zu danken“, erwiderte der Bassist verlegen, „ist ja nicht das erste Mal, das ich ein Herz rette, oder?“

Er warf Kamijo einen schelmischen Blick zu, welcher ihm daraufhin grinsend gegen das Schienenbein trat. „Itai“, verzog Jasmine das Gesicht, hob den Leader hoch und begann, ihn an den Seiten zu kitzeln. Selbst Kamijos Lachen war glockenhell und die anderen fielen ein. „Da hat er allerdings recht“, grinste Hizaki. „Das sollten wir feiern. Los, verwandele dich!“ Akaku war kaum noch zu bremsen. „Hai“, nickte Kuroi zustimmend; manchmal hatte es doch seine Vorteile, nicht ganz menschlich zu sein. Ihr Körper hatte sich bereits vollkommen von den Strapazen erholt, eiligst folgte sie Akakus Beispiel und verwandelte sich; zum zweiten Mal sah Yoshiki sie nun als schwarzen Engel, diesmal jedoch ohne Zerstörung und Furcht.

„Du bist wunderschön“, hauchte der Drummer und strich ihr zärtlich über die Wange. Seine Augen waren voll Liebe. „Los, mach die Fenster auf“, verlangte die Schwarzhaarige energisch und die anderen sahen, dass der Morgen bereits anbrach, „haltet euch gut fest!“ Diese Worte galten Kamijo und hide. Kuroi lächelte ihren Liebsten an: „Halt dich gut an mir fest, so etwas erlebst du nicht alle Tage!“ Lachend folgte sie Akaku, während Teru ihnen das Fenster öffnete. Yoshiki warf einen verwirrten Blick in die Runde und Versailles grinsten; sie wussten schon, was gleich passieren würde. Ohne ein weiteres Wort platzierte Kuroi ihn auf ihrem Rücken und nickte ihrer Schwester zu, ehe sie sich gleichzeitig von der Fensterbank aus in die Lüfte erhoben. Der Pianist hielt sich verwirrt an seiner Liebsten fest, aber trotzdem hatte er das Gefühl der vollkommenen Freiheit. Es war lange her, dass er dies verspürt hatte und dazu noch mit hide an seiner Seite. Sanft musterte er seinen besten Freund, dessen pinkfarbene Haare im Wind tanzten.

Die schwarzen Engel trugen sie über Wiesen, Wälder und einen Fluss. Dort beschleunigten sie ihr Tempo, so dass das Wasser in kleinen Tropfen spritzte und die Sonnenstrahlen reflektierte. Es war ein Anblick, welcher dem Garten Eden glich, „kann die Welt wirklich das Paradies sein“, fragte Yoshiki sich und blickte zu seiner Liebsten. Ja, mit ihr an der Seite konnte es das definitiv. „Ich liebe es“, rief Kuroi freudestrahlend aus, während die schwarzen Flügel sie immer weiter trugen. Das junge Mädchen fühlte sich wie neugeboren, zusammen mit ihren Freunden und dem Menschen, den sie am meisten liebte; konnte es etwas Schöneres geben?

Akaku schmunzelte, als sie die beiden sah und schaute verliebt zu Kamijo. Da kamen Erinnerungen hoch, „sie sind wie wir, habe ich recht?“, interpretierte der Blondhaarige ihren strahlenden Blick, „es ist kaum zu glauben, das alles noch gar nicht solange her ist.“ Kamijo lächelte. „Ja, sie sind gast genau wie wir. Nur, das ich bei uns diejenige war, die vor ihren Gefühlen Angst hatte. Es hat sich so vieles verändert.“ Das Baby trat gegen Kamijos Hand, „das Kleine kann es wohl kaum erwarten“, lachte er daraufhin leise, „bald werden wir dies zu dritt erleben können!“ „Ja, die Kleine wartet auf dich!“ Überrascht musterte Kamijo seine Frau; bisher hatte sie ihm nicht verraten, welches Geschlecht das Baby haben würde. „Dann habe ich ja bald zwei wundervolle Prinzessinnen an meiner Seite“, meinte er liebevoll.
 

Eine Weile schauten Jasmine, Teru und Yuki den Paaren hinterher. „Ich glaube; das wird eine Weile dauern, ehe sie zurückkehren. Ob wir nicht langsam mal wieder zu den Gästen gehen sollten“, meinte der kleinere Gitarrist nachdenklich, „außerdem können wir das gute Essen doch nicht verderben lassen, oder?“ Hizaki lachte daraufhin nur; das war typisch für Teru. „Mir ist es recht. Lasst uns also wieder unter die Gäste mischen!“ Jasmine war von dem Vorschlag nicht besonders angetan, weil die Freudentränen seine Schminke verwischt hatten. So oft der Bassist auch mit einem Taschentuch rieb; es kamen immer wieder neue nach. „Mein Make-up“, klagte er und versuchte zum gefühlten, tausendsten Mal, es zu retten. „So schlimm ist es doch auch wieder nicht!“ grinste Hizaki und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter, „und jetzt auf zu den Gästen!“ Mit einer resoluten Geste schob er seine Bandkollegen aus dem Zimmer.

Währenddessen flog Kuroi mit Yoshiki und hide weiter den Fluss entlang. Kamijo und Akaku hatte sie längst hinter sich gelassen; jetzt zählte nur noch der Augenblick. Auf einer riesigen Blumenwiese landeten sie schließlich. Zufrieden räkelte der schwarze Engel sich im weichen Gras, während die vorwiegend weißen Blumen ihre Haare bedeckten. Entspannung an der frischen Luft tat gut nach diesem anstrengenden Flug. Außerdem wollte sie Yoshiki und hide die Gelegenheit zur Aussprache geben, denn jene hatte viel zu lange warten müssen.
 

Der Drummer fragte seinen Freund regelrecht aus: Wie es ihm im Jenseits ergangen war? Ob er seine Freunde vermisst habe? Auch die Frage nach seinem Vater konnte Yoshiki nicht zurückhalten, selbst wenn diese sein Herz bluten ließ. hide antwortete geduldig auf seine Fragen, weswegen die Zweifel langsam aus dem Gesicht des Pianisten verschwanden. „Das Schönste war für mich, als X Japan zurückkehrte und du dadurch die Kraft zum Leben wieder gefunden hast. Nur, dass dein Herz so kalt und unzugänglich blieb machte mich traurig. Ich wollte nie, das du leidest, Yoshiki!“ Zitternd griff der Gitarrist nach der Hand seines Freundes und drückte sie: „Ich habe dich immer geliebt, Yoshiki, im Leben wie im Tod. Es brach mir das Herz, deine Depressionen zu sehen. Und ich hoffe, das es damit jetzt vorbei ist!“
 

Der Pianist schloss hide in die Arme und wischte ihm die Tränen aus dem Gesicht. Zum ersten Mal wurde ihm klar, was er anderen Menschen mit seinem Verhalten angetan hatte. Yoshiki warf einen liebevollen Blick zu Kuroi: „Ganz sicher!“ Diese erwiderte den Blick, ging zu ihm und nahm seine Hand; nie wieder würde sie von seiner Seite weichen. Yoshiki schloss Kuroi fest in die Arme und wie auf ein Zeichen stoben die Wildblüten um sie herum wie kleine Schneeflocken. Sanft legten sie sich auf Kleidung und Haare. Fasziniert betrachtete das junge Mädchen jenes Schauspiel der Natur, was mochte der Grund dafür wohl sein?
 

„Kuroi“, plötzlich wurde Yoshikis Stimme ernst und der Griff um ihre Hand fester, „ich möchte dich etwas fragen, auch wenn es vielleicht ein wenig unpassend ist!“ Sie schaute ihn abwartend an, was konnte er meinen? Hoffentlich nichts Schlimmes. Der Pianist schaute ihr noch tiefer in die Augen und ging, wie in Zeitlupe, auf die Knie: „Wir kennen uns kaum und unsere Geschichte hat mehr als unglücklich begonnen; du hast wegen mir beinahe dein Leben verloren. Deswegen weiß ich jetzt, dass ich dich aus ganzem Herzen liebe. Ich frage dich hier und jetzt, mein schwarzer Engel; willst du meine Frau werden?“

Das junge Mädchen konnte es im ersten Augenblick gar nicht fassen; hielt Yoshiki tatsächlich um ihre Hand an? Das nächste, was sie tat, war, dem Drummer freudestrahlend um den Hals zu fallen. „Ja! Und wie ich das will“, ihre Stimme war eine Mischung aus Lachen und glücklichem Schluchzen. Plötzlich tauchten Kamijo und Akaku wie aus dem Nichts auf, ihre Augen leuchteten. „Endlich“, sagte das junge Mädchen und umarmte Kuroi. Diese erwiderte die Geste und beide sprangen fröhlich herum: „Danke!“ Kamijo und Yoshiki lachten: „Unsere Frauen!“

The Prince of Japan

Man sah Kuroi deutlich an, wie glücklich sie über die Wendung der Ereignisse war; ihre Augen leuchteten wie frisch geschliffene Edelsteine. Niemals hätte das junge Mädchen geglaubt, dass ihr großer Traum, welchen alle Menschen immer verächtlich als Utopie bezeichnet hatten, doch noch Wirklichkeit werden würde. Und nun stand Yoshiki ihr gegenüber, hielt sie fest in seinen Armen und wollte sie zu seiner Frau machen. Ein solches Glück war kaum greifbar und vor allem waren die Anstrengungen nicht umsonst gewesen.
 

„Endlich…endlich hat Yoshiki gelernt, richtig zu lieben“, hide strahlte über das Gesicht, „und die Feierlichkeiten könnten wir doch gleich verbinden!“ Acht fragende Augenpaare richteten sich auf ihn und der Gitarrist grinste: „Nun, Yoshiki; du wirst jetzt Ehemann...warum nicht gleich auch Vater?“ Sein Blick ruhte auf Akaku. „Klar will ich das“, erwiderte diese und legte sanft ihren Arm um Yoshikis Schultern. Sein fröhliches Lachen tat gut und sie hoffte, es in Zukunft öfters zu hören. „Und ich werde gar nicht gefragt? Redet doch nicht einfach darüber, als ob ich nicht anwesend wäre“, rief Kuroi in gespielter Empörung dazwischen und lachte. Allein der Gedanke, selbst Kinder zu bekommen, ließ sie erröten. Zumal Yoshiki nicht den Eindruck machte, als wäre er dem abgeneigt.

„Darf ich Yoshikis Tochter werden?“, fragte die Schwarzhaarige leicht verunsichert und senkte den Blick, „oder stört es dich eine Tochter zu haben, welche kaum älter ist als du?“ „Nein, ganz und gar nicht“, lachte Kuroi, „du bist sowieso schon meine beste Freundin. Außerdem habe ich dir sehr, sehr viel zu verdanken!“ „Dann wäre das auch geklärt“, grinste hide und trieb zur Eile an, „los…wir müssen die Hochzeit vorbereiten!“

„Da haben wir einiges vor uns“, meinte Kamijo lächelnd und schaute zu Akaku, „wenn ich an unsere Hochzeit denke...“ „Wer macht diesmal Musik?“, fragte diese und zählte in Gedanken die Künstler auf, welche infrage kämen. Genau in diesem Moment fiel Kuroi eine Person ein, die sie liebend gerne hören würde: „Gackt!“ Zur Überraschung aller erfolgte ihr Ausruf zeitgleich mit Akakus. Die beiden Mädchen schauten sich verdattert an, ehe sie sich vor Lachen regelrecht kugelten.

Yoshiki fiel ein und strich seiner zukünftigen Frau durch die Haare: „Den Prinzen von Japan also? Sobald wir wieder bei Kamijo sind, werde ich ihn kontaktieren!“ Die zwei Engel machten sich auf den Rückweg, wobei Kuroi Mühe hatte, ihre Aufregung und Freude zu unterdrücken; kein Geringerer als Gackt würde auf ihrer Hochzeit spielen. Die anderen Mitglieder von Versailles erwarteten die zwei Paare bereits und nachdem die freudige Botschaft verkündet worden war, gab es einen regelrechten Schwall aus herzlichen Umarmungen, wobei Jasmine es endgültig aufgab, seine Schminke retten zu wollen. „Gackt wird überrascht sein, das ich ihn schon wieder kontaktiere“ meinte Yoshiki grinsend und nahm das Telefon.

„Moshi moshi…Gackt desu“, die Stimme des Solokünstlers klang ein wenig genervt; offensichtlich hatte Yoshiki ihn bei der Arbeit gestört. „ Hallo Ga-chan“, der Drummer verwendete den verhassten Spitznamen ohne Reue, „du…es ist etwas geschehen!“ Ohne einmal zu unterbrechen erzählte er die ganze Geschichte und selbst Kurois Existenz wurde nicht verschwiegen. Man konnte förmlich hören, wie Gackts Kinnlade auf den Boden fiel und nicht aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen schwarzen Engel handelte. „Was? Habe ich da weben richtig gehört; du wirst heiraten? Das ist nicht dein Ernst, Yoshiki!“ Der Angesprochene verzog wütend das Gesicht, blieb jedoch fest bei seiner Meinung. Der Sänger seufzte hörbar: „Also gut, ich bin zwar momentan mehr als beschäftigt, aber ich werde spielen und hoffen, das du keine riesige Dummheit begehst!“ Auch wenn ihr der verbitterte Gesichtsausdruck Yoshikis gar nicht gefiel, wartete Kuroi das Telefonat gespannt ab. Ob der „Prinz von Japan“ tatsächlich kommen würde. Der X Japan – Leader überhörte die spitze Bemerkung gekonnt und diskutierte stattdessen über mögliche Songs. Nach einer halben Stunde war alles geklärt: „Er kommt und spielt auch für uns! Leider ist er von der Hochzeit überhaupt nicht begeistert.“ Seine geballte Faust verriet den mühsam unterdrückten Zorn. Die Freude des jungen Mädchens wurde durch diese Aussage ebenfalls getrübt, „warum denn?“, fragte sie sofort nach; was war am Heiraten so falsch? „Na ja, weißt du; Gackt hat schon viele gescheiterte Beziehungen hinter sich. Bei unserem Lebensstil ist es nun mal nicht einfach. Aber das Schlimmste für ihn war seine Scheidung, deswegen traut der Ehe an sich nicht“, Yoshiki errötete leicht; es machte ihn verlegen, so offen über das Privatleben seines Kollegen und Freundes zu plaudern. Doch anders wäre die Erklärung nicht möglich gewesen. „Ach so ist das“, meinte Kuroi leise; sie hatte schon befürchtet, dass es sich nur auf ihre Hochzeit beziehen würde. Jetzt sah die Sache natürlich anders aus, „ich hoffe, das er auch irgendwann sein Glück finden wird…so wie wir“ Ihr engelhaftes Lächeln war ansteckend.

„Das hoffe ich auch“, Yoshiki nahm seine zukünftige Frau in den Arm und niemand, nicht einmal Jasmine, bemerkte, dass der Wind zu einer Melodie wurde. Glücklich drückte Kuroi den schlanken Leib an sich und beide ertranken für einige Sekunden in der Zweisamkeit. Das braune Augenpaar, welches sie dezent beobachtete, nahmen sie nicht wahr. „Nun ist aber Schluss“, tadelte Kamijo gespielt und grinste, „wir haben eine Menge vorzubereiten!“

Einstimmiges Nicken war die Antwort; Hizaki und Jasmine fuhren in die Stadt, um Stoffe für das Kleid sowie Blumen für die Bouquets zu holen, welche als Schmuck dienen sollten. Der Bassist war voller Eifer; er liebte solche Arbeiten. Hizaki entschied sich nach einigem Überlegen für ein Hochzeitskleid im Jugendstil, obwohl es, nähtechnisch gesehen, eine große Herausforderung war. Teru und Yuki kümmerten sich um die Gästeliste, während Kamijo und Akaku die übrige Organisation in die Hand nahmen. Die Telefone hörten kaum mehr auf zu klingeln und im ganzen Anwesen herrschte aufgeregtes Gemurmel.

„Ich brauche Ohrenschützer“, klagte er halb im Scherz, woraufhin Akaku ihn schmunzelnd umarmte. Obwohl die Schwarzhaarige sich aufgrund der Schwangerschaft schonen musste, würde sie es sich nicht nehmen lassen, bei dem Ereignis dabei zu sein.

Nach 240 Stunden war es endlich soweit; diesmal sollten die Trauung sowie die anschließende Feier in Kamijos Anwesen stattfinden. Zu diesem Zweck hatten Jasmine einen der Säle zu einer kleinen Kapelle umfunktioniert und diesen mit weißen Lilien sowie Kerzen geschmückt. Im Hintergrund erklang dezent „Scarlet Love Song“ von X Japan, da weder das Brautpaar noch die Gäste Orgelmusik mochten. Unter ihnen waren auch die übrigen Mitglieder von Yoshikis Band, welche das alles noch gar nicht fassen konnten. „Yoshiki heiratet“, stammelte Toshi immer wieder und wischte sich die Freudentränen aus dem Gesicht, „ich kenne ihn seit vierzig Jahren und habe damit nicht gerechnet!“ „Ich glaube es kaum; das Arbeitstier wird zahm“, pflichtete Sugizo ihm bei. „Solche Wunder geschehen eben“, mischte Miyavi sich in die Unterhaltung ein und nahm die Hand seiner Frau Melody.

Dann erschien Yoshiki auf der Bildfläche; er war in einen klassischen, schwarzen Frack gekleidet und das gebleichte, mittlerweile schulterlange, Haar war in eine leichte Welle gelegt. Zum Erstaunen aller trug der Pianist keine Sonnenbrille, so dass man die Tränen sah. Ein Anblick, der selbst für seine Freunde ungewohnt war. Nach einigen Minuten betrat Kuroi am Arm von Yuki den Raum und sämtliche Blicke wanderten zu ihr. Das blau-schwarzhaarige Mädchen trug ein elfenbeinfarbenes, langes Kleid, wobei die Schleppe allein 2,5 Meter maß. Jene war, ebenso wie der Brustbereich mit Blüten, antiker Spitze und Perlen verziert. Der großzügige Vorder – sowie Rückenausschnitt war mit hautfarbenem Baumwolltüll unterlegt. Die Puffärmel stellten, ebenso wie der A-förmige Rock, nur leicht aus. Kurois Schleier reichte ihr nur knapp bis über die Schultern, damit er die Pracht des Kleides nicht störte.

„Also deswegen hast du in den letzten Tagen so viel geflucht“, bemerkte Kamijo leicht spöttisch und lachte. „Ja“, entgegnete Hizaki, „die Spitze, Perlen und Blüten von Hand anzunähen war eine regelrechte Tortur!“ „Aber es hat sich gelohnt“, meinte Akaku. Selbst dem Drummer verschlug es für einen kurzen Augenblick die Sprache, ehe er Kurois Hand nahm. Feierlich sprach der Priester die heiligen Worte und stellte jene entschiedene Frage. „Ja, ich will“, lautete Yoshikis Antwort. „Ja, ich will“, erwiderte das junge Mädchen und fühlte sich so glücklich wie niemals zuvor. Endlich forderte der Priester zum Kuss auf und als die weichen Lippen des Pianisten sich auf ihre pressten, applaudierte der ganze Saal. Selbst hide schluchzte vor Glück.

Blue Butterfly

Nach der Trauung begab sich die Gesellschaft in den Ballsaal und Gackt begann zu spielen. Der Sänger hatte sich geweigert, der eigentlichen Zeremonie beizuwohnen und nicht einmal ein Befehl seitens Yoshiki konnte daran etwas ändern; er verabscheute solche Dinge einfach. Voller Gefühl strichen seine kräftigen Hände über die weißen Tasten und spielten die Piano Versionen seiner Songs. Aber auch die schönsten Klänge änderten Gackts versteinerte Miene nicht. Ebenso blieb ihm verborgen, dass in den rosa Blüten des gewaltigen Kirschbaumes ein Schatten saß und seinem Spiel durch das Fenster in einer Mischung aus Faszination und Trauer lauschte. Die kupferfarbenen Haare reichten fast bis zum Boden.

Kurois Augen leuchteten wie Sterne, auch wenn Gackts säuerliche Miene sie betrübte; warum konnte er sich nicht einfach mit ihnen freuen? Einfach einmal glücklich sein? Selbst beim Tanz mit Yoshiki warf das junge Mädchen immer wieder einen traurigen Blick zu ihm. Plötzlich zuckte Akaku wie vom Blitz getroffen zusammen; ihre feinen Sinne vernahmen die Anwesenheit eines Geistes. Unbemerkt ging sie in den Garten, die Energie wurde mit jedem Schritt stärker. Außerdem flog ein Schwarm von kleinen, blau – schwarzen Schmetterlingen um sie herum. „Wer bist du?“, fragte das junge Mädchen. Etwas überrascht sprang der Geist von dem Baum herunter, auf dem er bisher gegessen hatte. Dabei waren seine Bewegungen so elegant – fließend, dass weder die lilafarbene – barocke Piratenkleidung noch das lange, kupferrot leuchtende Haar, welches ihm bis zu den Kniekehlen reichte, Schaden nahmen. „Man nennt mich Kami“, stellte er sich mit einer Verbeugung vor und die sinnlichen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Vor Überraschung trat Akaku einen Schritt zurück: „Dann bist du der Schlagzeuger von Malice Mizer?“ Kami schmunzelte leicht ob ihrer Reaktion: „Ja, genau der bin ich. Dann hast du also schon von mir gehört, Akaku. Freut mich, dich kennen zu lernen!“ „Die Freude ist ganz auf meiner Seite“, lachte das junge Mädchen, „aber warum bist du hier?“

Inzwischen war Akakus Abwesenheit aufgefallen. „Wo ist sie nur?“, fragte Kamijo mit leicht besorgter Stimme. Auch Kuroi schaute sich nach ihrer Freundin und Adoptivtochter um. Gleichzeitig spürte sie jedoch eine zweite Anwesenheit, die zweifelsohne nicht aus dieser Welt stammte. „Wer oder was ist das?“, überlegte das junge Mädchen stumm. Neugierig geworden bat Kuroi Yoshiki, kurz auf sie zu warten und folgte ihrerseits der fremden Energie. Es dauerte nicht lange, ehe die Blau - Schwarzhaarige die schemenhafte Gestalt zwischen den Bäumen stehen sah. „Akaku? Mit wem sprichst du?“, fragte sie, sah aber im gleichen Moment selbst, um wen es sich handelte. Im Gegensatz zu ihrer Freundin erkannte sie den Geist sofort. „Kami“, hauchte Kuroi überrascht, „Wie kommt es, dass du hier bist?“ Lachend begrüßte dieser sie. „Nun, ich habe etwas Wichtiges zu erledigen“, meinte er geheimnisvoll. Akakus Gesicht wurde sofort ernst: „Was ist das? Können wir irgendwie helfen?“ Geister tauchten niemals ohne Grund auf, das wusste sie. „Vielleicht…ich werde eure Hilfe brauchen können, denn leicht wird es nicht werden“ Eine Träne rann aus den dunklen Augen.

Doch bevor Kami weitere Erklärungen geben konnte, tauchte Kamijo im Garten auf. Sofort war der Geist verschwunden, aber die Schmetterlinge verrieten, dass er nicht weit weg war. „Wo warst du?“, fragte der Sänger hektisch und schloss seine Frau in die Arme. Dieser verständigte sich mit Kuroi per Blickkontakt, sie solle Kamijo nichts von dem Geist erzählen. Nicht, dass Gackt noch etwas davon mitbekam. Der Solokünstler war in der Beziehung alles andere als naiv. „Ich war kurz draußen, um frische Luft zu schnappen, keine Angst“, erwiderte sie lächelnd und nahm Kamijos Hand, „wollen wir wieder reingehen?“ Kuroi nickte ihrer Freundin zum Verständnis kurz zu und folgte den beiden nach drinnen. Schließlich sollte nun der Höhepunkt des Festes sein.

Im Saal angekommen war es an der Zeit, den Brautstrauß zu werfen. Kuroi drehte sich um, schloss die Augen und warf ihn mit einer gekonnten Bewegung nach hinten. Zur Überraschung aller landete dieser bei niemand Geringerem als Gackt. Yoshiki konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Obwohl er bisher nicht an Heirat geglaubt hatte, so kannte er die Bedeutung trotzdem; wer den Brautstrauß fing, würde als Nächster heiraten. Die anderen Gäste applaudierten verhalten, denn nicht wenige hatten Zweifel an der Richtigkeit und es waren jene, welche Gackt kannten. Der Solokünstler selbst machte ein säuerliches Gesicht und an den zitternden Händen war deutlich erkennbar, dass er den Strauß am liebsten weggeworfen hätte. Jedoch wäre es der Gipfel der Unhöflichkeit gewesen und außerdem leuchtete irgendwo der törichte Funke Hoffnung, dass Yoshiki vielleicht doch glücklich werden würde. „Ihr glaubt doch nicht etwa an diesen Quatsch, oder?“ Gackts Stimme war wie ein schneidendes Messer, ehe er beleidigt aus dem Raum stapfte. Kuroi seufzte; sie hatte gehofft, dass er sich eventuell doch darüber freuen würde, zumal es ihre Absicht gewesen war. „Gackt scheint wirklich alles andere als gut auf dieses Thema zu reagieren. Er ist ja richtig sauer darüber“, meinte das junge Mädchen besorgt. „Und du kannst mir erzählen, was du willst; Kami ist deswegen wieder hier“, flüsterte Akaku. Die Blau- Schwarzhaarige nickte kaum merklich, „das wäre ein guter Grund“ wisperte sie zurück.

Yoshiki riss ob Gackts Verhalten der Geduldsfaden und folgte diesem wutentbrannt. „Was sollte das“, brüllte der Drummer und packte den Jüngeren am Kragen, „kannst du dich nicht einmal auf einer Hochzeit benehmen?“ „Ich weiß nicht, welcher Teufel dich geritten hat, plötzlich heiraten zu wollen, Yoshiki. Frauen machen einen nur kaputt“, erwiderte Gackt scheinbar ungerührt, wobei seine Augen traurig schimmerten. Hizaki hörte den Lärm und ging dazwischen. „Beruhigt euch, alle beide“ sagte er bestimmt und stellte sich mit ausgestreckten Armen zwischen sie, „das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um zu streiten!“ „Entschuldige…aber wenn dieser Kerl meine Frau beleidigt, drehe ich durch“, fauchte Yoshiki und versuchte, den Solokünstler mit Blicken zu erdolchen. „Du bist hier der, der immer ausflippt“, hielt Gackt dagegen und ballte die Faust. Der Gitarrist seufzte nur; hörten die beiden ihm überhaupt zu? Zum Glück kamen die anderen und beendeten den Streit, wobei Yuki Gackt regelrecht festhalten musste. Kuroi ging zu ihrem Mann und schüttelte nur den Kopf: „Bitte lass es gut sein. Das führt doch zu nichts, wenn ihr euch jetzt prügelt!“ Yoshiki grummelte protestierend, ließ sich jedoch überzeugen. Alle tanzten und lachten, bis es Abend wurde. Aber nur Kuroi und Akaku wussten, das Kami wie eine schützende Wolke über ihnen schwebte.

Auf dem Balkon

Nach der Feier saß das junge Mädchen gemeinsam mit Akaku auf einem der zahlreichen Balkone von Kamijos Anwesen. Eine kühle Brise wehte ihnen ins Gesicht, während die Sterne sanft leuchteten. Beide waren sehr erschöpft und hatten Blasen an den Füßen. Trotzdem wanderten ihre Gedanken immer wieder zu dem Streit zwischen Yoshiki und Gackt. Jener hätte ihnen beinahe die Hochzeit ruiniert. „Gackt ist alles andere als gut auf Frauen zu sprechen. Ich hoffe wirklich, dass Kami eine Chance hat, ihm zu helfen“, meinte Kuroi etwas betrübt. Es schmerzte sie immer, wenn eine Seele sich dermaßen quälte. Akaku nickte, stand auf und breitete ihre schwarzen Flügel aus.

„Das Leben hat es mit Gackt nicht besonders gut gemeint: Erst die Nahtoderfahrung und der anschließende Klinikaufenthalt, wobei ich mir den Medikamentenkonsum nicht vorzustellen wage. Dann Kamis Tod, das Ende von Malice Mizer. Über die Gründe spricht er bis heute nicht. Der Tod zweier Freunde, wobei Gackt seine Gefühle in „Black Stone“ verarbeitete und schließlich das Ende seiner Ehe. Woran sie eigentlich gescheitert ist, weiß ich nicht. Meine Vermutung ist eine Kombination aus Gackts Arbeitseifer und dem Gehetze der Fangirls. Miyavi hatte ähnliche Erfahrungen gemacht“, Akaku verzog das Gesicht, „ich bin mittlerweile ganz sicher, dass Kami aus dem Grund zu uns gekommen ist; Gackt muss auch seine große Liebe finden. Ob Kami allerdings zurückkehren wird wie Jasmine und hide, kann ich nicht sagen. Aber wenn es irgendwo Gerechtigkeit gibt, wird es passieren“, Die Schwarzhaarige seufzte und legte die Hand auf ihren Bauch, „mein Baby kommt bald…es wird sehr hart werden. Doch inzwischen glaube ich, dass der Kampf für die Liebe niemals wirklich vorbei sein wird!“
 

Ende



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Kommentare zu dieser Fanfic (48)
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Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T23:20:21+00:00 16.04.2014 01:20
Ich liebe es. Ich liebe es einfach, alles. Die Liebe, den Schmerz, die Angst, die Ungewissheit, das Glück, die Wut, die Trauer. Es ist einfach wunderschön, so wie Serenade ♥
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T23:18:32+00:00 16.04.2014 01:18
Oh Gott, Kami!! Kannst du nicht aufhören mich zum weinen zu bringen. Nachdem ich den Epilog gelesen habe klingel ich dich wach und dann siehst du was du angestellt hast!!
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T23:14:52+00:00 16.04.2014 01:14
Einfach nur perfekt, es ist so wunderschön!! So wunderschön, ich weiß nicht was ich sagen soll!! *weint sich die Augen aus*
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T23:10:13+00:00 16.04.2014 01:10
Ich kann mich wahrlich nicht entscheiden ob ich lachen oder weinen soll!! Ich mache gerade beides gleichzeitig!!
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T23:05:21+00:00 16.04.2014 01:05
Gott sei Dank.. Endlich!! Endlich!! *.*
Das war eine emotionale Achterbahn für mich!!
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T22:55:53+00:00 16.04.2014 00:55
Ich habe dir schon vorhergesagt, dass ich viel weinen würde. *dich mit meinen Tränen beschmeiß* Da hast du!
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T22:50:08+00:00 16.04.2014 00:50
Am Anfang konnte es dir alles nicht schnell genug gehen und nun ziehst du es quälend in die Länge. Also das hast du wahrlich drauf, Schatz!
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T22:42:41+00:00 16.04.2014 00:42
Die Spannung steigt. Oh mein Gott, ich kann es beinahe nicht mehr ertragen T-T Yoshiki, Kuroi, hide...Oh je... Das wirs furchtbar werden...; 0 ;
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T22:34:36+00:00 16.04.2014 00:34
Oh Gott, oh Gott... Ich mag da gar nicht hinsehen. Und doch weißt du sicher, was ich denke.. Und es erschreckt mich..
Von:  Empress-Aiyo
2014-04-15T22:28:02+00:00 16.04.2014 00:28
(Das adult Kapitel konnte ich leider nicht lesen, weil ich offiziell noch nicht als volljährig verifiziert bin aber ich weiß was im Detail passierte. Ich kann es mir zumindest sehr lebhaft vorstellen)

Ich hoffe du weißt, dass dieses Kapitel sehr viele Tränen geboren hat..


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