Zum Inhalt der Seite

Purpurnes Kissen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Tick“, sagt die Uhr, „Tack, antwortet sie unverzüglich. Uhren…von jedermann geliebt, spricht sie doch nur mit sich allein. „Tick, Tack, singt sie im Takt.“, summte das 15-jährige Mädchen vor der antiken Standuhr. Sie zeigte fünf Minuten vor Datumswechsel. Sie konnte die Zeiger sehr gut sehen, trotz der Dunkelheit im Zimmer. Einzig der Mondschein, der durch das offene Fenster trat, erhellte das Zimmer noch ein wenig, besonders aber das Bett.

Das Mädchen wandte sich von der Uhr ab, lief zum Ende des aus Birkenholz gefertigten Bettes. Ihr Blick fuhr von der Bettkante über die weiße Baumwolldecke zu dem Gesicht des Mannes, der unter dieser Decke lag. Das Licht des Vollmondes ließ seine sanften Gesichtszüge erkennen. Das schmächtige Mädchen lief an der rechten Seite des Bettes, fuhr mit ihren Fingern über die Bettdecke, bis sie vor seinem Nachttisch stand. Sie sah die fast völlig ausgetrunkene Weinflasche darauf stehen, sein Brillenetui danebenliegend. Sie setzte sich aufs Bett, ganz nah an seinen Oberkörper. Sie blickte auf sein Gesicht, lächelte lieblich. Ihre linke Hand drückte auf sein Gesicht, streichelte ihn, beginnend an seinem rechten Ohr, da er auf der linken Seite schlief. „Du mochtest Wein schon immer sehr, stimmt‘s?“ Sie blickte noch mal auf den Nachttisch, fischte ein kleines Fläschchen aus ihrer rechten Brusttasche mit der Aufschrift Arsen und stellte es neben die Weinflasche. „Zu sehr…“ Sie streichelte ihn mit fester Hand von seinem linken Ohr seine Wange hinter zum Kinn.

„Seit Mama weg ist, warst du wohl ziemlich einsam, hm?“ Sie strich von seinem Kinn runter zu seinem Hals bis zur Kehle. „Sie hat uns geliebt. Und dann starb sie. Seither...kümmerst…du dich um mich. Ich kann dir dafür nicht genug danken.“ Ihre rechte Hand verkrampfte sich, mit ihrer linken streichelte sie ihn noch ein wenig fester. „So etwas darf ein Papa trotzdem nicht tun. Auch dann nicht, wenn die Tochter nichts sehen kann.“ Sie legte ein violettes Samttuch neben sein Brillenetui. Ihre linke Hand fuhr von seinem Hals wieder hoch, über sein Kinn zu seinen Lippen, vorbei an seiner Nase, über seine beiden geschlossenen Augen bis zu seiner rechten Schläfe. „Nicht mehr…nicht mehr.“ Sie nahm ihre Hand von ihm, zog mit ihrer rechten Hand eine zusammengefaltete Zeitungsseite aus ihrer rechten Brusttasche, legte ihm diese ausgebreitet auf seinen Kopf. Sie stand auf, trottete zum Schrank, nahm den Fön heraus. Sie öffnete die Tür des Zimmers. Aus dem Bad gegenüber war einlaufendes Wasser zuhören. Wasser, das in eine Badewanne lief. „Auf Wiedersehen Papa. Ich gehe jetzt zu Mama.“ Sie lies die Rasierklinge aus ihrer linken Hand fallen, dass sie die ganze Zeit über zwischen Zeigefinger und Daumen hielt. Sie schloss die Tür.

Das Kissen wurde rot. Auch einige Stellen der Zeitungsseite, die zur Überschrift trug „Vater wird vom Missbrauch seiner Tochter freigesprochen.“

Mitternacht.

Die Standuhr weinte zwölf Mal.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück