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Tiefpunkt

von

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Prolog

Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass ein einziger Gedanke einen Menschen so sehr verändern kann. Monate oder Jahre wären da meiner Vermutung näher gekommen, aber es ist tatsächlich wahr.

Dabei können der Gedanke selbst, oder seine Folgen der Stoß in diesen unendlich tiefen Abgrund sein. Aber wie ich es auch drehe und wende…ich begreife es einfach nicht. Tief in meinem Inneren weiß ich die Wahrheit, doch ich bin nicht stark genug, um sie zu erfassen, sie aus den tiefen Gewässern meiner Seele herauszuziehen. Die Seele, die ich unter allen Umständen beschützen will, damit sie die Kraft hat, die zerbrochenen Gemüter um mich herum zu heilen.

Aber was ist, wenn man selbst zerbrochen ist? Wenn man mit seinem eigenen Leid zu kämpfen hat? Ist es dann überhaupt noch möglich seinen Mitmenschen zu helfen, ihnen die Liebe zu geben, die sie verdienen?

Für mich hat es einen enormen Wert, sie glücklich zu sehen. Aber ist das auch immer so?
 

Wenn man selber zu Grunde geht…zieht man sie dann nicht mit sich?

Neid und seine Folgen

Hallo, ihr Lieben :)

Mein Name ist Linda *verbeug* es freut mich euch kennenzulernen.

Dies hier ist meine erste Fanfic, also mein erster Versuch mich hier richtig zu integrieren. *zwinker*

Nun, ich hoffe ich kann mit dieser Geschichte ein paar eurer Gemüter ansprechen und wünsche euch nun viel Spaß beim lesen.
 

PS: Ich denke diese Fanfic wird vorraussichtlich 4-5 Kapitel haben :)
 

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„Mama! Papa! Schaut mal, wie hoch!“

Das immer lauter werdende Quietschen der Schaukel und der begeisterte Ausruf des Mädchens, ließ dessen Eltern aufschauen. Unwillkürlich mussten diese lächeln. Sie jubelten ihrem Kind zu und freuten sich über den glücklichen Gesichtsausdruck, den sie hatte. Hand in Hand standen sie da, blickten erst sich und dann ihre Tochter liebevoll an.

Wahrhaftig, ein Bild wie man es von einer glücklichen Familie erwartet. Was will man mehr? Vereint, geliebt und glücklich. Mehr brauchte man nicht…oder doch?
 

Die Sonne schien und keine Wolke war am Himmel zu sehen. Wunderbares Wetter in Tokio, ein perfekter Sommertag. Perfekt, um draußen irgendetwas zu unternehmen.

Der überfüllte Beika-Park sprach Bände. Hier wimmelte es nur so von Familien, die entweder spazieren gingen oder sich mit Ballspielen austobten. Pärchen machten es sich auf der warmen Wiese gemütlich und genossen die Sonne. Jogger und Herrchen mit ihren Hunden drehten ihre Runden. Auf dem Spielplatz tummelten sich die Kinder, während ihre Eltern am Rande auf sie aufpassten.

Ran zog ihrer Beine auf die Parkbank und schlang ihre Arme um diese. Was für ein Anblick, dachte sie und lächelte. So viele Menschen auf einem Haufen, so viele lachende Gesichter. Das Bild, das sich ihr bot ließ ihr Herz erwärmen. Man hatte das Gefühl, als würden sich hier alle Probleme in Luft auflösen und nur das Gute zurücklassen. So nahm sie es zumindest wahr. Sie lächelte, schloss die Augen und streckte ihr Gesicht zur Sonne.

So ließ es sich wirklich leben.

Als sie heute Morgen aus dem Fenster geblickt hatte, hatte sie sich schon über das schöne Wetter gefreut. Nun saß sie hier, weil das Wetter sie hierhergezogen hatte. Sie wäre zwar lieber nicht alleine, aber ihr Vater saß lieber zu Hause, um sich weiterhin in Bier zu ertränken.

Bei diesem Gedanken verfinsterte sich ihre Miene ein wenig.

Sie verstand nicht wie man nur zu Hause herumsitzen kann. Vor allem nicht an einem Samstag.

Sonoko hatte leider schon etwas anderes vor. Wahrscheinlich war sie shoppen. Und Shinichi…?

Ran erschrak bei seinem Namen und öffnete die Augen.

Nein, den hatte sie nicht gefragt. Warum sollte sie auch? Der jagt bestimmt wieder irgendeinem Fall nach, so wie immer. Der hat bestimmt noch nicht einmal wahrgenommen, wie schön das Wetter heute ist. Dieser Krimispinner! Immer nur das eine im Kopf. Vielleicht sollte sie ihn doch darauf hinweisen und ihn fragen, ob er auch in den Beika-Park kommt…

Andererseits fand sie es ganz friedlich nur für sich zu sein. Das hatte auch irgendwie etwas.

Pah! Soll der doch nur unter seiner Detektivarbeit ersticken, dachte sie grimmig.

Langsam ließ sie ihren Blick über den Park schweifen. Am Spielplatz blieb sie hängen, besser gesagt an der Schaukel. Dort war ein kleines Mädchen, das mit Freuden immer höher schaukelte. Mit Eleganz flog sie hin und her, ihr begeistertes Lachen konnte man bis hier wahrnehmen.

„Mama! Papa! Schaut mal, wie hoch!“

Ein Stückchen weiter konnte man auf einmal Jubelschreie hören. Ran suchte den Ursprung der Geräusche und erblickte eine Frau und einen Mann, die höchstwahrscheinlich die Eltern des kleinen Mädchens waren. Sie hielten sich an den Händen und feuerten ihre Tochter kräftig an.

Ran kicherte, als sie das sah. Was für eine zauberhafte Familie das doch sein musste. So voller Liebe. In den Gesichtern der drei Familienmitglieder spiegelte sich reines Glück.

Familienglück…

Ran’s Blick verschwamm. Vor ihrem inneren Auge sah sie dasselbe Bild, was sich ihr auch vorhin bot. Allerdings saß nun eine kleine Ran auf der Schaukel, die versuchte immer höher zu kommen. Sie freute sich, lachte bis über beide Ohren.

„Mama! Papa! Schaut mal, wie hoch!“, rief sie.

Ein paar Meter weiter standen ihre Eltern und jubelten ihr zu.

Bei diesem Bild wurde ihr wieder warm ums Herz. Wie schön es doch wäre, wenn doch ihre Familie so perfekt wäre. Wie schön es doch wäre, wenn Mama und Paps sich damals nicht getrennt hätten. Warum nur? Warum haben sie das getan? Warum musste gerade sie eine kaputte Familie haben?

Warum ich? Warum immer ich!?

Das schöne Bild vor ihrem inneren Auge verschwand und ein neues Bild formte sich.

Sie sah wieder ihre Eltern. Doch diesmal standen sie sich gegenüber und stritten sich, schrien sich an. Die Worte, die sie sich damals an den Kopf geworfen hatten, hallten in Ran wider. Wie kleine Nadeln stachen sie sie. Jedes Wort tat weh.

Damals war sie vor ihren Eltern gestanden und hatte geweint, bitterlich geweint! Doch es hatte nicht geholfen. Ihre Mutter war trotzdem gegangen. Sie hatte sie nicht aufhalten können. Sie hatte nichts vollbringen können...

Manchmal fragte Ran sich, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht das Licht der Welt erblickt hätte. Hätten sich ihre Eltern dann vielleicht nicht getrennt? Wären sie weiterhin glücklich zusammen gewesen?

Es ist alles meine Schuld. Nur meine Schuld!

Wenn sie genauer darüber nachdachte, kam ihr das ziemlich plausibel vor. Ja, es stimmte! Wenn sie Shinichi damals aufgehalten hätte, dann wäre ihm die ganze Sache mit Conan und dieser schwarzen Organisation nie passiert.

Wenn sie ihn gar nicht erst kennengelernt hätte, dann wäre er erst gar nicht mit ihr ins Tropical-Land gegangen. Er hätte niemals so leiden müssen.

Wenn sie weg wäre, dann wäre alles so viel besser gelaufen…

Sie konnte sich nicht erklären, wieso sie auf einmal diese Gedanken hatte, aber sie glaubte ihnen. Aus welchen Grund auch immer.

Ran seufzte stellte ihren Blick wieder scharf. Die Familie bei der Schaukel war verschwunden. Doch der unumgängliche Neid auf diese Familie blieb in ihr, krallte sich in ihrem Herzen fest. Sie fühlte sich richtig mies. Der Tag hatte doch so gut angefangen, warum musste er denn jetzt so enden?

Wenn ich weg wäre, dann wäre alles so viel besser gelaufen…

Sie schüttelte die trüben Gedanken ab und streckte sich. Als sie aufstand, blickte sie sich im Park um. Es waren kaum noch Leute da. Die meisten sind wohl schon nach Hause gegangen. Das war aber auch nicht verwunderlich. Die Sonne stand schon tief und berührte den Horizont. Ran wollte auch nur noch nach Hause. Was sollte sie auch noch hier machen? Ihre Stimmung war im Eimer und sie hatte das Gefühl als wäre es hier finsterer geworden. Sie machte die dunklen Wolken dafür verantwortlich, die sich im Osten auftürmten. Da wird ordentlich was runterkommen, dachte sie sich. Sie wollte nur noch weg. Weg von diesem Ort, weg von diesem Park, weg von diesen glücklichen Familien.

Keine Chance

Hallöle :)

So hier bin ich schon wieder mit einem neuen Kapitel.

Nun, ich muss gestehen...ich weiß nicht so recht was ich davon halten soll. *grins* Naja, sagt ihr es mir!

Übrigens, danke for deinen Kommentar, Ryoko :) Ich habe mich riesig gefreut, als ich das gesehen habe :D Mein erster Kommentar...das muss gefeiert werden!

So dann wünsch ich euch nun viel Spaß beim lesen!

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Während Ran gedankenversunken zurück zur Detektei ging, kamen die dunklen Wolken aus dem Osten immer näher und bildeten langsam eine dunkelgraue Decke über Tokio. Aus weiter Ferne konnte man schon das leise Grollen des Donners wahrnehmen. Trotzdem waren noch viele Leute auf dem Gehweg.

Ran spürte, dass sich in ihrem Inneren auch etwas Negatives aufbaute, als würde sie mit dem Wetter verbunden sein. Ihr gefiel die Wendung des Tages überhaupt nicht und sie hoffte vergebens, dass sich ihre Laune vielleicht noch etwas aufbesserte, so wie das Wetter.

Viel Hoffnung hatte sie dennoch nicht. Langsam gab sie sich ihren Gedanken hin, die in ihr herumschwirrten.

Sie dachte an die Zeit zurück, die sie im Park verbrachte. Wieso musste sie auch dorthin gehen? Weil sie am Anfang niemals erwartet hätte, dass es so enden würde?

Wenn ich weg wäre, dann wäre alles so viel besser gelaufen…

Ran rieb sie die Schläfen.

Dieser Gedanke spielte sich immer wieder in ihrem Kopf ab. Aber wieso? Woher kam er auf einmal?

Allerdings schenkte sie ihm immer mehr Glauben, da sie ihn so oft in sich hörte.

Während sie ging, starrte sie auf den Boden, um in kein anderes Gesicht blicken zu müssen. Sie wollte nicht, dass ihr jemand ihre Laune ansah und außerdem wollte sie vermeiden, dass sie wieder an etwas Unangenehmes erinnert wird, so wie im Park.

Langsam fiel es ihr wieder ein. Der Auslöser ihrer trüben Stimmung war die Familienszene bei der Schaukel. Es hatte sie an ihre eigene sogenannte Familie erinnert. Das wiederrum hatte sie dazu bewegt sich die Frage zu stellen, wie es gewesen wäre, wenn sie nie auf dieser Erde gewandelt hätte.

Ja, warum eigentlich? Warum war sie überhaupt hier?

Warum gab es sie überhaupt, wenn sie ohnehin eine kaputte Familie hatte? Warum gab es sie überhaupt, wenn sie ihren besten Freund sowieso ins Verderben stürzte, wenn sie bei ihm ist? Warum gab es sie überhaupt, wenn sie Tag für Tag ständig mit dem Tod konfrontiert werden musste?

Wo immer sie auch ist, es passieren immer schreckliche Dinge…Familien zerbrechen, Menschen werden unter Qualen geschrumpft, es sterben permanent Menschen…

Was passierte als nächstes?

Merkst du es nicht?

Ran riss die Augen auf und blieb wie erstarrt stehen. Das ganze wurde von einem lauten Donner unterstrichen. Der Schreck saß ihr in den Gliedern. Diese eindringliche Stimme hatte sie nicht erwartet.

Sieh es doch endlich ein!

Ran stand einfach nur da und ließ sich von der Stimme in den Bann nehmen. Langsam bekam sie es mit der Angst zu tun.

Du bist überflüssig, begreif das doch endlich! Es ist alles deine Schuld, nur deine schuld!

Sie kniff die Augen zusammen und hielt sich die Ohren zu und hoffte, dass es helfen würde. Aber sie wusste, dass diese Stimme aus ihrem Inneren kam, dass es nichts half, die Ohren zuzuhalten. Und sie wusste auch, dass diese Stimme genau das aussprach, was sie am meisten befürchtete.

Es ist alles deine schuld!

Du bist überflüssig!

Sie es doch endlich ein!

„Aufhören…“, flüsterte sie verzweifelt.

Sie wollte das nicht hören. Aber sie stimmte der Stimme zu. Die Stimme hatte Recht. Es war doch alles ihre Schuld. Sie war wirklich überflüssig. Was wollte sie also hier?

Eine einsame Träne stahl sich aus ihrem Auge und bahnte sich langsam einen Weg über ihre Wange. Die eindringliche Stimme wurde allmählich leiser, je mehr Ran ihr zustimmte, je finsterer es in ihrem Herzen wurde, bis sie schließlich ganz verschwand.

Ran stand noch immer da und starrte auf den Boden. In ihrem Kopf war es nun leer. All ihre Gedanken waren verpufft und hinterließen ein unangenehmes Rauschen in ihren Ohren. Ihr ganzer Körper fühlte sich kalt an, sie war wie gelähmt. Der Schock über ihre Erkenntnis saß noch zu tief, sodass sie wie zu Eis erstarrt war.

Sie nahm nur noch am Rande war, wie die Fußgänger an ihr vorbeischlenderten, wie das Grollen des Donners immer lauter wurde und wie die dunklen Wolken das Licht der Sonne allmählich erdrückten.

Einen Augenblick später spürte sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter, welche sie aus ihrer Trance erwachen ließ.

Vor Schreck wich sie zurück und erblickte einen korpulenten Mann, der sie besorgt ansah.

„Mein Kind, kann ich dir irgendwie helfen?“

Der Mann streckte ihr unsicher die Hand entgegen, um seine Aufmerksamkeit für Ran zu unterstreichen.

Diese sah sich entgeistert um.

Sie hatte fast vergessen, dass sie immer noch auf der Straße stand. Es waren kaum noch Fußgänger zu sehen und es war so düster wie noch nie in diesem Sommer. Peinlich berührt wandte sie sich wieder dem Mann zu.

„Entschuldigen Sie“, brachte sie nur noch heraus und stolperte an dem Mann vorbei.

Mit gesenkten Kopf und großen Schritten begab sie sich nun zur Detektei.
 

Als sie vor der Tür der Detektei stand, zögerte sie erst bevor sie eintritt. Während ihrer letzten Schritte konnte sie sich langsam wieder fangen. In ihrem Kopf war es wieder etwas klarer geworden. Sie konnte wieder Gedanken auffassen und zum Glück kehrte diese unheimliche Stimme nicht zurück. Dennoch hatte sie ein flaues Gefühl im Magen und ihr Herz fühlte sich schwer an. Ihre vorigen Gedanken hatten Spuren hinterlassen, das fühlte sie.

Erschöpft schloss sie kurz ihre Augen, atmete tief durch und öffnete dann die Tür.

Auf keinen Fall sollte ihr Vater sehen, was sie gerade erlebt hatte.

„Ich bin wieder da!“

Ran schloss die Tür hinter sich und blickte zum Schreibtisch ihres Vaters. Was sie dort sah, hatte sie bereits erwartet, ließ sie aber immer wieder entsetzt dreinschauen.

„Oh, hallo Mausebein! Wo warsn du die janse Seit?“

Kogoro saß an seinem Schreibtisch und schaute Ran mit seinem typischen Gesichtsausdruck an, wenn er Bier trank. Vor ihm standen massenhaft Bierdosen, die schon das Bild seines kleinen Fernsehers bedeckten. Aus ihm dröhnte irgendein Lied von Yoko Okino. Doch er schien dem wohl keine Beachtung mehr zu schenken

Ran wusste es schon beim ersten Hinsehen. Ihr Vater hatte bereits das Limit der Besoffenheit erreicht.

Sie atmete tief ein und scharf wieder aus. So versuchte sie ihre Wut in Zaun zu halten, um nicht gleich loszuschreien.

„Das hab ich dir doch schon gesagt, als ich losgegangen bin. Ich war im Beika-Park und hab im Gegensatz zu dir das schöne Wetter ausgenutzt!“

Ran ging quer durch den Raum und setzte sich auf das Sofa. Unwillkürlich musste sie an die Parkbank denken, auf der sie ihre Zeit im Park verbrachte. Schnell versuchte sie die Erinnerung abzuschütteln, aber ihr Vater nahm ihr das bereits ab.

„Hey, schrei hier nich so rum! Es is doch schon so spät. Da wird nich mehr jeschrien.“

Aber Ran gab nur noch ein verärgertes Brummen von sich.

So hatte es keinen Sinn mit ihrem Vater zu reden. Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss die Augen. Von draußen konnten man den immer lauter werdende Donner hören. Bald würde es ordentlich gewittern.

Dieser seltsame Tag hatte sie ziemlich geschafft und sie wollte eigentlich nur noch ins Bett. Die unangenehmen Gedanken waren zum Glück erst einmal verschlossen. Vielleicht sah die Welt morgen schon wieder ganz anders aus. Sie lächelte müde.

Eine Zeit lang blieb sie so sitzen und schob die Geräusche, die vom Schreibtisch her kamen in den Hintergrund.

Das laute Knallen einer heruntergefallenen Bierdose ließ sie allerdings wieder hochschrecken. Sie setzte sich auf und betrachtete missbilligend das jämmerliche Bild ihres Vaters, der deswegen vor Schreck vom Stuhl gefallen war. Grunzend rappelte er sich wieder auf.

Wieso ist er nur so ein Säufer? Wieso kann er nicht einfach mit dem Trinken und auch mit dem Rauchen aufhören? Er würde ein so viel besseres Bild abgeben…

Rans Blick wurde traurig.

Wie konnte man sich nur im Alkohol ertränken? Niemals würde sie es bei ihr so weit kommen lassen. Vor allem nicht einfach grundlos.

Warum gibt es mich überhaupt, wenn ich ohnehin eine kaputte Familie habe?

Warum muss gerade ich eine kaputte Familie haben?

Ran zuckte zusammen.

Die Schublade mit ihren düsteren Gedanken begann zu beben. Nein! Sie wollte nicht daran denken. Nicht jetzt! Nicht hier!

Ran fasste sich mit beiden Händen an den Kopf. Verzweifelt versuchte sie es zu stoppen, aber die Schublade wurde gesprengt. Sie konnte den Gedankenstrom nicht mehr aufhalten…

Wieso habt ihr euch nur getrennt? Warum tut ihr mir das an? Nein, nein, nein! Warum musste das so enden? Es ist alles zerstört, unser Familienglück…ihr habt es mit Füßen getreten und dann weggeworfen! Ihr habt es kaputt gemacht! Ihr habt alles kaputt gemacht!

Wie eine Lawine brachen die Worte in ihren Kopf und innerlich schrie sie ihre Eltern an. Es war unaufhaltsam und sie war wütend. Sehr wütend. Alles brach heraus, was sie all die Jahre versucht hatte zu unterdrücken. Es brach einfach in ihr aus. Und sie konnte nichts dagegen unternehmen. Es geschah einfach…

Warum ich? Warum immer ich!?

„Warum…?“

Ran starrte auf den Boden.

Die Worte waren nicht mehr als ein Flüstern.

Ihre Haare fielen ihr ins Gesicht, sodass es verhüllt war.

„Warum, Paps? Warum?“, sagte sie nun lauter. Ihre Stimme war brüchig, denn sie war den Tränen nahe.

Ihr Vater hatte den plötzlichen Stimmungswandel seiner Tochter, trotz der Betrunkenheit, mitbekommen. Verwirrt starrte er sie an.

„Wieso…habt ihr…das getan? Los, sag schon…wieso?“ Ran hob ihren Kopf und sah ihren Vater nun direkt an. Ihre Miene war ernst. Mit aller Kraft versuchte sie ihre Wut zurückzuhalten. Aber ihre Gefühle gewannen langsam die Oberhand über sie.

„Wer soll was getan haben?“ Kogoro klang genervt. Er verstand seine Tochter nicht. Was wollte sie auf einmal?

Dann wurde es Ran zu viel.

Mit voller Wucht stand sie vom Sofa auf und begann ihren Vater anzuschreien:

„WIESO HABT IHR EUCH NUR GETRENNT!? WARUM HABT IHR MIR DAS ANGETAN!? IHR HABT ES EINFACH ZERSTÖRT, UNSER FAMILIENGLÜCK. IHR HABT ES EINFACH KAPUTT GEMACHT!!“

Sie war inzwischen an den Schreibtisch getreten und hatte ihre Hände auf diesen gestützt. Während sie schrie, schlug sie immer wieder mit den Fäusten auf die Tischplatte und verlieh so ihren Worten Ausdruck.

In ihr tobten die Gefühle. Ihr Vater sah sie einfach nur entgeistert an.

„WIESO MUSSTET GERADE IHR EUCH TRENNEN!? IHR SEID SO DUMM! EINFACH NUR DUMM! ICH KANN EUCH EINFACH NICHT VERSTEHEN! WIESO HABT IHR DAS GETAN!? WIR KÖNNTEN EINE SO TOLLE FAMILIE SEIN! ABER NEIN! IHR WÄHLT DEN ANDEREN, DEN FALSCHEN WEG! IHR MUSSTET ES UNBEDINGT KAPUTT MACHEN! WEISST DU WIE VERDORBEN DAS IST!? EINFACH NUR DÄMLICH, VERDORBEN UND UNVERANTWORTLICH!"

Ran keuchte.

Dadurch, dass sie schrie verbrauchte sie massenhaft an Energie. Aber das war ihr egal. Sie ließ ihre ganze Wut einfach raus und konnte so kaum noch ihre Wortwahl kontrollieren.

Kogoro hatte sich inzwischen wieder fangen können. Er war nun ebenfalls sauer. Das konnte man ihm deutlich ansehen. Er stand auf und fing mit lauter Stimme an zu schimpfen.

„Ran, jetzt reicht es aber! Was fällt dir eigentlich ein hier so herumzuschreien!? Jetzt hör mir mal genau zu! Das mit Eri und mir geht dich überhaupt nichts an, hast du gehört!? ÜBERHAUPT GAR NICHTS!“ Die letzten Worte brüllte er. Seine Worte hörten sich, trotz seines Zustandes, genau gewählt an.

Ran wollte gerade wieder losschreien, als sie den Sinn seiner Worte erfasste.

‚Das mit Eri und mir geht dich überhaupt nichts an, hast du gehört!? ÜBERHAUPT GAR NICHTS!'

Du bist überflüssig!

Sie es doch endlich ein!

Kraftlos taumelte sie rückwärts von ihrem Vater weg.

Da war sie wieder. Diese Stimme. Zusammen mit der ihres Vaters. Sie hinterließen einen unerträglichen Schmerz in ihrer Brust. Sie konnte nicht mehr klar denken. Wie gelähmt stand sie da und ließ die Worte und den Schmerz gewähren.

Weg, dachte sie. Ich will nur noch weg.

Wortlos drehte sie ihrem Vater den Rücken zu und verließ die Detektei.

Ich bin überflüssig…ja…

Sie war am Ende. Am Ende ihrer Kräfte, am Ende von allem…

Kälte, Dunkelheit, Regen

Heyho! Da bin ich wieder! Mit einem neuen Kapitel!
 

@ Ryoko Danke für's kommentieren :) Und ja! Sie fällt auch in eine Art "Depression" oder wohl eher depressive Verstimmung. Und genauso, wie du es sagst: Es ist etwas was tief in ihr schlummert. Weißt du, ich traue Ran das völlig zu, dass ihr soetwas passieren könnte. Vorallem wenn sie zu tief in sich geht. Sie ist sehr sensibel und dann eben auch sehr anfällig dafür. Ich glaube zwar kaum, dass das in der Serie je passieren wird, (zumindest nicht so übertrieben wie hier *grins*)

Und ja! Ich kenne den Trennungsgrund :) Aber Trennung bleibt Trennung ;)

Und was Conan angeht...der ist bereits zu Shinichi geworden. Im ersten Kapitel erwähnt sie es kurz. Sorry, das ganze ist nach der Conangeschichte, ich wollte es für selbstverständlich halten und habs deswegen gar nicht erst erwähnt. Tut mir Leid ^^ Aber jetzt weißt du es ja :) Hier im Kapitel wird es noch mal etwas deutlicher gemacht.

So nun wünsche ich viel Spaß beim lesen!
 

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Ran stolperte die Treppe herunter. Unten angekommen blieb sie für einen kurzen Moment stehen und starrte auf den Boden. Es war inzwischen sehr viel kühler und finsterer geworden, da die Sonne längst verschwunden war. Die fast schwarzen Wolken versprachen eine düstere Nacht.

Irgendwann fing Ran an zu rennen.

Weg…nur noch weg!

Mit einem rasanten Tempo rannte sie den Gehweg entlang ohne sich dabei umzusehen. Die Blicke der Fußgänger nahm sie dabei nicht wahr. Hin und wieder erhellte ein Blitz die Straßen, dicht gefolgt von einem lauten Donner. Dieser ließ sie kurz erschaudern, erreichte jedoch ihr Inneres nicht.

Es ließ sie nicht den Schmerz vergessen, den sie noch jede Sekunde in sich trug…

Ihre Wut von vorhin war längst verflogen. Sie war nichts im Vergleich zu dem, was sie jetzt fühlte.

Nein, das war etwas völlig anderes. Sie fiel in einen Zustand, dem sie nicht entfliehen konnte. Wie eine grausame schwarze Hand umklammerte er ihr Herz und drohte es zu erdrücken. Sie hatte diese Empfindung schon davor wahrgenommen, doch nun hatte sie eine unfassbare Größe erlangt, welche ihren gesamten Körper beanspruchte, damit es halbwegs erträglich war. Doch selbst das reichte kaum aus…

Blind rannte sie durch die Straßen. Über ihr türmten sich die Wolken, die immer bedrohlicher wirkten und ständig ein Grollen von sich gaben.

Ran wollte nichts mehr sehen geschweige denn hören. Auch fühlen wollte sie nichts mehr. Sie wollte überhaupt nichts mehr mit ihren Sinnen wahrnehmen. Sie wollte nur noch in ein tiefes und schwarzes Loch fallen und alles um sich herum vergessen. Aber man erlaubte es ihr nicht.

Du bist überflüssig!

Verschwinde einfach von hier!

Sieh es doch endlich ein, niemand braucht dich!

Vor Schreck stolperte sie.

Das plötzliche erklingen der Stimme brachte sie völlig aus dem Konzept. Verzweifelt versuchte sie sich noch aufzufangen, doch sie hatte keine Kraft mehr. Sie verlor das Gleichgewicht und stürzte unsanft auf den harten Asphalt. Dort blieb sie eine Weile…

Da lag sie nun. Ganz alleine. Ein jämmerliches Bild gab sie ab. Wie dumm sie doch war. Sie machte erst gar keine Anstalten wiederaufzustehen. Warum auch? Hier war sowieso niemand, der sie so sehen konnte, der ihr helfen konnte. Sie war hier in einer abgelegenen Straße zu Boden gegangen. Wer sollte ihr denn schon helfen?

Ich bin überflüssig…

Sie krallte ihre Hände in den Boden. Ihre Handflächen brannten von dem Aufprall. Wahrscheinlich waren sie aufgeschürft, aber das war ihr egal. Das war nichts im Vergleich zu dem, was in ihrem Herzen aufgeschürft war. Außerdem war es mehr als eine Schürfwunde, viel mehr.

Inzwischen hatte es zu regnen begonnen. Nun war alles bereit für ein Sommergewitter. Dem stand nichts mehr im Wege.

Die Regentropfen, die auf Ran niederprasselten, brachten sie nun doch dazu wiederaufzustehen. Sie war dem Regen schutzlos ausgeliefert. Weder einen Schirm noch warme Kleidung hatte sie bei sich.

Langsam rappelte sie sich auf und stellte sich hin. Noch immer starrte sie auf den Boden. Sie sah keinen Grund sich umzusehen. Wahrscheinlich hatte sie sich sowieso verlaufen.

Der Regen wurde immer stärker, das Gewitter begann zu toben. Ran ließ es zu, dass sie nass wurde. Ihr war es egal. Ihr war auch egal, dass sich langsam Tränen in ihren Augen bildeten. Sie konnte den Schmerz nicht mehr in sich tragen. Es brachte sowieso nichts ihn zu unterdrücken, also ließ sie ihn ganz zu. In Form von Tränen ließ sie ihn aus sich herausfließen.

Stumm stand sie da und weinte. Sie hatte lange nicht mehr geweint.

Die letzten Male, als sie geweint hatte, waren wegen Shinichi, weil sie ihn vermisst hatte. Diese Zeit kam ihr schon wie ein Traum vor, so weit weg fühlte es sich an.

Wer war sie damals und wer war sie jetzt? Ihr kam es vor, als wäre die Ran von damals eine andere Person. Welcher Mensch konnte sich auch innerhalb eines Tages so verändern?

Richtig, sie selbst. Für sie war es unbegreiflich.

Aber…warum verachtete das Leben sie auch so sehr? Ja, sie hatte das Gefühl als würde das Leben sie förmlich hassen und sie durfte nur den Tod sehen und nichts anderes. War es wirklich so bestimmt um sie?

Was war mit Shinichi? Immerhin liebte sie ihn. Doch beruhte das auch auf Gegenseitigkeit? Sie wusste es nicht. Wahrscheinlich wollte sie es auch gar nicht wissen. Sie fürchtete sich nämlich vor seiner Antwort.

Dennoch war Shinichi für sie wie ein helles Licht. Er gab ihr immer Kraft, auch wenn er ziemlich arrogant sein konnte. Wenn es darauf ankam war er immer zur Stelle. Wenn es ihr schlecht ging, erkannte er das immer sofort.

Wenn er sie jetzt in diesem Zustand sehen würde, was würde er dann denken? Was würde er tun…?

Du bist überflüssig!

Ran schluchzte. Diese Stimme in ihr rüttelte sie und den Schmerz in ihr immer wieder wach, sodass sie ihn auf keinen Fall vergaß.

Ja, sie war überflüssig, die Stimme hatte doch Recht. Warum sollte Shinichi sie auch so sehen? Er wusste nicht einmal, dass sie hier war. Irgendwo in einer abgelegenen Straße von Tokyo.

Zurück nach Hause wollte sie nicht. Denn dort war ihr Vater und den wollte sie jetzt nicht sehen. Sie hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil sie ihn so angeschrien hatte. Dennoch wurde es von dem Schmerz überrumpelt, wenn sie an seine letzten Worte dachte.

‚Das mit Eri und mir geht dich überhaupt nichts an, hast du gehört!?ÜBERHAUPT GAR NICHTS!‘

Es ging sie nichts an. Ihre eigenen Eltern gingen sie nichts an. Was ging sie denn überhaupt an?

‚ÜBERHAUPT GAR NICHTS! ‘, antwortete ihr Vater in ihrem Kopf.

Ihre Tränen fanden noch lange kein Ende. Immer neue Tränen bahnten sich ihren Weg über Rans Wange.

Währenddessen ging das Gewitter immer weiter. Der Regen hatte reichlich an Stärke gewonnen. Er vermischte sich mit dem Tränen von Ran.

Der Himmel weinte und Ran mit ihm. Mit dem Unterschied, dass er laut weinte und sie leise.

Ran merkte, dass sie völlig durchnässt war und ihre Kleidung an ihr klebte, auch dass ihr ganzer Körper zitterte. Für den Sommer war es eine entsetzlich kalte Nacht.

Sie verspürte den Drang loszulaufen, um sich ein warmes Haus zu suchen. Nur welches Haus? Sie hatte keine Ahnung, wo sie hingehen konnte.

Sie sah sich das erste Mal, seit sie die Detektei verlassen hatte, um. Es war stockfinster. Es gab hier kaum Häuser, die beleuchtet waren. Untypisch für Tokyo. Auch Fußgänger waren nicht zu sehen. Wo war sie hier nur gelandet? Und wie spät war es?

Sie drehte sich um und suchte nach irgendwelchen Lichtern.

Mit Erfolg.

Vor ihr befand sich ein kleines Haus mit einer kleinen Laterne am Eingang. Die Eingangstür hatte kleine Fenster in der Mitte, sodass Ran hindurchsehen konnte. Über der Tür konnte sie die Umrisse eines Schildes wahrnehmen, das normalerweise beleuchtet wäre. Vermutlich war es kaputt.

Sie kniff die Augen zusammen und versuchte die Schriftzeichen auf dem Schild zu lesen.

Vergebens. Es war zu dunkel.

Sie schritt auf das Haus zu und schaute durch das kleine Fenster der Türe. Sie erblickte eine kleine Bar. Der Barkeeper unterhielt sich gerade mit zwei Gästen. Also eine Kneipe? Sollte sie dort wirklich reingehen? Bekam sie keinen Ärger? Ran fühlte sich nicht wohl bei der Sache. Andererseits schlotterte sie am ganzen Körper, ihr war eiskalt. Außerdem war sie klatschnass und sie wollte nur noch ins Trockene. Und diese Kneipe sah so mollig warm aus…

Ran gab sich einen Ruck und öffnete langsam die Türe.

Der Geruch von Zigarettenqualm und Alkohol strömte ihr entgegen. Den war sie aber bereits gewohnt. Ihr Vater trank und rauchte doch ständig…

Mit gesenktem Kopf betrat sie den warmen Raum. Hier würde sie nicht so schnell wieder weggehen. Man konnte das leise Gemurmel der Gäste wahrnehmen. Es wirkte irgendwie beruhigend auf sie.

Es schien niemand gemerkt zu haben, dass sie eingetreten war. Allerdings war sie sich dessen nicht ganz sicher, denn sie hatte noch nicht aufgeschaut.

Mit leisen Schritten ging sie zu dem nächstbesten Tisch und setzte sich an diesen.

Erst jetzt merkte sie wie entkräftet sie war. Sie schloss ihre verweinten Augen und genoss die wohltuende Wärme, die sich langsam in ihrem Körper ausbreitete. Das Gemurmel im Raum wirkte einschläfernd auf sie. Sie musste den Kopf mit ihren Händen stützen, weil er immer schwerer wurde.

Schlafen sollte sie hier besser nicht. Das wusste sie. Ran versuchte sich zusammenzureißen.

Draußen tobte das Gewitter, doch hier hörte es sich gedämpft an.

Nur ganz kurz, dachte Ran. Für einen kleinen Moment ließ sie sich völlig fallen. Ihr ganzer Körper fing an sich zu entspannen. Gleich würde sie einschlafen, das merkte sie. Aber ihr war es egal…

„Junge Frau?“

Ran fuhr hoch und schaute zu ihrer Rechten. Sie hatte nicht gemerkt, dass sich ein Mann neben sie gesetzt hatte. Flüchtig musterte sie ihn. Das erste, was ihr auffiel waren seine dunklen Augen. Und er hatte braune kurzgeschnittene Haare, mehr konnte sie nicht erkennen. Das Licht war hier zu trüb. Aber so wie er aussah, schätzte Ran in auf Mitte dreißig.

„Du siehst nicht gerade so aus, als würdest du volljährig sein. Sag, was machst du hier so spät?“, fragte er sie.

Ran starrte auf den Tisch. Ihr war die Frage und das Ganze unangenehm.

„Gar nichts“, antwortete sie ihm nur ohne dabei aufzusehen. Sie versuchte einer Unterhaltung zur entfliehen.

Der Mann schaute sie fragend an. Er schien sich für sie zu interessieren.

„Nach nichts sieht das aber nicht aus. Sag mal, hast du etwa geweint?“, er versuchte Blickkontakt mit ihr aufzunehmen, aber Ran blieb eisern, „Geht es dir nicht gut? Möchtest du darüber reden?“

Sie schüttelte nur den Kopf. Warum sollte sie einem Wildfremden ihre Probleme erzählen? Dennoch fand sie es schön, dass er sich um sie sorgte…

„Irgendjemand solltest du es schon erzählen. Glaub mir, das befreit. Ich spreche aus Erfahrung. Versuch dich ein bisschen zu entspannen.“ Er redete immer weiter auf sie ein. Sie hörte aber kaum noch zu. Seine Stimme ließ sie wieder schläfrig werden.

„Hast du vielleicht Durst? Möchtest du etwas trinken?“ Seine Tonlage veränderte sich bei der Frage und das ließ Ran wieder aufhorchen.

„Komm schon. Ich lade dich ein! Also?“

Ran überlegte. Sie hatte tatsächlich Durst. Sogar großen Durst. Diesen Mann musste wohl doch der Himmel geschickt haben. Als Antwort nickte sie nur. Ihr Blick blieb weiterhin am Tisch hängen.

„Schön! Dann warte einen Moment. Ich bin gleich wieder da!“ Er stand auf und ging gelassen zur Bar.

Ran lehnte sich zurück. In ihrem Inneren hatte es sich ein kleines bisschen beruhigt. Das musste an diesem Ort liegen. Und vielleicht an diesem Mann. Es lenkte sie auch von ihren düsteren Gedanken ab, das wird wohl der Grund sein.

Sie riskierte einen Blick zu Bar.

Dort saßen drei Männer plus den Mann, der neben ihr saß und ihr gerade etwas zu trinken holte.

Ihr fiel auf, dass hier nur Männer waren und sie die einzig weibliche Person war.

Ihr wurde ein wenig mulmig. Wahrscheinlich hatte sie deswegen der Mann angesprochen, weil sie so auffiel.

Sie seufzte und heftete ihren Blick wieder an den Tisch. Was wollte sie eigentlich hier…?

„So, bitte sehr, die Dame!“ Der Mann war zurück und stellte ihr ein leeres Glas und eine volle Kanne aus Glas vor die Nase. Danach setzte er sich wieder neben Ran.

„Danke“, stammelte sie. Ihr war das Ganze irgendwie peinlich. Der Mann musste eine völlig andere Laune haben als sie.

„Nichts zu danken! Hab ich doch gerne gemacht. Trink! Dann wird’s dir gleich besser gehen.“ Aus den Augenwinkeln nahm Ran wahr, dass er lächelte.

Sie gehorchte, hob die Kanne und schenkte ihr Glas voll ein. Vorsichtig stellte sie die Kanne wieder ab und nahm danach ihr Glas. Sie nahm einen großen Schluck. Orangensaft, stellte sie fest.

Sie fühlte, wie das kühle Getränk in ihren Magen floss. Es brannte ein wenig in ihrer Kehle. Er war wohl nicht verdünnt, aber das war ihr egal. Auch das löschte ihren Durst. Der Mann beobachtete sie währenddessen. Ran war das nicht geheuer, aber das ließ sie sich nicht anmerken.

„Und? Geht’s dir schon besser?“, fragte er sie neugierig. Vielleicht zu neugierig.

„Ein bisschen“, antwortete sie.

Das war noch nicht einmal gelogen. Sie nahm noch einen großen Schluck. Das Brennen in der Kehle versuchte sie zu ignorieren. Ihr fiel auf, dass der Orangensaft einen untypischen Nachgeschmack hatte. Vielleicht eine Eigenkreation, dachte sie sich nur.

„Na siehst du? Hab ich doch gesagt! Aber jetzt möchte ich auch, dass du alles trinkst. Das ist schließlich schon bezahlt!“, sagte er mit einem Unterton, den Ran nicht deuten konnte.

Als Antwort nahm sie ihr Glas und trank es vollends aus. Der Mann nahm ihr das Nachschenken bereits ab.

„Danke“, sagte sie wieder und führte das Glas zu ihrem Mund.

Es war inzwischen schon nach Mitternacht. Das Gewitter war im vollen Gange. Die Gäste in der Kneipe schien das jedoch wenig zu stören.

Der Mann neben Ran hatte inzwischen angefangen ihr seine Lebensgeschichte zu erzählen. Sie nahm an, dass er sie so von ihren Sorgen ablenken wollte. Wahrscheinlich, denn sie hatte gemerkt, dass sich ihre Anspannung immer mehr löste und sie immer lockerer wurde, je länger sie bei diesem Mann blieb. Er schien sie wohl wirklich abzulenken. Während er erzählte, nippte Ran immer wieder an ihrem Orangensaft und er schenkte ihr immer wieder nach…

Sein Name war Kenji Hinagawa. Er war sechsunddreißig Jahre alt. Geboren wurde er in Hokkaidō. Er war nach Tokyo gekommen, um sich eine neue Wohnung zu suchen. Es war schon immer sein Traum gewesen hier her zu kommen. Als Grund gab er an, dass er es auf dem Land nicht mehr ausgehalten hatte und unbedingt in eine Großstadt ziehen wollte. Er war Angestellter in einer namenhaften Firma. Vor langer Zeit hatte er schon einmal geheiratet. Leider lebte er jetzt geschieden, er war also alleinstehend. Kinder hatte er allerdings keine…

Er erzählte noch viel mehr, als ob er kein Detail ausließ.

Ran wollte gerade wieder an ihrem Glas nippen, als ihr etwas auffiel. Sie fühlte sich wohl...irgendwie zu wohl. Sie wollte ihren Kopf gerade zu Herrn Hinagawa drehen, als sie merkte, dass es sich in ihrem Kopf noch viel weiter drehte. Vor Schreck verlor sie ihr Gleichgewicht und ließ ihr fast wieder leeres Glas auf den Tisch fallen. Dabei entstand ein lautes Geräusch.

„Hey, hey! Ist alles klar bei dir?“, fragte Herr Hinagawa in einem für Ran seltsamen Ton. Irgendwie klang er…belustigt.

Mit einer Hand hielt sie sich den Kopf und mit der anderen stützte sie sich am Tisch ab.

Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. In ihrem Kopf drehte sich alles und sie hatte das Gefühl, als würde sie die Stimmen und die Geräusche der Kneipe wahrnehmen, als hätte sie Watte in den Ohren. Ihr Körper fühlte sich an, als würde etwas durch ihn durchrieseln.

Was war nur los mit ihr?

Ihr Blick fiel auf ihre Kanne, die fast leer war. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

Er hat doch nicht etwa…? Wenn es so wäre, dann würde das vielleicht auch dieses Brennen in ihrer Kehle und der seltsame Nachgeschmack des Saftes erklären…

Sie konnte kaum noch klar denken.

„Herr Hinagaaaaah-!“ Während sie versuchte Herrn Hinagawa darauf anzusprechen, war sie aufgestanden und bereute es sofort. Ihre Beine gaben sofort nach und sie fiel auf den Boden. Nun kroch sie auf allen vieren und versuchte sich verzweifelt am Tisch wieder hochzuziehen, was unglaublich schwer war, denn ihre Beine fühlten sich butterweich an.

„Aber, aber! Was machst du denn da?“, Herr Hinagawa lachte laut auf und zog sie auf die Beine. Damit sie nicht umfiel, hielt er sie noch für einen Moment an den Schultern fest. Als er sie losließ, fing sie an zu schwanken. Ein seltsames Lachen entwich ihrer Kehle.

„Was ham Se mir da gegeben?“, fragte Ran ihn nun direkt mit lallender Stimme. Dabei schaute sie ihm direkt in die Augen während sie versuchte aufrecht zu stehen.

„Ach du wusstest es gar nicht? Na so was…naja, du kannst es dir ja nun selbst denken. Sei mir dankbar! Ich habe dich fürs erste von deinen Sorgen befreit!“, schwatzte er und grinste sie dabei ekelhaft an.

Ran hob langsam ihre Hand und legte sie auf Herrn Hinagawas Schulter.

„S‘ Miskl…“ murmelte sie.

„Was sagst du?“ Herr Hinagawa hatte sich vorgebeugt, um sie besser zu verstehen.

Ran packte ihn auf einmal an den Schultern.

„SIE MISTKERL!“ Mit voller Wucht stieß sie ihn weg. Unsanft knallte er gegen einen Stuhl, den er mit auf den Boden riss. Auf einmal wurde es still im Raum und alle Blicke waren auf das momentane Geschehen gerichtet.

Ran musste sich an der Wand festhalten, um nicht selber umzufallen. Ihre Tat verdankte sie ja wohl dem „Orangensaft“…

Sie drehte sich um und verließ schwankend die Kneipe.

Womit hab ich das nur verdient…?

Immer weiter

Heyho! :)

Hier bin ich wieder mit einem neuen Kapitel :)
 

@ Madame_Butterfly: Also...als strahlenden Ritter würde ich ihn jetzt nicht bezeichnen :D Klar, er wird höchstwahrscheinlich vorkommen, aber Nein, so einfach kann ich es Ran nicht machen. Dennoch muss ich irgendwann mal eine Wendung reinbringen. Die Arme kann ja nicht die ganze Zeit alleine durch Tokyo geistern ;) Klar, das würde auf jeden Fall eine Zeit dauern bis sie wieder vollständig 'geheilt' ist...FALS sie geheilt wird ;) Unser junger Detektiv kann zwar perfekt Fälle lösen, aber nicht einmal mit dem Finger schnippen und bei Ran wäre wieder alles Friede Freude Eierkuchen ^^
 

So, genug geschwätzt. Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen! :)
 

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Als sich die Türe der Kneipe schloss, sackte Ran in sich zusammen. Innerlich zerbrochen und so gut wie betrunken, schluchzte sie vor sich hin. Ihr Atem ging flach, während sie versuchte ihr Schwindelgefühl unter Kontrolle zu halten. Mit den Händen stützte sie sich auf dem nassen Asphalt ab. Sie spürte wie sich die Nässe des Regens wieder langsam um sie schloss. Wozu ging sie überhaupt ins Trockene, wenn es ohnehin nichts brachte? Wäre sie doch nur draußen geblieben. Wieso bereute sie ständig ihre Entscheidungen?

Zum Glück war ihr Herr Hinagawa nicht gefolgt. Dieses Schwein hätte sonst was mit ihr anstellen können, in ihrem erbärmlichen Zustand. Für Karate hatte sie sowieso keine Kraft mehr.

Was fiel diesem Typ eigentlich ein!? Hatte er ernsthaft gedacht, ihr würde es besser gehen, wenn er sie heimlich betrunken machte? Wahrscheinlich hatte er sich überhaupt nichts dabei gedacht. Vermutlich hatte er seinen Spaß daran gehabt, sie so zu demütigen. Ja, er hatte es förmlich genossen. Wieso hatte sie es nicht schon früher bemerkt, was sie da zu sich nahm?

Sie war aber auch dumm! So unendlich dumm. Sie lieferte sich einfach irgendwelchen Männern aus, die sie nicht einmal kannte. Mit offenen Armen rannte sie der Gefahr entgegen. Ihr war es ein Rätsel, warum sie noch lebte, warum sie überhaupt lebte…

Du bist überflüssig!

Sieh es doch endlich ein, niemand braucht dich!

„VERDAMMT, VERSCHWINDE ENDLICH!!“, schrie Ran die Stimme an. Dabei überschlug sich ihre Eigene. Ihr leises Schluchzen verwandelte sich in ein verzweifeltes und lautes Weinen, welches vom lauten Prasseln des Regens jedoch schnell wieder erstickt wurde.

Sie fühlte sich widerlich. Der Schmerz brach wieder seine Fesseln, welche ihn während der Zeit in der Kneipe zurückgehalten hatten. Wie Gift breitete er sich in Rans Körper aus und vermischte sich mit den Empfindungen, die der Alkohol mit sich gebracht hatte. In ihr herrschte ein unüberblickbares Gefühlsdurcheinander. Und sie konnte sich nicht dagegen wehren. Denn das Genussmittel – das in ihrem Fall keins war – hatte ihre letzte Kraftreserve weggespült und die wiedergekehrte Stimme hatte sie nun endgültig in den Abgrund gestoßen.

Wieso nur!? Wieso musste bei ihr jeder Lebensabschnitt ein Höllentrip werden? Weswegen war es ihr verwehrt, ihr Leben richtig zu leben? Gab es den niemanden, der es gut mit ihr meinte? Wollte den jeder, dass sie litt...?

Langsam kämpfte sich Ran, trotz des starken Schwindelgefühls, auf die Beine und begann mit ungleichmäßigen Schritten durch den strömenden Regen zu laufen. Irgendwo musste sie doch hingehen. Sie konnte doch nicht ewig im Regen stehen bleiben. Vor allem nicht mitten in der Nacht. Wenn die Polizei sie so entdecken würde, dann wäre es aus mit ihr…

Mit schlaffen Gliedern quälte sie sich durch die Straßen. Sie musste sich mit einer Hand an den Wänden festhalten, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Vor ihren Augen bewegte sich alles wie in Zeitlupe. Die Lichter der vorbeifahrenden Autos blendeten sie, als sie wieder an eine befahrene Straße kam, sodass sie ihre Augen zusammenkneifen musste. Doch selbst das fiel ihr schon schwer. In ihrem Zustand reagierte sie übertrieben empfindlich auf die hellen Lichter der Stadt.

Es waren kaum noch Menschen zu sehen. Das Gewitter und die späte Stunde hatten sie vermutlich in ihre Häuser getrieben. Der Ein oder Andere lief dennoch an Ran vorbei und blickte sie verstohlen an. Doch sie nahm es nur am Rande wahr. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt vorwärtszukommen. Das war nicht einfach, wenn man kaum noch Kontrolle über seinen Körper hatte. Doch sie kämpfte sich tapfer weiter. Immer und immer wieder kreisten in ihr dieselben Gedanken, welche sie auch vorantrieben, soweit der dichte Nebel in ihrem Kopf es zuließ.

Ich muss weiter…immer weiter…

Ich muss irgendwo hingehen…

Irgendwohin…zu irgendwem…zu jemanden…

Zu jemanden, der mir nicht wehtun will…

Wer will mir nicht wehtun…?

Egal…immer weiter…ich muss immer weiter gehen…irgendwo hingehen…

Es musste doch einen Ort geben, wo sie sicher war, wo sie niemand anschrie, wo ihr keiner wehtat… doch wohin sollte sie denn gehen. Welcher Ort sollte sie annehmen…?

Sie gelang irgendwann wieder in ruhigere Gebiete, wo so gut wie keine Autos fuhren. Die Fußgänger blieben nun ganz aus. Wenigstens konnte sie jetzt niemand mehr sehen. Es war überhaupt ein Wunder, dass sie vorhin von niemandem angehalten wurde. War sie denn nicht aufgefallen?

Sie bemerkte, dass es aufgehört hatte zu donnern. Es blieb nur noch der strömende Regen zurück, der aber kaum an Stärke verloren hatte. Trotzdem schien das Sommergewitter allmählich nachzulassen.

Der Rausch, in dem Ran sich befand, schien jedoch kaum abklingen zu wollen. Sie musste sich noch immer an den Hauswänden festhalten, um überhaupt stehen, geschweige denn laufen zu können. Auch ihre Sicht ließ zu wünschen übrig, da sie ständig verschwamm. Die Schwindelgefühle hatten sie voll und ganz in der Hand. Genauso wie der bittere Schmerz in ihr…

Wo soll das nur enden…?

Einmal rutschte sie mit ihrer Hand ab und fiel vorwärts auf den steinharten Gehweg. Mit schmerzverzehrtem Gesicht kämpfte sie sich wieder auf die Beine und torkelte weiter, als wäre nichts gewesen.

Weiter…immer weiter

Ihr Ziel war es sich eben ein Ziel zu setzen, um damit diese trostlose Situation halbwegs erträglich zu gestalten, wenn auch nur minimal. Und das Ziel war, immer weiter vorwärts zu kommen. Nicht anhalten, nicht hinfallen, immer weiter.

Sie war gefangen, das wusste sie, trotz ihres Zustandes. Gefangen in sich selber. Doch befreien konnte sie sich nicht. Dafür war sie zu schwach. Zu schwach um die tiefe Kluft ihres Schmerzes zu überwinden. Denn die Brücke fehlte. Woher sollte sie so schnell eine herbekommen? Außerdem musste sie noch gebaut werden. Dann musste man den Mut haben sie zu betreten. Ihr fehlte das Material, das Wissen und der Mut…

Ein erschöpfter Schluchzer entwich ihrer Kehle. Wann war es denn endlich zu Ende? Wie kam sie nur wieder heraus? Sie wollte nicht mehr. Sie wollte, dass es endlich aufhörte…

Bevor sie sich dessen bewusst war, war sie vor einem der Häuser stehengeblieben. Ran klammerte sich an das Gitter des Tores und sah zwischen dieses hindurch. Es war sein Haus. Sie erkannte es, trotz des Regens und ihrer verschwommenen Sicht. Allerdings begriff sie nicht, wie um alles in der Welt sie hier her kam. Sollte das etwa das Ergebnis ihres Ziels sein? Warum landete sie ausgerechnet hier?

Ich muss irgendwo hingehen…

Irgendwohin…zu irgendwem…zu jemanden…

Zu jemanden, der mir nicht wehtun will…

Ihre Gedanken von vorhin hallten in ihr wieder. Sollte er ihr denn nicht wehtun? Er tat ihr doch auch ständig weh. Indem er sie ewig alleine ließ, sie anlog und sie in dem Glauben ließ, dass er weit weg wäre, obwohl er die ganze Zeit in einer anderen Gestalt bei ihr war.

Diese Zeit war zwar vorbei und sie hatte ihm auch verziehen, aber der Schmerz blieb trotzdem in ihr. Er hatte ihr ganz schön wehgetan und sie hatte ihm einfach verziehen, weil sie ihn liebte und ihn vermisst hatte. Wahrscheinlich wollte sie es nur abgehakt haben, weil sie sich so lange damit herumgeplagt hatte. Ständig hatte sie sich mit irgendetwas herumzuschlagen, ständig…

Ein Schwindelanfall lenkte sie von ihren Gedanken ab, die sie auch nur durch dichten Nebel erfassen konnte. Langsam ließ sie sich auf den Boden sinken, hielt das Gitter jedoch weiterhin umklammert. Als ihre Sicht wieder etwas klarer wurde starrte sie auf die Eingangstüre des Hauses, die ihr durch die Gitter unglaublich weit weg vorkam.

Ich muss irgendwo hingehen…

Irgendwohin…zu irgendwem…zu jemanden…

Ächzend zog sie sich am Gitter hoch, ihr Blick blieb bei der Haustüre.

Zu jemanden…

Unwillkürlich bewegte sie eine ihrer Hände zur Klinke des Tores. Bevor sie sie herunterdrückte, zögerte sie. Doch die Gedanken in ihr trieben sie dazu an fortzufahren. Ran drückte die Klinke herunter. Dann noch einmal und noch einmal bis sie allmählich feststellte, dass das Tor abgeschlossen war.

„Nein…“, wisperte sie entsetzt. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie musste dort irgendwie herein kommen, irgendwie! Vor Verzweiflung fing sie wieder an zu weinen und rüttelte an dem Tor. Dann kam ihr eine Idee. Sie hob den Kopf und suchte sich eine Stelle am Gitter, bei der sie anfangen konnte. Als sie eine fand, fing sie an zu klettern.

Es war dumm und gefährlich. Eigentlich wusste sie das, aber in diesem Moment geisterten ihr andere Gedanken durch den Kopf, die sie überhaupt dazu antrieben solche Aktionen durchzuführen.

Ich muss weiter…immer weiter!

Nicht stehenbleiben…nicht hinfallen.

Immer weiter…

Ihre Beine und Arme zitterten, als sie mit ihrem ganzen Körper am Tor hing. Ihr Herz begann zu rasen und ihr Schwindelgefühl nahm dadurch wieder zu. Doch sie kletterte weiter, immer weiter, als wäre überhaupt nichts.

Ich muss weiter…immer weiter!

Ihre Gedanken stachelten sie immer mehr an und sie schaffte es tatsächlich an die Spitze zu kommen. Für einen Moment setzte sie sich auf das Tor, um zu verschnaufen. Außerdem musste sie warten bis ihr nicht mehr allzu schwindelig war. Der Regen peitschte ihr ins Gesicht. Aber das störte sie nicht mehr. Sie war sowieso von oben bis unten nass. Nebenbei fröstelte es sie ein wenig. Gleichzeitig glühten ihre Wangen, was sie dem Alkohol verdankte.

Ran wollte gerade ihren Fuß absetzen, um weiterzukommen, als es passierte.

Sie rutschte ab, verlor ihr Gleichgewicht und stürzte den Rest ihres Weges hinunter. Vor Schreck hatte sie laut aufgeschrien. Dann lag sie am Boden…

Der Aufprall schmerzte, weswegen sie auch liegen blieb. Aber auch weil sie am Ende war. Am Ende ihrer Kräfte…

Sie hätte es wissen müssen, dass so was geschehen würde. Aber es war ihr egal gewesen. Nun lag sie da. Man hätte denken können, sie sei tot, wenn sie nicht so bitterlich geweint hätte. Der Tränenfluss war unaufhaltsam, aber ihr Blick war starr. Sie blickte in Richtung Haus, doch sie konnte sowieso nichts sehen. Alles war verschwommen. Sie war blind und taub. Denn das Prasseln des Regens hörte sie nur noch wie durch eine dicke Mauer.

Nun war sie dem Schmerz vollends ausgeliefert. Er hatte sie in der Hand, drohte sie zu erdrücken und nahm den größtmöglichen Platz in ihr ein. Sie war gefangen. Gefangen in sich selbst und sie kam nicht mehr hinaus. Die schwarze Hand hielt ihr Herz so fest es ging.

Du bist überflüssig!

Sieh es doch endlich ein!

Verschwinde einfach von hier!

Die Stimme. Selbst sie war wieder da, zog sie in ein schwarzes Loch. Ran stieß einen gequälten Laut aus und verkrampfte sich. Ihre Tränen flossen weiter…

Sie wusste nicht, wie lange sie so dalag, aber als ihr Blick wieder klar wurde, konnte sie noch registrieren, wie sich ein Schatten schnell auf sie zubewegte.

Dann fielen ihr die Augen zu.

Lichtblick?

So, hier ist es! Das neue Kapitel!

Hat irgendwie ewig gedauert das zu schreiben oO
 

@ Madame_Butterfly: Nun, die Stimme kann nur sie hören, sonst niemand. Und ich gebe zu, es ist ein bisschen verwirrend. Aber Stimmen hören muss nicht unbedingt auf eine Krankheit hinweisen. Ich hab versucht mich darüber ein wenig schlau zumachen und dabei kam heraus, dass Stimmen hören in allen mögliche Formen vorkommen kann. Dabei kann sie nett sein und dich durchs Leben weisen oder auch unerträglich erscheinen sodass du negativ darauf reagierts...es ist unterschiedlich. Zum Beispiel, wenn die Person ein Problem hat und es selbst nicht lösen kann, kann Stimmenhören eine Antwort darauf sein.

Wenn man das perfekt nachschreiben will, muss man es entweder selbst erlebt oder sich intensiv damit beschäftig haben. Da bei mir beides nicht der Fall ist, hoffe ich, dass du mir meine Fehler in diesem Bereich verzeihst :)
 

So, nun kanns losgehen! ;)
 

PS: In nächster Zeit kann ich wahrscheinlich nicht schreiben, weil ich nächste und übernächste Woche Prüfungen habe :/ Aber ich geb mein Bestes, dass es so schnell wie möglich weitergeht! :)

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Eine Spirale. Ran sah eine schwarze Spirale, in der seltsame Formen herumwirbelten. Sie drehten und windeten sich und machten keine Anstalten damit aufzuhören. Es war wie ein nie endender Vorgang. Aber warum sah sie so etwas?

Gleichzeitig war auch in ihr etwas in Bewegung. Es drehte sich etwas im Kreis. Doch anders wie bei der Spirale vor ihr, konnte sie erfassen, was in ihr herumwirbelte…

Es spielte sich alles noch einmal in einer Drehbewegung ab. Von Anfang bis Ende.

Ran sah die Familie bei der Schaukel im Beika-Park, sie spürte wieder den Neid, der anschließend in ihr aufgegangen war, sie sah ihre eigene Familie und sich selber bei der Schaukel, sie sah ihre streitenden Eltern, das aufziehende Gewitter, ihren betrunkenen Vater, der sie anschrie, sie sah sich selber durch den strömenden Regen laufen, sie sah sich selber auf dem nassen Asphalt liegen, sie sah wie sie im Regen stumm vor sich hin weinte, sie sah Herrn Hinagawa, wie er ihr den „Orangensaft“ vor die Nase hielt, wie sie ihn von sich wegstieß, wie sie vor der Kneipe zusammenbrach, wie sie danach durch die Straßen torkelte, wie sie vor dem Haus stehenblieb, wie sie verzweifelt am Tor hochkletterte und auf der anderen Seite wieder herunterfiel…

Dabei wurde sie von ihrem Schmerz begleitet, denn er war selbst die Spirale. Auch die Stimme ließ Ran nicht mehr in Ruhe. In regelmäßigen Abständen redete sie eindringlich auf sie ein. Im Großen und Ganzen war ihr jetziger Zustand eine einzige Katastrophe. Aber Ran ließ es geschehen. Für jeglichen Widerstand war sie einfach zu entkräftet.

Sie stellte fest, dass die dunkle Spirale vor ihr genau das widerspiegelte, was in ihr gerade vorging. Langsam ließ sie sich selber von ihr mitreißen…

Während all dem hörte sie wie aus weiter Ferne das Rauschen des Regens, sie konnte aber nicht sagen, wo sie sich gerade befand. Ihr Gefühl war dafür nicht mehr vorhanden…

„Ran!“

Die Spirale geriet ins Stocken. Es war zwar nur sehr leise, aber sie konnte trotzdem hören, wie jemand ihren Namen rief. Wer war es? Wer rief sie?

„Ran! Hey, Ran! Kannst du mich hören? Wach auf!“

Das Rufen wurde allmählich lauter und langsam bröckelte auch die Spirale. Sie konnte wieder den Boden unter sich fühlen und auch das Prasseln des Regens auf ihrer Haut war wieder spürbar, aber irgendwie war es viel zu warm…? Ihre rechte Seite war deutlich wärmer als ihre linke. War die Sonne wieder da…?

Wohl kaum. Es regnete doch.

„Ran!? Um Himmels Willen, Ran!?“ Die Stimme klang panisch und sie schaffte es bis zu ihr durchzudringen.

Langsam begann sich die Spirale vor ihr aufzulösen, ihre Lider flatterten und als sie die Augen öffnete, blickte sie in das entsetzte Gesicht von Shinichi.

Im selben Moment verstummte die Stimme.

„Ran…Gott sei Dank, du bist wach!“

Ran bemerkte, dass er sie am Rücken mit seinem Arm stützte. Sie war im sehr nahe…deswegen auch diese Wärme. Sie hörte seinen Atem, der sich durch seine Panik beschleunigt hatte. Mit seiner freien Hand strich er ihr schnell die verklebten Haare aus dem Gesicht. Seines wirkte sichtlich erleichtert, dennoch besorgt.

„Du meine Güte! Du bist ja total durchnässt! Komm, wir gehen erst mal ins Haus. Du musst unbedingt trockene Sachen anziehen…“ Shinichi versuchte sie auf die Beine zu ziehen, was ihm im ersten Moment Probleme bereitete, da Ran von selber nicht aufstand. Dafür hatte sie keine Kraft mehr und auch die Wirkung des Alkohols hatte noch nicht nachgelassen. Sie schloss daraus, dass noch nicht sehr viel Zeit vergangen war. Es war schließlich immer noch stockfinster und auch der Regen hatte nicht aufgehört.

„Ran…komm schon. Reiß dich zusammen, du wirst krank…“ dränge Shinichi, da er bemerkt hatte, dass sie nicht nachhalf.

‚Reiß dich zusammen‘, sagt er.

Er hatte doch keine Ahnung. Er hatte nicht einmal nachgefragt, warum sie wie tot vor seinem Haus lag. Interessierte es ihn überhaupt…? Gleichzeit war sie froh, dass sie nicht mehr alleine war…

Sie spürte wie er ihr schließlich den Arm um die Schultern legte. Mit dem anderen Arm umschlang er von vorne ihre Taille und zog sie sachte mit sich. Ran ließ es geschehen und stolperte neben ihm her. Im selben Moment erlitt sie einen Schwindelanfall und drohte einzuknicken, aber Shinichi konnte sie noch rechtzeitig aufrecht halten.

„Ran…?“ Seine Stimme klang besorgt und erschrocken. Aber Ran sprach nicht. Sie wollte jetzt nicht reden.

Die Beiden setzten ihren Weg zum Haus fort und erreichten es schließlich auch. Schnell öffnete Shinichi die Haustüre und sie betraten seine Villa.

Drinnen schaltete er das Licht an und führte Ran zu einem Sofa. Dort setzte er sie vorsichtig hin. Er kniete sich vor ihr hin, sodass sie auf derselben Höhe waren.

Ran fiel es schwer aufrecht zu sitzen. Immer wieder drohte ihr Körper nach vorne zu kippen und sie versuchte vergebens, nicht in Shinichis Gesicht zu blicken. Ihr war das Ganze sehr unangenehm. Was musste er jetzt von ihr denken? Sie wusste genau, was für ein jämmerliches Bild sie gerade abgab. Warum musste sie ausgerechnet vor seinem Haus landen? Es war für sie selber ein Rätsel, dass sie es überhaupt gefunden hatte. Und schon wieder bereute sie es…

„Hör mal…ich bin sofort wieder bei dir. Ich hole dir nur schnell ein paar Sachen. Bitte bleib hier sitzen.“, sagte Shinichi mit warmer Stimme.

Er erhob sich und begab sich mit schnellen Schritten in eines der vielen Zimmer. Nun war sie wieder alleine.

Ran atmete tief ein. Erst jetzt bemerkte sie, wie sehr sie zitterte. Dadurch dass sie nass war, war ihr eiskalt. Sie schlang ihre Arme um ihren Körper. Wenigstens war sie jetzt wieder im Warmen. Sie hatte schon fast vergessen, wie sich das anfühlte…

Und sie war nicht mehr allein. Aber gleichzeitig wollte sie allein sein. Denn sie hatte Angst, dass Shinichi herausfinden könnte, was in ihr vorgeht. Er würde sie bestimmt ausfragen, wie bei einem Verhör. Ja, genauso wie bei seinen Fällen, die er so liebte. Bestimmt war sie für ihn auch nicht mehr als irgendein Fall, den man nur lösen musste und dann abhaken kann. Und seine Freundlichkeit gerade, ist bestimmt nichts anderes als eine Taktik…

In Ran stieg Wut und Verzweiflung auf. Am liebsten würde sie abhauen, doch gleichzeitig fühlte sie sich an diesen Ort gebunden. Außerdem war es ihr sowieso nicht möglich zu verschwinden. Ihr blieb wohl keine andere Wahl…

„Ran…du siehst furchtbar aus.“, hörte sie auf einmal Shinichi sagen. Vor Schreck fuhr sie mit dem Kopf hoch, ein Schwindelanfall antwortete ihr darauf. Er bemerkte es und hielt sie schnell an den Schultern fest.

Natürlich sah sie furchtbar aus. Das wusste sie selber.

Seine plötzliche Berührung verwirrte sie jedoch, sodass sie in sein Gesicht schaute. Er musterte sie nachdenklich. Warum sah er sie so an? Plötzlich näherte er sich ihrem Gesicht. Ran erstarrte. Er wird doch nicht etwa…? Ihr Herz setzte für einen Moment aus. Shinichis und ihre Lippen trennten nur noch ein paar Zentimeter. Aber im nächsten Moment sank sein Kopf ein Stückchen nach unten. Zu ihrem Entsetzen schnupperte er an ihr.

„Also doch…“, murmelte er und sein Kopf wich langsam wieder zurück. Er nahm das Handtuch, das er geholt hatte und begann damit sanft ihr Gesicht abzutupfen.

„Du bist doch noch minderjährig…warum machst du solche Sachen?“ Seine Stimme hatte einen säuerlichen Unterton.

Idiot, beschimpfte sie ihn innerlich. Sie hatte sich das doch nicht selbst so gewünscht. Es kränkte sie, dass Shinichi ihr das zumutete. Gleichzeitig genoss sie seine sanften Berührungen mit dem Handtuch. Sie fühlte sich hin und her gerissen…

Als nächstes legte er ihr das Handtuch über den Kopf und rubbelte sachte ihre Haare ab. Sie musste trotzdem um ihr Gleichgewicht kämpfen, aber selbst das nahm Shinichi ihr ab. Einen Arm legte er ihr um, mit dem anderen rubbelte er weiter. Nach ihren Kopf nahm er sich ihre Arme vor. An ihrem Handgelenk hob er ihn an und trocknete ihn von oben bis unten ab. Dasselbe machte er auch mit ihrem zweiten Arm. In kleinen Kreisbewegungen fuhr er das Handtuch bis zu ihrer Hand. Dann beugte er sich und machte das gleiche mit ihren Beinen.

Rans Herz schlug ihr bis zum Hals. Wollte er sie um den Verstand bringen? Sein seltsames Verhalten brachte sie total durcheinander. Doch sie ließ es zu. Sein Handeln berührte sie, doch sie wollte auch, dass er aufhörte. Sie fühlte sich ihm ein wenig ausgeliefert, weil sie betrunken war.

Shinichi hatte das Handtuch beiseitegelegt und sich neben sie gesetzt. Sein Blick fiel auf ihre pitschnasse Kleidung. Auf einmal fasste er ihr an das Shirt und machte Anstalten es auszuziehen. Trotz ihres Rausches, schaltete Ran sofort.

„Nimm deine Hände weg!“, motzte sie ihn an und schlug seine Hand weg. Ihre Stimme war noch immer lallend. Sein Vorhaben hatte sie aus der Fassung gebracht.

Er war kurz von ihr zurückgewichen, doch er fing sich schnell wieder. Seine Miene wurde ernst.

„Ran, sei doch vernünftig! Du musst dir etwas Trockenes anziehen. Du wirst sonst krank. Und so wie ich das beurteile, kannst du es nicht selber machen. Ich bitte dich!“, sagte er mit fester Stimme.

Ran wiedersprach ihm auch nicht mehr weiter. Er hatte ja Recht. Er hatte immer Recht. Trotzdem fühlte sie sich dabei sehr unbehaglich. Jetzt musste ausgerechnet er sie noch ausziehen…

Als Shinichi merkte, dass sie keinen Widerstand mehr leistete, fasste er ihr langsam wieder an das Shirt. Langsam begann er es aufzuknöpfen. Dabei starrte Ran auf seine Hände. Ein Schluchzer entwich ihr. Ihre Tränen begannen wieder zu fließen. Sie wusste nicht, was sie von dieser Situation halten soll. Sie passte irgendwie überhaupt nicht ins Bild. Wollte er ihr wirklich nur helfen? Warum fragte er nicht, was sie hier machte? Sie verstand ihn einfach nicht…

Shinichi hielt inne, als er bemerkte, dass Ran weinte. Er blickte auf und sah ihr in die Augen. Dieser Blick…

Stumm wischte er ihr mit seiner Hand die Tränen vom Gesicht. Allerdings half das nicht viel, denn es kamen immer neue Tränen. Seine Hand blieb noch für einen Augenblick bei ihrem Gesicht. Behutsam legte er sie auf Rans Wange. Wie warm sie war…

In Ran tobten die Gefühle. Wie eine große Welle brachen sie auf sie ein. Shinichi gab ihr im Moment die Geborgenheit, die sie eigentlich brauchte. Sie fühlte sich so sicher bei ihm. Das war schon immer so. Doch in ihr hatte sich etwas verändert. Die Erkenntnis von vorhin hatte sie noch lange nicht vergessen. Langsam aber sicher keimte sie wieder in ihr auf…

Ich bin überflüssig…

Nein, das hatte sie überhaupt vergessen. Das konnte sie auch nicht, denn es saß schon zu tief in ihr. Es schmerzte sie, es war unerträglich… Die Spirale in ihr fing an sich schneller zu drehen.

Ja, es stimmte. Sie war überflüssig. Wenn Shinichi mit ihr fertig war, würde er mit Sicherheit wieder verschwinden und sich seinen Fällen zuwenden. Das hier bedeutete ihm doch sowieso nichts. Seine Fälle waren ihm doch wichtiger…sie waren ihm wichtiger, weil sie unwichtig war…weil sie überflüssig war.

In ihr hallten die Worte der Stimme wieder. Die Spirale hatte ein ungemeines Tempo erreicht. Auch ihre Tränen begannen wieder zu fließen. Der Schmerz gewann die Oberhand über sie. Mit der letzten Kraft, die sie noch hatte stieß sie Shinichi von sich weg und stand mit voller Wucht vom Sofa auf. Das Schwindelgefühl dabei ignorierte sie. Sie wollte weg, weh von ihm. Sie hielt das nicht mehr aus. Mit einem Schluchzen, das schon eher einem Keuchen glich, torkelte sie quer durch den Raum.

Doch weit kam sie nicht, denn Shinichi hatte sie schnell eingeholt.

„Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich in diesem Zustand wieder auf die Straße lasse!“ Er hatte sie am Handgelenk gepackt und versuchte sie zurückzuziehen.

„Nein…nein! Lass mich los! Lass mich sofort los!“, schrie sie mit weinerlicher und lallender Stimme zugleich. Mit aller Kraft versuchte sie sich ihm zu entziehen. Doch es gelang ihr nicht. Er war zu stark für sie.

„Ran, bitte! Sei vernünftig, du bist betrunken! Außerdem ist es mitten in der Nacht. Ich lass dich jetzt nicht gehen!“, er klang wütend. Offensichtlich begriff er Rans Verhalten nicht.

Diese versuchte verzweifelt sich aus Shinichis Griff zu befreien.

„Lass mich los! Geh weg von mir!“

Er verstand sie nicht…er verstand sie einfach nicht! Die Spirale wurde immer schneller.

„Ich weiß doch, dass mit dir etwas nicht stimmt! Glaubst du ich sehe das nicht?! Aber ich werde dich jetzt nicht darüber ausfragen. Weil du betrunken bist, verdammt noch mal!“

Er versuchte sie zu sich her zuziehen.

„Nein…du…“ Ran schloss die Augen und gab nach.

…du fragst mich nicht aus, weil es dich nicht interessiert.

Weil ich überflüssig bin…

Ran hielt sich den Kopf, um das Drehen aufzuhalten, doch es ging nicht. Sie weinte, weinte bitterlich. Der Schmerz hatte sich wieder vollends in ihr ausgebreitet. Warum kann er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Das Leben hatte sie noch nie wirklich angelächelt…

Shinichi hatte inzwischen von hinten den Arm um ihre Taille gelegt. Sein Kopf war an ihrer Schulter. Für einen Moment war es still.

„Bitte, verzeih mir…“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Kurz danach spürte sie einen stechenden Schmerz an ihrem Nacken. Auf einmal wurde sie unheimlich müde…

Das letzte, was sie noch sah war Shinichis Arm. Dann verlor sie das Bewusstsein.

Kurze Rede - Langer Sinn

Hallo Leute ;)

Eeeeeeeeeeendlich sind diese Prüfungen vorbei und ich hab eeeeeeendlich mal wieder Zeit zu schreiben. *freudensprüngemach*

Allerdings muss ich zugeben, dass ich in dieses Kapitel zu wenig Zeit investiert habe :/ Also macht euch auf eventuelle Änderungen gefasst.
 

So ich hoffe ich kann mit diesem Kapitel wieder ein paar eurer Gemüter ansprechen :D

Viel Spaß!

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Ran erwachte davon, dass ihr speiübel war. Unglaublich übel, sodass sie sich im ersten Moment auf nichts anderes konzentrieren konnte, was sie im Übrigen auch ihrer Schlaftrunkenheit verdankte.

Sie stöhnte und drehte sich auf die Seite. Vage Erinnerungen erfüllten ihren schmerzenden Kopf. Die Bilder waren halbverschwommen, aber sie wusste sofort, dass sie zu jener Nacht gehörten. Die Tatsache, dass ihre Erinnerung daran nicht vollständig war, weist auf ihre Betrunkenheit während dieser Zeit hin. Der eindeutige Beweis war jedoch ihr tierischer Kater. Dagegen war nichts einzuwenden.

Vorsichtig hob sie ihre Augenlider nur um sie wieder zuzukneifen, da ihr die Sonne genau ins Gesicht schien. Die Sonne…war sie denn wieder da? Die angenehme Wärme, die sich sanft auf ihr Gesicht legte genügte ihr als Antwort.

Sie startete noch einen Versuch ihre Augen zu öffnen, doch dieses Mal war sie achtsamer. Nachdem sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, erblickte sie zunächst einen strahlend blauen Himmel, der Verwirrung in ihr auslöste. Es kam ihr vor, als hätte sie ihn schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Das Wetter von jetzt bildete einen abnormen Kontrast zu dem trostlosen Gewitter davor.

Das Blau des Himmels wurde von dem weißen Rahmen eines großen Fensters umschlossen. Ran widmete ihre Aufmerksamkeit nun dem Raum, in dem sie geschlafen hatte. Auf Anhieb kam ihr wieder in den Sinn, dass sie sich in Shinichis Villa befand.

Während ihr der Schock noch durch die Glieder fuhr, hatte sie sich langsam aufgesetzt, was ihr in ihrem Zustand nicht leicht fiel. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Shinichis Zimmer war es nicht. Vermutlich war es eines der Gästezimmer, denn die Einrichtung hatte nichts Persönliches an sich. Rans Blick glitt immer weiter nach unten bis sie irgendwann auf das strahlende Weiß ihrer Decke starrte, unter der sich auch ihr Körper befand.

Aha…Shinichi hatte sie also in dieses Bett gelegt. Und sie hatte die Nacht hier verbracht, zumindest die Hälfte davon. Bei diesem Gedanke wurde ihr mulmig zumute. Noch nie hatte sie hier geschlafen und jetzt war es unter solchen Umständen passiert. Eine fröhliche Pyjamaparty kam ihrer Vorstellung näher als das, wobei Shinichi eher weniger der Typ für Partys war…oder?

Ran rieb sich die Schläfen. Über so etwas wollte sie jetzt am allerwenigsten nachdenken. Vor allem hatte sie jetzt nicht den Kopf dafür. Denn dieser schlug sich mit höllischen Kopfschmerzen und unerfreulichen Bildern der letzten Nacht herum.

Ein gequälter Seufzer entwich ihrer Kehle. Was war das auch bloß für ein furchtbarer Schlamassel? Das Beste wäre es jetzt einfach von hier zu verschwinden…

Und als hätte jemand ihre Gedankengänge verfolgt, klopfte es leise an der Tür.

„Ran? Bist du wach?“, ertönte Shinichis Stimme von der anderen Seite.

Wie gebannt starrte Ran zur Tür, unfähig eine Antwort zu geben. Unbewusst fragte sie sich wie spät es wohl gerade war. Schon lange hatte sie keine Uhr mehr zu Gesicht bekommen…

Offenbar erwartete Shinichi nicht wirklich, dass sie antwortete.

„Ran? Ich…ich komme jetzt rein, ja?“

Und wie aufs Stichwort öffnete Shinichi vorsichtig die Türe und spähte herein. Erst als er sah, dass Ran bereits in einer Sitzposition war, trat er ein. Unter seinem Arm hatte er Klamotten geklemmt und bei genauerem Hinsehen erkannte Ran, dass es ihre eigenen waren. Trocken. Er hatte sie also doch ausgezogen…

Reflexartig und mit errötetem Gesicht blickte sie an sich hinunter und sah, dass sie fremde Klamotten trug. Sie spürte, dass sie viel zu groß waren und vermutete, dass es ein Pyjama von Shinichi war. Was sollte er ihr auch sonst geben? Sie unterdrückte den Drang sich vorzustellen, wie er sie umgezogen hatte.

Shinichi hatte sich inzwischen auf die Bettkante gesetzt und ihr die Klamotten vor die Nase gelegt.

„Hier, deine Sachen. Ich habe sie trocknen lassen, jetzt kannst du sie wieder anziehen“, sagte er mit ruhiger Stimme sodass Ran nicht erahnen konnte, was sich gerade in ihm abspielte. Gut so. Das wollte sie auch nicht.

Mit finsterer Miene musterte sie den säuberlich zusammengelegten Kleiderstapel. Ihr war das Ganze einfach nicht geheuer.

„Ran…der Kater steht dir ja förmlich ins Gesicht geschrieben. Wie bitte bist du an den Alkohol gekommen? Und warum denkst du überhaupt daran Alkohol, zu dir zu nehmen?“

Ran hatte wegen seiner plötzlichen Fragerei aufgesehen. Shinichi sah sie mit ernstem Gesicht an und erwartete eine Antwort.

Sie blickte zu ihm zurück und versuchte sich dabei an einem Pokerface, das ihre Gefühle und Gedanken verschleiern sollte. Ihm zu antworten, kam ihr dabei nicht in den Sinn.

Natürlich…natürlich stellst du nur die Fragen, die mit Recht und Gesetz zu tun haben. Was anderes würde dir wohl nie in den Sinn kommen…

Ran kämpfte mit den Tränen. Sie drohte wieder zu tief in diesen Zustand zu fallen. Das mit dem Pokerface ging ja wohl total daneben.

Shinichi hatte ihr Mienenspiel mitverfolgt. Sein ernster Blick hatte sich gelöst, Besorgnis war jetzt nur noch zu sehen. Er beugte sich plötzlich zu ihr vor und streckte seine Hand aus.

„Ran, was-“

Aber Ran war vor Schreck zurückgewichen. In ihr hatte sich plötzlich alles gesträubt, als wäre seine Hand mit Gift getränkt.

Schnell zog Shinichi sie wieder zurück und sah sie mit großen Augen an. Entsetzen spiegelte sich in ihnen. Diese Reaktion hatte er offenbar nicht erwartet.

„Ran…?“ Seine Stimme passte genau zu seiner Miene.

Irgendwann fing er sich wieder und begann plötzlich wie ein Wasserfall zu reden:

„Was ist nur mit dir los…? Ran…bitte sprich doch mit mir! Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als ich dich mitten in der Nacht vor meinem Haus gesehen habe! Im ersten Moment dachte ich, du seist tot! Und dann dein seltsames Verhalten…es kam mir gleich so komisch vor. Das warst nicht du…und jetzt…auch. Bitte sag mir was los ist! Erzähl mir bitte was passiert ist, Ran…lass mich dir-“

„Wird das ein Verhör?“

Ran war ihm nun doch ins Wort gefallen und er verstummte sofort. Allerdings war ihre Stimme nicht so fest, wie sie es wollte. Sie war leise und brüchig. Genauso wie ihr Inneres. Ran hatte den Blick gesenkt, im Raum war es still. Dieser eine Satz hatte Shinichi sprachlos gemacht. Vielleicht weil er ihr einen ganz kurzen Blick in ihr Innerstes offenbart hatte, allein dadurch, dass er ihre zerbrochene Stimme gehört hatte.

Sie wollte ihn nicht mehr hören, sie wollte seine Worte nicht mehr wahrnehmen. Wenn sie in ihr Ohr drangen geschah einfach nichts mehr. Sie fühlte nichts Gutes mehr dabei. Jede einzelne Silbe war wie ein Scherenschnitt in ihr Herz und ihr wurde immer klarer, dass Shinichi im Grunde genommen nichts für sie übrig hatte. Seine Detektivarbeit…die war im enorm wichtig, so sehr, dass sie ihn vollends in Anspruch nahm und dass sich bei ihm jedes Gespräch mit Ran wie ein Verhör oder ein Fallaufklärung anhörte. So nahm sie es zumindest nur noch wahr. Es tat weh, da ihr auch klar wurde, dass ihre Liebe zu ihm vergebens war. Sie hatte bei ihm keinen Platz, denn er liebte seine Detektivarbeit…und nicht sie.

Keinen Platz…

Ran griff nach ihrer Kleidung und verließ das Bett. Ihr Blick blieb weiterhin gesenkt. Die Folgen des Alkohols ignorierte sie und lief schnurstracks zu Tür. Shinichi ließ sie im Zimmer zurück. Er machte scheinbar keine Anstalten ihr hinterherzugehen.

In ihr herrschte wieder Chaos. Sie fühlte sich elend, so fehl am Platz. Es war falsch…alles falsch…

Ihr Körper bewegte sich wie von selbst in Richtung Bad, wo sie sich umziehen wollte. Diese eine Sache erlaubte sie sich noch…dann würde sie verschwinden.

Als sie die Tür hinter sich schloss, zog sie schnell Shinichis Pyjama aus und machte sich an ihren Sachen zu schaffen. Bei ihrem Shirt hielt sie für einen Moment inne. Unwillkürlich erinnerte sie sich daran, als Shinichi es aufknöpfen wollte und an diese verwirrende Stimmung, die sie halb aus der Fassung gebracht hatte…

Schnell schüttelte sie ihren Kopf, um dieses Bild zum Verschwinden zu bringen.

Nicht daran denken…

Verzweifelt versuchte sie Shinichi auszublenden, versuchte seine Stimme in ihr zum Schweigen zu bringen, versuchte die Bilder von ihm in ihrem Kopf auszuradieren…sie wollte ihn von sich stoßen. Denn an ihn zu denken war fast unerträglich und führte ihr die bittere Wahrheit vor Augen…

Sie lief zum Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Das kalte Wasser ließ sie über ihre Hände laufen. Ein paar Mal spritze sie sich das Wasser ins Gesicht, den Blick in den Spiegel verkniff sie sich dabei. Wie sie aussah war ihr gerade egal.

Mit gesenktem Blick verließ sie das Badezimmer und lief genau in Shinichis Arme.

Vor Schreck war sie zur Salzsäule erstarrt, während er sie sanft an den Schultern festhielt.

Schon wieder diese Verwirrtheit…

„Ran…bitte…lass mich dir helfen. Mit dir ist etwas ganz und gar nicht in Ordnung, das fühle ich doch…bitte…du weißt du kannst mir vertrauen…ich höre dir zu…bitte...“

Ein ganz kleiner Teil von Ran nahm seinen flehenden Ton wahr, fühlte seine Sorge um sie, rief ihm immer dieselben verzweifelten Worte entgegen.

Ich liebe dich…ich liebe dich…ich liebe dich…ich liebe dich…

Doch dieser Teil war nur noch ganz klein und unscheinbar. Er hatte zu wenig Kraft um sich in ihr Bewusstsein zu kämpfen. Er war fast schon verloren.

Ich bin überflüssig…

Du brauchst mich doch nicht…

Es ist falsch, alles falsch…

Fehl am Platz…

Dieser Teil war um einiges mächtiger und hatte sie auch in der Hand. Er blendete Shinichis Worte aus und ließ sie nicht bis in ihr Herz dringen. Dieser Teil nahm sie gefangen.

Mit ihren Händen fasste sie Shinichi an die Brust und schob ihn von sich. Sie vermied dabei, ihm ins Gesicht zu schauen.

„Ich…“ Sie suchte nach den richtigen Worten.

Shinichi hielt den Atem an. Wahrscheinlich weil es gerade eine Seltenheit war, dass Ran überhaupt einmal sprach.

„Ich sollte nicht hier sein…“ Mehr brachte sie nicht zusammen.

„Was…?“ Shinichi klang verwirrt.

„Ich…ich gehöre nicht hierher…“ Ran kamen wieder die Tränen. Es war schmerzvoll diese Worte zu hören, während man sie selbst aussprach. Und es war auch schmerzvoll sie zu Shinichi zu sagen.

„Was…was soll das heißen? Ich verstehe nicht...?“ Er begriff ihre Worte offenbar nicht. Ran konnte ein wenig Panik in seiner Stimme wahrnehmen.

„Ich gehöre nicht hier her…“, wiederholte Ran ihre Worte. Irgendwann wird er es schon verstehen, dachte sie sich.

Irgendwann…

Und ein letztes Mal wagte sie es, ihn anzusehen. Nur ein Mal.

Sie sah ihm in die Augen, verlor sich in ihnen. Es tat weh, sehr sogar. Aber für einen kurzen Moment konnte sich der kleine Teil in den Vordergrund schieben.

Ich liebe dich…

Doch es hielt nicht lange an, denn schon bald hatte der Schmerz sie wieder übermannt.

Die Wahrheit lässt sich eben nicht vertuschen…

In Shinichis Gesicht konnte man mehrere Empfindungen ablesen. Verwirrtheit, Panik und Sorge.

Ran blendete jede einzelne davon aus. Sie wandte sich von ihm ab und schritt langsam an ihm vorbei, ließ ihn dort stehen.

Fehl am Platz…

Was hatte sie sich nur vorgemacht? Sie dachte doch tatsächlich einmal, dass ihr Leben schön wäre. Noch nie hatte sie sich so geirrt. In ihrem Leben war überhaupt nichts schön. Alles war zerbrochen. Wie kleine Bruchstücke, die verstreut auf dem Boden lagen. Nichts war heil geblieben, nichts wurde verschont. Nichts. Sie war alleine und zerbrochen, in sich selbst gefangen.

Jetzt wusste sie, dass sie nur vergebens dem Glück hinterhergerannt war. Und das Glück war schneller als sie gewesen. Jetzt war sie stehen geblieben, hatte akzeptiert, dass sie einfach zu langsam war.

Sie war schon fast bei der Türe und Shinichi war ihr noch immer nicht gefolgt. Das bestätigte für sie schon fast alles. Es war ihm wirklich egal…

Es kam ihr schon fast wie in einem Traum vor, in dem sie Shinichi hinter sich ließ. So war es ja eigentlich auch…oder?

Vor der Haustüre blieb sie einen Moment stehen. Ihre Tränen flossen schon lange über ihr Gesicht.

Hatte sie gerade wirklich ihren Lebensinhalt verloren, ihren Shinichi…?

Langsam öffnete sie die Tür und trat ins blendende Sonnenlicht, was einen enormen Kontrast zu ihrem zerbrochenen Inneren bildete.

Die Frage nahm sie mit sich.

Nächste Station: Zuhause

Hallo, ihr Lieben!
 

Ich hab es mal wieder geschafft mich an die Story ranzusetzen und weiterzuschreiben. Hihihi :)
 

Also echt. Lässt Shinichi sie einfach gehen. Was er sich wohl dabei denkt...? Ob er etwas bemerkt hat? Naja...mal sehen ;)
 

Nundenn...ich hoffe dieses mal wieder, dass es euch gefällt. Ihr könnt mir dann auch gerne eure Meinung mittels Kommentar mitteilen. Ich würde mich sehr freuen. Natürlich müsst ihr das nicht, man kann auch so einfach weiterlesen, nicht? :D
 

Sodele, ich will euch jetzt nicht weiter aufhalten und wünsche euch nun viel Spaß beim Lesen!

Grüßle

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Glänzende Wassertropfen hatten sich an die wenigen Bäume, die es in Tokio gab, geschmiegt. Das Licht der Sonne gab ihnen eine ganz besondere Pracht und brachte sie so zur Geltung. Auch die vielen Pfützen, die die Häuser und das Blau des Himmels wiederspiegelten, waren noch vorhanden. Der Asphalt selbst hatte eine dunklere Farbe als sonst.

Da die Nässe des fast endlosen Regens noch nicht verschwunden war, konnte es nicht allzu lange her sein, dass sich die dunklen Wolken aufgelöst hatten. Das Wetter hatte somit einen tropischen Zug.

Ran versuchte mittels dem Stand der Sonne die ungefähre Uhrzeit herauszufinden und kam zu dem Schluss, dass es bereits Mittag war. Hatte sie so lange geschlafen? Doch ihre Verwunderung verflog schnell wieder, da sie schließlich die halbe Nacht unterwegs gewesen war.

Mit schweren Schritten bewegte sie sich in die Richtung ihres Heims. Eigentlich wäre sie lieber im Bett geblieben, da ihr Kater nicht ganz harmlos war. Doch es war anders gekommen, denn gewisse Umstände hatten es eben nicht zugelassen…
 

Irgendwann stand sie wieder vor der Detektei.

Ran zögerte für einen Moment. Ob ihr Vater da war? Wenn dem so war, dann befand er sich vermutlich in der Detektei und nicht oben in der Wohnung. Ran machte sich das zu Nutze und stieg die Treppen bis nach ganz oben hoch. Im Moment ging sie ihrem Vater lieber aus dem Weg, da sich durch ihren Ausbruch eine enorme Spannung zwischen ihnen gebildet hatte. Mal ganz davon abgesehen wollte sie ihn jetzt überhaupt nicht zu Gesicht bekommen.

Glücklicherweise hatte Shinichi ihren Hausschlüssel nicht aus der Hosentasche entfernt, sodass Ran problemlos die Wohnung betreten konnte. Während sie durch ihre Räumlichkeiten schritt lauschte sie der Stille, die auch ihre Vermutung bestätigte. Ihr Vater war nicht hier.

Unentschlossen blieb Ran in ihrem Zimmer stehen. Sie wusste nicht recht was sie jetzt tun sollte und entschied, sich erst einmal einer Reinigung ihres Körpers zu unterziehen. Das war schon mehr als fällig. Nebenbei würde ein Bad ihr sicher gut tun.

Also ging sie ins Badezimmer und vollbrachte ihr Vorhaben.

Sauber und sogar ein wenig entspannter stieg sie aus der Wanne. Das hatte sie jetzt wirklich gebraucht…

Um sich gleich bekleiden zu können, hatte sie sich vorher schon frische Sachen herausgesucht. Sanft schmiegte sich ihr Sommerkleid an ihren schlanken Körper, was sie sich übergezogen hatte.

Nun wagte sie es auch, einen Blick in den Spiegel zu werfen, was sie ja in der Behausung der Kudos nicht geschafft hatte. Das Bild, das sich ihr bot war nicht so schlimm wie sie erst erwartet hatte. Wahrscheinlich weil sie nun sauber war und das schlimmste weggespült wurde. Dennoch nahm sie eine deutliche Veränderung wahr, aber sie wusste nicht genau was es war…

Als sie ihr Gesicht genauer beäugte, schossen ihr plötzlich Shinichis Worte durch den Kopf.

‚Ran…der Kater steht dir ja förmlich ins Gesicht geschrieben. ‘

Wohl oder übel musste sie diesem fallsüchtigem Oberschüler Recht geben. Aber es war ja auch irgendwie logisch, oder? Sie hatte eben einen Kater…dann sah man eben auch so aus…

Du fallsüchtiger Idiot…!

Als Reaktion auf die unerwartete Gefühlswelle, schlang sie die Arme um ihre Brust, so als ob sie frieren würde. In gewisser Hinsicht stimmte das auch…

Um sich zu beruhigen, atmete sie tief ein und wieder aus. Sie wollte jetzt nicht mehr weinen. Sie konnte diese salzigen Tropfen nicht mehr auf ihrer Wange spüren. Irgendwann musste auch einmal damit Schluss sein…

Ran gab sich innerlich einen kleinen Ruck und verließ das Bad. Zum Glück war es in der Wohnung nicht so tropisch heiß wie draußen. Sonst würde sie noch in ihrem eigenen Schweiß ertrinken und dann könnte sie gleich wieder zurück ins Badezimmer gehen.

Ihr Sommerkleid war angenehm locker und luftig, sodass ihr beim Gehen die kühle Luft um die Beine und Arme wehte. Es könnte eigentlich ein so schöner Tag sein, aber…

In ihrem Zimmer ließ sie sich auf den Schreibtischstuhl fallen. Ihre noch nassen Haare strich sie sich nach hinten. Dann fiel ihr Blick auf einen Gegenstand, der auf ihrem Schreibtisch ruhte.

Es war ihr Handy.

Ran nahm es in ihre Hand, wog es dort und klappte es anschließend auf. Das erleuchtete Display zeigte ihr sofort Uhrzeit, Netz und Akkustand an. Rans Blick blieb bei der Uhrzeit. Es war 14:13 Uhr. Also hatte sie sich nicht geirrt. Ihre innere Uhr war noch nicht kaputt.

Sie wunderte sich, dass sie ihr Handy gestern nicht mitgenommen hatte. Aber wahrscheinlich hatte sie es einfach nur vergessen. Es hatte sie ohnehin niemand angerufen oder ihr eine SMS geschrieben. Gleichgültig klappte sie es wieder zu und ließ es achtlos über die Schreibtischplatte schlittern. Das Geräusch eines dadurch umfallenden Gegestandes erweckte Rans Aufmerksamkeit.

Widerwillig stellte sie fest, dass es ein Bild war, dieses eine Bild. Das Bild von Shinichi und ihr im Tropical-Land. Sie griff danach und musterte es.

Für einen Moment ließ sie sich vom Anblick dieses Bildes gefangen nehmen. Ein grinsender Shinichi und eine ebenfalls lachende Person, die wohl sie selbst sein sollte, blickten ihr entgegen. Unwillkürlich schwappten die vielen Gefühle, die sie beim Heimweg versucht hatte zurückzuhalten, über und ließen es unangenehm in ihrer Brust ziehen.

Shinichi…

Hätte sie sich vielleicht vorher anders verhalten sollen? War sie vielleicht zu übermütig gewesen? Aber…wie hätte sie denn sonst handeln sollen? Über Shinichis Reaktion war sie sich auch nicht ganz sicher gewesen, denn sie hatte versucht ihn in diesem Moment auszublenden…allerdings war er ihr nicht hinterhergelaufen. Also schien es ihm sowieso nicht wichtig zu sein…

Von ihren Gefühlen leitend, wurde ihr Griff fester, ihre Hände mitsamt dem Bild zitterten. Gequält biss sie sich auf die Lippe. Nicht weinen, bloß nicht weinen, Ran…

„Dir ist es egal, nicht wahr…? Schon gut…geh nur zu deinen Fällen…ich werde dich nicht mehr dabei stören…das verspreche ich dir.“, sagte sie leise zu dem Bild.

Einen Augenblick hielt sie es noch in den Händen, als würde sie noch auf eine Antwort warten. Dann legte sie es wieder auf den Schreibtisch zurück. Sie klappte es nach unten, sodass das Bild nicht mehr sichtbar war.

Traurig seufzend, verschränkte sie ihre Arme auf den Schreibtisch und legte ihren Kopf darauf. Vor Erschöpfung schloss sie die Augen. Sie fühlte sich schrecklich einsam. Vor allem jetzt, wo sie sich alleine in der Wohnung befand. Ihr Vater war weg, Shinichi war jetzt auch weg und ihre Mutter war schon länger weg. Sie hatte…sie hatte niemanden.
 

Sieh es endlich ein!
 

Ran schoss vor Schreck in die Höhe. Ihr Atem hatte sich beschleunigt und sie blickte sich verstört in ihrem Zimmer um. Sie hörte es. Sie hörte sie. Die Stimme hallte in ihrem Kopf. Sie war wieder da…
 

Du bist überflüssig! Begreif das doch endlich!

Dich hat noch nie jemand gebraucht!
 

Ran wimmerte. Durch ihre Angst hörte sie sie noch deutlicher. Sie war kurz davor den Verstand zu verlieren. Sie hörte ihren schnellen lauten Atem, der alles nur noch schlimmer machte.

Wieso? Wieso musste das immer passieren? Was hatte das zu bedeuten? Warum verschwand diese Stimme einfach nicht? Sie kam und ging zwar immer, aber sie war trotzdem irgendwie da und ließ sie nicht in Ruhe.
 

Verschwinde einfach von hier!

Du hast hier nichts verloren!
 

„Geh weg…geh weg…geh weg!“, flüsterte Ran verzweifelt und panisch zugleich. Aber es half nichts. Die Stimme redete immer weiter auf sie ein, ließ sie immer panischer werden. Sie verstummte einfach nicht…wieso?

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Atem ging schnell und vor Angst kam sie ins Schwitzen. Sie musste sich am Schreibtisch festhalten, um nicht gleich umzukippen.

Und als wäre es noch nicht genug, hörte sie wie aus weiter Ferne ein eigenartiges Klingeln…

Ran hielt den Atem an. Das Klingeln ertönte noch einmal und noch einmal. Es erklang in regelmäßigen Abständen. Rans lauter Atem übertönte es fast, sodass es ihr schwerfiel den Ursprung des Geräusches zu finden. Ihr Blick fiel auf den Schreibtisch und somit auf ein sich bewegendes Objekt.

Es war ihr vibrierendes Handy, das das Klingeln von sich gab. Reflexartig ergriff sie es langsam. Für einen Moment starrte sie es blind an. Sie spürte wie es in ihrer Hand bebte und nur darauf wartete aufgeklappt zu werden. Doch Ran war noch zu erstarrt um schneller zu reagieren. Die Stimme redete nämlich noch immer und vermischte sich mit den lauten Tönen ihres Handys.

Irgendwann klappte sie es auf und nahm den Anruf an, ohne nachzusehen wer es überhaupt war. Mit zitternder Hand hielt sie es an ihr Ohr.

„H-hallo…?“

Die laute Stimme des Schweigens

Hallohoo, ich melde mich auch mal wieder mit reichlicher Verspätung ^^

Tut mir echt Leid! o.o Ich hoffe ihr verzeiht mir. *sichverbeug*

Aber wir hatten unsere Prüfungsergebnisse bekommen und da war dann noch so viel tritratrallalla. :D Aber jetzt ist es fürs erste vorbei. Jetzt kannn ich nur hoffen, dass das Gymnasium mich auch wirklich nimmt Ôo

So eine vorläufige Zusage ist ja nicht sehr aussagekräftig, nicht waaahr?

Nun heißt es: Abwarten ;)
 

So, genug geplappert. Das letzte Kapitel hat ja relativ offen geendet...mann, ist das ne Ewigkeit her -_-

Jetzt geht es weiter
 

Ich wünsche viel Vergnügen! :)
 

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Das Geräusch des Weckers riss Ran aus ihrem Schlaf, der merkwürdigerweise sehr ruhig verlaufen war. Voller Schlaftrunkenheit tastete sie nach dem lästigen Gegenstand und schaltete ihn aus.

Seufzend drehte sie sich auf den Rücken und öffnete die Augen. Ein trübes Licht fiel in ihr Zimmer, was eigentlich dazu einlud weiterzuschlafen. Doch der Schulalltag sprach bedauerlicherweise dagegen.

Sie kroch aus ihrem Bett und schritt zum Fenster.

Andererseits war Ran auch froh, dass wieder Schule war. Möglicherweise lenkte sie der Unterricht ab. Die eine oder andere Matheaufgabe würde schon etwas bewirken…

Mit einem kurzen Blick in den Himmel erklärte sich für Ran das viel zu schwache Licht. Das Blau des Himmels und somit auch die Sonne wurden von einer grauen Wolkendecke versteckt gehalten. Das Wetter schien sich gerade wohl ständig zu ändern. Vielleicht würde es dieses Mal ein äußerst launenhafter Sommer werden.

Ohne zu trödeln zog Ran ihre Schuluniform an und machte sich frisch. Ihr Frühstück schlang sie herunter, ohne dabei etwas zu schmecken.

Sie wunderte sich nur flüchtig über die ständige Abwesenheit ihres Vaters. Es wäre für sie jetzt mehr als unangenehm, wenn sie ihn sehen würde. Aber sie versuchte diese Gedanken zu verdrängen.

Der Zustand, in dem sie sich verfangen hatte, war zu einem Teil von ihr geworden. Für Ran war das in Ordnung. Es erleichterte sie. Wenn auch nur ein bisschen. Denn so tat es vielleicht nicht mehr so sehr weh…wobei es noch immer ziemlich schmerzte. Sie war sich ehrlich gesagt selber nicht so ganz sicher was ihren Zustand betraf. Er variierte von Zeit zu Zeit...

All die Gedanken, die sich in der letzten Zeit bei ihr angesammelt hatten, kreisten im Hintergrund herum. Sie waren zwar noch da, jedoch nicht mehr so wirksam, sodass sie Ran nicht mehr in den Wahnsinn trieben.

Sich Gedanken über diese skurrile Stimme in ihr zu machen, versuchte sie gänzlich zu vermeiden. Es machte ihr, zum einen, eine Heidenangst und zum anderen wollte sie lieber nicht so genau wissen warum sie überhaupt da war. Wenn sie wieder erklingen würde, spielte das allerdings sowieso keine Rolle mehr…

Zum Glück hatte sie sich seit gestern nicht mehr gemeldet. Der plötzliche Anruf auf ihrem Handy hatte sie zu ihrer Verwirrung und Erleichterung verstummen lassen.

„Sag mal, wie lange willst du mich eigentlich noch warten lassen?“

Eine genervte Sonoko war am anderen Ende der Leitung gewesen.

Ran hatte jedoch nicht verstanden, was sie mit ihren Worten gemeint hatte, bis sie sie daran erinnert hatte, dass sie verabredet gewesen waren.

Eigentlich war Ran ihr dankbar, da Sonoko sie mir ihrem Anruf aus dieser verzwickten Lage befreit hatte. Doch das hatte sie ihr natürlich nicht verraten. Aber sich noch mit jemanden zu treffen war für Ran nicht mehr in Frage gekommen. Irgendwie hatte sie es geschafft Sonoko abzuwimmeln.

Jetzt konnte sie nur hoffen, dass sie nichts bemerkt hatte…

Richtig, sie hatte den restlichen Sonntag in der Wohnung verbracht, hatte sich kaum mit etwas beschäftigt. Viel zu sehr hatte sie darauf aufpassen müssen, dass sie sich nicht ihren Gedanken hingab. Zum größten Teil hatte sie auch damit Erfolg gehabt.
 

Als sie die Treppe hinunterging, war sie darauf bedacht die Lautstärke ihrer Schritte begrenzt zu halten. Es könnte ja sein, dass ihr Vater in der Detektei war…

Während ihres Schulweges blickte sie starr geradeaus.

Normalerweise lief sie ja immer mit Shinichi und Sonoko zusammen. Doch das kam jetzt sowieso nicht mehr in Frage. Es würde alles nur viel schwerer machen. Im Übrigen wollte sie jetzt mit keinem der Beiden reden. Das stellte allerdings ein Problem dar, wenn man dieselbe Klasse besuchte.
 

Beim Betreten des Schulgeländes fiel ihr auf, dass es noch so gut wie leer war. In ihrem Klassenzimmer war es nicht anders. Hier befand sich sogar überhaupt kein Schüler.

Ran nahm es gleichgültig zur Kenntnis und setzte sich auf ihren Platz. Irgendeiner musste ja der Erste sein. Dieses Mal war es eben sie selbst.

Sie legte den Kopf in ihre Hände und starrte blind an die leere Tafel. Ein seltsames Gefühl war es irgendwie schon, alleine in einem Klassenzimmer zu sein. Diese erdrückende Stille war mehr als unheimlich, aber auch ermüdend und ungewohnt.

Noch eine ganze Weile verharrte sie in dieser Position, ließ sich von dem immer lauter werdenden Ticken der Uhr in den Bann nehmen, verlor sich selbst in der Farbe der Tafel, schloss ganz langsam ihre Augen, ließ sich langsam forttreiben.

Bis…

Die Türe wurde schwungvoll zur Seite geschoben.

Das laute Geräusch riss Ran aus ihrer Träumerei und sie fuhr zusammen. Reflexartig drehte sie ihren Kopf zur Tür und für einen Moment schien ihr Herz auszusetzen.

Das kann doch nicht wahr sein…

Shinichi blickte sie an.

Ran starrte zurück.

Die Sekunden verstrichen…

Für einen Augenblick veränderte sich seine überraschte Miene und er schien etwas sagen zu wollen. Doch er überlegte es sich anders, sein Mund verschloss sich wieder. Ein langer leiser Seufzer war nur noch zu hören. Ran konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.

Warum schaute er so…?

Es schien ewig zu dauern bis sie es schaffte ihren Blick von ihm zu lösen.

Warum er?

Wie versteinert starrte sie jetzt auf ihre Tischplatte, lauschte Shinichis gemächlichen Schritten.

Anschließend hörte sie wie er sich an seinen Platz – ausgerechnet neben ihr – setzte. Dabei verlor er kein Wort. Er schwieg, genau wie Ran.

Ihr kam es vor als würden die Tische näher als sonst beieinander stehen. Ran spürte deutlich Shinichis Nähe, hörte sogar seinen leisen gleichmäßigen Atem. Ihr wurde mulmig zumute. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Am liebsten wäre sie jetzt zwei oder drei Tische nach hinten gegangen, aber sie wagte es nicht.

Sie wagte es ja noch nicht einmal ihren Kopf zu ihm zu drehen. Zu ängstlich war sie, dass er etwas bemerken könnte oder ihren Blick falsch deutete.

Keiner wollte reden.

Stattdessen überließen sie der Stille das Wort. Und der Uhr.

Aber was sollte Ran auch zu ihm sagen? Die Wahrheit? Die Worte, die sie gestern dem Bild zugeflüstert hatte? Ob das richtig war?

Und was war mit ihm? Vielleicht wusste er ja schon, was mit ihr los war. Schließlich ist er Detektiv. Aber…sie hatte sich bei ihm kaum geäußert. Kann er da so schnell irgendwelche Schlüsse ziehen? Bei ihm war Ran sich immer so unsicher….

Sie entschied ihren Mund fürs erste nicht aufzumachen. Gedanklich jedoch, sprach sie ohne Hemmungen mit ihm. Schließlich konnte er sie nicht hören.

‚Dir ist es egal, nicht wahr…? Schon gut…geh nur zu deinen Fällen…ich werde dich nicht mehr dabei stören…das verspreche ich dir‘

Trauer stieg wieder in ihr auf. Mit aller Kraft versuchte sie die Tränen zurückzuhalten. Niemals hätte sie für möglich gehalten, dass es einmal so wehtun würde, neben ihm zu sitzen…

Irgendwie machte sie es auch wütend, dass er so vor sich hin schwieg. Wieso…sprach er nicht mit ihr?

Er hinterließ damit tausende von Fragen, die für sie unbeantwortet blieben. Ran würde ihn wohl niemals verstehen können.

Er sagt nichts, weil er nichts zu sagen hat.

Langsam brach ihr der Schweiß aus. Die Luft im Raum schien immer schwerer zu werden.

Sie versuchte sich abzulenken, versuchte zu ignorieren, dass Shinichi direkt neben ihr saß, da das alles sowieso keinen Sinn machte.

Unwillkürlich wandte sie ihren Kopf zum Fenster und blickte in das Grau des Himmels. Man konnte inzwischen schon zahlreiche Stimmen in den Gängen der Schule wahrnehmen. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis dieses peinliche und unbehagliche Schweigen endlich ein Ende hatte. Wahrscheinlich empfand Shinichi das genauso. Wenigstens eine Sache, in der sie sich einig waren…oder?
 

„Die Einsamkeit zu suchen ist keine Lösung.“

Der Schrecken, welcher ihr brennend durch die Glieder fuhr, ließ Ran für einen Moment erstarren. Wie in Zeitlupe, bewegte sie ihren Kopf in Shinichis Richtung, vermied es dennoch ihn direkt anzusehen.

Sie konnte förmlich sehen, wie seine Worte die Leere des Raumes füllten und wie sie das fast endlose Schweigen brachen.

„Denn dabei wirst du nur zu tief in dich gehen…und jede kleinste Gefühlsregung kommt dir vor wie eine riesige Welle, der du nicht ausweichen kannst. Jeder neue Gedanke…treibt dich nur näher zum Wahnsinn hin.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Shinichi sie anschaute. Rans Blick wanderten langsam immer höher bis sie sein Gesicht erreicht hatte.

Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten. Zu sehr hatten seine Worte sie getroffen.

„Du verlierst dich in deiner eigenen Seele.“ In seinem Blick lag Trauer.

Er selbst sah aus als wäre er weit weg, doch seine Augen ruhten klar deutlich auf Rans Gesicht.

Warum sah er so unglücklich aus?

„Je länger du ihr ausgesetzt bist…“, Shinichi hatte sich erhoben und war mit langsamen Schritten an Rans Tisch getreten, „desto tiefer wirst du auch fallen.“

Er stand nun direkt vor ihr. Ran hatte den Blick gesenkt und fixierte nun einen Knopf seiner Schuluniform.

Die Lage hatte sich so schnell verändert, dass Ran Shinichis Worte zunächst auf sich wirken lassen musste. Doch es löste nur Verwirrung in ihr aus.

„Wieso…sagst du…so etwas?“ Die Frage brannte ihr auf der Zunge.

Für einen Moment hörte Ran nur seinen leisen Atem. Einige Sekunden sagte er nichts.

„Weil ich mich frage…“ Ganz sanft fuhr seine Hand über ihren Kopf.

„…was mit meiner Ran passiert ist.“

Fassungslosigkeit breitete sich in Ran aus. Augenblicklich schaute sie auf. Ihrer und Shinichis Blick kreuzten sich. Sein Gesicht schien noch trauriger als vorhin. Genau wie seine Stimme.

Die Tür wurde aufgerissen.

Vor Schreck entzog sich Ran seiner Berührung und starrte zu der Schülergruppe, die ins Klassenzimmer schlenderte. Sofort herrschte ein lautes Stimmengewirr.

Ran spürte, dass Shinichi seinen Blick noch nicht von ihr abgewandt hatte. Doch sie riskierte es nicht noch einmal zu ihm zu schauen.

Erst als Sonoko auf sie zusteuerte, setzte er sich in Bewegung und ging zurück zu seinem Platz.

„Ran! Wieso hast du heute nicht auf mich gewartet? Was sollte das?“, Sonoko hatte sich schnell vor ihr aufgebaut und trommelte genervt mit ihren Fingern auf Rans Tisch herum, „Ich dachte wir laufen zusammen zur Schule!“

Ihr Blick fiel auf Shinichi.

„Ach ja, mit ihm läufst du zusammen und mit mir nicht?“, meckerte sie.

„Tu ich nicht.“, antwortete Ran matt und starrte auf Sonokos Hand.

„Ach, und wo wir dabei sind“, fuhr diese fort, „Was wollte er gerade von dir, hm?“

„Gar nichts.“ Ran versuchte ihr auszuweichen.

„Das kannst du mir nicht erzählen! Jetzt sag schon. Sonst frag ich ihn-“

„Sonoko!“, unterbrach Ran sie. Sie verstummte sofort. Rans veränderte Tonlage hatte sie verblüfft.

„Lass mich jetzt in Ruhe!“, sagte sie scharf.

Kurz darauf ertönte die Schulglocke. Völlig perplex ging Sonoko an ihren Platz und schwieg.

Alle Schüler taten es ihr gleich, nur mit einer anderen Stimmung.

Der Lehrer war bereits da und die Stunde hatte begonnen. Aber Ran konnte sich kaum auf den Unterricht konzentrieren. In ihr herrschte wildes Chaos.
 

Ich werde Shinichi niemals verstehen…

Auffällig unauffällig

Hallo, ihr Lieben :)
 

Ein neues Kapitel ist am Start!

Und ich freu mich wahnsinnig, dass ich immer mehr Leser bekomme.

Da kann ich nur sagen:

Danke!!! :D
 

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Es war ein äußerst abwechslungsreicher Schultag mit vielen Fächern, vielen witzigen Geschehnissen und relativ motivierten Schülern.

Nur für Ran sah es leider anders aus.

Für sie war der Unterricht farblos und spielte kaum eine Rolle. Alles sah gleich aus.

Selbst die Mathematik hatte neben Englisch nur einen geringfügigen Unterschied.

Und das, weil ihre Gedanken etwa neunundneunzig Prozent von ihrer Aufmerksamkeit besaßen.

Somit hatte Shinichi ihren Plan komplett über den Haufen geworfen.

Und das mit einer kleinen Predigt, die enorme Wirkung gezeigt hatte.

Sie war sich erst später bewusst geworden, wie genau er eigentlich damit bei ihr ins Schwarze getroffen hatte.

Es war schon fast unheimlich. Als wäre er ein Hellseher oder eben ein … Detektiv, wo letzteres wohl oder übel zutraf.

Er hatte sie überrascht und verwirrt.

Überrascht, weil sein Auftritt von vorhin Ran völlig aus dem Konzept gebracht hatte und er wie aus dem Nichts gekommen war und weil Shinichi absolut Recht hatte.

Sie war tatsächlich einsam, war wirklich in sich gekehrt, aber sie hatte auch ihre Gründe, die Shinichi wahrscheinlich noch nicht direkt kannte.

Sie traute ihm vieles zu, aber das wäre zu viel des Guten…oder Schlechten.

Damit käme man zu der Verwirrung, die ebenfalls in ihr herrschte.

Das was er gesagt hatte … wie er es gesagt hatte passte nicht zu dem, was Ran über ihn dachte und was sie fühlte. Wie zwei Puzzleteile, die nicht zusammengehörten.

Wenn Ran für Shinichi nicht wichtig war … wieso sagte er dann solche Dinge zu ihr?

Wenn seine Detektivarbeit ihn so sehr in Anspruch nahm und im Grunde genommen alles für ihn das gleiche war…wieso hatte er dann dieses traurige Gesicht gehabt, während er zu ihr gesprochen hatte?

Wenn er eigentlich nichts für sie empfand … wieso war er dann in diesem Moment so zärtlich gewesen…?

‚ … was mit meiner Ran passiert ist. ‘

Meiner Ran.

Sein Verhalten, seine Worte, sein Gesichtsausdruck…es ergab einfach keinen Sinn. Ran begriff es nicht und ließ sie verzweifeln.

Sie zweifelte an Shinichi …

und an sich selber.

Die Schulglocke, die das endgültige Ende des Unterrichts ankündigte, ertönte. Ein erleichtertes Aufatmen ging durch die Reihen der Schüler. Viele streckten sich und begannen ihr Schulzeug einzupacken.

„Also gut, den Rest macht ihr bitte als Hausaufgabe. Ich erwarte von jedem, dass sie morgen vorhanden ist.“, sagte die Lehrerin in einem mahnenden Ton.

Viele stöhnten bei diesem Satz auf. Doch es verwandelte sich schnell in ein lautes Stimmengewirr.

Ran löste langsam ihren Blick von der Tischplatte.

Sie wusste nicht so recht, ob sie nun froh sein sollte, dass die Schule aus war oder nicht. Es könnte ja passieren, dass sie wieder in eine unangenehme Situation stolperte…

Von dem Tun der Schüler angetrieben, packte sie hektisch ihre Schulsachen zusammen und verließ mit schnellen Schritten das Klassenzimmer. Dabei blickte sie stur geradeaus.

„Ran! Warte doch mal!“, hörte sie noch Sonoko rufen. Doch Ran ignorierte es.
 

Als sie das Schulgelände verließ, war sie zunächst froh, dass es nicht regnete. Obwohl der Himmel mit seinen dunklen Wolken schon recht bedrohlich wirkte.

Eigentlich hätte sie Shinichi gerne ausgefragt, hätte gerne ihre vielen Fragen zum Schweigen gebracht. Doch sie fürchtete sich davor, fürchtete sich vor seiner Antwort.

Lieber blieb sie auf ihrem sicheren Geländer als in die Tiefe zu fallen.

Ja, das war wirklich besser. Alles sollte so bleiben wie es war…

denn so konnte auch nichts mehr passieren.

So stand sie nun vor der Detektei und als sie gerade die letzten Stufen hochsteigen wollte…

„Mausebein.“

Ran drehte sich um und blickte in das flehende Gesicht ihres Vaters.

Augenblicklich kam ihr wieder in den Sinn, dass da ja noch mehr war, als die Sache mit Shinichi.

Sie hatte das Gefühl als würde jemand ein Messer in ihre Brust stechen. Ganz langsam bohrte es sich in ihren Körper. Als Reaktion fasste sie sich an die Brust.

„Ran, hör zu. Das vor kurzem…das- “

„Tut mir Leid, dass ich dich so angeschrien habe.“, fiel Ran ihm ins Wort. Das wollte sie endlich loswerden.

Und jetzt wollte sie weg.

„Warte, Mausebein! Ich- “

„Ich muss noch Hausaufgaben machen. Danach gibt es dann Essen.“, sagte Ran und ließ ihn wieder nicht ausreden.

Sie brachte nun auch die letzten Stufen hinter sich und öffnete die Türe zur Wohnung, ließ ihren Vater hinter sich.

Dann schloss sie sich in ihrem Zimmer ein.
 

So verlief es Tag für Tag…

und Woche für Woche.
 

Ohne sich auch nur einmal umzusehen ging Ran den sturen Weg des Alltages.

Jeden Tag war es derselbe Akt.

Und jedes Mal, wenn jemand versuchte sie anzusprechen, gab sie nur abweisende Worte von sich oder sagte überhaupt nichts.

Sie ließ niemanden an sich heran, wollte niemanden an sich heranlassen. So fühlte sie sich sicherer.

Denn so konnte auch nichts mehr passieren.

Sie nahm nur am Rande wahr, dass sich die Stimme seltsamerweise nicht mehr meldete. Warum das so war wusste sie nicht. Darüber konnte sie nur spekulieren…

Doch auch wenn diese Stimme ihr nichts mehr einredete ... es änderte nichts an ihrem Verhalten und ihrem Zustand.

Und genau wie Shinichi es gesagt hatte. Sie war einsam. Und mit jedem neuen Tag wurde es schlimmer. Es war für sie schon fast zur Routine geworden sich in den Schlaf zu weinen…

Sie vermisste ihren Vater und auch ihre Mutter. Sie vermisste ihre beste Freundin und…

ihn.

Aber ihre Gefühle hielten sie davon ab auf sie zuzugehen. Wie ein Gefängnis, aus dem sie nicht ausbrechen konnte.

Es war schrecklich, und doch wollte sie es nicht ändern.
 

Insgeheim ahnte sie jedoch, dass es nicht ewig so weitergehen konnte…
 

Die Schulglocke kündigte mal wieder den Schulschluss an und alles nahm seinen gewohnten Lauf.

Auch bei Ran sollte es eigentlich so sein. Gerade wollte sie schon wieder schnurstracks aus dem Klassenzimmer gehen, als sie aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie ihre Lehrerin auf sie zuschritt.

„Ran? Würdest du bitte noch für einen Moment hier bleiben? Ich möchte noch kurz mit dir reden.“, sagte sie, als sie sich vor Ran aufgebaut hatte.

Ohne zu wissen, was sie erwartete nickte sie nur und folgte der Lehrerin zum Pult. Dort warteten sie bis alle Schüler den Raum verlassen hatten.

Ran lauschte der darauffolgenden Stille und wandte sich dann der Lehrerin zu. Diese setzte sich und verschränke die Arme bevor sie anfing.

„Ich will gleich zur Sache kommen … mir ist aufgefallen, dass sich deine Einstellung zum Unterricht in den letzten Wochen rapide verändert hat. Und ich frage mich nun wie es dazu gekommen ist, Ran.“

Die Angesprochene war im ersten Moment sprachlos. Damit hatte sie nicht gerechnet.

Verlegen senkte sie den Blick.

Es entsprach zwar der Wahrheit, dass sie sich in der letzten Zeit kaum am Unterricht beteiligt hatte, aber dass das so auffiel, hätte sie nicht für möglich gehalten.

Ihre Lehrerin bemerkte, dass Ran nicht vor hatte zu antworten.

„Gibst du mir da Recht oder bist du da anderer Meinung?“

Ran schaute auf.

„Nein…ich meine ja! Sie haben Recht… aber…“

Was sollte sie denn jetzt antworten?

Ihre Gegenüber hob erwartungsvoll die Augenbrauen.

„Aber?“

„Also…ich…nun ja…“ Ran starrte auf ihre Hände, die auf dem Pult ruhten.

Für einen Moment war es still.

Ihre Lehrerin seufzte laut und lehnte ihren Oberkörper nach vorne.

„Ich würde mich gerne einmal in Ruhe mit dir unterhalten. Und wenn es für dich in Ordnung ist, würde ich das gerne bei dir zuhause tun.“

Ihre Worte ließen Ran zunächst stutzig werden. Aber dann nickte sie. Was würde es schon bringen zu protestieren?

„Schön. Morgen ist ja schon Samstag. Ich würde dann morgen gegen sechzehn Uhr bei dir vorbeikommen, geht das?“

Ran nickte erneut. Sie hatte ja ohnehin nichts vor.

Ihre Lehrerin lächelte zufrieden.

„Dann kannst du jetzt gehen.“

Das ließ sich ihre Schülerin nicht zweimal sagen.

„Auf Wiedersehen…“ Ran verbeugte sich und steuerte nun die Tür an. Sie war froh, dass sie dieses Gebäude endlich verlassen konnte.
 

Großartig.

So ein Gespräch hatte ihr gerade noch gefehlt. War sie den wirklich so auffällig gewesen? Ran war doch immer darauf bedacht gewesen, dass auch nichts nach außen drang.

Damit hatte sie scheinbar keinen Erfolg gehabt…

Aber es war merkwürdig, dass ihre Lehrerin sie gleich besuchen musste. Ran hätte doch genauso gut in die Schule gehen können. Normalerweise mussten die Schüler doch mehr tun als die Lehrer, oder? Warum also machte sie sich solche Umstände?

Vielleicht hoffte sie darauf, in der Wohnung den Grund für Rans plötzliche Veränderung zu finden. Aber würden Lehrer wirklich so weit gehen?

Wohl kaum. Außerdem würde dort nichts zu finden sein…

Aber trotzdem. Irgendetwas war hier verkehrt … aber was?

Ran entschloss, es einfach auf sich zukommen zu lassen. Denn je mehr sie darüber nachdachte, desto größer wurde ihre Angst. Schließlich hatte sie keine Ahnung was sie erzählen sollte. Die Wahrheit kam ohnehin nicht in Frage…
 

Der Samstagnachmittag kam schneller als Ran es lieb war.
 

Lustlos lag sie auf ihrem Bett und starrte Löcher in die Luft.

Ihr Vater wusste nichts von dem Besuch, da Ran es nicht fertiggebracht hatte es ihm zu sagen. Sie hielt es für sinnlos.

Zum Glück war er nicht im Haus. So konnte er auch nichts mitbekommen.

Rans Blick fiel auf die Uhr. In wenigen Minuten war es so weit. Und sie hatte keine Ahnung wie sie das durchstehen sollte.

So ein Mist, warum musste es auch so weit kommen!?

Mit jeder Minute wurde sie unruhiger. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und setzte sich auf.

Um sich zu beruhigen machte sie tiefe Atemzüge. Doch das beschleunigte nur mehr ihren Herzschlag.

Es klingelte zwei Minuten zu früh an der Tür.

Vor Schreck schoss sie in die Höhe. Bevor sie noch wie eine Irre losstürmte, versuchte sie sich zu fangen. Dann ging sie langsam aus ihrem Zimmer und schließlich Richtung Haustür.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr brach der Schweiß aus.

Warum war sie nur so nervös? Es war immerhin nur ihre Lehrerin und kein Superstar. Was war nur mit ihr los?

Nun stand sie direkt vor der Türe. Mit ihrer zitternden Hand umfasste sie die Türklinke. Sie war eiskalt im Gegensatz zu ihrer verschwitzten Hand.

Empört über ihr eigenes Verhalten, gab sie sich einen Ruck und öffnete schwungvoll die Türe.

Ihre merkwürdig übertriebene Nervosität erklärte sich mit einem Blick zu der Person, die nun vor ihr stand und einen ernsten Gesichtsausdruck machte.

Shinichi ließ ihr nicht lange Zeit zum schalten.

Mit einem bedrohlichen Schritt drängte er sie weiter in die Wohnung hinein und ohne den Blick von ihr abzuwenden, schloss er die Haustüre hinter sich. Ran hatte den Atem angehalten.

Jetzt waren sie beide in der Wohnung. Und auch jetzt ließ er sie nicht handeln.

Mit einem Male hatte er sie an den Schultern gepackt. Rans Augen weiteten sich vor Panik.

„Shi-“

Weiter kam sie nicht. Zu ihrem Entsetzen fing er an sie durch die Wohnung zu schieben.

Ran blieb nichts anderes übrig als rückwärts mit ihm mit zu stolpern.

Angst breitete sich in ihr aus. Und somit hatte sie keine Kraft sich zu wehren.

Irgendetwas sagte ihr auch, dass sie keinen Widerstand leisten sollte. Es würde nur ein schlechtes Ende nehmen.

Die ganze Situation schien sowieso nicht so prickelnd zu sein.

Sein Griff an ihren Schultern wurde nicht lockerer und auch der Druck, den er auf sie ausübte, ließ nicht nach. Er wirkte immer bedrohlicher…

Shinichi drückte sie in einen anderen Raum. Ihr Zimmer?

Was hatte er nur vor?

Allmählich drosselte er sein Tempo. Er schien sein Ziel erreicht zu haben.

Weiter kamen sie auch nicht, denn Ran spürte etwas Weiches an ihren Beinen.

Für einen Moment konnte sie nur Shinichis leicht beschleunigten Atem vernehmen. Und auch ihren eigenen, der weitaus schneller ging.

Sie wusste es. In ihrem Gesicht spiegelte sich die nackte Panik.

Ran spürte, wie Shinichi sie nun an den Schultern nach unten drücken wollte und sie gab sofort nach. Nun saß sie auf ihrem Bett, den Blick gesenkt.

Der Oberschülerdetektiv ließ nun ihre Schultern los, ging einen Schritt zur Seite und setzte sich direkt neben Ran aufs Bett.

Distanz schien für ihn ein Fremdwort zu sein. Und als wäre es noch nicht genug, schob er seine Hand unter ihr Kinn und hob ihren Kopf, sodass sie gezwungen war ihm ins Gesicht zu schauen. Der Ausdruck, der darin lag, ließ sie erschaudern.
 

„Es reicht jetzt. Wir müssen reden!“

Der Groschen fällt...?

Hallo ihr Lieben :)
 

Hiermit präsentiere ich das neue Kapitel! *Tada-Bewegungmach* :>
 

Tut mir Leid, dass es immer 1823710938103 Jahre dauert bis ich mal was hochlade. Und dann ist es nicht mal so viel. ~_~ Ich hoffe ihr könnt mir das verzeihen.
 

Zum Kapitel sage ich, dass ich gespannt bin was ihr davon haltet :> Welche Emotionen werden fallen? ;D
 

Ich bin gespannt!!

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„Es ist genug. So kann das nicht mehr mit dir weitergehen.“

Shinichis Stimme war fest, seine Worte schienen gut gewählt. Hatte er das etwa geplant?

Ran konnte noch immer nicht fassen, dass das alles gerade geschah. Dennoch war sie sich sicher, dass es aus dieser Situation kein Entrinnen gab. Drauf Ansetzen wollte sie es auch nicht. Dafür fürchtete sie sich gerade zu sehr vor ihm.

Sie hatte wohl keine andere Wahl.

Seufzend schob sie seine Hand weg.

„Du bist die Lehrerin.“, stellte sie fest. Ihr war die ganze Sache gleich seltsam vorgekommen.

Shinichi verstand und nickte leicht. Dann schaute er an die Decke empor.

„Wie sollte ich sonst an dich herankommen? In der Schule lässt du niemanden eine Chance mit dir zu reden und dein Handy hast du ausgeschaltet. Und wenn ich ohne diesen Plan vor deiner Haustüre gestanden wäre, woher sollte ich denn wissen, ob du mich reinlässt? Und ich bezweifle, dass du aufgemacht hättest … da musste ich eben zu solchen Mitteln greifen.“

Ran schluckte. Auf so etwas kam auch wirklich nur er. Sie versuchte sich davon nicht beirren zu lassen.

„Dann verrate mir doch mal … wieso du dir solche Umstände machst?“ sagte sie mit kühler Stimme und fühlte sofort die Gewissensbisse. Es war nicht leicht so mit Shinichi zu reden. Sofern man nüchtern war.

Dieser fuhr sich mit der Hand durch die wirren Haare. Dann drehte er den Kopf wieder zu ihr.

„Ich weiß zwar nicht den genauen Grund für dein seltsames Verhalten,

aber ich weiß … dass es dir ganz und gar nicht gut geht. Ist das nicht Grund genug?“

„Mir geht es aber gut.“, rutschte es aus Ran heraus. Sie war es gewohnt diese Antwort zu geben, aber sie wusste, dass das gerade sinnlos war.

„Wir beide wissen genau, dass das nicht wahr ist.“, sagte Shinichi mit wütender Stimme.

„Und warum weißt du nicht den Grund?“, murmelte Ran mit einem leicht vorwurfsvollen Ton.

Verblüfft blickte er drein. Mit dieser Frage hatte er scheinbar nicht gerechnet.

„Nun, deswegen bin ich hier. Um den Grund zu erfahren.“

„Aha.“

Stur drehte sich Ran von ihm weg. So leicht wollte sie es ihm nicht machen. Es kostete zwar viel Kraft nach außen hin gleichgültig zu wirken, aber das war im Moment besser als ihre Gefühle zu offenbaren.

Doch es rührte sie. Es rührte sie, dass er alles versuchte um mit ihr reden zu können. Damit drängte sich dennoch die Verwirrtheit an die Oberfläche, die sie auch schon damals im Klassenzimmer verspürt hatte.

Warum tat er das für sie?

„Ran. Bitte sag mir was los ist.“, sagte Shinichi mit sanfter Stimme und versuchte sie wieder zu sich herzudrehen. Aber Ran blieb eisern und riss sich von ihm los.

„Ran.“, flehte er.

Die Angesprochene krallte sich an ihrer Hose fest, versuchte sich damit zu beruhigen. Ihr gefiel die Stimmung ganz und gar nicht.

„Und warum sollte dich das interessieren?“, fragte sie ihn. Ihre Stimme wurde brüchig.

Für einen Moment war es still. Dann stieß Shinichi einen empörten Laut aus.

„Warum mich das …!? Sag mal, was sind das eigentlich für Fragen!? Natürlich interessiert mich das! Ich bin in den letzten Wochen wegen deinem Verhalten fast wahnsinnig geworden! Ich habe mich jeden Tag gefragt, was dich so sehr herunterziehen könnte, habe mir immer wieder überlegt, wie ich an dich herankommen sollte. Ran, du sahst fast aus wie eine Tote! Und du glaubst im Ernst, mich sollte das nicht interessieren?! Was denkst du eigentlich von mir!?“

Ran hörte deutlich wie aufgewühlt er war, nahm aus den Augenwinkeln wahr wie er wild mit den Hände gestikulierte, merkte auch wie bei ihr langsam die Fassade bröckelte.

Sie wusste, dass es zu spät war. Zu spät, um den Schmerz nicht nach außen dringen zu lassen. Zu spät, um die Tränen zurückzuhalten.

Wie machte er das nur? Wie konnte er sie nur so aus dem Konzept bringen?

„Ist doch seltsam, oder?“ Ihre Stimme zitterte und auch die Schluchzer ließen sich nicht mehr unterdrücken.

Shinichi schwieg.

Ihre Worte füllten den Raum, hinterließen eine bittere Stimmung, was sicherlich keinem von beiden entging.

„Es ist seltsam, was erst passieren muss, damit du auf mich aufmerksam wirst…“

Ungläubig hielt sie sich die Hand vor den Mund. Die Worte waren ihr tatsächlich über die Lippen gekommen.

Jetzt war es raus, doch sie wagte es nicht Shinichi anzusehen.

„W-was meinst du?“ Er begriff es nicht. Von seiner aufgewühlten Stimme war fast nichts mehr übrig.

Nun liefen sie. Die Tränen. Ihr Atem ging schnell und flach. Die Gefühle platzten nur noch so aus ihr heraus. Für ein erneutes Pokerface war sie einfach nicht mehr in der Lage.

Diese Ahnungslosigkeit von Shinichi gab ihr nun endgültig den Rest.

„Ran … hey, beruhige dich!“ Er war sichtlich erschrocken über den plötzlichen Gefühlsausbruch. Hilflos beugte er sich zu ihr.

Aber Ran beachtete ihn nicht. Langsam erhob sie sich von ihrem Bett, nur um dann kraftlos auf den Boden zu sinken. Ihr Gesicht vergrub sie in ihren Händen.

Ran spürte, dass ihr Herz danach drängte sich zu öffnen, sich endlich aus dem Gefängnis der Einsamkeit zu befreien. Das Gefängnis, in das sie sich schon so oft hineingeflüchtet hatte. Die Gefühle wollten raus. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass diese Situation nur auf diesen einen Moment hinauslaufen sollte. Shinichi war nun bei ihr und sie waren alleine. Wie oft war das schon so? Wie oft war daneben nicht noch ein Fall aufzuklären? Diese Szene war schon fast nicht glaubwürdig. Und es könnte sogar immer so sein…

Aber sie fürchtete sich davor. Was würde Shinichi darüber denken? Würde er sie dann alleine lassen? Würde sie wieder von der Welle der Einsamkeit erfasst werden? Gab es denn dafür keinen Ausweg? Und woher sollte sie denn wissen, ob er nebenher nicht noch an einem Fall arbeitete…?

Verdammt, Shinichi! Ich will endlich die Wahrheit wissen!

„Du … du siehst es einfach nicht … ich schreie nach dir, doch du nimmst es einfach nicht wahr. Du drehst dich … vor mir weg … wendest dich deinen Fällen, deiner ach so tollen Detektivarbeit zu … Shinichi … verdammt … warum bemerkst du es nicht…?“ Die letzten Worte gingen in ein Schluchzen über.

Wenn er es jetzt noch immer nicht verstand, dann…

In den nächsten Sekunden war es Ran verwehrt zu sprechen. In ihr wirbelte alles umher. Die Gefühle hatten sie vollends in der Hand. Ihr Atem ging viel zu schnell sodass ihr fast schwindelig wurde.

So lange ist sie in ihrer Trance geblieben und jetzt kam alles Schlag auf Schlag in ihr hoch. Aber war es wirklich richtig, es ihm zu sagen? War es nicht ein wenig egoistisch von ihr? Immerhin verlangte sie von ihm, dass er, anstatt ständig Fälle zu lösen, mehr mit ihr zusammen sein sollte. Und das, nur damit sie sich besser fühlte.

Das war schon ziemlich egoistisch.

Andererseits wollte Ran ihn auch nicht zu etwas zwingen. Wenn er sich wirklich nur auf eine Sache konzentrieren wollte dann sollte er – so schmerzhaft es auch sein würde – das auch tun.

Die Entscheidung musste sie ihm dann überlassen. So viel stand fest.

Sie selbst musste dafür den Samen werfen. Sonst konnte nichts daraus wachsen.

Doch wie sollte sie das am besten anstellen? Sie hatte furchtbare Angst davor.

Wenn das doch nicht alles so schwer wäre…

Eine Hand, die sie sanft an der linken Schulter berührte, riss sie aus ihren Gedanken.

Ran drehte ihren Kopf zur Seite. Shinichi hatte sich neben sie auf den Boden gesetzt. Sein Kopf war nicht weit von ihrem entfernt, sodass sie den Blick von seinem ernsten Gesicht schnell wieder abwandte.

„Was bemerke ich nicht …? Bitte sag es mir, Ran.“, hauchte er ihr ins Ohr.

Er schien es wirklich ernst zu nehmen.

Sie atmete einmal tief durch und wischte sich die Tränen vom Gesicht. Aber aus irgendeinem Grund brachte sie es nicht fertig sich zu beruhigen. All ihren Mut kratzte sie sich zusammen.

Während sie mit ihrer weinerlichen Stimme sprach, starrte sie auf den Boden:

„Weißt du … es gibt Menschen, die dich gern haben … die gerne Zeit mit dir verbringen … weil … weil sie mit dir zusammen sein wollen … und … ich bin einer dieser Menschen. Verzweifelt habe ich versucht an dich heranzukommen … dich wenigstens nur ein bisschen von deiner Detektivarbeit wegzuziehen doch … du bekommst davon nichts mit. Als wäre dir nichts anderes wichtig…als…als…“

Ihr letztes Wort hörte sich an wie ein leises Wimmern. Unwillkürlich kamen ihr die Erinnerungen von jener Nacht, als sie im Regen durch die Nacht stolperte, in den Sinn. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihr aus.
 

Als wäre ich in deinen Augen überflüssig…
 

Es wurde still im Raum und Rans Worte entfalteten ihre Wirkung. Minutenlang sagte keiner etwas. Jeder schien seinen Gedanken nachzuhängen. Jeder schien sich ihre letzten Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Dieses Schweigen war fast schon unbehaglich.

Dann, nach weiteren gefühlten zwei Minuten vernahm Ran einen gequälten Seufzer von Shinichi.

„Verdammt…“, flüsterte er. Wohl mehr zu sich selbst.

Ran schaute ihn fragend an. Aber er mied ihren Blick.

Er sah nicht gut aus. Das Blut war aus seinem Gesicht gewichen. Er hatte seine Hand von ihrer Schulter genommen. Seine Augen hatten den Glanz seiner Ernsthaftigkeit verloren.

Ran fühlte Reue in sich aufsteigen. War es doch ein Fehler gewesen?

„Shinichi, was ist?“, fragte sie ihn vorsichtig. Langsam wurde sie unsicher.

Was war nur mit ihm?

Allmählich kehrte das Leben in ihm zurück und mit einer geschockten Miene wanderte sein Blick zu Ran. Noch immer war er blass.

„Ich glaub…ich…ich gehe jetzt besser.“ Er erhob sich.

Je mehr sie den Sinn seiner Worte erfasste, desto bestürzter wurde ihr Gesicht. Ihr Körper war wie gelähmt. Ihr Gesicht war nun ebenfalls von Blässe gekennzeichnet.

Langsam drehte sich Shinichi Richtung Türe. Ran war ihm mit den Augen gefolgt, welche vom Schock weit aufgerissen waren.

Er geht…

Nachdem er seinen ersten Schritt gemacht hatte, konnte sich Ran aus ihrer Starre befreien.

„Warte…“, wisperte sie hilflos.

Doch Shinichi hörte sie nicht. Er war aus ihrem Zimmer verschwunden.

Er will mich allein lassen…

„Warte.“, flehte sie erneut.

Aber es kam keine Reaktion.

Zitternd erhob sie sich und wollte ihm hinterhertaumeln. Bis sie hörte wie die Haustüre ins Schloss fiel.
 

Stille.

Er war gegangen.
 

Nein!
 

„Bitte nicht…“, weinte sie und stolperte zur Haustüre.

Mit ihren Fäusten schlug sie dagegen. Die Tränen rannten ihr übers Gesicht.

Er war gegangen. Er war einfach gegangen!

„Shinichi …“ Hilflos ließ sie ihren Kopf hängen.

„Shinichi …“ Langsam ließ sie sich zu Boden gleiten.

„Shinichi…“ Kraftlos landete sie auf den Knien.

Verzweifelt versuchte sie um Fassung zu ringen. Doch der Schlag hatte sie zu heftig getroffen. Sie wagte es kaum zu glauben, was sich gerade abspielte.
 

Hatte er sich gerade tatsächlich … gegen sie entschieden?

Ihr Wunsch

Heyho!
 

Das neue Kapitel lad ich mal ein bisschen früher hoch. Man könnte es als kleine Entschädigung betrachten, weil ich fürs andere so lange gebraucht habe. Dafür ist es etwas kürzer.

Wobei dieses hier auch nicht gerade früh kommt...? :'D
 

Nächste Woche Mittwoch hab ich meine letzte Prüfung...dann bin ich endlich fertig!!*Freudensprüngemach*

Dann hab ich endlich diesen Realschulabschluss in der Tasche ;)

Und dann hab ich endlich mehr Zeit zum Schreiben.

BÄHM!
 

...
 

Ok, bevor es noch peinlich wird lass ich euch lieber mal lesen ;)
 

Viel Vergnügen! :>
 

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Ran verharrte eine ganze Weile an der Türe. Ihre Tränen waren bereits vergossen. Starr, wie eine Leiche saß sie da, an die Tür gelehnt, ihr Blick ging ins Leere. Und das schon seit etwa einer Stunde.

Sie war verzweifelt, war unfähig etwas zu tun, fühlte sich allein gelassen, zurückgewiesen, ja fast schon verstoßen.

Shinichi hatte sie zurück in das Gefängnis der Einsamkeit geworfen, indem er einfach gegangen war.

Er hätte doch wenigstens etwas sagen können, etwas, das Ran auch verstanden hätte. Doch er hatte es nicht getan. Seine einzige Reaktion war ein einsames gemurmeltes Wort.

‚Verdammt…‘

Ran spielte die Szene immer und immer wieder in ihrem Kopf ab, versuchte Shinichis Verhalten zu verstehen. Aber es führte zu keinem Ergebnis. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Warum hatte er so seltsam reagiert?

Ran hatte ihm – wenn auch auf eine eher indirekte Weise – gesagt, dass sie ihn liebte. Und das war noch nicht einmal alles gewesen. Doch weiter war sie ja nicht gekommen.

Sollte das etwa der Dank für ihren Mut sein? Dafür, dass sie es endlich gewagt hatte sich – wenn auch nur ein wenig – zu öffnen? Und Shinichi fiel nichts Besseres ein als einfach abzuhauen?

So wie er es schon so oft getan hatte…?

Zwar hatte er in der Zeit als Conan seine Gründe gehabt, aber er hätte sich auch anders entscheiden können. Sie hätte es doch niemanden weitererzählt, hätte sein streng behütetes Geheimnis stets für sich behalten, genau wie Professor Agasa oder Heiji. Der Gefahr wäre sie sich ebenfalls bewusst gewesen. Sie hätte Shinichis Vertrauen niemals missbraucht. Er hätte es ihr einfach nur erzählen müssen. Dann wäre den Beiden eine Menge erspart geblieben.

Doch er hatte es nicht getan.

Neben dem Kummer keimte Wut in ihr auf.

Nein, noch einmal ließ sie ihn nicht damit davonkommen. Dieses Mal sollte er nicht den einfachen Weg einschlagen. Lange genug hatte er dieses Spiel mit ihr getrieben. Jetzt war es an der Zeit, dass es anders wurde. Nebenbei war er ihr noch eine Antwort schuldig.

Von ihrem Zorn angetrieben, rappelte Ran sich langsam auf. Mechanisch zog sie sich ihre Schuhe an und begab sich aus der Wohnung.

Sie musste zu Shinichi. Und zwar jetzt.

Blind stolperte sie die Treppen hinunter und begab sich nichtsahnend in den strömenden Regen, der draußen bereits seit einiger Zeit über das launische Wetter herrschte. Völlig perplex blieb sie stehen. Innerhalb von Sekunden war sie komplett durchnässt. Sollte sie wieder zurückgehen? Sie zögerte.

War das die richtige Entscheidung?

Mit geballten Fäusten klammerte sie sich an das winzige Stück Entschlossenheit, das noch in ihr lebte.

Regen hin oder her, das hatte jetzt oberste Priorität.

Dann stürmte sie los.

Was war nur mit ihr geschehen? Bis vor kurzem war sie noch ein in sich gekehrtes, verlorenes Mädchen gewesen, welches mit ihrem Schweigen verzweifelt um Hilfe geschrien hatte. Ein Hilferuf, der ewig vor sich hin gehallt war, und nur darauf gewartet hatte eine Antwort zu erhalten.

Er wurde erhört. Jedoch nicht besänftigt.

War das der Antrieb ihrer Kraft, ihrer Entschlossenheit? Der brodelnde Wunsch nach Besänftigung?

Konnte Shinichi ihr diesen Wunsch erfüllen?

Das wusste sie nicht.

Doch das hielt sie nicht davon ab weiterzulaufen.

Wieder war er davongelaufen. Doch Ran beging nicht wieder denselben Fehler.

Heute rannte sie ihm hinterher.

Vermutlich war er bereits zuhause, ging irgendeiner geregelten Tätigkeit nach und machte sich keinen Kopf mehr über das, was sich in der Behausung der Moris abgespielt hatte.

Dieser Gedanke versetzte ihr einen Stich. Nein, so etwas durfte sie jetzt nicht denken!

Dieser Idiot musste schließlich auch in irgendeiner Form Menschlichkeit in sich tragen.
 

Laut kamen ihre Schuhe auf dem nassen Asphalt auf und wieder einmal musste sie sich verstörte Blicke von den Fußgängern einfangen. Doch auch jetzt war ihr das egal.

Es dauerte nicht lange bis sie vor dem Tor der Villa stand.

Keuchend stütze sie sich mit den Händen auf ihren Oberschenkeln ab. Ihre Kondition schien in letzter Zeit stark nachgelassen zu haben.

Kein Wunder. Ihre Anwesenheit beim Karatetraining war in letzter Zeit ziemlich lückenhaft gewesen.

Ran machte sich daran das Tor zu öffnen. Dieses Mal war es nicht abgeschlossen.

Zum Glück. Denn eine weitere Kletterpartie wollte sie nicht durchführen.

Langsam aber mit festen Schritten näherte sie sich der Haustüre. Sie musste das letzte Bisschen Selbstvertrauen behüten. Sie musste. Sonst würde sie es nicht einmal über die Türschwelle schaffen. Sofern Shinichi die Tür öffnete…

Als sie vor dieser stand, hielt sie inne und lauschte dem Prasseln des Regens.

Seufzend ließ sie ihren Kopf hängen. Ihr Selbstvertrauen war wohl doch nicht so stark wie sie gedacht hatte. Zweifel begannen sie zu beherrschen.

Wenn es doch falsch war zu ihm zu gehen? Wenn Shinichi sie einfach wieder wegschicken würde? Schließlich hatte er sie das letzte Mal auch einfach gehen lassen und das andere Mal war er weggelaufen.

Aber sie musste jetzt mutig sein. Sie musste ihm doch endlich zeigen, dass…

Ran nahm einen tiefen Atemzug…

Sie musste...

…holte aus…

Sie musste…

…und begann mit den Fäusten an die Tür zu hämmern.

„SHINICHI! SHINICHI! MACH DIE TÜR AUF! MACH DIE TÜR AUF! SHINICHI!“, schrie sie, wobei der Regen die Lautstärke ihrer Stimme ordentlich dämpfte.

Das störte Ran allerdings nur bedingt. Sie hatte nur eines im Kopf. Und das war er

„SHINICHI! BITTE…MACH AUF! SHINICHI!“

Noch einige Male wiederholte sie diese Worte während sie ununterbrochen an die Tür schlug bis sie irgendwann völlig erschöpft und mit höllischen Halsschmerzen ihren Kopf an die Tür lehnte. Ihre Hände ruhten ebenfalls an dieser.

Ein bitteres Lächeln huschte ihr übers Gesicht.
 

Natürlich macht er nicht auf. Was bildest du dir nur ein, du blöde Kuh? Als ob er etwas für dich empfinden würde…
 

Und schon wieder drohte sie vor einer verschlossenen Türe zusammenzubrechen. Shinichi musste entweder taub sein oder er machte das absichtlich.

Letzteres kam für sie ohne jeden Zweifel in Frage.

Warum machte er das nur? Sie könnte ihn dafür hassen. Doch um solch ein Gefühl für Shinichi zu empfinden, war sie nicht stark genug.

Oft hatte sie sich eingebildet ihn zu hassen, wenn sie auf ihn sauer war. Aber das entsprach nicht der Wahrheit. Das wusste sie bereits.

Und trotzdem gab es etwas, was sie für ihn empfand, ganz egal wie stark oder wie schwach sie war. Ganz egal wie viel Distanz zwischen Shinichi und ihr lag. Ganz egal was er von ihr dachte und was er bei ihr fühlte. Ran war machtlos dagegen, konnte sich so sehr dagegen auflehnen wie sie wollte. Es würde nichts ändern. Gegen diese Macht hatte sie keine Chance.

Liebe.

Sie liebte diesen Idioten. Ganz egal was er tat.

Mit schweren Herzen schaffte sie es ein sanftes Lächeln zustande zu bringen, dicht gefolgt von bitteren Tränen, die ihr langsam über die Wange rollten.

Sie bemerkte zu spät, wie ihr der Halt für ihren Kopf entrissen wurde.

Während ihr Gleichgewicht sie im Stich ließ, kippte sie nach vorne und landete direkt vor den Füßen des Hauseigentümers. Das alles geschah so schnell, dass sie sich vor Schreck an die Hose, die sich ihr anbot und ihr im Moment den einzigen Halt geben konnte, krallte um nicht auf die Nase zu fallen.

„Ran! Was um alles in der Welt…?“, hörte sie ihn sagen.

Ran starrte auf den Boden, sah wie ihr Wasser von den Haaren tropfte und stellte fest, dass sie von oben bis unten pitschnass war und unheimlich fror.

Es dauerte ein paar Momente bis sie begriff was gerade geschehen war.

„Shinichi“, flüsterte sie.

Er hatte doch tatsächlich die Tür geöffnet.

Für den Bruchteil einer Sekunde empfand sie Erleichterung. Doch mehr Zeit schenkte sie diesem Gefühl nicht. In ihr wurde der Hebel umgelegt.

„Was denkst du dir eigentlich?! Du Idiot! Wieso läufst du einfach weg?! Wieso musst du immer wegrennen?!“, platzte es aus ihr heraus. Doch ihr Gewissen hatte sich in diesem Moment bei ihr abgemeldet.

Ran nahm unbewusst wahr, wie die Gefühle aus ihr sprachen und ihr Verstand allmählich immer kleiner wurde bis er die Größe eines Sandkorns erreicht hatte.

Weinend kniete sie vor ihm. Und noch immer hatte sie Shinichis Hose nicht losgelassen. Sie vermied es in sein Gesicht zu blicken, starrte stattdessen auf den Boden seiner Behausung und beobachtete wie die kleinen Wassertropfen mitsamt ihren Tränen sich von ihr trennten.

Ihr wurde wieder schmerzhaft bewusst wie sehr sie Shinichi eigentlich vermisste.

Das Schluchzen, was ihrer Kehle entwich, wurde immer stärker. Sie drohte fast schon zu hyperventilieren.

Sie wollte doch nur befreit werden! Aus ihrem Gefängnis, in dem sie schon so lange ausharren musste. Sie wollte endlich eine Antwort von ihm erhalten. Und wenn sie ständig verzweifelt nach ihm schreien musste, dann war es eben so.

Es würde ihr schwerfallen. Ziemlich schwer sogar.

Aber Shinichi sollte endlich erfahren…

Zitternd ließ sie seine Hose los und umschlang ganz langsam seine Beine, begleitet von etlichen Schluchzern, welche ihren Körper zusätzlich zum Erbeben brachten. Sachte schmiegte Ran sich an ihn.

…wie gewaltig ihre Sehnsucht nach ihm war.
 

„Bitte…lass mich nicht allein…“
 

Es war ihr egal, ob ihm das gefiel oder nicht. Sie wollte ihn nur spüren, ihm so nah wie möglich sein. In irgendeiner Form musste sie einfach ihre Liebe zu ihm offenbaren. Und war es auch nur, dass sie wie ein Klotz an seinen Beinen hing.

Und außerdem hatte sie Angst, dass er wieder davonlief. Das durfte er nicht.

Ran blendete alles andere aus. Wie den Regen, der hinter ihr noch im vollen Gange war oder die Tatsache, dass sie am ganzen Körper schlotterte. All ihre Sinne richtete sie auf Shinichi.

Sie nahm zur Kenntnis, dass er noch so gut wie nichts gesagt hatte. Aber seine Reaktion war ihr gerade auch nicht so wichtig. Ran war sich sicher, dass es bis dahin nicht mehr weit war.

Hauptsache er war jetzt bei ihr.

Ein bedeutender Schritt

So, hier das nächste Kapitel :)
 

@StellaxD: Nun ein paar Kapitelchen wird es schon noch geben. Aber wirklich nur noch ein paar ... wenn ich bedenke, dass ich erst vorhatte eine 5 Kapitel lange Story zu machen ... und nun, siehe was daraus geworden ist :'D
 

Aber wenn man Rans Verhalten im Auge behält, kann man sich - denk ich mal - selbst ausmalen wie lange es noch ungefähr gehen wird.
 

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„Bitte, hör damit auf.“

Ran erschrak und erwachte aus dem Zustand, in den sie sich hineingeflüchtet hatte. Noch immer hielt sie Shinichi umklammert und noch immer hatte sie ihm nicht ins Gesicht geblickt.

Doch als sie den Klang seiner sonst so festen Stimme hörte, drängte es sie zu ihm aufzuschauen. Aber sie konnte dagegen ankämpfen.

Es war kaum ein Flüstern und trotzdem hatte Ran jedes einzelne Wort verstanden.

Was hatte dieser flehende Ton zu bedeuten?

Ran brach er fast das Herz.

„Ich…ich ertrage das nicht mehr länger. Tag für Tag sehe ich wie du dich quälst, muss mitansehen wie du dich immer mehr kaputtmachst...“

Langsam beugte er sich zu ihr herunter und legte seine Hände auf Rans Schultern. Sanft begann er sie von sich wegzuschieben. Seine Berührung brachte Rans Herz zum Flattern. Dennoch wehrte sie sich nicht dagegen und ließ seine Beine los.

Warum sagte er so etwas?

Sie dachte zunächst, er würde es dabei belassen. Doch dann nahm sie aus den Augenwinkeln wahr wie er ebenfalls auf die Knie ging. Ran erstarrte. Nun saßen sie sich direkt gegenüber. Noch immer hielt er sie an den Schultern fest.

Augenblicklich hörte sie auf zu schluchzen. Es wurde zu einem leisen Atmen, ihre Tränen rollten nun ohne Laut über ihre nassen Wangen.

Im nächsten Moment sagte keiner etwas. Ran lauschte dem Geräusch des Regens, der allmählich an Stärke verlor.

Das Schweigen war ihr nicht unangenehm aber sie wusste, dass es in diesem Moment falsch war. Ein klein wenig genoss sie sogar diese Zweisamkeit. Shinichi war bei ihr und er machte keine Anstalten diese Zweisamkeit zu zerstören. Er ließ sie nicht alleine.

Bedeutete das, dass er ihr bereits geantwortet hatte?

Sie wusste es nicht. Die Ahnungslosigkeit und Verwirrtheit hatten sie noch nicht losgelassen.

Aber was hatte seine Reaktion denn dann zu bedeuten? Seine Stimme, die voller Schmerz war und mit der er diese Worte ausgesprochen hatte … was verbarg sich dahinter?

„Ran…“

Sie hörte deutlich, dass Shinichi sie ansprach doch sie brachte es nicht fertig zu reagieren. Wie gelähmt starrte sie auf den Boden und vermied es in sein Gesicht zu schauen.

Warum nur?

„Ran.“

Warum sagte er so etwas? Was hatte es zu bedeuten? Was nur?

„Ran!“ Er hatte seine Lautstärke deutlich erhöht.

Einen Augenblick lang schüttelte er sie an den Schultern und schaffte es somit sie aus ihrer Starre zu lösen. Wegen der plötzlichen Bewegung, schaute Ran erschrocken auf und blickte nun Shinichi direkt an.

Dieser schien das auszunutzen und hielt mit beiden Händen ihren Kopf fest, sodass sie sich nicht mehr wegdrehen konnte.

„Bitte, sieh mich an.“, flüsterte er.

Und das tat sie auch. Wenn es auch zum Teil gezwungenermaßen war.

Jetzt konnte sie sehen, was sein Gesicht ausdrückte. Und was sie dort sah, versetzte ihr einen Stich.

„Hör bitte endlich damit auf! Ich weiß doch genau was deine Art ist, mit negativen Gefühlen und Gedanken umzugehen. Aber jetzt ist genug. Ich will nicht mehr sehen wie du leidest. So kann das doch nicht ewig mit dir weitergehen!“

Bei diesen Worten durchfuhr sie zuerst der Schreck.

„Und … was … soll das heißen…?“, fragte sie mit zittriger Stimme.

Sollte sie etwa wieder gehen? Und das nun endgültig?

Darauf blickte Shinichi sie entsetzt an. Ihre Frage schien ihn erschüttert zu haben.

„Was das heißen soll? Verdammt nochmal! Sag mir was ich tun kann! Was soll ich tun damit du wieder lachst…?“

„Was…du… tun sollst? Wieso…du?“

Völlig perplex starrte sie Shinichi an. Was wollte er damit sagen?

Dieser atmete scharf aus und runzelte die Stirn.

„Mensch, Ran…du bist manchmal so mühselig, weißt du das? Jetzt hör mir mal zu. Ist dir eigentlich in irgendeiner Weise klar, dass du nicht allein mit deinem Leid bist? Ist dir das vielleicht einmal in den Sinn gekommen!?“ Er war aufgewühlter denn je.

Ran schwieg darauf und starrte Shinichi nur verwirrt an.

Sie war nicht alleine mit ihrem Leid? Ging es denn noch jemandem schlecht? Litt Shinichi gerade?

„Glaubst du etwa, mich lässt das völlig kalt? Als ich vorhin bei dir war…hast du mir da etwa nicht zugehört?“

Ran dachte darauf an die Zeit zurück wo sie in ihrem Zimmer waren. Sie versuchte sich an Shinichis Worte zu erinnern. Was hatte er nochmal gesagt?
 

„Warum mich das …!? Sag mal, was sind das eigentlich für Fragen!? Natürlich interessiert mich das! Ich bin in den letzten Wochen wegen deinem Verhalten fast wahnsinnig geworden! Ich habe mich jeden Tag gefragt, was dich so sehr herunterziehen könnte, habe mir immer wieder überlegt, wie ich an dich herankommen sollte. Ran, du sahst fast aus wie eine Tote! Und du glaubst im Ernst, mich sollte das nicht interessieren?! Was denkst du eigentlich von mir!?“
 

Ihre Augen weiteten sich ein wenig, während sie sich einen Reim auf seine Worte machte. Shinichi beobachtete ihr Mienenspiel.

„Verstehst du es endlich?“

Sie zögerte mit ihrer Antwort. War es wirklich so? Hatte sie ihn richtig verstanden?

„Du … machst dir … Sorgen…?“

Es kam ihr so seltsam vor. Wenn es wirklich so war, warum hatte sie dann die ganze Zeit etwas anderes gedacht?

Shinichi seufzte müde.

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass du das nicht wirklich glauben kannst.“, sagte er und ließ ihren Kopf wieder los. Ihr Blickkontakt blieb jetzt auch so erhalten.

Jetzt verstand Ran es. Offenbar hatte er noch immer nicht richtig bemerkt, dass sie aus seinem alltäglichen Verhalten gewisse Schlüsse gezogen hatte.

„Das ist auch nicht … verwunderlich.“, sagte sie. Ihre Stimme war entsetzlich rau vom vielen Schreien und Weinen.

„Warum, Ran!?“, rief er darauf verzweifelt, versuchte sich aber dann wieder zu fangen. Ein paarmal atmete er durch und fuhr dann mit ruhiger und sanfter Stimme fort, „Ich bitte dich noch einmal. Erzähl mir was in letzter Zeit in dir vorgegangen ist.“

Ran spürte wie er seine Hand auf ihre legte. Ihr Herz hämmerte gegen ihren Brustkorb. Durch seine Berührung umfing sie auf einmal tiefe Geborgenheit und ein tröstendes Gefühl durchströmte ihren frierenden Körper.

Seine Hand war so wunderbar warm im Gegensatz zu ihrer. Für einen Moment blieb ihr Blick an ihr hängen.

„Ist das in Ordnung für dich?“, fragte Shinichi sie vorsichtig.

War es nun an der Zeit? Sollte sie sich nun endgültig öffnen? Aber was war, wenn es wieder ein schlechtes Ende nahm?

Andererseits … alles wies darauf hin, dass Shinichi es wirklich ernst nahm und tatsächlich für sie da sein wollte. Diese Tatsache brachte sie fast wieder zum Weinen. Allerdings nicht aus Trauer.

Und jetzt hatte sie es schon so weit geschafft. Wer wusste schon wann es wieder so einen Moment geben würde?

So schnell würde keiner mehr kommen.

Geschlagen sah sie auf und schaute in Shinichis tiefe blaue Augen.

„Okay…“, hauchte sie.

Darauf verzog sich Shinichis Mund zu einem Lächeln, welches Wärme und Erleichterung ausstrahlte. Es sah so aus, als würde eine große Last von ihm fallen.

„Dann schlage ich vor, dass du dir erst einmal trockene Sachen anziehst. Du musst doch entsetzlich frieren.“, sagte er und umschloss demonstrativ einer ihrer eisigen Hände mit den seinen.

Ran nickte unbeholfen, da sie sich nicht sicher war wie sie sich nun verhalten sollte.

Shinichi erhob sich und zog Ran somit mit sich. Er griff hinter ihr nach dem Türgriff und ließ anschließend die Türe ins Schloss fallen. Mit der anderen Hand hielt er immer noch die von Ran umschlossen.

Für einen Moment kam diese ins Grübeln. Ihr kam die ganze Situation irgendwie bekannt vor…

Shinichi führte sie durch seine Behausung bis zum Bad.

„Warte hier. Ich hole dir etwas zum Anziehen.“, sagte er und ließ ihre Hand los. Danach entfernte er sich mit schnellen Schritten von ihr.

Ran sah ihm nach und empfand einen Hauch von Einsamkeit, als sie nicht mehr seine Wärme spüren konnte. Sofort bekam sie Sehnsucht nach ihm. Er konnte manchmal so fürsorglich sein.

Warum musste sie nur so viel wegen ihm leiden?

Zitternd umschlang sie ihren Oberkörper. Sie brauchte Wärme. Seine Wärme.

„Bald wird dir wieder warm.“, drang Shinichis Stimme in ihr Ohr, als hätte er ihre Gedanken gehört.

Erschrocken sah sie auf und musterte anschließend den Klamottenstapel, den er ihr in die Hände drückte.

„Im Bad findest du Handtücher zum Abtrocknen. Die Sachen werden dir mit Sicherheit zu groß sein. Aber immer noch besser als zu frieren. Wenn du fertig bist … du findest mich im Wohnzimmer.“ Er sah sie mit einem vielsagenden Blick an.

Ran nickte schüchtern und begab sich zögernd ins Badezimmer, wo sie die Tür abschloss.

Im nächsten Moment kam ihr das idiotisch vor. Als ob Shinichi einfach so herein kommen würde.

Als nächstes war sie damit beschäftigt ihre nassen Sachen auszuziehen. Sie spielte sogar mit dem Gedanken gleich ein Bad zu nehmen. Allerdings wollte sie Shinichis Geduld nicht überstrapazieren, also beließ sie es lieber dabei.

Mit nichts als ihrer Unterwäsche an der Haut, griff sie nach dem obersten Handtuch eines Stapels und hüllte ihren Körper damit ein. Ein paar Sekunden genoss sie die Wärme, die ihr dadurch gegeben werden konnte und begann dann anschließend sich von der Nässe des Regens zu befreien.

Unwillkürlich kam ihr die Erinnerung in den Sinn, wo sie ebenfalls in diesem Raum gewesen war und sich umgezogen hatte. Damals hatte sie krampfhaft versucht Shinichi völlig auszublenden um dann anschließend zu verschwinden. Das Bild ließ sie in ihrer Bewegung innehalten.

Eine sehr düstere und unerträgliche Erinnerung. Und was war jetzt?

Ran schüttelte ihren Kopf, mit dem Sinn, dass sich ihre Gedankengänge somit veränderten. Jetzt war es anders, eine völlig neue und getroste Situation. Auch wenn sie noch keine endgültige Erleuchtung hatte, so hatte sie zumindest die Hoffnung darauf. Und auch die Hoffnung auf Besänftigung, nach der sie sich so sehr sehnte.

Nachdem sie alles vollbracht hatte, betrachtete sie sich im Spiegel. Shinichis Sachen – bestehend aus einer Jogginghose und einem T-Shirt – waren, genau wie er es prophezeit hatte und was offensichtlich war, viel zu groß für sie. Doch sie konnte sich glücklicherweise die Hose so zurechtmachen, dass sie in der Lage war zu laufen. Das wichtigste war aber, dass ihr endlich warm war und sie nicht mehr am ganzen Körper schlotterte.

Um Shinichi nicht noch länger warten zu lassen, klaubte sie hastig ihre Sachen zusammen und hängte sie zum Trocknen auf.

Wie lange würde sie wohl hierbleiben?

Mit klopfendem Herzen begab sie sich dann in Richtung Wohnzimmer und als sie Shinichi auf dem Sofa sah, bekam sie es ein wenig mit der Angst zu tun. Bei der Türe blieb sie stehen. Es roch angenehm nach Tee und Ran erkannte zwei dampfende Tassen auf dem Tisch, die Shinichi wohl zubereitet hatte. Dieser schien sie im nächsten Moment zu bemerken und blickte auf.

„Setz dich zu mir.“, sagte er einladend und lächelte.

Ran gab sich darauf einen kleinen Ruck und ging die letzten Meter zum Sofa. Shinichi musterte kurz sein zusammengestelltes Outfit, das sie am Körper trug.

„Ich hoffe, dass das so okay ist.“

„Ähm, ja … danke.“, flüsterte sie verlegen und setzte sich neben ihn, darauf bedacht ein wenig Distanz einzuhalten. Auch wenn sie wollte, unterdrückte sie es zu nahe bei ihm zu sitzen. Aus Erfahrung wusste sie, dass sie das nur ablenken würde.

Eine Weile blieb es still und Ran war sich bewusst, dass es nun an ihr lag, wie sich jetzt alles entwickelte. Shinichi drängte sie nicht und durchlöcherte sie nicht mit Fragen, sondern schien geduldig darauf zu warten, dass sie anfing. Und dafür war Ran ihm dankbar.

Sie starrte auf die vollen Teetassen, als sie anfing zu erzählen.
 

„Es … es fing damit an, dass ich alleine in den Beika-Park ging…“

Der Sprung zur Wahrheit

Heyho!
 

Da hat man dann endlich mal keine Schule mehr und man findet trotzdem keine Zeit zum schreiben >.<

Ich hoffe ihr verzeiht mir die lange Wartezeit, aber ich konnte echt immer nur stückchenweise ein paar Zeilen zustandebringen. Hoffe mal das sieht man nicht so :'D
 

So nun wünsche ich viel Vergnügen! :>

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„…es war damals so schönes Wetter … und das wollte ich ausnutzen und…“

Ran brach ab, da ihr das irgendwie lächerlich vorkam. So konnte sie ihm das doch nicht erzählen und vor allem nicht mit so einer Unsicherheit. Was dachte Shinichi denn jetzt nur von ihr? Prüfend sah sie zu ihm rüber und an seinem Blick erkannte sie, dass er sie verstand.

„Du musst mir nicht unbedingt von vorne bis hinten alles genau erzählen. Es reicht auch schon, wenn du nur über das Wichtigste sprichst.“, sagte er entgegenkommend und Ran fühlte sich sofort wohler, wobei sie nun direkt mit der Wahrheit herausrücken musste.

„Es ist nur … es ist so … Shinichi, es hat etwas… mit dir zu tun.“, setzte sie an.

„So weit bin ich auch schon.“, antwortete er belustigt.

Ran wollte aus Reflex darauf anspringen, aber dann fand sie, dass seine Worte berechtigt waren. Die eine oder andere Sache wusste er schließlich schon. Mit leiser Stimme fuhr sie somit fort:

„Mir ging es in der letzten Zeit nicht so gut, weil ich angefangen hatte, mir Gedanken über dich zu machen. Sehr viele Gedanken…und dabei bin ich ziemlich tief in mich gegangen.“

Während sie sprach, drehte sie ihren Oberkörper allmählich zu Shinichi und dabei versuchte sie ihm tief in die Augen zu schauen, damit – so schwer es auch war – er wirklich alles verstand. Nicht nur die Worte, die nun wie ein Wasserfall aus ihrem Mund fließen würden, sondern auch das, was sich dahinter verbarg.

Ihre Gefühle.

Nun gab es kein Zurück mehr.

„Weißt du, Shinichi, vielleicht merkst du es nicht, aber ich tue es sehr wohl! Mir ist klar, dass du ein Detektiv bist und du so viele Fälle wie möglich lösen möchtest … dass es für dich nichts Wichtigeres gibt, als die Wahrheit ans Licht zu bringen. Das finde ich toll … wirklich! Wenn du das nicht mehr tun würdest, dann wärst das eben nicht mehr du. Aber es werden immer mehr Fälle … obwohl es schon davor entsetzlich viele waren. Und du scheinst, wirklich jeden Fall in die Hand nehmen zu wollen … sodass du eigentlich keine Zeit mehr für andere Dinge hast. Du bist so sehr beschäftigt, dass du alles um dich herum vergisst … und ich … ich weiß, das klingt ziemlich egoistisch … und es ist auch in Ordnung, wenn du dich anders entscheiden würdest… aber … aber…“

Sie musste ihren Redefluss abbrechen. Die feste Stimme, die sie sich bei diesem Gespräch gewünscht hatte, war irgendwann mittendrinn verschwunden und hatte sie im Stich gelassen, sodass ihre schwache, brüchige und verweinte Stimme die Oberhand gewann und die Gefühle ihres Herzens offenbarte. Es schien, als wäre Ran ihnen vollends ausgeliefert.

Das hilflose Mädchen verlor sich immer mehr in den blauen Augen ihres Gegenübers. Doch irgendwann verschwamm ihre Sicht durch zwei Ursachen. Zum einen, weil sie an die Vergangenheit zurückdachte und zum anderen, weil sie wieder einmal ihre Tränen nicht zurückhalten konnte.

„Shinichi … was ist mit mir!? Mit uns…? So lange habe ich auf dich gewartet … auch wenn du eigentlich bei mir warst … ich wusste ja nichts davon. Jedenfalls warst du auf einmal wieder da … du warst in greifbarer Nähe, in deinem richtigen Körper … und ich dachte, wir könnten endlich wieder da weitermachen, wo wir aufgehört hatten … doch es entwickelte sich anders. Es war … als wärst du noch immer weg. Ich fühlte noch immer … diese Sehnsucht nach dir, die ich auch in der Zeit, in der du Conan warst, empfunden hatte. Und in diesem Moment wusste ich, dass irgendetwas falsch lief. Ich konnte diese Sehnsucht mit dem Gedanken, dass du an sich wieder da warst zwar unterdrücken und das half meistens auch … aber irgendwann, und das war jetzt während dieser Zeit, traf mich die bittere Wahrheit wie ein Schlag ins Gesicht.“

In den nächsten Sekunden war Ran damit beschäftigt, sich zu beruhigen. In ihr war alles aufgewühlt was sich durch die vielen Schluchzer, die ihrer Kehle entwichen, bemerkbar machte.

Für mich warst du noch nicht wieder da.“, beendete sie ihren Redefluss und wählte den Kernsatz bewusst zum Schluss.

Wird er es endlich verstehen?

Weinend und völlig erschöpft ließ sie ihren Kopf hängen. Doch auch aus Erleichterung, denn sie hatte es geschafft. Es war raus. Alles.

Sie hätte nicht für möglich gehalten, dass es so befreiend sein konnte, alles einmal ausgesprochen zu haben, ohne dabei unterbrochen zu werden. Aber dadurch, dass sie sich dabei an alles wieder erinnern musste, konnte sie auch deutlich wieder den Schmerz empfinden und das brachte sie unwillkürlich zum Weinen.

Aber was war denn jetzt mit Shinichi?

Ran schaute vorsichtig wieder zu ihm auf und fragte sich was sie mit ihrem Geständnis beim ihm bewirkt hatte. Was dachte er jetzt von ihr?

Was sie nun sah ließ sie erschaudern.

Die Wärme, die anfangs noch gut erkennbar gewesen war, war völlig aus seinem Gesicht verschwunden, stattdessen war es von Blässe gekennzeichnet. Starr blickte er auf einen Punkt neben Rans Schulter, was seine entsetzte Miene unterstrich.

Ran hielt den Atem an.

Schon wieder! Schon wieder schaut er so!

Genauso wie vorhin in ihrem Zimmer. Genau dieselbe Reaktion. Und danach war er einfach…

„Verdammt…“, kam es von ihm. Schon wieder.

Ran schaltete sofort.

„Nein!“, rief sie und hielt Shinichi am Arm fest. Sie bekam es mit der Angst zu tun, da ihre Vermutung drohte einzutreten und er wieder einfach verschwinden würde. Er blickte darauf erschrocken in ihr verweintes Gesicht.

„Du darfst jetzt nicht gehen! Lauf nicht immer weg!“, schrie sie ihn an.

Die Panik hatte sie gepackt. Nun war sie zu dem Punkt gekommen, vor dem sie sich am meisten fürchtete.

„Shinichi hör mir zu! Wenn du wirklich so weiterleben willst, dann sag mir das hier und jetzt! Ich werde dann … sofort verschwinden…denn so kann ich nicht mehr weitermachen. Ich will endlich die Wahrheit wissen!“
 

Andererseits wollte Ran ihn auch nicht zu etwas zwingen. Wenn er sich wirklich nur auf eine Sache konzentrieren wollte dann sollte er – so schmerzhaft es auch sein würde – das auch tun.

Die Entscheidung musste sie ihm dann überlassen. So viel stand fest.
 

Sie musste den Blick von ihm abwenden, starrte stattdessen auf ihre Hand die seinen Arm weiterhin umklammert hielt. Ein Weinkrampf brachte ihren Körper zum Beben. Langsam wurde ihr alles zu viel.

„Nein…ich…ich laufe jetzt nicht weg!“ hörte sie Shinichi mit fester Stimme sagen. Doch auch andere Gefühle konnte man aus ihr heraushören, die Ran jedoch nicht genau deuten konnte.

Diese sah darauf wieder auf, ihre Schluchzer verstummten und sie blickte mit großen Augen in ein ernstes und aufrichtiges Gesicht.

„Und warum bist du dann vorhin nicht geblieben?“, wollte sie wissen.

Seine Miene wurde traurig, und in seinen Augen war ein seltsames Funkeln zu erkennen. Er schien mit sich selbst zu kämpfen.

„Weil ich mir meiner Schuld bewusst geworden bin.“, brachte er gequält hervor.

Seine Worte verwirrten Ran zunächst.

„Was?“

„Das was du mir in deinem Zimmer … gesagt hast … das hat mir klar gemacht, dass es zum Teil meine Schuld ist und ich für dein Leid mitverantwortlich bin. Du hast völlig Recht.“

Ungläubig schaute Ran ihm in die Augen, sah dort nichts anderes als pure Aufrichtigkeit.

Shinichi nahm ihre Hand, die bis jetzt noch schlaff an seinem Arm geruht hatte.

„Ran, es tut mir so leid.“

Die Angesprochene sah ihn an und war einfach nur sprachlos. Sie wusste auf diese unverkennbare und ehrliche Entschuldigung nichts zu antworten, war stattdessen bis aufs tiefste gerührt.

„Was kann ich tun damit du mir verzeihst?“, flehte er und drückte sanft ihre Hand.

Ran schossen sofort die Tränen in die Augen als sie seine Worte vernahm.

Es war nun mehr als deutlich, doch sie wagte es kaum zu glauben. Seine Worte und sein Verhalten ließen Ran zu einem klaren Schluss kommen.

Er lief nicht vor ihr weg.

Er ging auf sie zu.

Noch während ihr die Tränen über ihre Wange rollten, begann sie sanft zu lächeln.

„Bleib einfach bei mir.“, antwortete sie nun auf seine Frage und hatte ihm somit schon verziehen.

Ihr fiel ein großer Stein vom Herzen.

Shinichi seufzte und fuhr sich durch die Haare. Ihm ging es da wahrscheinlich nicht anders als ihr. Zu Rans Verwunderung ließ er ihre Hand los. Aber im nächsten Moment tat er etwas, was sie kaum erwartet hätte.

Er zog sie in seine Arme.

Ran ließ es mit sich geschehen, ließ es zu, dass er seine Arme fest um sie schloss.

„Ich verspreche es.“, sagte er leise in ihr Haar.

Sie fühlte seine wohltuende Wärme, roch seinen angenehmen Duft und lauschte dem gleichmäßigen Erklingen seines Atems. Seine Nähe betörte sie immer wieder aufs Neue.

Ran liebte diesen Menschen.

Was musste nur alles geschehen damit es zu diesem einen Moment kam? Wie viel leichter hätten sie es sich machen können und hatten es dennoch nicht getan? Die Chance war in greifbare Nähe gewesen, doch sie hatten sie einfach weggestoßen, waren stattdessen den schweren Weg gegangen.

Unter all den Verwirrungen wurde Ran allmählich wieder bewusst, dass Shinichi im Grunde genommen ihr Freund war und dass sie ihm mehr vertrauen konnte als allen anderen.

Auch wenn sie ihm ihre wahren Gefühle noch nicht gestanden hatte – und diese Zeit würde auch noch kommen – so konnten sie dennoch alle Spannungen aus dem Weg räumen und hatten wieder zueinander gefunden.

Und das war das Einzige was in diesem Moment zählte.

Langsam erwiderte Ran seine sanfte Umarmung und genoss jeden Augenblick mit Shinichi. Zufrieden schloss sie die Augen. Ein Glücksgefühl durchströmte sie wie schon so lange nicht mehr und sie konnte deutlich spüren, dass sie allmählich wieder zum Leben erwachte. Zum richtigem Leben.

Ran wusste nicht wie lange sie noch so dasaßen. Shinichi strich ihr mehrmals über das noch feuchte Haar als er plötzlich innehielt.

„Ran.“, kam es leise von ihm.

Er löste sich von ihr und sah ihr prüfend in die Augen, was Ran ein leicht unwohles Gefühl verlieh. Was hatte er denn?

Shinichis Miene wurde ernst und seine Augen verrieten ihr, dass er noch irgendetwas wusste.
 

„Da ist noch mehr, nicht wahr?“

Ein liebevoller Vater

Heyho!
 

Jaa, stellt euch vor! Mich gibt es auch noch. :O Tut mir leid, dass ich sooo lange gebraucht habe - hatte bis jetzt kaum Zeit gehabt.
 

Tzz, von wegen Sommerferien... -_-
 

Zum Kapitel:

Es ist höchstwahrscheinlich das vorvorletzte Kapitel. Aber man merkt ja, dass sich die Lage in Rans Leben langsam wieder stabilisiert, oder? Naja, wer weiß...vielleicht passiert ja noch was unerwartetes...?

Ok, Spaß beiseite.

ich wollte dieses Kapitel noch unbedingt hochladen BEVOR ich in den Urlaub fahre. Und das wäre dann wohl morgen xD

2 Wochen wird man auf jeden Fall nichts mehr von mir hören, aber ich werde meinen Laptop trotzdem mitnehmen und versuchen weiterzuschreiben :)
 

Sodele, jetzt verabschiede ich mich :>
 

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Ran schluckte, als sie vor der Türe der Detektei stand und zitternd ihre Hand nach der Türklinke ausstreckte. Angespannt lauschte sie dem schnellen Schlag ihres Herzens und dem Klang des kleinen Fernsehers, welcher auf dem Schreibtisch ihres Vaters vor sich hin dudelte.

Unsicher ruhte ihre Hand nun auf der Türklinke, während in Rans Inneren ein Kampf zwischen zwei komplett gegensätzlichen Empfindungen herrschte.

Shinichi hatte nun alles von ihr erfahren, was sie in der letzten Zeit so sehr beschäftigt hatte. Auch die Krise mit ihrem Vater hatte sie ihm anvertraut, wobei sie das, was sie danach durchgemacht hatte, ihm gerne verschwiegen hätte. Allerdings hatte Shinichi ein Recht darauf gehabt, es zu erfahren. Schließlich hatte er das Ende und Ergebnis ihres unglücklichen Abenteurers hautnah miterlebt und war sogar selbst daran beteiligt gewesen.

Als Ran jedoch den Mann in der abgelegenen Kneipe erwähnt hatte, war er kreidebleich geworden und seine Augen hatten sich vor Entsetzen geweitet. Sie hätte ihre Geschichte am liebsten zu diesem Zeitpunkt abgebrochen. Doch dann hatte sie sich nur mehr dazu verpflichtet gefühlt, es ihm zu sagen. Denn durch seine Reaktionen war ihr klar geworden, was sie Shinichi eigentlich damit angetan hatte und nun kämpfte sie noch immer mit ihrem Gewissen.

Sie schämte sich sogar sehr über ihr idiotisches Verhalten, weswegen sie sich nochmals bei Shinichi dafür entschuldigt hatte. Aber er hatte nur den Kopf geschüttelt und gesagt:

„Versuch das einfach zu vergessen und sieh nach vorn! Nun weißt du ja wo du stehst. Du solltest jetzt nur noch die Menschen aufsuchen, die unter deiner vorigen Haltung leiden mussten und mit ihnen reinen Tisch machen.“

Da war Ran natürlich ihr Vater als erstes in den Sinn gekommen. Schließlich war er neben Shinichi auch ein Grund und vor allem ein Opfer ihrer temporären Phase gewesen.

Bevor sie jedoch das Gesagte und Gedachte in die Tat umsetzen konnte, hatte Shinichi sie sanft lächelnd wieder zurück auf das Sofa befördert.

Er hatte sie erst wieder hinaus in die Welt gelassen, als sie und ihre Klamotten vollständig trocken gewesen waren, sodass auf keinen Fall die Gefahr bestand, dass sie sich eine Erkältung einfing.

Und nun war sie hier und traute sich nicht einmal mehr in ihr eigenes Heim.

Dabei war es ihr so wichtig, alle Missverständnisse bezüglich ihres Vaters aus dem Weg zu räumen. Sie wollte endlich mit dem Thema abschließen!

Ihr Griff an der Türe wurde fester und ehe sie es sich versah, hatte sie – von ihrem Ärger angetrieben - schon geöffnet.

Immerhin ging es hier um ihren Vater.

Dieser schaute völlig perplex von seinem Schreibtisch aus auf und musste wahrscheinlich zweimal hinsehen, um zu erfassen wer da eigentlich im Türrahmen stand. So lange war Ran ihm aus dem Weg gegangen, hatte es vermieden, in sein Gesicht zu blicken und nun war sie ihm so direkt gegenüber, dass er fast schon erahnen musste, dass sich etwas drastisch verändert hatte. Aber Ran konnte in seinem Gesicht keinerlei Anzeichen dafür erkennen, sah stattdessen etwas völlig anderes, was ihr einen Schrecken einjagte.

Kogoro sah müde aus, jedoch war es nicht die Müdigkeit, die man sonst von ihm kannte, wenn er mal wieder zu lange Mahjong gespielt oder ein Glas zu viel getrunken hatte. Die Müdigkeit, die generell die meiste Zeit sein Gesicht umspielte.

Hier war es eine Erschöpfung, die Ran nur allzu gut kannte.

Und zwar von sich selber.

In der Zeit als Shinichi noch Conan gewesen war und Ran noch nichts davon wusste, hatte sie sie in ihrem Spiegelbild immer wieder erkennen können. Diese Müdigkeit, wenn die Sorge um ihn einen besonders hohen Punkt erreicht und sie völlig in Anspruch genommen hatte.

Und genau das spiegelte sich im Gesicht ihres eigenen Vaters wieder. Er war vor Sorge völlig entkräftet.

Ran brach dieser Anblick das Herz und sie fühlte deutlich wie ihr Gewissen erneut aufschrie.

Was hatte sie da nur angerichtet?

Sie würde sich am liebsten selbst eine Ohrfeige verpassen.

„Ran…?“

Kogoro erhob sich, während seine Gesichtszüge sich veränderten. Er schien nun begriffen zu haben, dass sich die Situation erneuert hatte.

„Paps … ich wollte mich bei dir entschuldigen.“, setzte sie an, kam aber vorerst nicht weiter, da ihr Vater plötzlich um den Tisch herum ging und mit großen Schritten auf sie zukam.

„Mausebein! Alles klar bei dir? Geht es dir jetzt wieder besser!?“, fragte er mit aufgewühlter Stimme und hatte sie dabei an den Schultern gepackt.

Völlig gerührt und etwas überrascht konnte Ran sich ein Lächeln nicht verkneifen, wobei ihr wieder die Tränen in die Augen schossen.

„Ja … mir geht es gut. Danke.“, antwortete sie ihm.

Wenn sie von ihrem plagenden Gewissen absah, stimmte das auch. Niemand könnte jetzt etwas anderes behaupten und vor allem nicht sie selbst.

Kogoro hielt es ebenfalls für wahr, was man ihm deutlich ansehen konnte. Seine Miene hellte sich auf, sodass Ran schon beinahe hören konnte, wie ihm ein großer Stein vom Herzen fiel.

Kurz darauf hatte ihr Vater sie in die Arme genommen.

„Es tut mir so leid was ich damals zu dir gesagt habe! Ich war nicht ganz bei mir. Bitte, du musst mir glauben! Das war wirklich nicht so gemeint! Du bist meine Tochter … und dich geht das alles mehr an, als du glaubst, Mausebein. Du musst mir verzeihen!“, flehte er. Seine Stimme verriet, dass er den Tränen nahe war.

Erneut musste sie lächeln und erwiderte seine Umarmung.

„Es ist gut, natürlich verzeihe ich dir. Mir tut es auch leid, dass ich dir solche Sorgen bereitet und dich anfangs so angeschrien habe. Aber jetzt ist wieder alles in Ordnung, Paps.“

Ran durchströmte tiefe Erleichterung.

„Ich bin so froh, dass es dir wieder gut geht.“, antwortete er ihr nur darauf.

Im nächsten Moment kamen ihr wieder Shinichis Worte in den Sinn.
 

‚Versuch das einfach zu vergessen und sieh nach vorn!‘
 

„Was hältst du davon, wenn wir heute Abend lecker Essen gehen, Paps?“
 


 

„Ja, hallo?“, meldete sich jemand am anderen Ender der Leitung.

„Hallo, ich bin’s Ran."

„Hallo, Ran. Alles in Ordnung bei dir?“

„Ja, alles bestens!“ Es war sogar mehr als das.

„Nach dem Klang deiner Stimme zu urteilen, gehe ich einmal davon aus, dass alles gut gelaufen ist.“, erriet Shinichi, worauf ein leises Lachen folgte.

Ran lachte ebenfalls und ließ sich schwungvoll nach hinten auf ihr Bett fallen.

„Ja, es ist sogar wunderbar gelaufen!“, frohlockte sie, während sie in Erinnerungen an den Abend schwelgte.

Sie hatte sich prächtig mit ihrem Vater verstanden. Lange hatte sie nicht mehr so viel mit ihm gelacht und sie hatten selbst über Eri sprechen können ohne, dass einer dabei aus der Haut gefahren war.

Man könnte sagen, es war ein gelungener Abend.

„Das freut mich...wirklich“, holte Shinichi sie wieder in die Gegenwart zurück

„Und mich erst…ich muss mich nochmal bei dir bedanken, Shinichi“ Ein zufriedener Seufzer entwich ihrer Kehle.

„Und ich sage dir noch einmal … das brauchst du wirklich nicht zu tun.“

Darauf erwiderte Ran nichts. Nicht weil sie darauf nichts zu sagen wusste – sie war ihm so oder so dankbar.

Für einige Sekunden ließ sie sich völlig fallen und lauschte dem ruhigen Atem ihres Gesprächspartners. Sie hatte schon fast vergessen wie es sich anfühlte, wenn das Herz von sämtlichen Lasten befreit war.

„Bist du noch da?“, ertönte Shinichis Stimme nach einiger Zeit.

„Hmm…“

„Soll ich vielleicht auflegen?“, sagte er gespielt genervt. Er hatte ihre Müdigkeitswelle scheinbar sofort bemerkt.

„Nein, ich bin schon noch wach, keine Sorge. Es ist einfach nur so lange her, dass ich mich mal wieder so fallenlassen konnte…“

Shinichi schwieg darauf.

„Bist du vielleicht eingeschlafen?“, zog sie ihn auf und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Natürlich nicht! Im Gegensatz zu dir kann ich noch zusammenhängende Wörter bilden.“, stichelte er zurück.

Die Stille, die darauf folgte, hielt nur kurz. Denn an beiden Enden der Leitung brach schnell das schallende Gelächter aus.

Es war wirklich alles wieder beim Alten.
 

Und nach langer Zeit konnte Ran wieder mit einem Lächeln im Gesicht ins Land der Träume schweben.

Amazing Grace

Als die orange-gelben Strahlen der Morgensonne Ran sanft aus dem Schlaf streichelten, fasste sie sofort den Entschluss, den Tag draußen zu verbringen. Es kam ihr vor als hätte sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr die Sonne gesehen und nun drängte es sie, sich ihr mit ihrem ganzen Körper entgegenzustrecken.

Genüsslich streckte Ran ihre Glieder und stand schwungvoll vom Bett auf. Den darauffolgenden Schwindelanfall konnte sie mit Leichtigkeit verkraften.

In Windeseile machte sie sich fertig und bereitet ein kleines Frühstück für sich zu – sie machte es bewusst nur für sich, da ihr Vater mit hundertprozentiger Sicherheit nicht so schnell das Bett verlassen würde. Das nannte sie auch Alltag.

Ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben, marschierte Ran drauf los. Allein die wohltuende Wärme des Sommers ließ ihr Herz schon höher schlagen und mehr brauchte sie im Moment auch nicht.

Außer vielleicht…?

Ihre Beine führten sie in vertraute Gegenden, die ein Teil ihrer Vergangenheit bildeten. Mit einer unwillkürlichen Nostalgie im Herzen ging sie Schritt für Schritt weiter und dachte über das Vergangene nach.

Noch immer war sie erstaunt darüber, wie schnell ihre angeschlagene Seele geheilt werden konnte. Sie konnte fast nicht in Worte fassen wie dankbar sie dafür war und trotzdem gab es da eine Sache die Ran schlicht und einfach nicht verstand.

Sie erkannte immer erst am Ende wie wichtig es war, seine Sorgen und seinen Schmerz mit jemandem zu teilen, schließlich beeinflusste das den gesamten Verlauf solch einer Phase. Doch aus irgendeinem Grund hielt sie es dann für eine Nichtigkeit und schwieg lieber. Shinichi hatte mit allen Mitteln versucht, sie zum Reden zu bringen, das wusste Ran und trotzdem war sie eisern geblieben. Ihr Gewissen war nun auch dementsprechend beladen und sie könnte sich dafür schlagen, dass sie diesem wunderbaren Menschen das Leben so schwer machte.

Aber Shinichi hatte gesagt, sie sollte nicht mehr darüber nachdenken und darauf wollte sie hören.

Sie vermisste ihn schon wieder. Wie schön es doch wäre, wenn er jetzt bei ihr wäre.

Als die Anzahl der Betonklötze um sie herum allmählich zurückging, blieb Ran stehen und sah sich um. Irgendetwas war anders an diesem Ort…

Ein sanfter Wind wehte durch ihre Haare und ließ das Gras, was neben dem ganzen Gehweg dieser und der gegenüberliegenden Seite wuchs, gleichmäßig hin und her tanzen. Dazwischen befand sich ein kleiner Fluss, der zusammen mit dem Weg in eine Richtung ging. Durch die Sonne hatte das Wasser einen wunderschönen Glanz. Die Kirschblütenbäume auf der rechten Seite konnten zwar zu dieser Zeit ihre vollständige Pracht nicht zeigen, dennoch hielt Ran es für einen wunderschönen Ort, der im Übrigen auch eine besondere Erinnerung mit sich trug.

Es war ihr alter Schulweg zur Mittelschule.

Ein Lächeln umspielte Rans Lippen, als sie diese Erinnerung zurück in ihr Gedächtnis rief. Damals hatte sie sich – wie schon so oft – wegen einer belanglosen Sache mit Shinichi gestritten und sie hatten daraufhin eine Woche nicht mehr miteinander geredet. Wenn Ran jetzt darüber nachdachte, kam ihr der Grund ihres Streits so kindisch vor. Sie kicherte leise.

Und dann eines Tages, als sie, trotz ihrer Auseinandersetzung, gemeinsam nach Hause liefen, ertönte dieses wunderschöne Lied, welches mit Sicherheit jedes Herz berühren könnte. Schließlich geschah es auch bei Shinichi und ihr.

Amazing Grace.

‚In Amazing Grace geht es um Gnade und um Vergebung. ‘, hatte damals die berühmte Opernsängerin Reiko, welche auch damals das Lied gesungen hatte, gesagt.

Gnade … und Vergebung.

Stimmt, Shinichi und sie hatte sich beim Erklingen dieses Liedes wieder versöhnt.

Ran trat auf das Gras bis hin zum Flussrand und hockte sich im Schneidersitz auf den Boden. Gedankenversunken starrte sie auf das glitzernde Wasser und stellte sich innerlich eine Frage.

Wie würde die Welt heute aussehen, wenn es solche Dinge wie Gnade und Vergebung überhaupt nicht geben würde?

Würde sie überhaupt noch existieren? Ist eine Welt ohne Vergebung überhaupt denkbar?

Ran strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ohne Vergebung … würden keine Beziehungen mehr bestehen können. Dinge wie Krieg und Gewalt hätten eine ganz neue Bedeutung. Die Menschen könnten dann auf keiner Weise mehr in Harmonie zusammenleben. Schmerz, Wut und Hass würden unaufhörlich im Herzen verharren.

Wie sah das nun in ihrem Leben aus?

Shinichi und Ran würde es zusammen nicht mehr geben, das wusste sie und an so etwas zu denken, schmerzte sehr. Alleine wenn sie an die Geschichte mit Conan dachte…

Im nächsten Moment formte sich in ihrem Kopf ein Bild von ihren Eltern und ihr wurde klar, dass sie es ihnen bis zum heutigen Tage nicht so richtig verziehen hatte, dass sie sich getrennt hatten.

Sie kam zu dem Schluss, dass Gnade und Vergebung so wichtig waren wie die Luft zum Atmen. Ohne diese beiden Dinge wäre die Welt schon längst verloren.

Diese Erkenntnis berührte Rans Herz und ihr stiegen Tränen in die Augen.

Wir wären verloren.

Das Geräusch der Vibration ihres Handys ließ sie aus ihrer Versunkenheit hochschrecken. Hastig fischte sie es aus ihrer Tasche und schaute auf die Anzeige. Daraufhin kam Freude in ihr auf. Sie wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht und nahm den Anruf entgegen.

„Mister Holmes, wie kann ich Ihnen helfen?“, sagte sie theatralisch, um die Folgen ihrer Gedankengänge zu verbergen.

Aber wollte sie das nicht seinlassen?

„Sehr witzig.“, grummelte der Oberschülerdetektiv daraufhin.

„Tut mir Leid, war nicht so gemeint. Aber warum rufst du an?“

„Um zu erfahren wo du bist?“

„Warum willst du das denn wissen?“, fragte Ran verwirrt.

„Na, weil ich gerade vor deiner Haustüre stehe und niemand so höflich ist, mir die Tür zu öffnen.“

„Du bist bei mir Zuhause? Was willst du denn da?“

„Naja … ich wollte eigentlich nur mit dir spazieren gehen.“

„Wirklich?“ Ran wurde misstrauisch. Das war nicht so ganz sein Stil.

„Sonst würde ich ja wohl kaum bis zu dir laufen.“, war seine Antwort.

„Tja…allerdings habe ich das, was du vorhast bereits in die Tat umgesetzt.“

„Dann sag mir doch einfach wo du bist, dann komme ich nach.“

Ran wollte ihm das gerade noch mit Vergnügen verraten, als ihr plötzlich eine Idee kam…

„Nein“, sagte sie und grinste.

„Was? Wieso denn nicht?“ Er war sichtlich verwirrt.

„Weil du es selber herausfinden sollst.“

„Warum das?“

„Na, weil ich es sage. Du willst doch mit mir spazieren gehen, oder?“

„Ran, ich bitte dich. Es ist Sonntag, ein Ruhetag!“, bettelte er.

„Also gut, einen Hinweis kann ich dir geben.“ Sie musste kichern.

Shinichi seufzte genervt.

„Ich höre?“

Ran sah sich kurz um und überlegte. Doch sie hatte schnell das passende Schlagwort.

„Amazing grace.“, flüsterte sie.

„Amazing grace?“

„Ja, genau. Ich wünsche viel Erfolg, Herr Detektiv!“, waren ihre letzten Worte, als sie den Hörer vom Ohr nahm.

„Ran, warte!“, hörte sie noch seine Stimme, aber sie hatte bereits aufgelegt.

Er wird sie finden, das wusste sie. Ran vertraute voll und ganz auf seine detektivischen Fähigkeiten. Und auf die Verbindung zwischen ihnen.
 

„Amazing grace…“ wiederholte sie nachdenklich und ließ sich nach hinten ins Gras fallen. Während sie den kleinen weißen Wolken beim Schweben zusah, fing sie an, das Lied vor sich hin zu summen. Ein tiefer Frieden erfüllte ihr Herz.

Vielleicht war es jetzt an der Zeit, ihren Eltern zu vergeben. Genauso wie sie Shinichi vergeben hatte. Es passierten wohl einfach Dinge, die nicht einfach zu verkraften waren und ihre Trennung gehörte dazu. Doch ohne Vergebung würden wir auf dieser Welt nicht weiterkommen, das war eine unumstößliche Tatsache.

Und im Sinne der vergangenen Ereignisse gab es noch eine Person, die Vergebung brauchte.

Und zwar sie selbst.

Das war ihr bei Shinichis Worten klargeworden.

‚Versuch das einfach zu vergessen und sieh nach vorn!‘

Zwar hatte er nicht direkt davon gesprochen, aber sie wusste, dass Shinichi das ebenfalls damit meinte. Er wollte, dass sie sich selber vergab. Ran tat es für ihn, für all die anderen Menschen, die sie liebte und für sich selbst.

Ja, so sollte es sein.

Mit erneuten Tränen in den Augen und einem Lächeln im Gesicht ließ sie den Zauber des Liedes in ihr Herz.
 

Mama, Paps, ich vergebe euch.

Shinichi, ich vergebe dir.
 

Im nächsten Augenblick hatte sie auch sich selbst vergeben.
 

Der tiefe Friede erfüllte ihre Seele und brachte sie fast zum Weinen. Sie schloss die Augen und hielt den Moment für eine Weile fest...
 

Ran nahm nicht mehr wahr, wie sich nach einiger Zeit jemand mit langsamen Schritten ihr näherte. Sie nahm auch nicht mehr wahr, wie sich dieser Jemand leise neben sie ins Gras setzte und sie mit einem liebevollen Lächeln beobachtete. Denn sie war bereits eingeschlafen.
 

_________________________________________________________________________________
 

Sodele. Ich meld mich mal zur Abwechslung am Schluss des Kapitels, denn dieses ist ... wie soll ich sagen ... das letzte richtige Kapitel :D

Die Geschichte hat hier quasi das offizielle Ende, aber es wird trotzden noch ein weiteres - eine Art Special - geben. Dazu will ich verraten, dass das nächste Special-Kapitel dem Genre Romantik treu sein wird ;) Denn im Grunde genommen geht es in der ganzen Geschichte nicht so direkt um die Liebesgeschichte von Ran und Shinichi, wie man sicher bemerkt hat :) Fals ich damit ein paar von euch entäuscht haben sollte, hoffe ich, dass ich das mit dem folgenden S-Kapitel wieder gut machen kann o.o
 

Und wenn ich schon dabei bin, möchte ich mich einmal herzlich bei den Kommentarschreibern bedanken, denn ihr habt mir zum Teil die Motivation zum Schreiben gegeben. Ich bin ganz erstaunt, dass ich wirklich bis zum Ende durchgehalten habe :O Meine erste richtige Story *gg*

DANKESCHÖN! *Herz*

Natürlich danke ich auch allen Lesern von deren Existenz ich leider nichts weiß. :)

DANKESCHÖN!
 

Wie vielleicht der eine oder andere mitbekommen hat, habe ich schon ein neues Projekt angefangen --> "Aftermath"

Doch bevor ich damit weitermache, wollte ich unbedingt noch diese FF fertigbekommen. Ist ja fast geschafft :>
 

Also, nochmals vielen Dank fürs lesen und vielleicht hört bzw. liest man ja noch von einander ;)
 

Liebe Grüße

Lyn
 

PS: Hier lohnt es sich "Amazing Grace" Von Chris Tomlin anzuhören. ;) Meine Empfehlung

Tränen der Gewissheit

Huhu!

Leute, ihr habt es geschafft. Das ist nun das engültig letzte Kapitel! Und es ist verglichen mit den anderen Kapiteln ziemlich lange geworden :'D

Eins möchte ich euch noch mitgeben: Ich hab vorher noch nie auf irgendeine Art und Weise Romantik in Geschichten fabriziert, deswegen ist es mir echt schwer gefallen. *seufz*

Aber dann hab ich einfach mal versucht Shinichis und Rans typischen Verhaltensweisen als Hilfe zu benutzen. Joa ... dann ging es schon besser ^^

So, ich würde sagen ihr lest es selbst und überzeugt euch.
 

Ich wünsche ganz viel Spaß :) *schnief* das letzte Kapitel *schnief*
 

Grüßle <3

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Tränen der Gewissheit
 


 

Voller Verwirrung öffnete Ran die Augen. Da sie nicht mehr so recht wusste wo sie sich befand, erschrak sie zunächst, als sie plötzlich den strahlend blauen Himmel vor sich sah und eine sanfte Brise ihren Körper streifte. Doch der Schreck verflog so schnell wie er gekommen war, denn noch immer spürte sie diese tiefe Harmonie, die sich sanft um ihr Herz gelegt hatte und Ran konnte sich wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie am Fluss lag.

Sie war definitiv eingeschlafen.

Schlaftrunken drehte sie sich auf die Seite. Jedoch missfiel ihr diese Entscheidung schnell, da ihr aus unerklärlichen Gründen die Sicht versperrt wurde. Was sollte das?

Neugierig und wieder ein wenig erschrocken drehte sie ihren Kopf nach oben und blickte zu ihrer Verwirrung in ein Gesicht, das ihr Herz schon seit einiger Zeit zum Rasen brachte.

Sie musste wohl noch immer träumen. Anders konnte sie sich das nicht erklären.

„Gut geschlafen?“ Shinichi grinste auf sie herab.

Skeptisch musterte Ran ihn genau. Es war für sie ein Rätsel, dass Shinichi auf einmal neben ihr saß. Seine Erscheinung brachte sie völlig aus dem Konzept.

„Ist das hier ein Traum?“, rutschte es aus ihr heraus. Sie musste widerwillig zugeben, dass sie sich dessen wirklich nicht mehr sicher war.

Shinichi runzelte darauf kurz die Stirn und machte sich im nächsten Moment über sie lustig.

„Überzeug dich doch selbst vom Gegenteil.“, lachte er und erkannte nicht, wie ernst Ran es meinte.

Sie gewöhnte sich wohl nie an diese Wiedersehen mit ihm; sie raubten ihr immer wieder den Atem und machten ihr auf eine besondere Art und Weise bewusst, wie sehr sie Shinichi liebte.

Auch wenn sie ihn vielleicht nur im Traum sah.

Langsam streckte sie die Hand nach ihm aus und berührte seine Wange. Deutlich spürte sie seine Körperwärme. Ja, es war wirklich kein Traum.

Shinichis Lächeln verstarb und er setzte eine undefinierbare Miene auf, als er ihre Hand auf seinem Gesicht spürte. Die Wärme dort nahm nun deutlich an Intensität zu.

Da Ran nun wusste, dass sie wach war und nicht träumte, wurde ihr allmählich immer mehr bewusst, in was für einer Situation sie sich gerade befand.

Schnell zog sie ihre Hand zurück und setzte sich peinlich berührt auf. Die Röte war ihr ins Gesicht gestiegen. Warum musste er sie auch in so einem Moment sehen?

Nun ja, nachdem Shinichi sie schon betrunken erlebt hatte, war er wohl bereits schlimmeres von ihr gewohnt. Dieser Gedanke tröstete sie, wenn auch nur gering.

„Und? Zu welchem Schluss bist du nun gekommen?“, fragte er sie belustigt.

Ran schnitt ihm eine Grimasse.

„Verrate mir lieber einmal wie du mich gefunden hast?“

„Dank deines Hinweises war es offenkundig. Es gibt nicht sehr viele Orte, die du mit „Amazing grace“ verbinden würdest. Außerdem hab ich, als wir telefoniert haben, keine lauten Geräusche im Hintergrund gehört. Es konnte also nur dieser Ort hier sein.“

„Das ist alles?“

„Nein.“

Ran schaute ihn darauf fragend und erwartungsvoll an. Er wendete verlegen den Blick ab und starrte auf seine Hände.

„Ehrlich gesagt… habe ich mich hauptsächlich auf mein Gefühl verlassen. Irgendwie …wusste ich es einfach.“

Sie spürte wie ihr Gesicht an Röte zunahm. Was er da sagte, hatte wirklich wenig mit detektivischen Fähigkeiten zu tun.

„Ach so…“, flüsterte sie und schaute, ebenfalls verlegen, in Richtung des Flusses.

Schweigen.

Es war zwar nun wirklich wieder alles beim Alten, aber das brachte leider auch die Tatsache wieder zurück, dass Ran sich nicht sicher war, wie sie mit Shinichi nun umgehen sollte. Dass ihr Band der Freundschaft stark war, war durch die vergangenen Ereignisse definitiv unter Beweis gestellt worden, keine Frage. Aber Freundschaft allein war nicht ihre einzige Empfindung…

Ran schüttelte heftig den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. So durfte es bloß nicht beginnen.

Shinichi nahm die plötzliche Bewegung wahr und schaute in ihre Richtung.

„Was ist los?“

„Was … ach, nichts! Ich hab nur über etwas nachgedacht. Nichts Besonderes.“, stammelte Ran und fühlte sich ertappt. Warum musste sie auch so auffällig denken?

Shinichi schien diese Antwort zu reichen, denn er ging nicht weiter darauf ein. Es folgte erneut ein langes Schweigen.

Warum… sagt er denn nichts?

Allmählich erschlich sie das Gefühl, dass irgendetwas mit ihm nicht stimmte. Bis vor kurzem konnten sie noch vollkommen frei und locker miteinander reden und jetzt…?

Jetzt schien etwas mit ihm zu sein.

Vorsichtig ließ sie ihren Blick zu ihm wandern. Shinichi schaute abwesend in die Ferne. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein.

Einerseits wollte Ran ihn nicht aus seinem Zustand reißen, andererseits machte sie sich Sorgen. Wenn sie nicht den inneren Konflikt in seinem verträumten Gesicht sehen würde, hätte sie ihn lachend und ohne Hemmungen wieder an die Oberfläche gebracht. Aber…

Sie streckte ihre Hand aus und berührte ihn so sanft wie möglich an der Schulter.

„Shinichi?“

Tatsächlich regte er sich und drehte den Kopf langsam zu ihr. Seine Miene jedoch veränderte sich nur gering.

„Hm...?“

„Hast du etwas?“, fragte sie ihn leise.

Lange schaute er ihr in die Augen und machte keine Anstalten, ihre Frage zu beantworten. Doch in diesem Moment war das auch nicht weiter schlimm, denn Ran wurde auf eine ganz sanfte Art und Weise davon abgelenkt, allein dadurch, dass sie in sein Gesicht blickte. Es blieb für sie unbeantwortet, wie es zu dieser Situation kommen konnte und dennoch war es ihr egal.

Shinichi sah sie an, einfach nur an. Und sie schaute zu ihm zurück. Alle anderen Dinge, die um sie herum waren und sie beschäftigten, hatten beide scheinbar vollkommen vergessen.

Er lächelte nicht. Und trotzdem strahlte sein Gesicht eine so wunderbare Wärme aus, die Rans Herz zum Pochen brachte. Ihr gesamter Körper schien auf seinen Blick, der auf ihr ruhte, zu reagieren und die vielen Schmetterlinge in ihrem Bauch breiteten sich in alle Richtung aus, bis hin zum hintersten Winkel.

Und als wäre sie gelähmt, war sie nicht in der Lage den Blick abzuwenden. Die Hitze in ihrem Gesicht wurde immer intensiver, genauso wie das brennende Verlangen, ihm näherzukommen, ihm über die Wange zu streichen…

Wie konnte das gerade nur passieren?

Sie wusste es nicht.

Ran verlor sich immer mehr in den unendlichen Tiefen seiner blauen Augen, die immer glühender auf sie herabschauten. Die Aura, die er im Moment versprühte, brachte sie innerlich zum Schweben.

Sie bemerkte erst sehr spät, wie nahe sie sich eigentlich gekommen waren und für einen Augenblick saß ihr der Schreck in den Gliedern. Hatte er sich genähert? Oder sie selber? Oder beide?

In den letzten Sekunden hatte sich ihr Atem deutlich beschleunigt, auf Grund ihrer überschäumenden Gefühle für ihn. Allein seine Nähe brachte sie völlig aus der Fassung. Ran entging es nicht, dass Shinichis Atem ebenfalls zur Unregelmäßigkeit tendierte. Unverkennbar spürte sie ihn auf ihrem Gesicht.

Warum war Shinichi denn plötzlich so außer Puste?

„Es ist nichts.“, sagte er auf einmal nachdem er eine Menge Atem geschöpft hatte.

Sein Blick wanderte nach unten und es sah so aus als würde er ihre Lippen mustern. Ran erstarrte, doch dann entfernte sich sein Gesicht von ihrem und er richtete sich gen Himmel. Ein unergründlicher Ausdruck lag in seinen Augen.

Ran hatte sich währenddessen nicht bewegt und sein Tun voller Perplexität verfolgt. Beinahe hätte sie nicht mehr gewusst was sie ihn gefragt hatte.

„O.k.…“, hauchte sie unsicher.

Was war das…?

Da Shinichi nicht mehr zu reagieren schien, drehte auch sie ganz langsam wieder ihren Kopf Richtung Fluss und auch ihre Hand fand wieder ihren Platz auf ihrem Schenkel. Noch immer hämmerte ihr Herz gegen ihren Brustkorb und noch immer spürte sie ihre überquellenden Empfindungen, die jedoch, dank seiner Reaktion, allmählich wieder in ihre Schranken gewiesen wurden. Zurück blieb dichter Nebel der Verwirrung und Unsicherheit.

Diese elektrisierende Stimmung eben hatte ihr verdeutlicht, dass es noch etwas gab, das geklärt werden musste. Und bis vor kurzem hatte sie dafür noch den Mut gehabt, aber jetzt brachte sein seltsames Verhalten sie völlig aus der Bahn.

Es war unentbehrlich, dass Rans Gefühle für ihn enorm stark waren und nun ärgerte es sie bis aufs Tiefste, dass es dieses eine Problem noch immer in ihrem Alltag gab. Dieses eine Problem oder diese eine Frage, welche sie in der Zeit ihrer Krise zum Teil in den Hintergrund geschoben hatte. Das, was die Stimmung zwischen ihnen immer in eine ungemütliche Richtung lenkte.

Was genau empfand Shinichi eigentlich für sie?

Ran seufzte verzweifelt, aber so leise, dass man es kaum hörte.

So viele Dinge sprachen dafür, dass er für sie mehr als Freundschaft empfand, doch genauso viele Dinge hoben diese wiederrum auf. Aber was war denn nun die Wahrheit?

Sie wusste ganz genau wie sie dies in Erfahrung bringen konnte, dennoch wollte sie es sich nicht eingestehen. Ihre Furcht davor war stärker.

Und wenn sie ihn nun einfach fragen würde? Wenn sie einfach ihre Ängste ablegen und diesen schmalen Weg gehen würde? Was passierte dann?

In dem Fall schienen ihr Herz und ihr Verstand nicht im Einklang zu sein, wie schon so oft.

Sie riskierte einen weiteren Blick zu Shinichi. Völlig überrascht darüber was sie da sah, runzelte sie die Stirn.

So wie er aussah hätte man meinen können, er würde gerade dasselbe denken wie sie. Aber…

Moment mal … wusste er nicht schon Bescheid?

Ran erschrak.

Hatte er nicht bereits Kenntnis über ihre Gefühle für ihn? Ja, als Conan hatte er alles erfahren. Er wusste definitiv Bescheid. Aber warum sagte er dann nichts…?

Jetzt kam sich Ran noch lächerlicher vor. Sie hatten sich doch erst vor kurzem wieder vertragen, sie empfanden doch beide etwas füreinander! Wieso nur, war es so furchtbar schwer darüber zu reden? Warum konnten sie nicht einmal den leichten Weg gehen?

Als sie in ihrem Inneren die Antwort hörte, sackte sie in sich zusammen.

Weil du schreckliche Angst davor hast.

Angst, dass sie Shinichi dadurch verlieren könnte, dass ihre Freundschaft dahin wäre und sie sich nicht mehr richtig in die Augen sehen könnten. Und auch vor dem Schmerz. Es würde wie ein Keil zwischen ihnen stehen…

Ran biss sich auf die Lippe, als ihr Tränen der Angst und Verzweiflung über die Wange rollten, doch nur solange bis sie reflexartig über ihr Gesicht strich, um zu verhindern, dass ihre Gefühle an die Oberfläche drangen. So richtig gelang ihr das jedoch nicht. Leider.

Was nun…? Wie soll es weitergehen!?

„Ran.“

Blitzartig drehte sie sich zur Seite und vergaß für den Moment, ihre Maske aufzusetzen.

Shinichi blickte sie mit ernster Miene an, musterte ihr Gesicht und entdeckte mit ziemlicher Sicherheit die Spuren ihrer Tränen.

„Warum weinst du?“, fragte er sie.

Ran starrte ihn nur an, unfähig zu antworten. Stumme Tränen bahnten sich einen Weg über ihre Wangen ohne ein Ende zu finden. Das war wohl der Preis ihrer kleinen Unachtsamkeit. Spätestens jetzt würde er es verstehen.

„Was könnte dich jetzt noch zum Weinen bringen?“ Seine Miene blieb unverändert. Doch seine Stimme klang noch ein wenig sanfter.

Ran entwich ein leiser Schluchzer. Shinichis Blick hielt sie dennoch stand.

„Weißt du das denn nicht?“, entgegnete sie mit zittriger Stimme und hätte die Worte am liebsten wieder zurückgenommen. Ihr Herz war jedoch anderer Meinung.

Shinichi runzelte leicht die Stirn und wusste scheinbar nicht wovon sie sprach, was Ran nur noch mehr zum Weinen brachte.

Sein Gesicht bekam nun einen gequälten Ausdruck.

„Bitte, hör doch auf zu weinen.“, flehte er plötzlich, und schien mit ihr überfordert zu sein.

Aber Ran schüttelte nur den Kopf.

„Es geht nicht.“, sagte sie mit versagender Stimme und der stärker werdende Tränenfluss verdeutlichte ihre Worte.

„Warum nicht?“, fragte er, wieder mit ruhiger und ernster Stimme.

„Weil ich Angst habe.“, schluchzte sie und wusste, dass der Damm gerade brach.

„Angst? Wovor denn?“

„Vor dem, was passieren wird.“

„Was wird denn passieren?“

Ran wendete den Blick ab und versuchte einen einigermaßen gleichmäßigen Rhythmus in ihre Atmung zu bekommen.

„Shinichi…“, flüsterte sie und schaute wieder zu ihm auf, „Bitte, sag es mir.“

Ohne zu antworten, starrte er zu ihr zurück. Sie sah förmlich wie er versuchte, ihren Worten einen Sinn zuzuordnen. Aber sie wagte es einfach nicht, noch deutlicher zu werden.

Ran wollte ihm näherkommen und trotzdem hielt sie lieber Abstand. Es war als würde sie jemand zu ihm nach vorne drücken und dann wieder zurückziehen, wie ein ewiges hin und her.

Als ihre Tränen noch immer kein Ende fanden und ihr Körper schon von den Schluchzern zitterte, wurde in Shinichi plötzlich ein Schalter umgelegt. Wütend entwich ihm ein starker Seufzer.

„Du bist so mühsam.“

Dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände und zog es sachte zu sich her. Vorsichtig lehnte er seine Stirn an ihre und strich ihr sanft über die Wangen, um sie zu trocknen.

„So schrecklich mühsam.“, wiederholte er flüsternd.

Kurz versiegte er damit ihre Tränen und Ran wagte kaum zu glauben, was gerade passierte. Ihr Herz machte einen Satz und sie hielt den Atem an, als sie seine Wärme und seinen Atem auf dem Gesicht spürte.

Seine Hände glitten sachte zu ihren Schultern hinab, sodass Ran den Halt an ihrem Kopf verlor und sie sich noch näher waren. Ohne, dass sie sich dessen bewusst war, wuchs ihr Verlangen nach ihm.

Ran schloss die Augen und genoss diesen unglaubwürdigen Moment. Den Kopf voller zusammenhangslosen Gedanken, gab sie sich Shinichi hin, vertraute ihm…

Sanft berührten sich ihre Nasenspitzen und dann, als Ran fast den Verstand verlor, legte er seine Lippen auf ihre.

Ihr blieb für einen Moment die Luft weg. Aber Ran ließ ihn gewähren.

Mit einer unglaublichen Zärtlichkeit schmiegte er seine Lippen an ihre und übte nach einigen Sekunden Druck auf ihren Schultern aus. Ran wurde von ihm nach hinten gedrückt, sodass sie irgendwann weiches Grass unter sich spürte. Dabei hatten sie sich nicht eine Sekunde voneinander gelöst.

Shinichi hatte ihre Schultern losgelassen und stützte sich nun rechts und links von ihr ab. Sie war ihm nun völlig ausgeliefert. Nicht einmal ihr Karate hätte ihr jetzt helfen können.

Ein paar Augenblicke harmonierten ihre Lippen noch auf einander, als sich Shinichi plötzlich von ihr löste.

„Ran, ich kann es wirklich nicht mehr sehen!“, sagte er keuchend und Ran starrte ihn erschrocken an. Auch sie rang nach Luft.

„Ich dachte mit der Heulerei wäre jetzt endgültig Schluss. Wieso fängst du jetzt schon wieder damit an? Weißt du eigentlich wie schlimm es ist, dich so zu sehen?!“

Sie wusste, dass das eine rhetorische Frage war, aber ihr wäre es jetzt ohnehin nicht möglich zu sprechen. Der Schreck über seinen Ausbruch saß noch zu tief.

„Immer … und immer wieder muss ich es sehen. Weißt du wie schrecklich es war, als ich es als Conan immer wieder mitansehen musste, wenn du wegen mir geweint hast und ich so gut wie nichts dagegen tun konnte!? Selbst heute kämpfe ich noch mit den Schuldgefühlen, weil ich dir so viel Leid zugefügt habe … verdammt.“

Mit einem gequälten Gesichtsausdruck gab er sie wieder frei und setzte sich neben sie. Ran blieb am Boden und starrte mit leeren Blick in die Ferne. Fast wären ihr wieder die Tränen gekommen, doch sie hielt sie mit aller Kraft zurück. Denn jetzt wusste sie, dass sie damit nichts Gutes mehr anrichtete. Sie hatte das Gefühl, dass dieser Kuss eben nicht nur eine gute Seite hatte. Und die Kehrseite nahm gerade den größten Platz in ihr ein und dadurch verdrängte sie die Tatsache, dass er sie überhaupt geküsst hatte.

Ihr war so einiges klar geworden.

Shinichi litt furchtbar unter ihren Tränen. Das hatte er ihr nun verdeutlich. Und nun schlichen sich grausame Schuldgefühle in ihr ein. Deswegen hatte er wahrscheinlich auch so geschaut. Was war sie nur für eine egoistische Kuh? Sie hatte schon wieder nicht daran gedacht, dass sie Andere mit ihren Taten verletzten konnte.

Aber sie hätte niemals erwartet, dass er so weit gehen würde.

„Es tut mir leid.“, sagte sie kleinlaut.

Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Shinichi auf sie herabsah, mied jedoch aus Angst seinen Blick.

Sie fühlte sich so mies.

Er seufzte leise.

„Nein, das braucht es nicht.“

„Doch.“, erwiderte sie leise.

„Nein, aber ich will, dass du mir etwas versprichst.“, sagte er bestimmt.

Ran schaute ihn darauf in die Augen und richtete sich langsam auf. Mit ein wenig Zuversicht im Herzen setzte sie sich dicht neben ihn und hielt weiterhin seinem Blick stand.

„Alles.“, war ihre Antwort und sie war ehrlich.

Shinichis Blick war erneut sehr ernst.

„Versprich mir, dass du in Zukunft wieder mehr lachen wirst.“, bat er sie und strich ihr dann sanft mehrmals über ihre Haare.

Seine Berührung ließ Ran erröten. Er konnte so ernst bleiben und gleichzeitig so wunderbar sanft sein…

„Versprochen?“, holte er sie wieder in die Gegenwart zurück.

Ran nickte leicht.

„Ich werde es versuchen.“, sagte sie und verlieh ihren Worten mit einem leichten Lächeln Ausdruck.

Ich werde lächeln. Und zwar allein wegen dir.

Shinichis Lippen umspielte nun ebenfalls ein sanftes Lächeln, was einen Hauch von Erleichterung ausstrahlte.

„Gut.“, flüsterte er ihr zu und erneut legte er seine Lippen auf ihre.

Doch dieses Mal weinte Ran nicht mehr, denn es war nicht mehr von Notwendigkeit. Ohne direkte Worte wussten beide nun Bescheid.
 

Und die Tränen der Gewissheit waren bereits vergossen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (49)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Salada
2014-01-24T21:25:20+00:00 24.01.2014 22:25
super!!! So wie du rans gefühle beschrieben hast und generell die ganze Story ( es geht mal nicht um die scharze organisation oder irgendeinen fall ) find ich einfach nur klasse!!! weiter so!!
Von:  Einzelfall
2012-05-26T00:35:14+00:00 26.05.2012 02:35
zu kap 17: mir gefällt dieses S-kapitel
wirklich gut du hast alle gefühle
ml wieder einfach super getroffen
glg iduna
Von:  Einzelfall
2012-05-26T00:19:08+00:00 26.05.2012 02:19
Hammer Hammer Hammer
deine FF ist sooo toolll *_*
du schreibst sooo gut
hast du noch mehr storys geschrieben?
lg animegirl
Von:  Einzelfall
2012-05-25T22:35:27+00:00 26.05.2012 00:35
Hammer Hammer Hammer
du schreibst so hammer
die gefühle von Ran beschreibst du einfach
wundervoll ich lese sofort weiter
klasse arbeit
lg. iduna

Von:  MioAkiyama
2011-10-29T22:36:16+00:00 30.10.2011 00:36
Hey :)
Ich hab deine FF heute komplett gelesen und ich muss sagen, dass sie mir wirklich gut gefallen hat.
Mach weiter so!

LG, Mio.
Von: abgemeldet
2011-09-21T07:55:22+00:00 21.09.2011 09:55
Huhu, ich freue mich auf das s-chap. Ansonsten hätte ich mich wegen dem Ende beschwert xD. Ran und Shinichi müssen einfach zusammenkommen. <3
Wie immer toll geschrieben. Den Song finde ich auch toll. Schön, dass er in deiner FF Erwähnung gefunden hat. :)
Bis zum inoffiziellen letzten Chap. ;)
Bitte lass uns diesmal nicht so lang warten. :)
LG

Von:  -Ciel_Phantomhive-
2011-09-21T01:39:16+00:00 21.09.2011 03:39
supi Kappi X3
ich liebte deine story so QQ und finde schade das sie nun vorbei ist >x< daher wäre ich happy wenn ich lesen dürfte wegen des Specials X3 wäre cool wenn du mich vill. kontaktieren könntest wenn es so weit ist ^^
wäre echt happy :)

Lg. -Ciel_Phantomhive-
Von:  -Ciel_Phantomhive-
2011-08-30T09:12:37+00:00 30.08.2011 11:12
wie toll ^^
is es ja immer ;)
und endlich geht es Ran besser X3
es freut mich sehr das sie wieder die alte ist :)
schade des es schon des vorletzte Kappi is :(
aber dennoch mag i die Story so *-*
bin gespannt auf das letzte <3

Lg.
Von:  -Ciel_Phantomhive-
2011-07-27T12:40:13+00:00 27.07.2011 14:40
OMG!!!! endlich ham dich sich wenigstens mal umarmt >_< das is voll toll :D
un jetz bin i aber gespannt was er ihr noch zu sagen hat *_______________*
echt total toll wie du Gefühle beschreiben kannst un alles....
*dich beneid*
bin jedenfalss wieder gespannt wie es weiter geht <3333
schreibe schnell weiter X3
*hibbl*

Lg. -Ciel_Phantomhive-
Von: abgemeldet
2011-07-25T20:10:43+00:00 25.07.2011 22:10
Huhu :)
Wieder toll geschrieben. Du hast Rans Gefühle überzeugend beschrieben. Dein Schreibstil ist toll und du wirst immer besser.
In jedem Kapitel kann man eine Steigerung festmachen.
Weiter so! :)
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.



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