„Dein Bruder ist und bleibt ein arroganter Schnösel.“ Jaden war aufgebracht und schmollte. Sein bester Freund Syrus konnte nur neben ihm herlaufen und ein sehr leises: „Ja ich weiß“, von sich geben.
Das ausgerechnet sein Bruder einer der, oder vielleicht DER größte Rivale seines besten Freundes war, machte es nicht gerade leichter mit der Situation umzugehen. Im Gegenteil…
Manchmal hatte Syrus das Gefühl dass Jaden nicht nur sauer auf Zane war, sondern auch gleich auch auf ihn. Auch wenn er das nicht zugab. Die Unsicherheit blieb dennoch bestehen.
„Also echt“ Jaden war noch nicht fertig mit motzen. „Da kann er noch so oft sagen dass er keine Lust hat sich mit mir zu duellieren. Ich sage…er hat Angst.“
„Angst?“ Syrus sah ihn überrascht an, zuckte dann aber mit den Schultern und schob seine Brille etwas höher auf seine Nase, da sie vorhin leicht verrutscht war.
„Ja! Angst! Er ist feige weil er Angst hat zu verlieren. Pha! Mr. >Ich- bin-der-beste-von allen<“ Jaden strich sich gereizt durch sein braunes Haar. „Ich sage, er ist feige und will seinen Ruf nicht verlieren.“
Was sollte der Kleinere der beiden jetzt noch dazu sagen? Jaden war sein bester Freund. Ein toller Kumpel, aber wenn er such etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann blieb das auch dort. Daran war nichts zu ändern.
Langsam drehte sich Syrus noch einmal um und sah zurück zu dem Fleckchen im Park wo sich Zane aufgehalten hatte, und Jaden seine Abfuhr erhielt.
Wie gerne wäre er selbst mehr wie sein großer Bruder gewesen. Groß, cool, ein ausgezeichneter Duellant, und niemals schüchtern oder verlegen.
Er seufzte und folgte dem weiterhin schimpfenden Jaden zurück in ihre Unterkunft.
Derweil stand Zane noch immer unter dem Ahornbaum, wo er gesessen hatte um zu lernen, ehe ihn diese Bengel gestört hatten.
Nun gut...Bengel war vielleicht das falsche Wort dafür. Zumindest einer der beiden war immerhin sein Bruder. Der andere…
„Jaden Yuki“, ertönte eine genervte Stimme hinter ihm und Zane musste sich nicht umdrehen um Chazz zu erkennen. „Der Kerl kriegt den Hals einfach nicht voll. Zum kotzen der Typ.“
Über das ansonsten strenge Gesicht Zanes huschte nun ein beinahe amüsiertes Lächeln. „Eifersüchtig?“, fragte er mit dem gewissen Unterton, der den dunkelhaarigen Jungen hinter sich noch weiter auf die Palme brachte.
„Auf den?“, fragte er beleidigt. „Nicht in hundert Jahren. Nicht mit seinem Deck und seiner großen Klappe.“
„Warum regst du dich dann so auf Chazz? Wenn du dir doch so sicher bist?“
Darauf wusste der andere junge Mann keine Antwort. Zumindest nicht schnell genug, so das Zane dessen Sprachlosigkeit ausnutzte, sein Buch zuklappte und einfach weiterging ohne weiter auf den anderen einzugehen.
Ein Weilchen schlendert er durch den –der Akademie naheliegenden- Wald und dachte über Jaden nach.
Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann musste er sich eingestehen dass der Kleine ihn reizte. Auf eine Art und Weise, die er nicht verstand, ihn aber auch nicht losließ. Schon von seinem ersten Tag an, als Jaden die Akademie betrat, übte er einen gewissen Reiz auf den älteren Schüler aus, den dieser sich einfach nicht hatte erklären können. Damals nicht, und jetzt schon gar nicht.
Irgendwie war es zum aus der Haut fahren. Besonders da er kein normales Wort mit Jaden sprechen konnte, ohne dabei in sein eigenes Muster zu fallen, welches er sich –im Laufe der Jahre- angeeignet hatte.
Es diente als eine Art Selbstschutz, und hielt lästige Speichellecker und unfähige Duellanten von ihm fern. Es klappte bei fast jedem. Nur eben nicht bei Jaden Yuki!
Er seufzte und strich sich über die Augen, die er kurz geschlossen hatte um besser nachdenken zu können. Aber er kam zu keinem vernünftigen Schluss.
Jaden war ihm nicht unsympathisch. Er war nur ein wenig aufdringlich und laut. Er war im schwächsten Haus untergebracht, auch wenn er mehr drauf hatte, und dort nur war, um bei seinen Freunden zu bleiben, zu denen auch Syrus, sein kleiner Bruder gehörte, welcher anscheinend viel von Jaden hielt, und in dessen Gegenwart er bereits besser geworden war als zu Beginn des Schuljahres.
Der Kleine hatte normalerweise keine schlechte Menschenkenntnis, und wenn Jaden zu seinen Freunden gehörte, vielleicht konnte er auch zu seinen gehören?
Nein! Was dachte er denn da? Das ging auf keinen Fall. Es würde sein Ansehen und seinen Ruf ruinieren. Er würde bleiben wie er war und er würde einfach vergessen dass er ständig um ein Duell bettelte, auf das Zane keine Lust hatte.
Am Abend, nein, es war schon spät in die Nacht hinein, lag Jaden noch wach in seinem Bett und starrte hoch an die Decke.
Seine Mitbewohner schliefen schon tief und fest und schnarchten sogar dabei. Allein dadurch war an schlafen nicht zu denken. Abgesehen davon, das ihn andere Dinge wach hielten.
Zane!
Nicht nur das er der beste Duellant der Akademie war, er war auch noch groß, gutaussehend, cool, clever…
„Reiß dich mal zusammen Jaden“, knurrte er zu sich selbst, „Du führst dich ja auf wie ein liebeskrankes Mädchen.“
Er drehte sich zur Seite und schloss die Augen. Doch da sah er ihn wieder. ZANE!
Sogar wenn er die Augen schloss sah der den Blödmann vor sich. Seine Gestalt, sein Auftreten. Die Art wie er ein Duell bestritt.
Verärgert über sich selbst, boxte der Junge nun in sein Kopfkissen. Einmal, zweimal… Es folgten noch einige Schläge ehe er sich das Kissen vors Gesicht drückte um zu verhindern dass er seine Wut hinausschrie.
Wie gesagt… An Schlaf war nicht zu denken. Dazu spukte ihm Zane zu stark im Kopf herum. Vielleicht sollte er versuchen sich etwas auszupowern? Sich müde zu machen?
Gedacht, getan!
Er stieg vorsichtig aus dem Bett, um die anderen nicht zu wecken. Schlüpfte in seine Klamotten und schlich aus dem Zimmer, dann über den Flur, und schließlich nach draußen, wo ihm die frische Nachtluft sanft ins Gesicht wehte.
Jaden atmete tief ein und aus. Dann beschloss er ein wenig spazieren zu gehen wenn er sowieso schon hier draußen war. Solange er nicht erwischt wurde, sprach auch nichts dagegen sich ein wenig die Beine zu vertreten. Also führte ihn sein Weg durch die laue Nacht und er versuchte krampfhaft an etwas anderes zu denken als an den großen Bruder seines besten Freundes. Es konnte doch nicht wahr sein das der Typ ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.
Immerhin war Zane ein KERL!
Wenn er jetzt an Alexis denken würde, dann würde er es ja verstehen. Sie war hübsch, klug, etwas zickig manchmal, aber eben ein Mädchen. Das aber in seinem Kopf nur Platz für diesen arroganten Kerl war, ging ihm einfach nicht in die Birne.
Mit eingezogenem Kopf marschierte er weiter. Wütend auf die ganze Welt wie es schien, aber hauptsächlich ärgerte er sich über sich selbst und seine Gedanken. Es ließ sich nun mal nicht von der Hand weisen das er…Ja! Dass er auf Zane stand. Das er…verknallt in ihn war.
„Scheiße“, murmelte er und trat gegen einen Baumstamm, der ihm gerade Recht kam um seine Wut an etwas auszulassen. „Das darf doch nicht wahr sein.“
„Sprichst du immer mit dir selbst?“, ertönte nun eine leider zu bekannte Stimme vor ihm, und Jaden riss die Augen auf, um in der Dunkelheit etwas sehen zu können. Ein leises rascheln lenkte seinen Blick auf das Gebüsch vor ihm. Dann schob sich eine schlanke Gestalt durch das Blattwerk hindurch und Jaden konnte nicht anders als Zane mit offenem Mund anzustarren als wäre dieser gerade aus dem nackten Erdboden erschienen, und nicht einfach nur hinter ein paar blöden Büschen hervorgekommen.
„Was tust DU denn hier?“, fuhr er ihn jetzt an, da er seine Sprache wiedergefunden hatte.
„Dasselbe könnte ich dich auch fragen“, konterte der Ältere und musterte den hitzköpfigen Jungen von oben herab.
„Ich hab aber zuerst gefragt?“ Na das war sehr erwachsen gewesen, aber Jaden sah nicht ein warum er schon wieder klein bei geben sollte?
Zane hob die Augenbrauen sacht an und antwortete schließlich, nachdem er einen Moment geschwiegen hatte: „Ich konnte nicht schlafen, also ging ich spazieren. Hast du ein Problem damit Kleiner?“
„Nenn mich nicht so“, knurrte Jaden nun und funkelte ihn weiterhin wütend an. Was musste der Kerl auch ausgerechnet hier spazieren gehen? War das Areal der Akademie nicht groß genug?
„Also?“ Jetzt war es an Zane Fragen zu stellen. „Was treibst du hier mitten in der Nacht? Ich denke nicht das es dir erlaubt wurde dich aus der Schule zu entfernen.“
„Was willst du machen? Mich verpetzen? Außerdem hast du hier draußen wohl auch nix verlor ‘n oder?“
„Ich habe die Erlaubnis.“ Er fuhr sich durch das dunkle Haar und behielt den Jungen vor sich auch weiterhin im Auge. „Also? Warum geisterst du des Nachts hier draußen rum?“
Jaden hatte die Fäuste geballt. „Ob du es glaubst oder nicht. Ich konnte auch nicht schlafen. Ich dachte ich lenk mich hier draußen etwas ab, aber du machst den Plan gerade zunichte.“
„Weshalb?“ Zane blieb distanziert, wie immer.
„Weil du hier auch rumgeisterst“, äffte er ihn nach. „Is schwer seine Ruhe zu finden wenn man dem Grund für seine…“ Er brach ab. Verdammt! Jetzt hatte er sich verraten. Zane war sicher nicht so bescheuert das er das jetzt nicht mitbekommen hatte. Verflucht nochmal… Warum hatte er bloß nicht den Mund gehalten?
Zane wirkte einen Moment überrascht. Man sah ihm an das er nachdachte, und wohl zu dem richtigen Schluss gekommen war, denn jetzt grinste er. Etwas, das er höchst selten tat. „Soll das heißen ICH bin der Grund für deine Schlaflosigkeit?“
Jaden wurde knallrot, und er war froh dass es dunkel genug war um das vielleicht nicht al zu gut erkennen zu lassen.
„Klar“, keifte er, „Wie soll ich denn weiterkommen wenn Typen wie du meinen etwas Besseres zu sein als alle anderen?“
„Denkst du so? Das ich denke etwas Besseres zu sein?“
Jaden sah ihn weiterhin sauer an, aber je länger er ihn ansah, desto mehr verrauchte seine Wut. Woher das kam konnte er aber nicht sagen. Stattdessen meinte er: „Na ja, is ja nicht so als würdest du der besonders herzliche Typ sein oder?“
„Möglich das es so aussieht…ja.“
„Und gesprächig bist du auch nicht. Das verstärkt das Gefühl nur noch. Aber ich denke du bist nicht anders als wir anderen, oder…als ich. Ich kann dir beweisen dass ich mehr bin als nur ein kleiner Duellant. Wenn du mich lässt Zane?“
Der Ältere lächelte nun wieder, oder noch immer? Jaden konnte es nicht sehen. Aber er spürte wie der andere nun näher kam.
„Und es ist also nur die Tatsache dass ich deine Herausforderungen bisher abgelehnt habe, die dich schlaflos sein lässt?“, fragte Zane nun nach.
„Was sollte es sonst sein?“ Jaden fühlte sein Herz schneller schlagen als der andere noch näher kam. „Weshalb kannst du denn nicht schlafen?“
Die dunklen Augen des Älteren schienen sich mit ihrem Blick in die von Jaden zu brennen, der wie gebannt diesem Blick entgegen hielt. Dann beugte Zane sich plötzlich noch weiter vor und seine Lippen legten sich auf die des Jüngeren, welcher die Augen erstaunt aufriss, aber nicht fähig war den anderen von sich zu stoßen.
Das gelang ihm erst einige Sekunden später und er wich schwer atmend vor Zane zurück, der ihn immer noch genau musterte.
„Was sollte denn das jetzt?“, fragte Jaden atemlos und starrte den anderen entgeistert an. Seine Lippen prickelten aufgrund des Kusses, ja…Kusses! Zane hatte ihn geküsst. Großer Gott!
„Das war die Antwort auf deine Frage“, erwiderte der Ältere nun gelassen, doch seine Augen wirkten anders als sonst. Jaden atmete schwer und fühlte wie sein Herz unruhig gegen seine Brust schlug.
„Soll das heißen, du konntest nicht schlafen wegen…mir?“ Er war fassungslos, und noch fassungsloser wurde er, als Zane nickte und wieder näher kam und gegen seine Lippen wisperte: „Genauso ist es Jaden. So und nicht anders…“, dann trafen sich ihre Lippen erneut und diesmal wich der Jüngere nicht zurück, sondern erwiderte den zarten Kuss vorsichtig um sich dann in diesem zu verlieren….
„Jaden! Jaden! Wach auf! Du kommst sonst noch zu spät.“ Die Stimme von Syrus war es, die ihn schließlich dazu brachte die Augen zu öffnen und zu blinzeln, da das Licht in blendete.
„Nun komm schon du Schlafmütze. Wir kommen sonst noch zu spät“, sprach sein Freund weiter und wand sich dann ab um seine Bücher zusammen zu sammeln.
„Ein Traum“, flüsterte Jaden nun und starrte ins Leere. „Es war nur ein Traum gewesen?“ Leichte Enttäuschung kam in ihm auf, die dann stärker wurde.
Ja! Es gab keinen Zweifel mehr. Er war verknallt in Zane, und nicht nur dass…Er träumte auch von ihm.
Schade dass es nur ein Traum war, denn irgendwie…hatte es sich gut angefühlt, das Gefühl der weichen Lippen auf seinen. Der Ausdruck in den dunklen Augen des anderen, den er aber schon einmal auch in Wirklichkeit gesehen hatte.
War es vielleicht möglich dass…Nein! Oder doch? Konnte das sein?
„Nun mach endlich Jaden. Wir kommen zu spät“, ermahnte ihn Syrus noch einmal, und er erhob sich wirklich um sich anzuziehen, wobei er daran dachte das…es vielleicht doch einen anderen Grund geben könnte weshalb Zane so seltsam zu ihm war.
Er würde versuchen es herauszufinden. Vorsichtig, diskret denn, die Hoffnung starb bekanntlich doch immer zuletzt….