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Far Away

von

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23

Vorsichtig nippte ich an der Wasserschale, die Alisha mir an die Lippen hielt. Das kühle Nass befeuchtete meine Kehle und füllte ein wenig das riesige Loch in meinem Magen. Mit einem erleichterten Seufzer lehnt ich mich an die Wand hinter mir und lauschte anstrengt nach irgendwelchen hinweisen, ob man Malika nun gefangen hatte oder nicht.

Allerdings machte Alishas ständiges Geplapper das unmöglich. Sie redete vom Wetter, ihren Kindern, der neusten Mode... kurz: über nichts, was mich im Moment interessiert hätte.

Ich wollte lieber wissen was mit meinen Augen loswar, ob Malika verhaftet worden war oder ob die Mordanklage gegen mich aufgehoben war.

Obwohl: ersteres wohl eher doch nicht. Was wenn ich blind war? Wenn dieses hoheitliche Miststück mich so schwer verletzt hatte, dass jede Hilfe nutzlos war?

Ich erschauerte und versuchte diese Gedanken wieder zu verscheuchen. Perokapriester konnten Verletzungen mit Magie heilen, bestimmt würden sie auch meine Augen wieder hinkriegen. Und wenn nicht? Dann konnte ich später immer noch ausflippen.

„Könnte ich noch etwas Wasser haben?“ meine Stimme krächzte immer noch, aber wenigstens schmerzten nur noch meine Kehle und meine Augen, meine Haut fühlte sich normal an. Entweder war ich wochenlang bewusstlos gewesen und alles war von allein verheilt, oder, was wahrscheinlicher war, man hatte mich geheilt.

„Aber natürlich Mylady!“ erneut wurde eine Schale an meine Lippen gehoben und ich schluckte gierig.

„Mehr!“ ein leises Kichern, dann plätscherte Wasser. Himmel, ich hatte Durst! Doch die Schale kam nie an meinem Mund an.

Stattdessen hörte ich einen dumpfen Laut und im nächsten Moment durchnässte etwas, hoffentlich Wasser, meinen Rock.

„Was ist los?“ ich war verwirrt. Nichts sehen zu können war absolut grauenhaft.

„Alisha?“ Statt einer Antwort wurde ich am linken Arm gepackt und grob auf die Beine gezerrt.

„Komm mit du kleines Miststück! Mal sehen, wie weit der Prinz geht, um dich zurückzubekommen!“ Maketatons unangenehme Stimme jagte mir Schauer über den Rücken und mir blieb nichts anderes übrig, als mich über den Hof und die Treppen hinauf schleifen zu lassen.
 

Maketaton hatte all ihre Kraft in den Schlag gesteckt, mit dem sie die Ärztin niedergestreckt hatte und zerrte Etienne hinter sich die Treppen hinauf.

Es war ihr egal, dass die junge Frau mehrmals fast stürzte, genauso wie es ihr egal war, dass sie vielleicht nie wieder würde sehen können, oder dass sie selbst vielleicht sterben würde.

Alles was zählte war das Leben der Prinzessin zu retten. Niemand würde der Frau etwas zu leide tun, die sie vor einen grausigem Schicksal bewahrt hatte. Die ihr im dunkelsten Moment ihres Lebens als einzige die Hand entgegengestreckt hatte.

Wäre sie nicht gewesen hätte ihr Vater sie mit dreizehn an ein Bordell verkauft, nur um sich von dem Geld noch mehr Alkohol zu kaufen. Die Narbe auf ihrem Bauch, entstanden als er einmal betrunken mit einem Messer auf sie los war, erinnerte sie immer wieder daran, wie tief sie in Prinzessin Malikas Schuld stand.

Wild entschlossen zerrte sie die blonde Frau auf die Mauerbrüstung, hielt sie wie ein Schutzschild vor sich und hielt ihr ein Messer an die Kehle.

„Siamun Terupin! Wenn ihr die Kleine lebendig zurückhaben wollt, lasst die Prinzessin gehen!“
 

Auf dem Hof herrschte totenstille. Selbst Malika schien den Atem angehalten zu haben.

Siamun konnte es nicht fassen. Wie hatte er so blöd sein können?

Er hatte sie allein gelassen! Warum hatte er Horace nicht bei ihr gelassen? Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen eine Wand gehauen. Aber das hätte leider nichts gebracht. Er brauchte einen Plan. Und Zeit.

„Und wer sagt mir, dass du sie gehen lässt, wenn ich Malika freilasse?“ vielleicht konnte er sie so sehr aus der Fassung bringen, dass sie einen Fehler machte.

„Reicht euch etwa mein Wort nicht?“

„Reicht die meines, dass ich Malika gehen lasse sobald Etienne sicher hier unten angekommen ist?“

„Aua!“ der leise Schrei der kleineren Frau war offenbar die Antwort: Nein!

Der Prinz ballte die Fäuste. Im blieb wohl nichts anderes übrig als mitzuspielen.

„Lass sie gehen!“ Horaces Gesichtsausdruck nach zu schließen gefiel ihm das überhaupt nicht, aber er liebte Etienne wie eine Schwester und würde ihr Leben niemals gefährden. Wiederwillig löste er das Seil, mit dem er Malika gefesselt hatte und gab ihr einen Schubs in Richtung Ausgang.

„Verschwinde, bevor ich es mir anders überlege!“
 

Also so langsam reichte es mit dem hin und her gelaufe! Wenn Maketaton hier einen Marathon veranstalten wollte sollte sie doch, aber bitte ohne mich!

Ich verfehlte eine Stufe und wäre beinahe mitsamt meiner „Begleitung“ die Treppe runtergestürzt, aber Mailkas Dienerin war stärker als sie aussah und schaffte es, uns beide irgendwie abzufangen. Eigentlich schade!

„Gut gemacht Maketaton!“ Aha! Wir waren offenbar draußen und hatten Malika getroffen. Na super! Wenn die beiden mich gehen ließen würde ich einen Besen fressen. Und tatsächlich, ich wurde weiter gezerrt, wer hätte das gedacht.

Die Dunkelheit hinter meinen Liedern machte mir Angst. Es kam mir vor als würde ich in tiefer Nacht umherirren, obwohl es nach der Temperatur zu urteilen wahrscheinlich eher früher Nachmittag war. Die Sonne brannte auf meinen Kopf und bald würde es unerträglich heiß sein.

Ich wusste nicht, wie lange ich durch die Gegend gestolpert war, als die beiden schließlich stehen blieben. Was hatten sie denn jetzt vor? Neugierig spitzte ich die Ohren um möglichst viel von ihrem leisen Gespräch mitzubekommen gab, es aber nach kurzer Zeit auf und versuchte irgendeinen Ausweg zu finden.

Wegrennen konnte ich nicht, ich wäre sowieso nur bis zur nächsten Wand gekommen. Durch die Verletzungen an meinen Augen und dem Verband konnte ich meinen neuen ‚schau- mir- in- die- Augen- Kleines’- Trick auch vergessen. Blieb nur noch meine restliche Magie.

Beinahe seufzte ich erleichtert auf, als ich in meinem Inneren den vertrauten schwarzen Ball entdeckte. Die Frage warum zum Teufel ich ihn trotz allem sehen konnte wurde von Entsetzten überschattet. Die Kugel, die sonst hell geleuchtet hatte, glomm nur noch leicht, es würde also noch einige Zeit dauern, bis die Drogen wieder aus meinem Körper verschwunden waren.

Trotzdem startete ich einen Versuch und stupste den Ball sanft an, welcher daraufhin kurz aufflackerte, sonst passierte nichts. Verdammt, ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich ein ziemliches Problem hatte. Malika und Maketaton würden mich nicht am Leben lassen, eher würde die Hölle einfrieren!

Ich wünschte, ich könnte etwas sehen. Am liebsten hätte ich den Verband abgerissen, aber was hätte das genützt? Trotzdem tasteten meine Hände darüber, suchten den Knoten und zupften daran.

Mit Gewalt zwang ich meine Arme wieder nach unten. Es würde schon seinen Grund haben dass er da war. Stattdessen tastete ich lieber nach einer Wand. Ich war müde, mein Fuß ohne Schuh tat mir weh und wollte mich einfach nur noch irgendwo anlehnen. Oder noch besser: hinlegen und eine Woche schlafen.

Unsicher machte ich ein paar Schritte nach rechts und streckte Hilfe und Haltsuchend die Arme aus. Himmel, wie hielten Blinde das nur aus?

Grob wurde mein Handgelenk gepackt und ich hörte Maketatons schnarrende Stimme direkt an meinem Ohr.

„Wo willst du denn hin, Kleine?“ bevor sie mich so heftig zurückriss, dass ich beinahe gestürzt wäre.

Kleine? Wie konnte sie es wagen, Siamuns Spitznamen für mich zu benutzen? Wütend wollte ich ihr auf den Fuß treten und traf daneben. Oder davor. Keine Ahnung. Als ich zu einer spitzen Bemerkung ansetzten wollte spürte ich einen Windhauch, als wäre etwas an meinem Kopf vorbeigeflogen, im nächsten Moment schrie Malikas Dienerin auf. Dem dumpfen Geräusch nach zu urteilen hatte sie etwas am Kopf oder sonst wo getroffen. Wobei... wenn es bei mir am Kopf vorbeigeflogen war musste es bei ihr etwa Brusthöhe gewesen sein.

Aber egal, ich fühlte, wie ihre Hand sich lockerte, riss mich los, drehte mich um und rannte los.

Direkt in die nächste Wand! Mist! Das war ja so was von klar gewesen! Vorsichtig tastete ich meine Nase ab und stellte erleichtert fest, dass sie offenbar nicht gebrochen war sondern nur blutete.

„So tut doch etwas, Prinzessin!“

„Und was denn? Hast du vergessen, dass ich für die meisten meiner Fähigkeiten Berührungen brauche?“ Aha, das war ja hoch interessant.

Mit einer Hand an der Wand tastete ich mich vorsichtig die Straße entlang, immer weg von den Stimmen meiner Kidnapper. Als ich eine Hand an meinem Oberarm spürte bekam ich vor Schreck beinahe einen Herzinfarkt.

Als mich ‚Wer auch immer’ mitziehen wollte stemmte ich die Fersen in den Boden. Noch einmal würde ich mich nicht durch die Gegend zerren lassen.

„Wer bist du?“ Lady Neriman wäre bestimmt stolz auf mich gewesen. Meine Stimme zitterte nicht einmal halb so sehr wie meine erschöpften Beine.

„Ich bin es, Seth!“ Vor Erleichterung hätte ich beinahe geweint.

„Was machst du hier?“

„Daria hat uns um Hilfe gebeten. Komm, solange die anderen sie noch ablenken!“ Das lies ich mir nicht zweimal sagen. Im Gegensatz zu Maketaton führte er mich vorsichtig, warnte mich vor spitzen Gegenständen und Hindernissen sodass wir ohne große Zwischenfälle ankamen, wo auch immer Seth mich hinbrachte.

Das leise Gemurmel lies mich auf Malikas Palast schließen, aber ganz sicher war ich erst, als sich zwei kräftige Arme um mich schlangen und mich hochhoben, als würde ich nichts wiegen. Der vertraute Geruch von Weihrauch und etwas, dass ich auch nach all der Zeit immer noch nicht identifizieren konnte stieg mir in die Nase und beruhigte mich. Siamun. Jetzt würde alles gut werden. Ich war in Sicherheit.

Das waren meine letzten Gedanken bevor ich erschöpft einschlief, meinen Kopf an der Schulter des Prinzen.
 

Einen Tag später:
 

Als ich wieder aufwachte war für einen Moment alles wie immer. Ich lag im Bett, eng an Siamun gekuschelt, mein Kopf auf seiner Brust.

Offenbar war es noch mitten in der Nacht, es war so dunkel, dass ich absolut nichts erkennen konnte. Seltsam. Mit einem Schulterzucken wollte ich mich wieder unter die Decke kuscheln als mir auffiel, dass es für mitten in der Nacht viel zu warm war. Normalerweise fielen die Temperaturen Nachts unter den Gefrierpunkt!

Mit einem Schlag kam alles zurück. Der Hinterhalt, meine Gefangenschaft und die Sache mit meinen Augen. Ruckartig setzte ich mich auf und tastete mein Gesicht ab. Keine spürbaren Narben oder Verletzungen, nur der Verband um meinen Kopf.

„Ganz ruhig!“ Siamuns tiefe Stimme floss wie Balsam über meine Nerven.

„Wie lange bist du schon wach?“ ich drehte mich zu ihm und tastete vorsichtig nach seinem Gesicht, wenn ich ihn schon nicht sehen konnte.

„Schon eine ganze Weile. Ich wollte dich nicht wecken, es sah aus als hättest du den Schlaf bitter nötig.“ Ich strich über seine Lippen und merkte, dass er leicht lächelte.

„Hat der Arzt schon etwas über meine Augen gesagt?“ das Lächeln verschwand.

„Das hat sich noch niemand angesehen. Ich rufe Rhia damit sie dir beim Waschen und Anziehen hilft und dann hole ich den Hofarzt. Und wenn dass nichts hilft eben den obersten Perokapriester. Und wenn deine Augen geheilt sind kannst du endlich dein Zimmer aufräumen. Da drinnen sieht es ja aus wie in einer Abstellkammer!“ ich hörte den Schalk in seiner Stimme und beschloss mitzumachen.

„Hey! Dieses Chaos hat ein hochkomplexes System!“ schmollend schob ich die Unterlippe vor und zupfte mit den Fingern an meinen zerzausten Haarsträhnen.

Ungefähr eine Stunde später entfernte der Doktor den Verband und wies mich an, die Augen geschlossen zu halten. Seine Finger massierten sanft meine Schläfen und erleichtert merkte ich, wie das brennen hinter meinen Augenliedern weiter nachließ und schließlich komplett abebbte. Ein tiefer Seufzer entwich meiner Kehle.

„Bevor ich euch nun bitte die Augen zu öffnen muss ich euch noch mitteilen, dass ich nicht alle Schäden beheben konnte. Das hätte gleich danach passieren müssen.“ Nur leider waren die Verletzungen fast zwei Tage alt.

„Vermutlich wird eure Sehkraft nicht ganz zurückkommen. Öffnet jetzt bitte langsam eure Augen!“

Ich schluckte heftig, holte tief Luft und hob langsam die Lieder. Doch ich musste sie sofort wieder schließen weil das Licht furchtbar grell in meine Augen stach. Ich wartete bis das brennen nachließ und startete einen zweiten Versuch.

Diesmal hob ich erst eine Hand um mich gegen die Sonne anzuschirmen, dann hob ich die Augenlieder langsam, Stück für Stück.

Alles in meinem Blickfeld war total verschwommen, als würde ich durch einen Wasserfall blicken. Ich konnte zwar Farben und Konturen erkennen, aber alles schien irgendwie ineinander zu verlaufen. Das Teilte ich auch dem Arzt mit.

„Das sollte sich in den nächsten Tagen bessern. Ich werde Morgen noch einmal vorbeikommen.“ Mit diesen Worten verlies der Arzt den Raum.

Gedankenverloren saß ich da, bis Scharlatan auf meinen Schoß sprang und getsreichelt werden wollte.



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