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Far Away

von

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19

„Was soll das heißen, sie ist verschwunden?“ Erjon, der ehrenwerte Vorsitzende des Beraterstabs, von Etienne auch liebevoll „Mr. Spitznase“ genannt, machte ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

„Das was ich gesagt habe!“ genervt schloss Siamun die Augen und massierte sich die Schläfen.

„Sie ist weg, nicht mehr da, sie hat uns verlassen, ihr Zimmer ist leer, sie weilt nicht mehr unter uns! Reicht das? Ich hab noch mehr!“

„Und wie konnte das bitteschön passieren?“

„Lord Erjon!“ genervt flüchtete sich der Prinz in eisige Höflichkeit.

„Dürfte ich Sie daran erinnern, dass es einige Personen im Palast gibt, die Etienne sehr zugetan sind und die ihr einen Mord niemals zutrauen würden? Zwei der Küchenhilfen sind heute morgen nicht zur Arbeit erschienen und sie gehören zu genau dieser Gruppe!“

„Eure Hoheit wollen mir doch nicht etwa erzählen, dass zwei Küchenhilfen ein duzend Wachen überwältigen konnten!“

„Nein! Sie haben sie nicht überwältigt, sondern ihnen ein Schlafmittel ins Essen getan! Oder glauben Sie, alle wären zufällig zur gleichen Zeit eingeschlafen?“

Erjon öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, schloss ihn dann aber unverrichteter Dinge wieder.

„Wie auch immer“ meinte er nach kurzen Zögern.

„Ich werde sofort einen Suchtrupp zusammenstellen! Die Mörderin muss so schnell wie möglich gefunden werden und dann werde ich sie höchstpersönlich in die dunkelste Zelle sperren, die ich finden kann!“

Der Kronprinz verkniff sich jeden Kommentar. Er hatte schließlich einen Mörder zu finden!
 

Ich langweilte mich. Wie lange war ich schon hier? Eine Woche? Zwei?

Ich seufze laut, während ich einem etwa zehnjährigen Mädchen Namens Anuket die Haare kämmte. Unter den Frauen war das „französischer Zopf-Fieber“ ausgebrochen und ich war inzwischen bei Zopf Nummer zwanzig. Die Leute, insbesondere die Kinder, schienen langsam ihre Scheu vor mir zu verlieren.

„Aua!“ rief ich, als Suada beim Versuch mir einen Zopf zu flechten etwas zu stark zog. Um sie herum standen ungefähr ein duzend Frauen und Mädchen, die alle schlaue Kommentare abgaben, die aber alles nur noch schlimmer machten.

Wenn das so weiter ging, hatte ich am Abend keine Haare mehr!

„Was willst du denn?“ die ärgerliche Stimme der selbsternannten „Meisterin der Zöpfe“, für alle anderen aber immer noch Suada, brachte mich dazu den Blick von Anukets dunkelbraunen Haaren abzuwenden.

Der Junge der mit dem Messer auf mich losgegangen war kam auf mich zu. Aus reiner Angewohnheit legte ich den Kopf schief, was ich sofort bereute, denn mein Haar, das immer noch den Frisierversuch über sich ergehen lassen musste, ziepte heftig.

Ich zischte verärgert auf und brachte mich wieder in eine aufrechte Position.

Werder auf Suadas Frage noch auf meine Geste ging er ein, sondern setzte sich einfach nur auf den Boden, lehnte sich gegen die Wand und beobachtete mich aus dunklen Augen.

Erst als ich fertig war rückte er mit dem Grund für sein Auftauchen raus.

„Ich möchte mit dir sprechen! Allein!“ fügte er noch hinzu, als ich keine Anstalten machte aufzustehen.

Kurz wog ich in meinem Kopf das für und wieder ab, stand auf und klopfte den Schmutz von meinem Rock.

Er würde schon nicht so blöd sein und mich ein zweites mal angreifen. Und selbst wenn, seit ich meinen Schild unter Kontrolle hatte führten Derian und ich ein Dauerduell um den Platz des Klassenbesten. Ich war also alles andere als Wehrlos. Wenn man mich nicht gerade mit Drogen voll pumpte!

Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Daria sich von der Gruppe Frauen, mit der sie sich unterhalten hatte, entfernte und uns in einen kleinen Raum folgte, der mir bisher nie aufgefallen war.

Während ich darauf wartete, dass er etwas sagte, trat die ehemalige Küchenhilfe hinter mich und begann, den Knoten, den Suada in meine Haare gemacht hatte, zu entwirren.

Durch das vernagelte Fenster fiel gerade genügend Licht um das Gesicht des Jungen zu erkennen.

„Nein, sie wird nicht weggehen!“ beantwortete ich die unausgesprochene Frage.

Mit einen Seufzen fuhr er sich durchs Haar, das aussah, als hätte es ein wildgewordener Gärtner mit einer Heckenschere geschnitten.

„EstutmirLeid!“ der Satz war genuschelt und so schnell hervorgepresst worden, dass ich kaum etwas verstand.

„Was?“

„Ich hab gesagt, dass es mir Leid tut!“ seinem zerknirschten Gesichtsausdruck nach schluckte er gerade einiges an Stolz hinunter.

Diesmal seufzte ich.

„Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass es in Ordnung ist. Andererseits kann ich dich auch verstehen. Aber mit einem Messer auf mich loszugehen? Was hätte dir mein Tod gebracht?“

Der Junge gab mir keine Antwort, stattdessen fand er den Boden unter meinen Füßen plötzlich sehr interessant.

„Ich bin sicher, deine Eltern hätten nicht gewollt, dass du wegen ihnen zum Mörder wirst!“ mit diesen Worten legte ich ihm eine Hand auf die Schulter.

Ich musste mir dringend etwas ausdenken um diesen Leuten zu helfen! Ob der Prinz mich wohl eine Suppenküche einrichten lassen würde? Ich konnte ja schlecht alle in den Palast schleppen, schließlich war er das Regierungszentrum und kein Wohnheim für Obdachlose.

Er blickte mich an wie ein begossener Pudel.

„Wie heißt du eigentlich?“ versuchte ich das Thema zu wechseln, was sich aber als überflüssig erwies, da Aziz im selben Moment vom Markt zurückkehrte.

Er und Daria hatten noch eine zusätzliche Aufgabe: Sie erzählten überall herum, dass man mir den Mord am König in die Schuhe schieben wollte.

Damit wollte der Prinz meine Gefangennahme noch etwas erschweren.

„Mylady?“ fragend blickte er sich um.

„Ich komme gleich!“ rief ich und wandte mich wieder dem dürren Kind vor mir zu.

„Also? Verrätst du mir jetzt deinen Namen oder nicht?“

„Seth! Ich heiße Seth!“ Ich musste lächeln.

„Das ich Etienne heiße weißt du ja wahrscheinlich!“

Immer noch leicht keuchend drückte mir Aziz ein Stück Papyrus in die Hand.

„Das hat mir ein Bote auf dem Markt gegeben!“

Ich brauchte ein bisschen um die Mitteilung zu verstehen, bei zwei Worten musste ich sogar um Hilfe bitten.

‚Triff mich heute Nacht in der hinteren Gasse am Marktplatz’ keine Unterschrift, kein Siegel, schließlich wusste man ja nie, wer eine Nachricht in die Hände bekam.

Lächelnd faltete ich den Zettel in der Mitte und ging damit zu einer der Fackeln. Wenn ich den Prinzen treffen sollte konnte das nur eines bedeuten: er hatte den Mörder gefunden.

Der Papyrus fing sofort Feuer, ich lies ihn fallen und beobachtete, wie er zu einem Häufchen Asche wurde. Bald konnte ich wieder zurück!

Einige Stunden später lief ich, wieder einmal in meinen Umhang gehüllt, zusammen mit Aziz über den Markplatz.

Die Gasse, in der wir warten sollten lag ziemlich abgelegen und sie war auch ziemlich dunkel. Ein seltsames Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Irgendwie hatte ich plötzlich ein ganz mieses Gefühl bei der Sache.

Heftig schüttelte ich unter meiner Kapuze den Kopf. Ich würde doch nicht anfangen Paranoid zu werden? Nur weil ich hier einmal entführt und einmal öffentlich gebrandmarkt worden war?

Automatisch wanderte meine Hand zu meinem linken Schulterblatt, wo für den Rest meines Lebens das Wort „Verrat“ stehen würde.

Mit einem tiefen Seufzen lehnte ich mich an die Wand. Jetzt hieß es warten.

Aus Langeweile fing ich an, einen Stein durch die Gasse zu kicken. Dann starrte ich den Mond an. Schwarze Wolken schoben sich davor und gaben ihn wieder frei. Wenn ich lange genug hinstarrte erkannte ich Formen. Da war ein Haus, ein Elefant, ein Schuh...

So langsam könnte aber mal jemand kommen! Mit diesem Gedanken rieb ich mir fröstelnd die Arme. Nachts wurde es hier eiskalt. Die Wand an der ich lehnte gab zwar noch etwas Wärme ab, aber bei gefühlten minus zwanzig Grad würde das nicht lange helfen.

Endlich hörte ich Schritte und wollte schon erleichtert aufatmen, doch zu meinem Entsetzen merkte ich, dass mir keiner der Männer auch nur im Entferntesten bekannt vorkam.

Und noch viel wichtiger: wo zum Teufel war Siamun?

„Wer seid ihr?“ eine durchaus berechtigte Frage, die ich da stellte.

„Das tut nichts zur Sache! Komm einfach mit und mach uns keinen Ärger!“ sämtliche Haare auf meinen Armen stellten sich auf. Irgendwie war die Situation ähnlich wie die damals mit Kija! Hoffentlich war diesmal das Ende anders, ich wollte nicht noch mehr Menschen töten!

Ganz offensichtlich hatte man uns reingelegt! Die Nachricht war nicht von Siamun gewesen und das konnte nur eins bedeuten: irgendjemand hatte einen Spion im Palast. Und aufgrund des Schneeachats, der bei einigen der Männer den Schmuck zierte, tippte ich auf Malika.

Tippen und im dunkeln Tappen konnte ich allerdings auch später noch, jetzt musste ich erst mal hier weg.

Also schnappte ich mir Aziz und zog ihn tiefer in die Gasse hinein, die sich zu meiner Bestürzung aber als Sackgasse herausstellte.

Ich stieß einige deutsche Flüche aus und schob mich vor meinen ehemaligen Mitsklaven, was im Grunde aber lächerlich war, da er etwas größer war als ich.

Allerdings war ich hier die Priesterin die mit Dolchen um sich werfen und Leute abfackeln konnte.

Während die Männer immer näher kamen, wichen Aziz und ich bis kurz vor die Wand zurück. Immerhin einen Vorteil hatte die Sackgasse: es konnte niemand von hinten angreifen!

Ich lies zur Aschreckung ein Paar Dolche vor mir schweben, während ich fieberhaft überlegte, wie ich einen Angriff abblocken konnte.

Warum verdammt noch mal hatte ich absolut lein Talent für Schutzschilde? Und warum konnte man mich nicht einfach in Ruhe lassen?

Okay, Schluss damit! Ich atmete tief ein, konsentrierte mich auf den Ball in meinem inneren und lies ihn anschwellen, bis mich die Magie ganz ausfüllte und nach außen trat.

Diesmal allerdings nicht in Form von Dolchen, sondern als Druckwelle, ähnlich der mit der ich damals auf dem Marktplatz Also mitsamt Tempeldiener ausgeschaltet hatte.

Zum Glück für meine Gegner hatte ich diesmal die Kontrolle, sodass sie zwar gegen die nächste Wand knallten, sich dabei aber keine größeren Verletzungen zuzogen.

„Lasst mich in Ruhe, ich will euch nicht wehtun!“ die einzige Antwort darauf war ein spöttisches Lachen. Einer der Männer hatte das Glück, nicht die Mauer sondern einen seiner Kameraden getroffen zu haben, auch wenn dieser das vielleicht nicht unbedingt als Glück bezeichnet hätte.

Er hob den Arm um etwas nach mir zu werfen, doch ich war schneller und nagelte seinen Ärmel mit einem meiner Dolche fest.

Ich wollte gerade nach Aziz greifen, um ihn an den noch recht orientierungslosen Männern vorbei zu zerren, als in meinem Hinterkopf Schmerz explodierte.

Beim Versuch das Gleichgewicht zu halten taumelte ich gegen eine Wand, die Dolche fielen klirrend zu Boden und lösten sich auf.

Völlig verwirrt berührte ich mit einer Hand die schmerzende Stelle, während ich mich mit der anderen immer noch an der Wand abstützte.

Irgendetwas feuchtes lief über meinen Nacken und durchweichte die Rückseite meines Kleides.

„Damit hast du wohl nicht gerechnet, was du Zwerg?“ der Mann, den ich vorhin an die Wand genagelt hatte, lachte schon wieder, aber ich ignorierte ihn und starrte weiter meine Hand an.

Meine Fingerspitzen waren rot, blutrot!

„Was..., wie...“meine gestammelten Versuche eine Frage zu stellen lösten auch bei den anderen Gelächter aus.

Ich drehte ruckartig den Kopf, um sie wütend anzufunkeln und das nächste das ich sah waren die Wände, die auf mich einstürzten.



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