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Die Priesterin

von

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out of control

Es war lang nach Einbruch der Dunkelheit. Azra umfasste den Gardedolch fester, den sie der ersten erschlagenen Wache der Nacht abgeknöpft hatte.

Im Haremshaus war es nie vollständig dunkel, kleine Fackeln beleuchteten notdürftig die Gänge und Gärten. Azra hielt sich fern von diesen Lichtquellen, als sie zielstrebig auf die letzte Mauer zulief. Wenn sie die überwunden hatte, war sie in Freiheit.

Es lag nicht daran, dass es Azra anwiderte, Haremsdame zu sein, dass ihr die Süßigkeiten zuviel wurden oder die wenigen Nächte mit dem Fürsten ihr unangenehm waren. Er mochte ein schlechter Herrscher sein, für seine Frauen war er ein humorvoller, romantischer Ehemann. Man merkte ihm an, dass ihm die Rolle als ihr Geliebter gefiel. Leider hatte Azra eigene Pflichten zu erfüllen. Sie war durch einen dummen Zufall in den Harem geraten, eigentlich war sie zu einem anderen Zweck geboren worden.

Es war Azras fünfter Ausbruchsversuch in der Woche. Vermutlich sah der Fürst es inzwischen als Amüsement an, als Spiel. Ein Wettstreit zwischen seinen Wachen und seiner Frau. Vielleicht war er noch wach und wartete bereits auf die Rufe, das Trappeln der Soldatenstiefel,... Andererseits hatte Azra diesmal einige Wächter umgebracht. Sie wusste nicht, ob sie im Falle des Scheiterns ein weiteres Mal schadlos bleiben würde.

Vermutlich würde man sie köpfen.

Azra konnte die letzte Mauer bereits am Ende der schmalen Straße sehen, als der Wächter um die Ecke bog. Sie hatte ihn nicht kommen gehört. Trotz seiner schweren Stiefel. Perplex blickte sie ihn an. Entschlossen blickte er zurück. Nach vier solcher Nächte war die fünfte nicht mehr verwunderlich.

Es war ein junger Mann, schmal wie ein Kind. Eigentlich hatte Azra niemanden umbringen wollen, sie handelte schließlich nicht aus Hass. Einen Burschen töten... Azra versuchte es anders: „Hör mal, ich will dich nicht verletzen, Schatz, also dreh dich um und tu so, als ob du mich nie gesehn hättest.“

Entweder der junge Mann hatte zu freundliche oder gar keine Schwestern, und verheiratet war er wohl auch noch nicht... Auf alle Fälle sah man ihm deutlich an, dass ihm allein der Gedanke, eine Frau könnte ihm körperlich schaden, lächerlich vorkam.

Er antwortete natürlich nicht. Es war der Wache streng untersagt, mit den Haremsfrauen zu reden. Er zog nur seinen Säbel.

Azra war ein Mensch mit Bestimmung, man hatte ihr daher beigebracht, zu kämpfen. Sie fühlte sich wohl mit einer Klinge in der Hand. Schnell und ohne dass Stahl auf Stahl gekracht wär – der Kampf musste leise gehalten werden – brachte sich Azra hinter den Jungen und stach zu. Er hatte so viel Vertrauen in seine Fähigkeiten gehabt, dass er nichtmal nach seinen Kameraden gerufen hatte. Er starb gänzlich unvorbereitet und mit einer Miene, die eher verblüfft als vor Schmerz verzerrt wirkte. Mit einem Ruck zog Azra die Klinge aus seinem Leib. Im Stillen entschuldigte sie sich bei der betroffenen Mutter. Die Leiche legte Azra nah an die Wand, wo das Licht schlecht war.

Diesmal lauschte sie besonders aufmerksam, bevor sie loslief. Die letzten Meter waren am herausforderndsten, sie waren völlig deckungslos gehalten. Trockener Sand ohne Büsche oder Steine. Doch Azra hatte vorgeplant. Ihren Schal band sie sich wie einen Mundschutz um, die Öffnungen ihrer Kleidung, die Ärmel, Beinlöcher, verschloss sie mit jenen bunten Bändern, die sich viele Frauen als Schmuck ins Haar flochten. Auf diese Weise zurechtgemacht legte sie sich flach auf den Bauch und kroch wie eine Eidechse über den Wüstensand.

Bald tränten ihre Augen so stark, dass Azra blind ihren Weg finden musste.

Bald kamen trotz des Schals genug Sandkörner in Mund und Nase, um einen unangenehmen Hustenreiz auszulösen. Stur unterdrückte Azra den Druck, schnaufte und würgte, jedoch so leise wie möglich. Nun durfte nichts mehr passieren.

Der patroullierende Wächter des Streifens Nichts tauchte im letzten Lichtkegel des Blickfelds auf. Langsam schritt er über den flüchtigen Sand. Azra blinzelte, bis sie seine verschwommene Gestalt ausmachen konnte. Wie er sich bewegte...

Sie kroch schneller, selbst wenn die Lautstärke dadurch zunahm. Aber wenn es wirklich jener Wächter war, für den Azra ihn hielt, wollte sie ihm auf keinen Fall begegnen. Ihn hätte Azra auf keinen Fall töten können.

Das Knirschen seiner Schritte kam mit jedem Mal bedrohlich näher, obwohl er nur schlenderte. Er war schneller als geplant. Azra wusste, nun kam er in den Radius, in dem er ihr schabendes Kriechen hören würde. Sie hatte keine Wahl. Sie verharrte. Stellte sich tot, flach in den Sand gedrückt, wieder wie eine Eidechse.

Der Wächter schritt voran. Nur eine Armlänge von Azra entfernt, praktisch vor ihrer Nase, kreuzte er ihren Weg. Und meinte, als würde er zu sich selbst sprechen: „Nun hau schon ab, hier kannst du nur noch schaden.“ Azra wagte es nicht aufzusehen. Sie mochte ihn. So sehr, dass sie darüber hinaus vielleicht sogar ihre Bestimmung vergessen hätte. Das konnte sie sich nicht leisten.

Der Wächter ging weiter. Er hatte sein Tempo nicht bei einem einzigen seiner Schritte reduziert. Azra sah das verschwommene Schemen, das er sein musste, langsam davonfließen. Und obwohl sie ihre Augen kaum von ihm wenden konnte, kroch sie stur weiter.

Die Mauer. Obwohl sie als letztes Hindernis noch vor ihr lag, schien sie Azra bereits Rettung genug zu sein. Erleichtert drückte sich die Frau gegen den kalten Stein. Sie tastete nach dem Seil um ihre Mitte mit den kleinen Widerhaken am Ende. Marke Eigenbau. Auf die Konstruktion war Azra mächtig stolz. Sie hätte Ninja werden sollen.

Beinah wär sie von der Mauer in die Tiefe gestürzt, denn beim letzten Stück löste die Konstruktion sich auf. Schnell griff Azra nach dem Rand der Mauer und blieb dort an einem Arm hängen, während das Seil unwiderbringlich in den Wüstensand hinabfiel. Sie murmelte: „Hoppla.“ Griff mit der anderen Hand zu und schwang sich hoch. Auf der anderen Seite herunterkommen würde somit um einiges schmerzhafter werden als geplant. Entschlossen sprang Azra.

Noch eine Stunde Lauf vom Anwesen des Fürsten entfernt konnte Azra kaum glauben, dass sie es tatsächlich geschafft hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  A-Lien
2011-01-23T15:07:30+00:00 23.01.2011 16:07
Yeahhhhh! Sie hats geschafft!
OKay, mein Statement: I love it :D

Erst recht, da ich vorhab in der nächsten Fantasy-Rolli-Runde ne Assasinen-Fee zu spielen und die Beschreibung wie sie sich da entlangrobbte und vorging gefiel mir einfach :)

"Der patroullierende Wächter des Streifens Nichts tauchte im letzten Lichtkegel des Blickfelds auf."
Der Satz irgendwo auf der 2. Seite war kaputt, fehlte n Wort oder so...

Isch leees ma weida :D


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